Der Psychiater (eBook)

Psychothriller
eBook Download: EPUB
2015 | 1. Auflage
560 Seiten
Verlagsgruppe Droemer Knaur
978-3-426-42409-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der Psychiater -  John Katzenbach
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Timothy Warner, Spitzname »Moth«, studiert Geschichte an der University of Miami - und er hat ein massives Drogenproblem. Jetzt ist er seit hundert Tagen »clean«, doch das hat er nur mit Hilfe seines Onkels Ed geschafft, eines prominenten Psychiaters und so etwas wie Moths Rettungsanker. Als Ed tot in seiner Praxis aufgefunden wird, stürzt Moth ins Bodenlose. Niemals war dies Selbstmord, auch wenn die Polizei noch so sehr davon überzeugt ist. Moths neue Aufgabe im Leben wird es, den Mörder zu stellen. Seine Nachforschungen führen ihn zu dem pensionierten Psychiatrieprofessor Jeremy Hogan, der seit einiger Zeit anonyme Drohanrufe bekommt. Ein unbekannter »Student Nr. 5« kündigt an, ihn umbringen zu wollen. Jedes Mal eröffnet er seinen Anruf mit der Frage: »Wessen Schuld ist es?« Es scheint, als wolle er Rache nehmen für ein Unrecht, das ihm vor Jahren während seines Studiums angetan wurde ...

John Katzenbach, geboren 1950, war ursprünglich Gerichtsreporter für den »Miami Herald« und die »Miami News«. Bei Droemer Knaur sind inzwischen zahlreiche Kriminalromane von ihm erschienen, darunter die Bestseller »Die Anstalt«, »Der Patient«, »Der Professor« und »Der Bruder'. Zweimal war Katzenbach für den Edgar Award, den renommiertesten Krimipreis der USA, nominiert. Er lebt mit seiner Familie in Amherst im Westen des US-Bundesstaates Massachusetts.Weitere Informationen unter www.john-katzenbach.de und www.johnkatzenbach.com

John Katzenbach, geboren 1950, war ursprünglich Gerichtsreporter für den »Miami Herald« und die »Miami News«. Bei Droemer Knaur sind inzwischen zahlreiche Kriminalromane von ihm erschienen, darunter die Bestseller »Die Anstalt«, »Der Patient«, »Der Professor« und »Der Bruder". Zweimal war Katzenbach für den Edgar Award, den renommiertesten Krimipreis der USA, nominiert. Er lebt mit seiner Familie in Amherst im Westen des US-Bundesstaates Massachusetts. Weitere Informationen unter www.john-katzenbach.de und www.johnkatzenbach.com

1


Timothy Warner entdeckte die Leiche seines Onkels, weil er an diesem Morgen mit einem unwiderstehlichen und beängstigend vertrauten Verlangen aufwachte, einer Leere, die wie ein falscher Akkord auf einer E-Gitarre tief in seinem Innern dröhnte. Zuerst hielt er es für den Nachhall eines Traums, in dem er ungestraft einen Wodka nach dem anderen heruntergekippt hatte. Doch dann rief er sich ins Gedächtnis, dass er an diesem Morgen seit neunundneunzig Tagen trocken war, und ihm dämmerte, dass es ihn einen gewaltigen Kraftakt kosten würde, bis zum Schlafengehen nüchtern zu bleiben und seinen hundertsten Tag zu erleben. Die Lage war ernst, und bevor er die müden Glieder von sich gestreckt oder auch nur einen Blick aus dem Fenster geworfen hatte, um nach dem Wetter zu sehen, griff er nach seinem Smartphone und klickte auf die App, die automatisch zählte, wie viele Tage er sich ohne Rückfall hatte trocken halten können. Gestern war sie von achtundneunzig auf neunundneunzig gesprungen.

Einen Moment lang starrte er auf die Zahl. Der anfängliche Höhenflug war längst der Ernüchterung gewichen; nicht der leiseste Anflug von Stolz oder Befriedigung war geblieben. Nach dem ersten Enthusiasmus hatte schon bald die Erkenntnis gesiegt, dass die Zählung eher einer tickenden Bombe glich und ihn unerbittlich an das fortwährende Risiko erinnerte, schwach zu werden, sich gehenzulassen, zu resignieren.

Und es würde ihn umbringen.

Vielleicht nicht auf der Stelle, doch über kurz oder lang. Seit er nüchtern war, fühlte er sich manchmal wie auf einer sturmgepeitschten Klippe: als beugte er sich zaghaft über den Rand, starrte in die schwindelnde Tiefe. Eine einzige kräftige Böe, und der Sturz ins Bodenlose wäre unaufhaltsam.

Es war eine Gewissheit und jede Verharmlosung reiner Selbstbetrug.

Gegenüber seinem Bett lehnte ein dreiviertelhoher, billiger schwarzer Spiegel an der Wand seines kleinen Studios; daneben stand das teure Fahrrad, mit dem er zur Uni fuhr, nachdem ihn sein letzter Rückfall den Führerschein gekostet hatte. In der Oversize-Unterwäsche, in der er schlief, stellte er sich vor den Spiegel und betrachtete sein Ebenbild.

Ihm gefiel nicht unbedingt, was er sah.

Statt des schlanken, durchtrainierten Kerls von früher blickte er auf eine ausgemergelte Gestalt, statt Sixpack konnte er die Rippen zählen, und von einem der schmächtigen Schultermuskeln grinste ihm ein trauriges Clownsgesicht mit zerzausten Haaren entgegen – ein schlecht gemachtes Tattoo als Andenken an eine durchzechte Nacht. Auch er selbst trug sein pechschwarzes Haar lang und ungepflegt. Im Unterschied zum Clown hatte er dunkle Augenbrauen und ein gewinnendes, doch wie dieser ein wenig schiefes Lächeln, mit dem er auf andere freundlicher wirkte, als er nach eigener Einschätzung war. Er wusste nicht, ob er gut aussah, auch wenn es ihm dieses wirklich schöne Mädchen vor Jahren bescheinigt hatte. Er hatte die langen, dünnen Arme eines Langstreckenläufers. Im Footballteam der Highschool war er Außenstürmer gewesen; zudem ein Einserschüler, den andere um Hilfe baten, wenn sie bei einem schwierigen Chemie-Experiment oder einem prekär verschleppten Aufsatz in Schwierigkeiten waren. Einer der besten Spieler im Team, ein bulliger Lineman, strich eines Tages einfach so vier Buchstaben aus seinem Namen und begründete seine Umbenennung damit, Tim oder Timmy passe einfach nicht zu Moths getriebenem Gesichtsausdruck. Der Spitzname blieb an ihm hängen, und Timothy hatte eigentlich nichts dagegen einzuwenden, weil Motten außergewöhnliche Qualitäten besaßen und sich in ihrer Suche nach Licht tollkühn in offene Flammen stürzten. Moth also, basta. Von da an griff er nur bei seltenen Gelegenheiten auf seinen vollen Namen zurück, bei formellen Anlässen, Familienfesten und – vor neunundneunzig Tagen – auch bei seinem ersten Treffen mit den Anonymen Alkoholikern, wo er sich mit den Worten vorstellte: »Hallo, ich heiße Timothy, und ich bin Alkoholiker.«

Eher unwahrscheinlich, dass sich seine weit entfernt lebenden Eltern oder die beiden älteren Geschwister, zu denen sein Kontakt ebenfalls seit Jahren eingeschlafen war, überhaupt noch an seinen Spitznamen erinnern konnten. Der Einzige in seiner Familie, der ihn nach wie vor fast immer und mit Zuneigung so anredete, war sein Onkel, dessen Nummer Moth hastig wählte, während er sein Spiegelbild anstarrte. Er wusste, dass er sich vor sich selbst schützen musste, und ein Anruf bei seinem Onkel war praktisch der erste Schritt, zu dem ihn sein Selbsterhaltungstrieb drängte.

Wie nicht anders zu erwarten, schaltete sich der Anrufbeantworter ein. »Hier spricht Dr. Warner. Ich befinde mich gerade in einem Patientengespräch. Bitte hinterlassen Sie eine Nachricht, und ich melde mich so bald wie möglich zurück.«

»Onkel Ed, hier spricht Moth. Heute Morgen hat mich das Verlangen derart erwischt, dass ich nicht weiß, wie ich es über die nächsten Stunden schaffen soll. Muss zu einem Treffen. Könntest du vielleicht auch hinkommen? In der Redeemer One, heute Abend um sechs? Also, falls möglich, bis dann. Ich warte auf dich, und vielleicht können wir hinterher noch ein bisschen reden. Tagsüber werde ich es wohl irgendwie packen.« Dieses windelweiche Versprechen nahm er sich selbst nicht ab, und sein Onkel würde das genauso wenig tun.

Vielleicht, überlegte Moth, gehe ich zu diesem Mittagstreff drüben im Campuszentrum oder der kleinen Vormittagsrunde in dem winzigen Zimmer hinter dem Laden der Heilsarmee. Oder ich lege mich ganz einfach wieder ins Bett, ziehe mir die Decke über den Kopf und trete bis zu dem Sechs-Uhr-Treffen gar nicht erst vor die Haustür.

Die abendlichen Meetings wurden in der First Redemption Church abgehalten – im Geheimjargon zwischen ihm und seinem Onkel firmierte die Erlöserkirche, schon wegen der Kürze, aber auch wegen der Anspielung auf das Raumschiff, als Redeemer One. Diese ein wenig elitären Zusammenkünfte waren ihm am liebsten. Nur selten fehlte er in dieser Runde von Anwälten, Ärzten und anderen Leuten aus den gehobenen Kreisen, die sich lieber auf den weichen Polstersofas in dem behaglichen, holzgetäfelten Versammlungsraum der Kirche zu ihrer Sucht bekannten als auf harten Metallklappstühlen im unbarmherzigen Neonlicht eines niedrigen, kalten Souterrains – dem üblichen Austragungsort von Treffen der Anonymen Alkoholiker. Ein betuchter Wohltäter der Kirche hatte einen Bruder an den Alkohol verloren, und seinen großzügigen Spenden waren die weichen Sitzgelegenheiten sowie der frische Kaffee zu verdanken. Die Redeemer One hatte etwas von einem exklusiven Club. Moth war mit großem Abstand der Jüngste.

Die trockenen Trinker und Junkies von einst, die es allabendlich dorthin zog, lebten ausnahmslos in jener fernen Welt, für die Moth, wie er ein Leben lang immer wieder zu hören bekam, ebenfalls prädestiniert war. Wer ihn eher flüchtig kannte, sah in ihm den künftigen Arzt, Anwalt oder erfolgreichen Geschäftsmann, wenn nicht mehr.

Natürlich nicht einen Arzt, der erst einmal selbst zur Spritze greift, bevor er seine Patienten fragt: »Was kann ich für Sie tun?«, oder einen Anwalt, der sein Schlussplädoyer mit schwerer Zunge vorträgt, und ebenso wenig einen Geschäftsmann, der seine Kohle in Koks investiert.

Ihm zitterte die Hand. Niemand, dachte er unwillkürlich, erzählt seinen Kindern, sie hätten eine steile Karriere als Trinker oder Junkie vor sich. Nicht in den guten alten USA, dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Nein, man hämmert ihnen ein, sie hätten das Zeug dazu, eines Tages Präsident zu werden, dabei spricht die Statistik eindeutig für die Sucht.

Harte Fakten. Nicht von der Hand zu weisen.

Mit einem schwachen Grinsen fügte er im Geiste hinzu: Wahrscheinlich sind die ein, zwei Kinder, die tatsächlich zu hören bekommen, sie würden als Säufer oder mit der Nadel im Arm auf dem Boden eines öffentlichen Klos enden, ausgesprochen motiviert, diesem Schicksal zu entrinnen, und werden irgendwann tatsächlich Präsident.

Im Bad ließ er sein Handy auf der Ablage, um das Klingeln nicht zu verpassen, und stieg in die Dusche. Mit einer halben Flasche Shampoo und brühend heißem Wasser bekam er vielleicht die vielen Schichten verkrusteter Ängste herunter.

Als das Telefon ging, hatte er sich gerade halb abgetrocknet.

»Onkel Ed?«

»Hey, Moth, mein Junge, hab gerade deine Nachricht abgehört. Gibt’s Probleme?«

»Ja.«

»Wie ernst?«

»Bis jetzt nur ein Wahnsinnsverlangen, bin praktisch davon aufgewacht.«

»War irgendwas, ich meine, ist was Besonderes vorgefallen, das es ausgelöst haben könnte?«

Sein Onkel, das wusste Moth aus Erfahrung, interessierte sich immer für das Warum, das ihm dabei helfen würde, sich ein Gesamtbild zu machen.

»Nein, keine Ahnung. Eigentlich nichts. Es war nur einfach da, als ich heute Morgen die Augen aufmachte. Als würde ich wach und da säße ein Gespenst an meinem Bett und ließe mich nicht aus den Augen.«

»Das klingt furchterregend«, sagte sein Onkel. »Auch wenn dir das Gespenst nicht ganz unbekannt sein dürfte.« Er legte eine Pause ein, in der er sich, ganz der Psychiater, jedes Wort so genau überlegte wie ein Schachmeister seine nächsten Züge. »Hältst du es wirklich für eine gute Idee, bis heute Abend zu warten? Wie wär’s mit einem früheren Treffen?«

»Ich hab fast den ganzen Tag Seminare. Ich sollte es bis …«

»Vorausgesetzt, du gehst hin.«

Moth erwiderte nichts. Wäre auch zwecklos gewesen.

»Vorausgesetzt«, spann sein Onkel den Faden weiter, »du trittst nicht aus der Haustür, wendest dich...

Erscheint lt. Verlag 27.3.2015
Übersetzer Anke Kreutzer, Dr. Eberhard Kreutzer
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Alkoholiker • Alkoholsucht • amerikanische Psychothriller • Jeremy Hogan • John Katzenbach Bücher • Miami • Mord • moth • Onkel • Psychiater • Psychothriller • Psychothriller bücher • Psychothriller Romane • Rache • Schuld • Selbstmord • Staatsanwältin • Student • Susan Terry • Thriller Rache • Thriller USA • Timothy Warner
ISBN-10 3-426-42409-6 / 3426424096
ISBN-13 978-3-426-42409-4 / 9783426424094
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