Finderlohn (eBook)

Roman

(Autor)

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2015 | 1. Auflage
560 Seiten
Heyne (Verlag)
978-3-641-16402-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Finderlohn -  Stephen King
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Besessen bis zum Mord
John Rothstein hat in den Sechzigern drei berühmte Romane veröffentlicht, seither aber nichts mehr. Morris Bellamy, ein psychopathischer Verehrer, ermordet den Autor aus Wut über dessen »Verrat«. Seine Beute besteht aus einer großen Menge Geld und einer wahren Fundgrube an Notizbüchern, die auch unveröffentlichte Romane enthalten. Bellamy vergräbt vorerst alles - und wandert dummerweise für ein völlig anderes Verbrechen in den Knast. Jahre später stößt der Junge Peter Saubers auf den »Schatz«. Nach seiner Haftentlassung kommt Bellamy dem ahnungslosen Peter auf die Spur und macht Jagd auf ihn. Kann Bill Hodges, den wir als Detective a. D. aus Mr. Mercedes kennen, den Wahnsinnigen stoppen?

Stephen King, 1947 in Portland, Maine, geboren, ist einer der erfolgreichsten amerikanischen Schriftsteller. Bislang haben sich seine Bücher weltweit über 400 Millionen Mal in mehr als 50 Sprachen verkauft. Für sein Werk bekam er zahlreiche Preise, darunter 2003 den Sonderpreis der National Book Foundation für sein Lebenswerk und 2015 mit dem Edgar Allan Poe Award den bedeutendsten kriminalliterarischen Preis für Mr. Mercedes. 2015 ehrte Präsident Barack Obama ihn zudem mit der National Medal of Arts. 2018 erhielt er den PEN America Literary Service Award für sein Wirken, gegen jedwede Art von Unterdrückung aufzubegehren und die hohen Werte der Humanität zu verteidigen.

Seine Werke erscheinen im Heyne-Verlag.

1978

»Aufwachen, Sie Genie.«

Rothstein wollte nicht aufwachen. Der Traum war zu schön. Er handelte von seiner ersten Frau, einige Monate bevor sie zu seiner ersten Frau geworden war, siebzehn Jahre alt und von Kopf bis Fuß vollkommen. Nackt und schimmernd. Sie waren beide nackt. Er war neunzehn und hatte Schmiermittel unter den Fingernägeln, aber das hatte ihr nichts ausgemacht, zumindest damals nicht, denn sein Kopf war voller Träume, und das war es, was für sie zählte. An Träume glaubte sie noch mehr als er, und sie hatte recht damit. In diesem Traum griff sie lachend nach dem Teil von ihm, der am leichtesten zu erreichen war. Er versuchte, tiefer zu versinken, doch da rüttelte ihn eine Hand am Arm, und der Traum zerplatzte wie eine Seifenblase.

Er war kein Neunzehnjähriger mehr, der in New Jersey in einer Zweizimmerwohnung lebte, es waren nur noch sechs Monate bis zu seinem achtzigsten Geburtstag, und er lebte auf einer Farm in New Hampshire, wo er laut seinem Letzten Willen auch begraben werden sollte. In seinem Schlafzimmer standen Männer. Sie trugen Sturmhauben, eine rot, eine blau und eine kanariengelb. Als er das sah, versuchte er sich vorzumachen, dass dies nur ein weiterer Traum war – die süße Fantasie hatte sich wohl in einen Albtraum verwandelt, wie es manchmal geschah –, doch da ließ die Hand seinen Arm los, packte ihn an der Schulter und zerrte ihn auf den Boden. Er schlug sich den Kopf an und schrie auf.

»Hör auf damit«, sagte der mit der gelben Haube. »Soll er etwa bewusstlos werden?«

»Seht mal.« Der mit der roten Haube hob deutend die Hand. »Der alte Knabe hat ’nen Ständer. Muss ein echt geiler Traum gewesen sein.«

»Der muss bloß pissen«, sagte der mit der blauen Haube, der Rothstein geschüttelt hatte. »In dem Alter macht sie sonst nichts mehr steif. Mein Großvater …«

»Klappe«, sagte der mit der gelben Haube. »Dein Großvater interessiert kein Schwein.«

Obwohl Rothstein benommen und von einem immer fadenscheiniger werdenden Schleier aus Schlaf umhüllt war, wusste er, dass er in Schwierigkeiten steckte. Ein Wort kam ihm in den Sinn: Raubüberfall. Er blickte zu dem Trio hoch, das unvermutet in seinem Schlafzimmer aufgetaucht war. Sein alter Kopf schmerzte (dank den Blutverdünnern, die er nahm, bildete sich an der rechten Seite ein riesiger blauer Fleck), und das Herz mit seinen gefährlich dünnen Wänden hämmerte an die linke Seite des Brustkorbs. Drohend standen sie über ihm, drei Männer mit Handschuhen und karierten Jacken unter den furchterregenden Sturmhauben. Räuber, und sein Haus war fünf Meilen vom nächsten Ort entfernt.

So gut er konnte, sammelte Rothstein seine Gedanken. Er verscheuchte den Schlaf und sagte sich, dass die Situation immerhin etwas Gutes hatte: Wenn die drei nicht wollten, dass er ihre Gesichter sah, dann hatten sie vor, ihn am Leben zu lassen.

Eventuell.

»Meine Herren«, sagte er.

Mr. Gelb lachte und hob anerkennend den Daumen. »Guter Anfang, Sie Genie.«

Rothstein nickte, als wollte er sich für ein Kompliment bedanken. Er warf einen Blick auf den Wecker neben seinem Bett, stellte fest, dass es Viertel nach zwei Uhr morgens war, und sah dann wieder Mr. Gelb an, bei dem es sich womöglich um den Anführer handelte. »Ich habe nicht viel Geld im Haus, aber das können Sie gerne haben. Wenn Sie nur gehen, ohne mir wehzutun.«

Eine Windbö ließ Herbstblätter an die Westseite des Hauses prasseln. Rothstein bemerkte, dass zum ersten Mal in dieser Jahreshälfte die Heizung bullerte. War es nicht gerade erst Sommer gewesen?

»Nach allem, was man uns erzählt hat, haben Sie schon ein bisschen mehr.« Das war Mr. Rot.

»Klappe.« Mr. Gelb streckte Rothstein die Hand hin. »Aufstehen, Sie Genie.«

Rothstein ergriff die dargebotene Hand, kam schwankend auf die Beine und setzte sich dann gleich aufs Bett. Er atmete schwer, war sich jedoch nur zu sehr bewusst (ein Leben lang war seine Fähigkeit zur Selbstwahrnehmung Segen wie Fluch für ihn gewesen), welches Bild er bieten musste: ein alter Mann in einem schlottrigen, blauen Schlafanzug, mit Haaren, von denen nur noch zwei weiße Bäusche über den Ohren übrig waren. Das war aus dem Schriftsteller geworden, der in dem Jahr, als JFK Präsident wurde, die Titelseite des Time-Magazins geschmückt hatte: JOHN ROTHSTEIN, AMERIKAS SCHEUES GENIE.

Aufwachen, Sie Genie.

»Kommen Sie erst mal wieder zu Atem«, sagte Mr. Gelb. Er klang besorgt, worauf Rothstein jedoch nicht vertraute. »Dann gehen wir ins Wohnzimmer, wo sich normale Leute unterhalten. Lassen Sie sich Zeit. Beruhigen Sie sich.«

Rothstein atmete langsam und tief, worauf sein Herz ein wenig ruhiger schlug. Er versuchte an Peggy zu denken, an ihre teetassengroßen Brüste (klein, aber vollkommen) und ihre langen, glatten Beine, aber der Traum war ebenso verschwunden wie Peggy, die nun als alte Schachtel in Paris lebte. Mit seinem Geld. Wenigstens war Yolande, sein zweiter Versuch, Eheglück zu finden, inzwischen tot und verlangte keine Unterhaltszahlungen mehr.

Der mit der roten Haube verließ den Raum. Rothstein hörte ihn im Arbeitszimmer herumkramen. Etwas stürzte um. Schubladen wurden aufgezogen und wieder zugeschoben.

»Na, geht’s besser?«, erkundigte sich Mr. Gelb, und als Rothstein nickte, sagte er: »Dann kommen Sie jetzt mit.«

Eskortiert von Mr. Blau zu seiner Linken und Mr. Gelb zu seiner Rechten, ließ Rothstein sich in das kleine Wohnzimmer führen. Das Kramen in seinem Arbeitszimmer ging weiter. Bald würde Mr. Rot den Kleiderschrank öffnen, die beiden Jacketts und die drei Pullover beiseiteschieben und den Safe entdecken. Das war unvermeidlich.

Na gut. Hauptsache, sie lassen mir die Notizbücher, und weshalb sollten sie die schon mitnehmen? Solche Gangster sind nur an Geld interessiert. Wahrscheinlich sind sie nicht mal in der Lage, was Anspruchsvolleres zu lesen als die Briefe in Penthouse.

Was den Mann mit der gelben Haube anging, war er sich da allerdings nicht ganz sicher. Der hörte sich gebildet an.

Im Wohnzimmer waren sämtliche Lampen angeschaltet und die Jalousien nicht heruntergezogen. Wachsame Nachbarn hätten sich wohl gefragt, was im Haus des alten Schriftstellers vor sich ging … wenn er Nachbarn gehabt hätte. Das nächste Haus stand zwei Meilen entfernt an der Landstraße. Er hatte keine Freunde, keine Besucher. Die Vertreter, die gelegentlich vorbeikamen, wurden weggeschickt. Rothstein war einfach ein sonderbarer alter Knabe. Ein Schriftsteller im Ruhestand. Ein Einsiedler. Er bezahlte seine Steuern und wurde in Frieden gelassen.

Blau und Gelb führten ihn zu dem Sessel vor dem selten eingeschalteten Fernseher, und weil er sich nicht augenblicklich darauf niederließ, drückte Mr. Blau ihn hinein.

»Sachte!«, sagte Gelb scharf, und Blau trat murrend einen Schritt zurück. Also hatte Mr. Gelb tatsächlich die Fäden in der Hand. Mr. Gelb war der Leitwolf.

Die Hände auf seine Cordhose gestützt, beugte er sich über Rothstein. »Und? Wie wär’s mit einem kleinen Schluck zur Beruhigung?«

»Falls Sie Alkohol meinen, damit hab ich vor zwanzig Jahren aufgehört. Ärztliche Anweisung.«

»Gut für Sie. Gehen Sie auch zu den Meetings?«

»Ich war kein Alkoholiker«, sagte Rothstein verärgert. Verrückt, in einer solchen Situation verärgert zu sein … oder doch nicht? Wer wusste schon, wie man reagieren sollte, wenn man mitten in der Nacht von Männern mit farbigen Sturmhauben aus dem Bett gezerrt wurde. Er überlegte, wie er eine derartige Szene schildern würde, hatte jedoch keine Ahnung; über so etwas schrieb er nicht. »Die Leute denken, dass jeder männliche weiße Schriftsteller im 20. Jahrhundert Alkoholiker sein muss!«

»Schon gut, schon gut«, sagte Mr. Gelb, als müsste er ein quengeliges Kind besänftigen. »Wasser?«

»Nein danke. Ich will bloß, dass ihr drei verschwindet, deshalb werde ich ehrlich zu euch sein.« Er fragte sich, ob Mr. Gelb wohl die einfachste Regel der menschlichen Kommunikation kannte: Wenn jemand ankündigte, ehrlich zu sein, bereitete er sich in den meisten Fällen darauf vor, schneller zu lügen, als ein Pferd traben konnte. »Mein Portemonnaie liegt auf der Kommode im Schlafzimmer. Es sind etwas über achtzig Dollar drin. Auf dem Kaminsims da steht eine Teekanne …«

Er zeigte darauf. Mr. Blau drehte sich danach um, Mr. Gelb hingegen nicht. Der musterte weiter Rothstein, und die Augen hinter der Haube blickten fast amüsiert. Es klappt nicht, dachte Rothstein, gab jedoch nicht auf. Da er nun wach war, hatte er nicht nur Angst, sondern war auch stinksauer, obgleich ihm bewusst war, dass er sich das lieber nicht anmerken ließ.

»Da verwahre ich das Haushaltsgeld. Höchstens fünfzig bis sechzig Dollar. Das ist alles, was im Haus ist. Nehmt es und verschwindet.«

»Verfluchter Lügner«, sagte Mr. Blau. »Glauben Sie...

Erscheint lt. Verlag 8.9.2015
Reihe/Serie Bill-Hodges-Serie
Übersetzer Bernhard Kleinschmidt
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel Finders Keepers
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Amerikanische Gegenwartsliteratur • Buchgeschenk des Jahres • eBooks • John D. MacDonald • Krimi • Kriminalromane • Krimis • misery • Mr Mercedes • New York Times Bestseller • Salinger • Schriftsteller • Suspense • Thriller
ISBN-10 3-641-16402-8 / 3641164028
ISBN-13 978-3-641-16402-7 / 9783641164027
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