Die silberne Nadel (eBook)

Historischer Roman
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2015 | 1. Auflage
416 Seiten
Blanvalet (Verlag)
978-3-641-13664-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die silberne Nadel -  Andrea Schacht
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Mord im mittelalterlichen Köln: Fährmannstochter Myntha ermittelt wieder ...
Köln 1420. Bei der Stammheimer Rheinmühle wurde ein grausiger Fund gemacht: Im großen Holzrad hängt die Leiche des Brotbeschauers Schroth. Die Würgemale an seinem Hals deuten darauf hin, dass sein Tod kein Unfall war. Unter Mordverdacht steht seine Geliebte, die ehrbare Witwe Ellen, ihr droht die peinliche Befragung und Folter. Doch die kluge Fährmannstochter Myntha glaubt nicht an Ellens Schuld und beginnt, nach dem wahren Mörder zu forschen. Dabei steht ihr der geheimnisvolle Rabenmeister Frederic zur Seite, und er ist auch zur Stelle, als Myntha selbst in tödliche Gefahr gerät ...

Andrea Schacht (1956 - 2017) war lange Jahre als Wirtschaftsingenieurin und Unternehmensberaterin tätig, hat dann jedoch ihren seit Jugendtagen gehegten Traum verwirklicht, Schriftstellerin zu werden. Ihre historischen Romane um die scharfzüngige Kölner Begine Almut Bossart gewannen auf Anhieb die Herzen von Lesern und Buchhändlern. Mit »Die elfte Jungfrau« kletterte Andrea Schacht erstmals auf die SPIEGEL-Bestsellerliste, die sie auch danach mit vielen weiteren Romanen eroberte.

5. Kapitel

Die sechs Sperber auf dem Sprenkel hatten ihre Flügel ausgebreitet, um sie in der Sonne zu trocknen. Die Raben saßen krächzend auf dem First und schmähten die an den Füßen gefesselten Raubvögel. Oder bedauerten sie. Ganz sicher war sich Frederic nicht. Eine Weile beobachtete er seine gefiederten Begleiter, dann wandte er sich den zwei Kaninchen zu, die es zu häuten und zu zerlegen galt. Futter für seine Meute.

Das Gewitter am Vorabend war auch für ihn einigermaßen glimpflich verlaufen. Zufrieden betrachtete er den Anbau an der Hütte, dessen Dach er und Henning am Vortag gerade eben noch mit Holzschindeln gedeckt bekommen hatte, bevor der Regenguss niederging. Nun hatte der Junge seine eigene Kammer, wenn auch noch nicht sein eigenes Bett. Aber bisher hatte er sich über die Strohsäcke und Decken nicht beklagt, die sein Lager im Unterstand der Pferde bildeten.

Sieben Wochen war der junge Mann nun schon bei ihm. Als Taschendieb gestellt und vom Fährmeister begnadigt, hatten die Fährleute ihn Frederic als Gehilfen angedient. Er war ein schweigsamer Bursche, doch seltsam willig und gehorsam, ja, für manche Selbstverständlichkeiten sogar unerwartet dankbar. So nach und nach hatte Frederic eine Reihe von nützlichen Fähigkeiten an ihm entdeckt, etwa die Tatsache, dass er mit Jagdvögeln umzugehen wusste, ein geborener Reiter war und ausgesprochen flinke Reaktionen aufwies. Er konnte jagen und fischen und mit dem Messer umgehen, stellte sich bei der Anfertigung von Pfeil und Bogen äußert geschickt an und hatte eine höfliche Art den Frauen gegenüber. Alles in allem ließ Frederic vermuten, dass er eine gründliche höfische Ausbildung genossen hatte, möglicherweise der Knappe eines Edelmanns war und damit vermutlich von hoher Geburt. Warum er die Rolle eines Taschendiebs und Taugenichts – mehr schlecht als recht – gespielt hatte und sich auch noch dabei hatte ertappen lassen, hatte Frederic bisher noch nicht herausgefunden. Henning mochte zwar höflich sein, er war aber auch gründlich verschlossen und gab nichts über sich selbst preis. Andererseits – Frederic war ein guter Beobachter, aber auch er konnte schweigen. Und schweigen, das hatte er herausgefunden, brachte manchmal mehr als fragen. Dazu kam, dass er den Jungen mochte. Sein stoisches Annehmen von Leid und Widrigkeiten nötigte ihm Respekt ab.

An diesem Morgen hatte er ihn zur Fähre geschickt, um dort eine Lieferung von Köchern abzuholen, die er bei einem Lederer am Alter Markt in Auftrag gegeben hatte, und als er den Raben die Innereien der Kaninchen vorwarf, hörte er den Hufschlag und sah auf. Wieder einmal beeindruckte ihn, mit welcher Grazie Henning auf seinem Ross saß. Mühelos lenkte er das starke Tier, hielt sich aufrecht, beinahe königlich auf dem bloßen Rücken. Einen Sattel verschmähte er meist. Über seine Schultern hatte er die sechs Köcher geschlungen und glitt nun direkt neben ihn auf den Boden. Meuric schnaubte und stieß Frederic zur Begrüßung in die Seite. Offenbar war auch er mit seinem Reiter zufrieden.

»Eure Köcher, Meister«, sagte Henning und reichte die Lederbehälter weiter. Frederic begutachtete sie und fand sie ordentlich gearbeitet.

»Ein Halbdutzend Bogen nebst Köchern und Pfeilen – wir werden morgen unser erstes Geschäft mit der Stadtwache tätigen.«

Henning nickte.

»Und Ihr werdet die Männer den Umgang damit lehren?«

»So hatte ich mir das gedacht. Sonst müssten wir wohl mit etlichen Blessuren rechnen. Hast du einen der Fährer wegen der Holzbretter angesprochen?«

»Haro sagt, sie können sie auf dem Holzmarkt besorgen, Meister, aber sie brauchen die Maße.«

»Sollen sie bekommen.«

»Und Frau Lore schickt Euch diesen Krug und diesen Speck, Meister.«

»Oh, geräucherten Speck. Wir werden ein Festmahl halten.«

»Und Jungfer Myntha ist in der Nacht wieder gewandelt.«

»Ah?«

»Sie hat es mir selbst gesagt. Und auch, dass sie diesmal nicht ins Kloster gehen wird. Es ist sehr geschäftig an der Fähre, und sie haben viele Gäste zu bewirten. Und sie sagt, es habe sie gewiss niemand gesehen, und sie hat niemandem Angst eingejagt.«

»Sagt sie. Hoffentlich stimmt das. Und hoffentlich passiert in den nächsten Tagen kein Unglück. Denn das werden sie der Unholdin gleich wieder anhängen.«

»Es wird friedlicher werden, Meister, denn heute Morgen sind die Gaukler weitergezogen. Witold hat sie übergesetzt.«

»Das ist eine erfreuliche Nachricht. Dieses Volk hat schon viel zu lange hier herumgelungert und ist seinen Diebereien nachgegangen.«

Henning sah versonnen den Raben nach, die über der Kate kreisten. Sie, die treuen Wächter, hatten mehr als einmal Versuche vereitelt, in ihre Behausung einzudringen. Raky, Robb und Ron mit ihren Gefährtinnen hatten denen, die sich heimlich anschleichen wollten, die Furcht Gottes gelehrt. Frederic grinste bei der Erinnerung daran. Sechs schwarze Dämonen, die auf einen Ankömmling mit mörderischem Geschrei und scharfen Schnäbeln niederstießen, konnten schon recht bedrohlich wirken.

»Die Kleine, die auf dem Seil herumhampelt, ist nicht mit ihnen gegangen«, ergänzte Henning.

»Ist kein leichtes Leben auf der Straße für ein Mädchen. Sie wird irgendwo einen Unterschlupf gefunden haben. Henning, du hast ein schönes Stück Speck mitgebracht. Du lernst heute, ein Essen zu bereiten. Nimm dein Messer und zerschneide das Fleisch in kleine Würfel.«

»Meister?«

»Es schadet keinem Mann zu wissen, wie man ein schmackhaftes Mahl zubereitet.«

Es war tatsächlich das erste Mal, dass Frederic so etwas wie leichten Trotz in Hennings Augen aufblitzen sah. Doch nur für einen kleinen Moment, dann nickte der Junge und trat gehorsam in die Kate.

Frederic brachte die Sperber wieder in ihre Käfige und holte den Tragkorb aus dem Unterstand der Pferde. Die Stute stand auf der Weide und graste friedlich, Meuric hatte sein Maul in die Krippe versenkt und malmte Hafer. Frederic tätschelte ihm den schimmernden Hals.

»Heute Nachmittag wirst du mich wieder einmal ein Stück Weges tragen, mein Freund. Wir reiten nach Stammheim.«

Der Hengst gab einen zustimmenden Laut von sich und mampfte weiter.

Frederic sah nach seinem Gehilfen, der die durchwachsene Speckseite in akkurate Würfel zerlegt hatte, und wies ihn an, ein kleines Feuer auf dem Herdstein zu entfachen.

»Und nun nimm die Schüssel dort, Henning, und schlag sechs Eier hinein.«

Etwas hilflos hielt der Junge ein Ei in der Hand, wusste offenbar nicht recht, wie er es in die Schüssel bekommen sollte, und zerdrückte es plötzlich mutig in der Hand. Eigelb, Eiweiß und zerbrochene Eierschale tropften von seinen Fingern.

Frederic unterdrückte ein Lachen, nahm die Schale und schüttete den Inhalt draußen vor die Tür. Dann nahm er das nächste Ei und schlug es mit einem kurzen, kräftigen Klack auf den Schüsselrand und ließ das Innere hineingleiten. Die beiden Schalenhälften legte er auf den Tisch.

»Versuch es noch mal.«

Die nächsten fünf Eier landeten fast ohne Unfall in der Schüssel. Frederic wies Henning an, sie durchzurühren, schickte ihn dann hinter die Kate, um einige Stängel Schnittlauch zu pflücken, sortierte gewissenhaft die Grashalme aus dem Bündel aus und ließ Henning den Lauch in kleine Röllchen schneiden. Dann zeigte er ihm die Menge Salz, die unterzurühren war, und hieß ihn, die schwere Pfanne auf den Dreifuß über dem Feuer zu stellen.

»Den Speck hinein und anbraten. Rühren, damit er nicht anbrennt, und wenn er braun wird, gießt du die Eier dazu. Weiterrühren.«

Henning beobachtete die Pfanne mit einem derart konzentrierten Falkenblick, als ob sie sich gleich vom Feuer erheben und zu fliegen beginnen wollte. Schweißperlen bildeten sich auf seiner Stirn, und Frederic vermeinte ein leichtes Zittern seiner Hände zu erkennen. Mit sich zufrieden konstatierte er, dass der ansonsten so begabte junge Mann tatsächlich erstmals in seinem Leben selbst ein Essen zubereiten musste. Mit Schwung säbelte er einige Scheiben von einem Laib Brot ab und fischte ein paar sauer eingelegte Gurken aus dem Steingutfass.

»Fertig, Henning. Schieb dir deine Portion auf das Brettchen und setz dich an den Tisch.«

Erleichtert nahm Henning Platz, wartete aber, bis auch Frederic sich mit seinem Essen niedergelassen hatte. Offenbar schmeckten ihm die Speckeier, er putzte sie schnell und gründlich weg.

»Heute Nachmittag solltest du mit zweien der Sperber mit dem Federspiel üben, denke ich. Nimm die Pfeife dazu und das Fleisch, das ich heute früh zugerichtet habe.«

»Ja, Meister.«

»Ich reite jetzt nach Stammheim. Es heißt, im Kirchturm nistet ein Falkenpaar, das Junge hat. Ich werde versuchen, sie einzufangen.«

»Viel Glück, Meister.«

Frederic nickte seinem Gehilfen zu und ging zum Stall.

Kleine Wolken betupften den Himmel, ein frischer Wind spielte in den Blättern der Pappeln am Ufer, als er am Rhein entlang nach Norden trabte. Noch glitzerte das Sonnenlicht in einigen Pfützen, aber die Wiesen und Weiden waren schon durch die warme Luft getrocknet. Mücken sirrten hier und da über feuchten Stellen, Schwalben jagten in wilden Schwüngen über ihn hinweg. Einige Male sandte ein Fischer oder Bauer ihm einen misstrauischen Blick nach, was Frederic aber nicht berührte. Er hatte sich mit Absicht den Ruf eines finsteren Mannes aufgebaut. Der Rabenmeister, wie sie ihn nannten, war den einfachen Menschen unheimlich. Ein Schicksal, wie er leise grinsend feststellte, das ihn mit der Unholdin vom Fährhaus verband....

Erscheint lt. Verlag 19.10.2015
Reihe/Serie Myntha, die Fährmannstochter
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Schlagworte 15. Jahrhundert • Befragung • eBooks • Ermittlung • fährmannstochter • Folter • Gefahr • Geheimnis • Heimatkrimi • Historische Kriminalromane • Historische Romane • Historischer Roman • Köln • Krimi • Kriminalromane • Krimis • Mittelalter • Mord • Mörder • Roman • Verbrechen • Verdacht
ISBN-10 3-641-13664-4 / 3641136644
ISBN-13 978-3-641-13664-2 / 9783641136642
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