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Bestrafung (eBook)

Thriller
eBook Download: EPUB
2015
399 Seiten
Heyne (Verlag)
978-3-641-16526-0 (ISBN)
Systemvoraussetzungen
9,99 inkl. MwSt
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Dänemark verliert seine Unschuld, als ein Selbstmordattentäter im Tivoli, dem beliebtesten Vergnügungspark des Landes, eine Bombe zündet. Mehr als Tausend Menschen finden den Tod. Doch niemand bekennt sich zu dem Anschlag, und die Ermittlungen laufen ins Leere. Bis Kommissarin Lene Jensen eine Verbindung zu einem vermeintlichen Selbstmord im U-Bahnhof Nørreport herstellt. Gemeinsam mit Privatdetektiv Michael Sander geht sie der Sache auf den Grund. Sie finden Schreckliches.

Steffen Jacobsen, 1956 geboren, ist Chirurg und Autor. Seine Bücher sind unter anderem in den USA, England und Italien erschienen. Er ist verheiratet, hat fünf Kinder und lebt in Kopenhagen. Nach »Trophäe«, »Bestrafung«, »Lüge« und »Hybris« ist »Sühne« der fünfte Roman um Kommissarin Lene Jensen und Ermittler Michael Sander.

I

Das Auditorium im Polizeipräsidium war brechend voll. Die Leute saßen an den Wänden entlang auf dem Boden und um das Podest des Technikers mit seinen Projektoren und Computern herum.

Das war einer der Vorteile, Kommissarin zu sein, dachte Lene Jensen, die in der Mitte einer Stuhlreihe saß. Sie konnte zumindest immer sicher sein, einen Platz zu bekommen, auch wenn sie in letzter Zeit senkrecht durch die Hierarchie nach unten gefallen war.

Sie saß zwischen anderen Angestellten der Staatspolizei, der Einsatzleitung der Polizei, der Ministerien und des polizeilichen Nachrichtendienstes PET sowie des militärischen Geheimdienstes FE. Die Lohn- und Gewichtsklassen von Belang saßen in der ersten Reihe.

Der Amerikaner auf dem Podium war der bis auf Weiteres letzte Terrorexperte, der nach Kopenhagen eingeladen worden war, um den diversen Dienststellen zu erklären, was an jenem Septembertag vorigen Jahres im Tivoli passiert war – aus historischer und sachkundiger Perspektive.

Er war sonngebräunt, groß und athletisch und hatte Schultern wie ein Offizier. Er trug einen eleganten, marineblauen Anzug mit exakten Bügelfalten, glänzend polierte schwarze Schuhe, ein weißes Hemd mit einer dezent grau gestreiften Krawatte, sah aber aus, als würde er sich in einer ausgeblichenen, leger sitzenden Wüstenuniform viel wohlerfühlen.

Das Mikrofon übersteuerte, worauf der Amerikaner es vom Mund wegführte.

»Wir müssen begreifen, dass im Mittleren Osten niemand den Teufelskreis durchbrechen will oder kann. Gewalt wird unumgänglich mit neuer Gewalt vergolten, was immer mehr Waisen zur Folge hat, die einen tiefen Hass gegen den Westen und Israel hegen. Nehmen Sie das Beispiel der Massaker in den palästinensischen Flüchtlingslagern Sabra und Schatila in Beirut 1982. In der Nacht zum 16. September stürmten christlich falangistische Milizen und Soldaten des libanesischen Heeres die Lager und ermordeten Frauen, Kinder und Alte. Zwei Tage lang trieben sie ungestört ihr Unwesen.«

Hinter ihm wechselten alte Presseaufnahmen zwischen Bunkern mit aufeinandergestapelten Kinderleichen, blutverschmierten, zerschossenen Mauern, brennenden Zelten und Wellblechschuppen. Die Erde zwischen den Schuppen war rot, ebenso die Regenpfützen in den Reifenspuren.

»Nach der Invasion des Libanon oblag dem israelischen Militär die formell militärische und international rechtliche Verantwortung für die Sicherheit der Lager, aber sie haben nichts zum Schutz der Flüchtlinge unternommen. Im Gegenteil, sie feuerten Leuchtraketen über den Lagern ab, sodass die Angreifer auch nachts arbeiten konnten und keiner – kein Einziger – entkam.«

Das Gesicht des Amerikaners war ausdruckslos. Er trank einen Schluck Wasser, ehe er fortfuhr.

»Alle wussten, dass Yassir Arafat mit seinen jungen PLO-Kämpfern und einem Teil der Kinder einen Monat zuvor nach Tunesien evakuiert worden war und dass sich in Sabra und Schatila keine bewaffneten ›Terroristen‹ mehr aufhielten. Es gab keine zornigen jungen, mit Kalaschnikows bewaffneten Männer in den Lagern, aber das war bedeutungslos: Die Massaker waren eine unmissverständliche Mitteilung von Elie Hobeika, dem Befehlshaber des libanesischen Geheimdienstes, und von Ariel Scharon, dem israelischen Verteidigungsminister, an Yassir Arafat.«

Der Amerikaner ließ den Blick über die ersten Reihen schweifen, während auf der Leinwand Porträts von Scharon und Hobeika gezeigt wurden.

»Die Falangisten haben zwischen dem 16. und 18. September etwa 3500 Menschen getötet. Das sind ungefähr so viele Tote wie bei den Angriffen auf das World Trade Center und das Pentagon 2001. Ihnen ist natürlich die Überschneidung der Daten der Tivoli-Bombe im letzten Jahr und den Massakern in den Flüchtlingslagern aufgefallen …«

Natürlich, dachte Lene. Die Frage war nur, ob das von Bedeutung oder Zufall war. Bisher hatte sich keine Gruppierung zum Tivoli-Attentat bekannt, was ungewöhnlich war. Alle hatten damit gerechnet, dass irgendeine Organisation von Al-Qaida bis Ansar al-Islam diesen Erfolg für sich verbuchen würde, aber weder war ein Bekennerschreiben oder -video in irgendeinem internationalen Pressebüro eingegangen, noch war auf YouTube ein Film von Pakistans nordwestlichen Stammesterritorien oder aus dem Jemen eingestellt worden.

Die Leinwand wurde grau und leer.

»Nach Sabra und Schatila gab es einen Angriff auf die amerikanische Botschaft in Beirut, bei dem 63 junge Menschen ums Leben kamen. Danach wurden die Kasernen der US Marines bombardiert, weitere 241 Amerikaner wurden getötet. Der Mittlere Osten ist ein chronisches, politisches Epizentrum. Ein Tier, das die Kinder anderer verschlingt und seine eigenen dazu. Jemand muss diesen Teufelskreis durchbrechen, meine Damen und Herren, sonst wird die Geschichte ein sehr hartes Urteil über uns alle fällen. Fragen?«

Ein muskulöser Mann am äußeren Ende von Lenes Reihe erhob sich, reckte eine Hand in die Luft und bekam ein Mikrofon gereicht. Lene kannte ihn nicht, aber er war ein typischer Vertreter vom PET: Anfang vierzig, durchtrainiert, Jeans und schwarzes T-Shirt, dessen Ärmel über einem imposanten Bizeps spannten. Aber er wirkte erschöpft, das Gesicht schmal, mit tief in ihren Höhlen liegenden Augen, schonungslosem Blick und kurzem vorzeitig ergrauten Haar. An seinem Hals pochte eine Ader.

»Vizepolizeidirektor Kim Thomsen, PET«, stellte er sich vor. »Wenn wir oder andere den Teufelskreis durchbrechen sollen, muss man den Anschlag zuerst in einen relevanten Zusammenhang stellen, egal, wie weit hergeholt er sein mag. Was allerdings schwierig ist, weil sich keine Gruppierung zu diesem Anschlag bekennt.«

Die Körpersprache des Fragenden war beherrscht, aber eine gewisse Gepresstheit in seiner Stimme verriet persönliche Betroffenheit.

Wie fast jeder Bewohner ihres kleinen Landes, dachte Lene. Alle kannten jemanden oder hatten selbst Verwandte verloren, die am 17. September im Tivoli gewesen waren. Die Bombe war ein nahezu tödlicher Schlag für das Land gewesen, das davon abgesehen von der Geschichte so glimpflich behandelt worden war. Auf so etwas waren sie nicht vorbereitet gewesen, hatten noch nie etwas Vergleichbares erlebt, und hatten keinen Schimmer, wie sie damit umgehen sollten.

Das Handy vibrierte an ihrem Oberschenkel. Sie wechselte die Sitzhaltung und ignorierte es. Ihre Augenlider waren bleischwer. Sie konnte sich nicht erinnern, wann sie das letzte Mal ohne Schlaftabletten, Rotwein oder Wodka eingeschlafen war – oft war es eine Kombination aus allen dreien.

Der Amerikaner nickte.

»Ich glaube nicht, dass auch nur ein Kenner der mittelöstlichen Szene die Verantwortung für den Tivoli-Anschlag nicht mit einer dschihadistischen Terrorzelle in Verbindung bringt. Dass keiner sich zu dem Anschlag bekennt, ist auch eine Form von Signatur. Al-Saleem aus Teheran und Scheich Ebrahim Safar Khan aus … Gott weiß woher … vermutlich Amman, haben es zu einer Art Markenzeichen gemacht, nicht offiziell die Verantwortung für ihre Taten zu übernehmen. Sie verfügen beide über kleine, aber gut organisierte Einheiten ausgewählter junger Männer und Frauen.«

Der PET-Agent mit dem Mikrofon hatte offensichtlich keine weiteren Fragen oder Kommentare.

»Sie sind hervorragend ausgebildet und vor allen Dingen geduldig. Sie kämpfen für ein weltumspannendes Kalifat und betrachten dafür die Ausrottung oder Konvertierung aller Ungläubigen als Grundvoraussetzung. Aber diese Männer und besonders Frauen leben in gewisser Weise im Mittelalter, während wir, die westlichen Geheimdienste und Polizeikräfte mit unseren Satelliten, Drohnen, Abhörstationen und Computern aus der Zukunft stammen.«

Er machte eine ausholende Geste.

»Für die seid ihr allesamt Science-Fiction-Gestalten. Wir leben in zwei parallelen, aber getrennten, unterschiedlichen Zeitordnungen, und es ist verdammt schwer, diese Kluft zu überbrücken, sie zu finden … und zu liquidieren. Wir im Westen sind so verletzlich, weil kein Mensch sich vor einem entschlossenen Mann oder einer entschlossenen Frau schützen kann, denen es nichts ausmacht, zu sterben. Das schließt unser gesamtes Gedankengebäude kurz, in dem wir niemals sterben wollen, und schon gar nicht für eine ›Sache‹.«

Der Mann, der sich als Kim Thomsen vorgestellt hatte, sah verwirrt aus, aber der Amerikaner lächelte ihn aufmunternd an.

»Normalerweise benutzen sie keine Mobiltelefone, aber wenn doch, dann verwenden sie Prepaidkarten, sagen ein paar Worte oder schicken eine SMS und zerstören das Gerät. Sie wissen, wie sie aussehen, kennen ihre Klans und Familien, die Dialekte und Akzente, und sie haben bewiesen, dass sie für den Auftrag taugen. Jeder von ihnen hat entweder eine Busladung Schiiten auf dem Weg zu einem Markt hingerichtet, eine Mädchenschule in die Luft gesprengt, eine Frau geblendet, die behauptet, sie wäre vergewaltigt worden, oder einen Homosexuellen geköpft. Jemanden bei ihnen einzuschleusen ist unmöglich, weil wir von unseren Agenten nicht verlangen können, als Beweis ihrer Tauglichkeit kleine Mädchen zu verstümmeln oder umzubringen. Sie übernehmen keine Verantwortung für ihre Aufträge und treten nicht länger wie Rockstars auf wie Ilich Ramirez Sanchez, besser bekannt als der Schakal.«

Der Amerikaner starrte vor sich hin.

»Möglicherweise setzt sich der ideologisch harte Kern heutzutage aus jüngeren, gut ausgebildeten Frauen zusammen, was die Bedrohung um einiges komplizierter macht. Sie brauchen kein spezielles Training, weil sie Frauen sind. Sie sind diskret, gute Lügner und generell besser geeignet, Geheimnisse zu bewahren, als...

Erscheint lt. Verlag 9.11.2015
Reihe/Serie Ein Fall für Lene Jensen und Michael Sander
Ein Fall für Lene Jensen und Michael Sander
Übersetzer Maike Dörries
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel Gengaeldelsen
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Anschlag • Dänemark • eBooks • Kopenhagen • Krimi • Kriminalromane • Krimis • Muslime • Rache • Selbstmordattentat • Terrornetzwerk • Thriller • Tivoli
ISBN-10 3-641-16526-1 / 3641165261
ISBN-13 978-3-641-16526-0 / 9783641165260
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