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Schneegestöber (eBook)

Theodor Fontane und der Brüdermord

(Autor)

eBook Download: EPUB
2015 | 1. Auflage
272 Seiten
Bebra Verlag
978-3-8393-6146-7 (ISBN)
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Februar 1874: Theodor Fontane und seine Frau Emilie stolpern auf dem Trottoir über die Leiche des Rittmeisters Johann Friedrich von Stepanitz. Gegen den Willen der Kriminalpolizei beginnt Fontane mit eigenen Nachforschungen. Die verzweifelten Liebesbriefe, die sich im Nachlass des Toten finden, deuten auf Eifersucht als Mordmotiv. Doch auch der Bruder des Rittmeisters, ein überall verhasster Publizist, benimmt sich verdächtig. Dann geschieht ein zweiter Mord - mit derselben Waffe ... Weitere Fontane-Krimis in der Reihe: 'Altweibersommer. Theodor Fontanes erster Fall', 'Hundstage. Theodor Fontane und der Tote im Walzwerk', 'Nachsaison. Fontane und die Bettler von Neapel'

Frank Goyke, geboren 1961 in Rostock, arbeitete nach dem Studium der Theaterwissenschaften in Leipzig als Lektor und Dramaturg. Seit 1997 ist er freier Schriftsteller. Sein Roman 'Dummer Junge, toter Junge' wurde von der RaymondChandlerGesellschaft mit dem 'Marlowe' als bester deutschsprachiger Kriminalroman ausgezeichnet. Frank Goyke lebt in Berlin. Im berlin.krimi.verlag sind zuletzt von ihm erschienen die FontaneKrimis 'Altweibersommer' (2008), 'Schneegestöber' (2009) und 'Nachsaison' (2011).

Frank Goyke, geboren 1961 in Rostock, arbeitete nach dem Studium der Theaterwissenschaften in Leipzig als Lektor und Dramaturg. Seit 1997 ist er freier Schriftsteller. Sein Roman "Dummer Junge, toter Junge" wurde von der RaymondChandlerGesellschaft mit dem "Marlowe" als bester deutschsprachiger Kriminalroman ausgezeichnet. Frank Goyke lebt in Berlin. Im berlin.krimi.verlag sind zuletzt von ihm erschienen die FontaneKrimis "Altweibersommer" (2008), "Schneegestöber" (2009) und "Nachsaison" (2011).

Erstes Kapitel


22. Februar 1874


Bei Einbruch der Dunkelheit hatte sich der Wind gelegt. Der Schnee fiel nun fast senkrecht und bildete einen dichten Vorhang, durch den nur hier und da der trübe Schein einer Gaslaterne drang. Jedes Geräusch wurde gedämpft, es war beinahe so still wie nachts auf dem Lande.

Theodor Fontane und seine Frau Emilie verließen das Haus ihrer Freunde in der Königin-Augusta-Straße gegen acht. Sie hatten eine Soirée bei den Wangenheims besucht, zu denen der Freiherr und seine Gattin während der Wintermonate bereits für siebzehn Uhr luden, damit ihre Gäste beizeiten wieder aufbrechen konnten. Fontane und Emilie gingen als Erste.

Kaum hatte Fontane seinen Fuß aufs Trottoir gesetzt, zuckte er fröstelnd zusammen. Er schlang seinen Schal enger um den Hals und schlug den Kragen hoch. Emilie hakte sich bei ihm unter, und gemeinsam wandten sie sich nach rechts. Weit und breit war außer ihnen kein Mensch unterwegs. »Seit mehr als zwei Wochen schneit es nun fast ohne Unterlass«, sagte Fontane und drückte den Arm seiner Frau an sich.

»Und halb Berlin liegt mit Influenza im Bett«, fügte Emilie hinzu. »Hüte dich also vor zu langen Spaziergängen.«

»Aber frische Luft ist die beste Medizin.« Fontane wandte seine Aufmerksamkeit einer Gaslaterne auf der gegenüberliegenden Seite des Dammes zu, deren Düsen offenbar verstopft waren, denn das Licht vibrierte hinter den Schnüren aus Schnee; fast war man geneigt zu sagen, es tanze verzweifelt gegen das Verlöschen. Fontanes Blick fuhr den Laternenmast hinab – dann erstarrte er augenblicklich, und seine Finger krallten sich in Emilies Arm. Sie schrie leise auf.

»Aber Théodore!« Wie so oft sprach sie seinen Namen französisch aus, denn das mochte er.

»Dort!« Fontane nickte in Richtung der Gaslaterne. Seine Stimme klang, als habe er eine Halsentzündung, aber das Krächzen war nur eine Folge seines Erschreckens. Emilie schaute hinüber.

»Mein Gott!«, flüsterte sie.

Zu Füßen der Lampe lag ein Mensch.

Das Ehepaar brauchte einige Zeit, um sich zu fassen. Es war unmöglich, den Blick abzuwenden von dem Mann dort drüben, und ebenso unmöglich war es, einen Schritt zu tun. Der Mann lag ausgestreckt auf dem Gehsteig, das Gesicht halb im Schnee versunken; er trug einen schwarzen Mantel, der weiß bestäubt war, schwarze Hosen und schwarze Schuhe. Da er sich nicht rührte, konnte er tot sein, vielleicht aber auch nur bewusstlos. Er war barhäuptig, sein Hut, ebenfalls schwarz, war in den Rinnstein gefallen, und der Schnee setzte alles daran, ihn verschwinden zu lassen. Das Haar des Gestürzten schien hell zu sein, vielleicht blond, aber das war nicht genau zu erkennen.

»Gott, was tun wir?«, fragte Emilie mehr sich selbst als ihren Mann. »Gehen wir zurück zu den Wangenheims? Hammerschmidt ist doch Arzt.«

Fontane nickte.

»Tu das. Ich sehe, ob ich helfen kann.«

»Sei vorsichtig, Théodore!«, beschwor ihn Emilie. Sie entzog ihm ihren Arm und wandte sich dem Haus der Freunde zu. Fontane überquerte die Fahrbahn, ein beklommenes Gefühl in der Brust. Langsam setzte er Schritt vor Schritt, sank bis zum Knöchel ein, spürte seine Füße erkalten. Angst hatte er nicht. Von einem Mann, der auf dem Trottoir zusammengebrochen war, würde kaum eine Gefahr ausgehen. Mitten auf der Fahrbahn warf er einen Blick über die Schulter. Emilie war verschwunden, und die Straße war noch immer menschenleer.

Er setzte seinen Weg fort. Er erreichte den Hut, der immer weißer wurde, und blieb sofort wieder stehen. Nach wie vor hatte der Mann sich nicht bewegt. Sein weiches, aber eiskaltes Lager hatte sich rings um den Körper rot gefärbt.

Das Licht war schlecht. Und doch zweifelte Fontane nicht, dass die Farbe Blut war.

»Nichts mehr zu machen.« Doktor Hammerschmidt hatte soeben am Hals und an den Handgelenken nach dem Puls des Mannes unter der Laterne getastet und richtete sich nun auf. Eine Schneeflocke setzte sich auf seine Brille und schmolz. Ein kleiner Tropfen rann über das Glas. Eine weitere Flocke folgte.

Fontane stand wenige Meter von dem Toten entfernt und wurde von ein paar Männern umringt, die sich eilig ihre Mäntel übergeworfen hatten; darunter trugen sie Abendanzüge, Krawatten oder Fliegen. Fontane zurrte seinen Schal noch enger. Er fror gewaltig, und das nicht nur wegen der Kälte.

»Und woran ist er gestorben?«, erkundigte sich der Geheime Oberregierungsrat von Wangenheim, der unmittelbar neben Fontane stand. In seinem graumelierten Backenbart hatten sich Schneekristalle verfangen.

Der Arzt, der über den Wangenheims wohnte, zuckte mit den Schultern.

»Eine exakte Diagnose kann ich nur stellen, wenn er entkleidet ist«, erwiderte Hammerschmidt. Er zog ein lilienweißes Taschentuch aus dem Mantel, nahm die Brille ab und trocknete sie mit dem Tuch. »Aber es gibt ein paar Löcher in seinen Kleidern, die mich vermuten lassen, er ist erdolcht worden. Mit mehr als einem Stich.«

»Erdolcht?«, rief der Abgeordnete Hermann von Mallinckrodt. Er stapfte von einem Bein aufs andere. Wahrscheinlich standen seine flachen Lackschuhe längst voll Wasser.

Der dritte der herbeigeeilten Männer, der General a. D. von Schleinitz, schwieg. Emilie war im Salon der Wangenheims geblieben.

»Wir werden nach der Polizei schicken müssen«, sagte Mallinckrodt. Der Geheimrat nickte.

»Gehen Sie nur«, sagte der Arzt und setzte die Brille zurück auf seine breite Nase. Sofort fing er mit ihr wieder Flocken. »Ich bleibe hier und warte auf die Beamten.«

»Sie werden sich einen Schnupfen oder Ärgeres holen«, warnte von Wangenheim.

»Möglich«, sagte Hammerschmidt mit dem Anflug eines Lächelns. »Aber ich bin ja berufen, solche Krankheiten zu kurieren.«

»Und Sie, mein lieber Fontane?«

»Ich bleibe auch.«

Der Gastgeber, der General und der Abgeordnete kehrten rasch ins Haus zurück. Nach einigem Zögern gesellte sich Fontane zu dem Arzt. Er kannte Hammerschmidt seit Langem; bei ihrer ersten Begegnung vor etlichen Jahren war er Fontane unsympathisch gewesen, was wohl vor allem in seinen hervorquellenden Augen begründet lag, die ihm ein beinahe froschartiges Aussehen verliehen. Mittlerweile kannte Fontane ihn als einen angenehmen Plauderer, der seine Zuhörer gern zum Lachen brachte, und Anlässe zum Lachen waren rar in diesen Krisenzeiten, in denen Banken, Terraingesellschaften und die Firmen windiger Entrepreneurs in sich zusammenfielen wie zu hohe Kartenhäuser. Der Gründerkrach war über Berlin gekommen wie der Vesuv über Pompeji, und es war nicht abzusehen, wann sich das Gewerbeleben wieder aus der Asche hervorkämpfen würde.

»Vielleicht eine Frau«, sagte Hammerschmidt und betrachtete versonnen den Toten.

»Wie meinen?«

»Vielleicht steckt eine Frau dahinter.«

Die Vermutung des Arztes kam für Fontane nicht unerwartet. Er wusste auch, dass Hammerschmidt ein weiteres Wort mitgedacht hatte, auch wenn er es nicht aussprach: hysterisch. Wahrscheinlich würde er gleich die Geschichte der Hysterikerinnen von Morzine erzählen, die er bei jeder sich bietenden Gelegenheit anbrachte, ob passend oder nicht. Fontane kannte sie beinahe auswendig. Die Frauen von Morzine hatte nun aber niemanden umgebracht, noch war jemand um ihretwillen getötet worden.

»Sie glauben doch nicht, dass eine Frau auf offener Straße einen Mann ersticht«, sagte er, während er aus den Augenwinkeln wahrnahm, wie das Tor im Hause der Wangenheims geöffnet wurde. »Außerdem ist der Dolch nicht die Waffe der Frauen. Ich denke, sie benutzen lieber Gift?«

»Es hat auch schon anderes gegeben«, entgegnete der Arzt. »Denken Sie nur an die Amazonen.«

»Die zweifelsohne alles andere als hysterisch waren«, bemerkte Fontane nicht ohne Spott, ärgerte sich aber schon im selben Augenblick über sein Stichwort.

Aus dem Torweg rollte das Coupé der Wangenheims, gezogen von einem kräftigen Falben. Das Pferd schüttelte sich, als es die ersten Flocken auf der Kruppe spürte, es bleckte die Zähne und sah wenig begeistert aus. Fontane konnte nur die Umrisse des Kutschers erkennen, der vom Torweg auf die Straße bog. Lautlos entfernte sich das Gefährt, dessen Verdeck in Windeseile von Schnee bedeckt war.

»Sie kennen die Geschichte der Frauen von Morzine?«, fragte Doktor Hammerschmidt. Fontane seufzte innerlich. »Morzine ist ein abgelegenes französisches Alpendorf, in dem es zwischen 1857 und 1873 immer wieder zu hysterischen Manifestationen kam. Man muss bedenken, dass die Kirche dort einen starken Einfluss ausübte und alle Vergnügungen verboten hatte. Keine Feste, keine Spiele. Und dann, im Frühling 1857 …« Der Arzt hielt inne, als er von Wangenheim und Mallinckrodt aus dem Haus treten sah; der alte General war, galant wie immer, bei den Frauen geblieben. Die beiden Männer überquerten die Straße und gesellten sich zu den Wartenden. Man schwieg und vermied es, den Toten anzublicken. Wenn die Polizei nicht bald anrückte, würde man ihn gar nicht mehr als Menschen erkennen, sondern ihn...

Erscheint lt. Verlag 19.3.2015
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Berlin • Fontane-Krimis • Rittmeister von Stepanitz • Theodor Fontane
ISBN-10 3-8393-6146-X / 383936146X
ISBN-13 978-3-8393-6146-7 / 9783839361467
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