Die rubinrote Königin (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2016 | 1. Auflage
544 Seiten
Blanvalet (Verlag)
978-3-641-17128-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die rubinrote Königin -  Royce Buckingham
Systemvoraussetzungen
11,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Von den Lesern sehnlichst erwartet: die Fortsetzung von 'Die Karte der Welt'.
Die Armee der rubinroten Königin ist in Abrogan eingefallen und dringt unaufhaltsam weiter vor. Die Grausamkeit ihrer Anführerin ist legendär. Niemand ahnt, dass die rubinrote Königin nur eine Scharlatanin ist, die ihrer eigenen Intrige nicht mehr entkommen kann. Ihr Handeln ist davon getrieben, dass sie nicht weiß, wie sie den Krieg aufhalten soll, ohne sich selbst zu enttarnen und zum Untergang zu verdammen. Da scheint sich das Land selbst gegen die Invasoren zu erheben, und ein alter Feind ist plötzlich die größte Hoffnung der Bewohner von Abrogan.

Royce Buckingham, geboren 1966, begann während seines Jurastudiums an der University of Oregon mit dem Verfassen von Fantasy-Kurzgeschichten. Sein erster Roman »Dämliche Dämonen« begeisterte weltweit die Leser*innen und war insbesondere in Deutschland ein riesiger Erfolg. Gemeinsam mit seiner Frau und seinen beiden Söhnen lebt Royce Buckingham in Bellingham, Washington. Er arbeitet zurzeit an seinem nächsten Roman.

1

Vill Magnan stolperte aus dem Schleier ins gleißende Licht. Er hatte keine Orientierung mehr, stürzte und rollte sich auf den Rücken. Ein Fehler. Die Sonne blendete ihn, und seine Widersacherin, die an ihm hing wie eine Klette, nutzte die Gelegenheit, sich auf ihn zu werfen. Durch seine zusammengekniffenen Lider sah er ein junges Mädchen. Ihr langes dunkles Haar schlug ihm ins Gesicht wie eine Peitsche, während sie auf ihn eindrosch und einen wüsten Wortschwall in einer Sprache auf ihn niedergehen ließ, die er nicht verstand.

Sie beschimpft mich.

Vill hatte sie schon einmal gesehen, während der Schlacht beim Riesenbaum. Das Flussmädchen. Sie war es, die ihn in den Schleier gestoßen hatte, ins Nichts, und dann war sie ihm gefolgt, um dafür zu sorgen, dass er nie wieder zurückkehrte. Und doch bin ich hier. Vill war entkommen, aber das Mädchen ebenfalls, und sie war noch nicht fertig mit ihm. Sie schien fest entschlossen, ihm den Garaus zu machen. Vill versuchte, ihre schmalen Handgelenke zu fassen zu bekommen. Offensichtlich hatte sie kein Messer, denn sonst hätte sie ihn bereits damit abgestochen. Oder es steckte noch in ihrem Gürtel. Doch Vill wollte leben – anders als beim letzten Mal, als er dem Schleier entronnen war. Jahrhunderte in vollkommener Dunkelheit hatten seine Seele ausgehöhlt. Er hatte nichts mehr gefühlt, gar nichts. Nur aus purer, freudloser Neugierde hatte er weitergelebt. Doch jetzt spürte er seinen Überlebensinstinkt, eine animalische Urgewalt, die nach Leben schrie. Plötzlich war wieder Fülle in seiner leeren Seele.

Ich fühle etwas!

Wie eine Flut rollten die Gefühle über ihn hinweg. Schwermut kam als Erstes, dicht gefolgt von ihrer Schwester, der Trauer. Dann spürte er Wut. Sie war so stark, dass sie sein Gesicht zu einer grotesken Maske verzerrte – und ihn sofort verstehen ließ, was mit dem Flussmädchen los war. Sie hasst mich. Immer mehr Gefühle brachen über Vill herein. Seine Gedanken rasten wie wild, beschworen Bilder in ihm herauf und zerrten schmerzvolle Erinnerungen aus den Tiefen seines Herzens ans Licht, von denen er geglaubt – ja gehofft – hatte, er hätte sie vergessen. Eine verlorene Liebe. Verrat. Mord. Und doch fand er inmitten all des Schmerzes auch Freude, Entzücken beinahe. Er erinnerte sich an die wilde Schönheit der Berge, die kindlichen Possen seiner Düsterlinge fielen ihm wieder ein, und sein Körper reagierte darauf, auf jede einzelne Regung: Er weinte, schrie und lachte, alles gleichzeitig. Ich muss aussehen wie ein Geisteskranker, dachte er und schämte sich plötzlich. Da fiel ihm noch etwas ein: Ich habe die Sippe des Mädchens abgeschlachtet. Vills Gelächter verstummte abrupt, und an seine Stelle trat ein stumpfer Schmerz, der alles andere überlagerte. Schuld. Plötzlich wurde ihm übel. Reue. Vill wusste nicht, wie lange er diesmal im Schleier gewesen war. Es mochten ein paar Tage gewesen sein, vielleicht auch Jahrhunderte. So oder so, lange genug, um seine Gefühle wiederzufinden.

Das Mädchen hörte auf, auf ihn einzuschlagen, und beobachtete verdutzt Vills unkontrollierten Gefühlsausbruch.

»Hör auf!«, keuchte er. »Ich muss nachdenken.«

Sie stieß einen weiteren Fluch aus, und diesmal verstand er zumindest einen Teil ihrer Worte. Sie sagte etwas von seinem Herzen und was sie damit zu tun gedachte, während es noch schlug. Dann packte sie Vill am Hals und drückte zu.

Nein … Vill spürte, wie die Dunkelheit zurückkehrte. Nein! Jetzt, da er das Licht gesehen hatte, weigerte er sich, es wieder entschwinden zu lassen. Er sammelte alle Kraft und versuchte, das Mädchen von sich herunterzustoßen, doch es ließ nicht los. Ineinander verknotet wie raufende Kinder kugelten sie den grasbewachsenen Hang hinab. Sie wurden immer schneller, rollten über faustgroße Steine und durch dorniges Gestrüpp, bis sie schließlich gegen einen Baumstamm krachten und von der Wucht des Aufpralls auseinandergerissen wurden.

Vill schüttelte noch benommen den Kopf, da stürzte sie sich schon wieder auf ihn, diesmal mit einem abgebrochenen Ast als Waffe. Glücklicherweise war er viel zu groß und schwer für das zierliche Mädchen, und die toten Blätter daran verlangsamten den Schlag noch weiter. Der Treffer auf Vills Brust richtete nicht mehr Schaden an als ein harmloser Stupser mit einem Besen. Verärgert rappelte er sich hoch. Ärger. Noch etwas, das ich schon lange nicht mehr gefühlt habe.

»Hör auf, Weib!«, schnaubte er. »Wir müssen reden.«

Diesmal traf ihn der Ast ins Gesicht. Das tat weh, mehr aber auch nicht. Als das Flussmädchen zum dritten Mal ausholte, sprang Vill vor und umklammerte sie mit beiden Armen. Der Schlag ging kraftlos auf seinen Rücken nieder, dann fiel der Ast zu Boden.

»Ich will dir nichts Böses!«, schrie Vill und fragte sich gleichzeitig, warum er eigentlich ihre Familie getötet hatte. Dann fiel es ihm wieder ein: Es war praktisch gewesen. Eine Trainingseinheit für seine Düsterlinge. Für meine Monster.

Das Mädchen antwortete in seiner Sprache. »Aber ich dir! Und ich werde erst aufhören, wenn einer von uns beiden tot ist!«

Sie zappelte und wehrte sich mit aller Kraft, aber Vill hielt sie einfach fest, bis sie vollkommen erschöpft war. »Ich würde dich ja gehen lassen, aber …«, begann er.

»Ich bringe dich um, das schwöre ich.«

»Genau das ist das Problem.« Vill drückte sie zu Boden, zog den Gürtel seiner Kniehose ab, wickelte ihn um ihre Handgelenke und verknotete das Leder, so fest er konnte. »Ich kenne dich. Du hast den Überfall auf euer Lager überlebt.«

»Habe ich nicht, denn mein Herz ist tot. Du hast es in einen schwarzen, toten Stein verwandelt, der nur noch schlägt, damit ich Rache an dir nehmen kann.«

»Mag sein. Dann wird es wohl noch eine ganze Weile länger schlagen müssen«, erwiderte Vill. »Denn ich werde dich jetzt allein lassen.«

»Du entkommst mir nicht!«

Vill schnaubte, dann drehte er sich weg und ging.

Doch das Mädchen hielt sein Versprechen. Sie lief hinter ihm her und hob mit ihren gefesselten Händen einen Stein vom Boden auf.

Um mir damit den Schädel einzuschlagen, wenn sie nahe genug herankommt. Nach einer Furchenlänge blieb Vill stehen und wartete auf sie.

Das Mädchen hob knurrend den Stein über den Kopf. »Bis ans Ende der Welt werde ich dich ver…«

Vill machte einen Satz zur Seite und schlug ihr die Beine unterm Körper weg. Er entwand ihr den Stein und schleuderte ihn fort. Ich könnte sie töten. Dann wäre ich das Problem los. Der Gedanke löste einen Schmerz in ihm aus, den er nicht recht deuten konnte. Das Bild, wie dieses temperamentvolle Mädchen tot im Gras lag, versetzte ihm einen Stich tief im Innern.

Vill nahm seine Schärpe ab und knotete sie ihr um die Fußknöchel. Dann sprang er auf und rannte davon. Er kam sich ein wenig albern vor, vor einer an Händen und Füßen gefesselten jungen Frau wegzulaufen, doch er wollte sie nun mal nicht töten. Ich werde sie nicht töten. Vill hatte bereits ihre Sippe auf dem Gewissen, auch wenn das schon Jahrzehnte zurücklag. Oder Tage. Er wusste es nicht. So oder so war er lange genug in der Dunkelheit des Schleiers gefangen gewesen, um für seine Untaten zu büßen. Verbrecher wurden in den Kerker geworfen, bis ihre Vergehen vergeben und vergessen waren. Und auch ich habe meine Strafe abgesessen, mehrmals. Und doch blieb der Schmerz über das, was er getan hatte.

Ein mehr oder weniger gut ausgetretener Pfad führte den Hang hinab. Vill kannte diese Gegend nicht und beschloss, ihm zu folgen. Wenn er sich zwischen die Bäume schlug, würde er sich nur früher oder später verirren, und die Zeit des Umherirrens musste nun endlich ein Ende haben. Jeder Pfad führt irgendwann zu einer Straße, und jede Straße führt irgendwann zu einer Stadt.

Unterwegs sah er nicht eine einzige Leiche, auch keine Pfeile oder Bruchstücke von Kettenhemden. Kein Blut. Die Schlacht, die er geschlagen und verloren hatte, bevor das Mädchen ihn in den Schleier gestoßen hatte, war längst vorüber. Weit länger als nur ein paar Tage.

Nach etwa zwei Stunden erreichte er eine Straße. Sie war gut ausgebaut, breit genug für Wagen und Kutschen. Da fiel es ihm wieder ein: Sie führte zu einer kleinen Stadt. Zornfleck. Ein Dorf eher, am Fuß der Zornberge, die dahinter aufragten wie Mahnmale für die Verbrechen, die er einst hier begangen hatte. Vill beschloss, diese Verbrechen ein für alle Mal hinter sich zu lassen. Ich bin nicht mehr der Mann, der ich damals war.

All diese Dinge gingen ihm durch den Kopf, als ihm drei Männer entgegenkamen – ein finsterer Haufen mit verfilzten Bärten und stechenden Augen, die sofort die Umgebung absuchten, ob er allein war oder vielleicht in Begleitung. Die Art Männer, der man besser nicht den Rücken zukehrte. Unter ihren groben grauen Kitteln, die einmal weiß gewesen waren, sah er die charakteristische Wölbung von Messergriffen, vielleicht sogar Kurzschwertern. Einem der drei fehlte ein Bein. An seiner Stelle ragte ein schimmernd weißer Knochen aus der knapp unterhalb der Hüfte abgeschnittenen Kniehose. Sieht aus wie der Oberschenkelknochen eines großen Tieres. Bei jedem Schritt holte er mit seiner Prothese weit zur Seite aus.

»Heda, was bringt ihr für Neuigkeiten?«, rief Vill möglichst...

Erscheint lt. Verlag 18.1.2016
Reihe/Serie Mapper
Übersetzer Michael Pfingstl
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel Mapper 3
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Fantasy
Literatur Fantasy / Science Fiction Science Fiction
Schlagworte Abrogan • Bestseller • Die Karte der Welt • eBooks • Fantasy • Heroische Fantasy • High Fantasy • Karte • Karthografie • Prequel • Spiegel Bestseller Autor • Spiegel-Bestseller-Autor • Vorgeschichte
ISBN-10 3-641-17128-8 / 3641171288
ISBN-13 978-3-641-17128-5 / 9783641171285
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
Wie bewerten Sie den Artikel?
Bitte geben Sie Ihre Bewertung ein:
Bitte geben Sie Daten ein:
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 1,7 MB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich