Das Dornenkind (eBook)

Psychothriller

(Autor)

eBook Download: EPUB
2015 | 1. Auflage
464 Seiten
Goldmann (Verlag)
978-3-641-15802-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Dornenkind -  Max Bentow
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Tödlicher als die Rückkehr eines Serienkillers ist nur
seine Rache.

Der Fund von drei Todesopfern, in deren Haut geheimnisvolle Botschaften geritzt wurden, stellt die Berliner Kriminalpolizei vor ein Rätsel. Während der Ermittlungen wird Trojans schlimmster Albtraum wahr: Er bekommt den Anruf einer Frau, die behauptet, die Tochter des 'Federmannes' zu sein. Der infame Serienmörder war dem Ermittler vor vier Jahren schwerst verletzt entwischt. Zu seinem Entsetzen schwört sie, dass ihr Vater am Leben ist. Trojan merkt schnell, dass er in einen fatalen Sog geraten ist. Denn der 'Federmann' wird nicht eher ruhen, bis er ihn vernichtet hat.

Max Bentow wurde in Berlin geboren. Nach seinem Schauspielstudium war er an verschiedenen Bühnen tätig. Für seine Arbeit als Dramatiker wurde er mit zahlreichen renommierten Preisen ausgezeichnet. Seit seinem Debütroman »Der Federmann« hat sich Max Bentow als einer der erfolgreichsten deutschen Thrillerautoren etabliert, alle seine Bücher waren große SPIEGEL-Bestsellererfolge.

EINS

Sabrina liebte diesen Sommer, sie schlenkerte mit den Armen und schritt noch schneller aus. Als sie um die nächste Straßenecke bog, erfasste sie ein Windhauch, und ein Prickeln fegte über ihre Haut, so jäh und intensiv, dass sie unwillkürlich die Schultern hob und verharren musste. Sie legte den Kopf in den Nacken und sah zum Nachthimmel hinauf. Rund um die Mondsichel funkelten vereinzelte Sterne. Sie sog die Luft ein, lau und mild, beinahe würzig, trotz erhöhter Smogwarnstufe, und ein ungeahntes Glücksgefühl durchströmte sie. Beschwingt ging sie weiter.

Sie verehrte die Stadt zu dieser Jahreszeit, wenn ihre Hüften von lässigen T-Shirt-Kleidern umschmeichelt wurden, die Loops aus den Clubs noch auf dem Heimweg durch die Blutbahn jagten und das Tocken ihrer Absätze auf dem Asphalt so sehnsüchtig und verheißungsvoll klang. Das war ihr Stakkato im Juli, das waren die Lust und die Leichtigkeit.

In ihrem Viertel war es noch immer laut, hektisch, die Plätze draußen vor den Kneipen waren dicht besetzt, Gelächter schwirrte umher, das anschwellende Stimmengewirr der Nachtschwärmer. In einer Wohnstraße wurde es ruhiger.

Den Kleinbus bemerkte Sabrina erst, als sie sich bis auf wenige Schritte genähert hatte. Er parkte am Straßenrand, im Halbdunkeln, hier waren ein paar der alten Laternen defekt.

»Liebling, nun fahren wir nach Hause, es ist schon spät.«

Da war ein Herr im beigefarbenen Sommerblouson, er beugte sich über eine Frau im Rollstuhl. Alles, was Sabrina von ihr erkennen konnte, war ihr Hinterkopf, umhüllt von einem rotgepunkteten Tuch, und ihr karierter Wintermantel, der ihr doch viel zu warm sein müsste. Er war dabei, sie auf die Rampe des Fahrzeugs zu schieben, was ihn offenbar Mühe kostete.

»Ich hab’s gleich, Liebes, sei geduldig mit mir.«

Er gab ein leises Ächzen von sich. Sabrina wollte sich unbemerkt an den beiden vorbeistehlen, als er sie ansprach.

»Könnten Sie mir eventuell behilflich sein, junge Frau?«

Sie hielt inne, anfangs widerwillig, da registrierte sie sein freundliches Lächeln, und schon nickte sie.

»Danke. Wie überaus charmant von Ihnen.«

Sie trat heran, er machte einen Schritt zur Seite, und Sa­brina stemmte sich gegen die Griffe des Rollstuhls, der sich erstaunlich leicht die Rampe hinaufschieben ließ.

Er ging hinter ihr.

»Wissen Sie, in meinem Alter macht mir öfter der Rücken zu schaffen.«

»Kein Problem«, sagte sie, »das haben wir gleich«, und schon war der Rollstuhl im Inneren des Kleinbusses.

Danach ging alles sehr schnell. Er schien einen Knopf betätigt zu haben, denn die Rampe war im Nu eingeklappt, und die hinteren Türen schlugen zu.

Sabrina fuhr herum.

»Was soll das!«

Für einen Moment war es völlig finster im Wagen. Keine Fenster, durchzuckte es sie. Schon flammte eine Neonröhre auf. Sie registrierte zwei Dinge gleichzeitig: das Gesicht der Frau in dem Rollstuhl, merkwürdig bleich und schimmernd, und die Pistole in der Hand des Mannes.

»Schön brav sein. Die ist geladen.«

Ihr Herz hämmerte so heftig, dass ihr kurzzeitig die Luft wegblieb. Ihr Blick glitt wieder zu der Frau hin. Das Kopftuch war unterm Kinn verschnürt, der Hals fleischfarben wie eine Prothese. Die Lippen leuchteten unnatürlich rot. Und in den Augen waren Farbtupfen wie bei einem Püppchen. Und dann erst verstand sie. Es war eine Puppe! Sie sah täuschend echt aus. Eine Silikonpuppe im Rollstuhl.

Sabrinas Mund schnappte auf, doch die Panik lähmte ihre Glieder, ein rasch wirkendes Gift. Die Stimme des Mannes hingegen war so sanft und gütig, als sei er der Über­raschungsgast bei einem Kindergeburtstag.

»Hab keine Angst, dir wird nichts passieren. Du musst mir nur noch einen zweiten Gefallen tun, ja?«

Schreien. Warum bekam sie denn keine Luft in ihre Lungen?

Schon war er bei ihr, entwand ihr die Handtasche, entnahm das Mobiltelefon und schaltete es aus, legte es wieder hinein und klemmte sich die Tasche unter den Arm.

»Ist mir lieber, wenn es aus ist. Du weißt schon, dieser neumodische Quatsch, GPS und so.«

Sie sah auf seine Lederhandschuhe. Sie starrte auf den Lauf der Waffe.

»Bitte«, haspelte sie, »wir können uns doch irgendwie einigen.«

Er lächelte, sie schien ihn zu amüsieren. Mit einer schier väterlichen Geste berührte er ihre Schulter. Sofort verkrampfte sich ihr Nacken und verwandelte sich in ein schreiend schmerzendes Muskelbündel. Sie roch ihren eigenen Angstschweiß, triefend unter den Achseln.

»Gibt wirklich keinen Grund zur Aufregung«, murmelte er, »wir müssen uns nur um einen weiteren Invaliden kümmern.«

Er blickte zu der Puppe im Rollstuhl hin, lächelnd legte er ihr Sabrinas Handtasche in den Schoß, als seien sie über viele Jahre miteinander vertraut, ein glückliches älteres Paar.

»Dieser Kranke, von dem ich spreche, braucht ein bisschen Hilfe.«

Sabrina wollte etwas entgegnen, doch sie brachte nur ein Stammeln hervor. Zu ihrer eigenen Verwunderung dachte sie an ihre Mutter, mit der sie sich eigentlich nicht mehr besonders gut verstand. Doch in diesem Moment stellte sie sich vor, wie sie tröstend von ihr in den Arm genommen wurde, und eine Kindheitserinnerung blitzte vor ihrem inneren Auge auf, Mama, die eine Schürfwunde an ihrem Knie verarztete, Mama, die ihr die Tränen trocknete.

Sabrina keuchte, als er, den Lauf der Pistole weiterhin auf sie gerichtet, eine Rolle Klebeband aus seinem Blouson hervorzog. Dieses hässliche Ratschen, mit dem er das Band aufzog.

»Leg dich hin«, sagte er sanft.

Sie schüttelte den Kopf.

»Mach schon. Ist besser für dich. Tut auch nicht weh.«

Sie musste sich hinter den Rollstuhl kauern. Er fesselte ihr die Hände auf dem Rücken, indem er das Klebeband mehrmals herumschlang. Er zog sehr fest. Als sie schrie, tippte er einmal kurz mit dem Lauf der Pistole gegen ihre Schläfe, und sie war sofort still.

»Gut so«, murmelte er.

Danach wickelte er das Band um ihre Fußgelenke.

»Hören Sie«, wimmerte sie, »ich mache Ihnen einen Vorschlag. Lassen Sie uns erst mal reden, ja? Nur reden.«

»Ach, nicht doch.«

Er wiegte sacht seinen Kopf und sah auf sie herab.

Und wieder ratschte das Band, und dann verschloss es ihren Mund.

Präg dir sein Gesicht ein, dachte sie entsetzt, als er sich vorbeugte, um ihr eine Stoffbinde über die Augen zu ziehen. Präg es dir ein, vielleicht hast du noch eine Chance!

Er verknotete die Binde am Hinterkopf.

»Wir fahren nicht lange«, sagte er. »Du musst dich wirklich nicht ängstigen. Und tief durchatmen, ja? Einfach weiter atmen, das hilft gegen die Panik.«

Er tätschelte ihre Wangen, während sie gegen einen Brechreiz ankämpfte.

Und dann hörte sie seine Schritte und kurz darauf das Klappen der hinteren Wagentüren.

Wenig später vernahm sie, wie er vorne einstieg und den Motor startete, und mit einem Ruck fuhr der Kleinbus ab.

Sie verlor jegliches Zeitgefühl. Der Wagen schlingerte. Ihr war schwindlig. Ihre Blase schmerzte wie verrückt, doch sie hielt an sich, wollte sich wenigstens diese Schmach ersparen.

Einige Zeit später stoppten sie. Plötzlich war er bei ihr. Er half ihr auf, nachdem er ihr die Fesseln an den Füßen und den Händen abgenommen hatte. Ihr Gang war unsicher, und er stützte sie.

Als sie mit ihm ausstieg, glaubte sie in einer Garage zu sein, es roch nach Motorenöl und Benzin. Eine Tür wurde geöffnet, dann noch eine.

Endlich nahm er ihr die Augenbinde ab. Sie schrie leise auf, als er ihr das Klebeband vom Mund entfernte.

Er entschuldigte sich bei ihr.

Die Panik kam in Wellen, ihr fiel das Atmen schwer.

»Ganz ruhig.«

Wieder dieses Lächeln. Ihr Blick blieb an einer Goldkrone in seiner Zahnreihe hängen.

»Dir wird nichts passieren, wenn du nur schön artig bist, ja?«

Sie sah sich um, versuchte sich Einzelheiten einzuprägen, das Muster der Tapete, ein Holztisch, eine Wanduhr. Doch sie hatte zu viel Adrenalin im Blut, sie konnte die Informationen nicht verarbeiten, sie ergaben kein Gesamtbild. Her­abgelassene Jalousien, vermutlich ein Einfamilienhaus. Sie zwang sich, tiefer zu atmen, aber in ihrer Brust war ein Stechen, das sie noch panischer werden ließ.

Er legte seinen Blouson ab, darunter trug er Anzug und Krawatte. Er war so festlich gekleidet, als käme er von einer Abendveranstaltung.

Oder als habe er noch eine ganz besondere Feier vor sich.

Die Pistole lag in seiner Hand, auch als er sich ein kleines Stück von ihr entfernte und sich einer Ansammlung glänzender Lackstiefel näherte, die ordentlich auf dem Boden aufgereiht waren.

Holzfußboden, registrierte sie, Fischgrätenparkett, alt, blank getreten. Und da war noch etwas. Ein Geruch nach Desinfektionsmittel. Ein kranker Geruch. Sie assoziierte Mullbinden damit, Klinikbedarf.

Er suchte ein Paar Stiefel aus und kam zurück zu ihr.

»Wie heißt du?«

Das Herz drohte ihr in der Brust zu zerspringen.

»Sabrina«, stammelte sie.

»Okay, Sabrina, probier die mal an. Die könnten dir passen. Müsste deine Größe sein.«

»Nein!«

Ihre Augen irrten umher. Wie kam sie nur hier raus? Wieder hielt er den Lauf der Pistole auf sie gerichtet, aber er wirkte so entspannt, beinahe unbeteiligt. Er war glatt rasiert, seine Haut straff und gepflegt, an seiner linken Schläfe...

Erscheint lt. Verlag 24.8.2015
Reihe/Serie Ein Fall für Nils Trojan
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Berlin • Berlinkrimi • eBooks • Federmann • Heimatkrimi • Krimi • Kriminalromane • Krimis • Nils Trojan • Psychothriller • Serienkiller • Serienmörder • SPIEGEL-Bestseller • Thriller
ISBN-10 3-641-15802-8 / 3641158028
ISBN-13 978-3-641-15802-6 / 9783641158026
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