Madame Picasso (eBook)

Roman

(Autor)

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2015 | 1. Auflage
478 Seiten
Aufbau Verlag
978-3-8412-0910-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Madame Picasso -  Anne Girard
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Der Maler und seine Muse. Er war der größte Künstler des Jahrhunderts - sie war die Liebe seines Lebens.

Paris, 1911: Auf der Suche nach einem neuen Leben kommt die junge Eva in die schillernde Metropole. Hier, im Herzen der Bohème, verliebt sie sich in den Ausnahmekünstler Pablo Picasso. Gegen alle Widerstände erwidert er ihre Gefühle, und eine der großen Liebesgeschichten des Jahrhunderts nimmt ihren Lauf. Eva wird Picassos Muse - und ihr Aufeinandertreffen wird sein Leben für immer verändern ...

Berührend, sinnlich, voller Leidenschaft - und die wahre Geschichte einer hingebungsvollen Liebe.



Anne Girard studierte Englische Literatur und Psychologie. Für die Recherche zu diesem Roman reiste sie von Paris über die Provence nach Barcelona und traf Freunde und Zeitgenossen Picassos. Sie lebt mit ihrem Mann und ihren Kindern in Südkalifornien.Mehr unter www.annegirardauthor.com.

Kapitel 1
Paris, Frankreich, Mai 1911


Eva stürmte um genau halb drei Uhr nachmittags um die Hausecke und wirbelte am plätschernden Springbrunnen auf der Place Pigalle vorbei. Sie war unentschuldbar spät dran, also raffte sie den blaukarierten Stoff ihres Kleides und rannte den belebten Boulevard de Clichy entlang, der im Schatten der hochaufragenden roten Windmühle des Moulin Rouge lag. Die Leute drehten sich nach der knabenhaften jungen Frau um – gerötete Wangen, blaue Augen, in ihrer Verzweiflung weit aufgerissen, und kaffeebraunes Haar, das im Wind wehte und sich mit der rubinroten Schleife ihres Strohhutes verhedderte, den sie mit einer Hand fest an den Kopf gedrückt hielt. Ihre knielange Unterhose kam unter dem Kleid zum Vorschein, doch sie scherte sich nicht darum. Eine Chance wie diese würde sie nie wieder bekommen.

Sie lief an zwei glänzenden Pferdekutschen vorbei, die mit einem Automobil um den Platz auf der Straße konkurrierten, und bog dann in die schmale Gasse zwischen einer Kurzwarenhandlung und einer Pâtisserie mit steifer rosa-weißer Markise ein. Ja, das musste die Abkürzung sein, die Sylvette ihr beschrieben hatte, aber das Kopfsteinpflaster verlangsamte ihre Schritte. Zu weit von der Sonne entfernt, um jemals wirklich zu trocknen, waren die grauen Steine moosbedeckt, und sie rutschte mehrmals aus. Dann lief sie durch eine ölige schwarze Pfütze, und ihre Strümpfe und die schwarzen geknöpften Schuhe wurden im letzten Moment vor ihrer Ankunft noch nass gespritzt.

»Sie kommen zu spät!«, donnerte ihr eine Stimme entgegen, als sie mit vor Panik schwirrendem Kopf zum Stehen kam.

Die Garderobiere mittleren Alters, die sich vor ihr aufbaute, eingerahmt vom Bogen der Tür, die hinter die Bühne führte, war von bedrohlicher Größe. Madame Léautaud hatte ihre knochigen Hände in die breiten Hüften gestemmt, die in einem groben schwarzen Samtkleid unter dem fest geschnürten Korsett steckten. Der hohe Spitzenkragen bedeckte ihren Hals vollkommen, und ihre Handgelenke waren unter Spitzenbündchen verborgen. Unter einem schieferfarbenen Haarknoten verzog sich ihr flächiges Gesicht zu einem Ausdruck offener Geringschätzung.

Evas Brust hob und senkte sich hastig vom Rennen, und sie spürte das Brennen in ihren Wangen. Sie hatte den ganzen Weg von Montmartre den Hügel hinunter und über die Place Pigalle zu Fuß zurückgelegt. »Verzeihen Sie, Madame! Wirklich, ich verspreche Ihnen, ich bin so schnell gekommen, wie ich konnte!«, sprudelte es aus ihr hervor, während sie versuchte, zu Atem zu kommen, da ihr bewusst war, dass sie wie eine Vogelscheuche aussehen musste.

»Alberne Entschuldigungen gelten hier nicht, haben Sie mich verstanden? Die Leute zahlen für eine Vorstellung, und sie erwarten auch, eine zu sehen zu bekommen, Mademoiselle Humbert. Sie dürfen nicht der Grund für eine Verzögerung sein. Sie hinterlassen keinen besonders guten ersten Eindruck, wo es doch direkt vor einer Aufführung so viel zu tun gibt, das kann ich Ihnen sagen!«

In diesem Augenblick kam Evas Mitbewohnerin Sylvette in ihrem grünen Rüschenkostüm und ihren dichten schwarzen Strümpfen heraus in die Gasse gestolpert und trat neben sie. Ihr Gesicht war so stark geschminkt, dass es dem einer Puppe glich, mit langen schwarzen Wimpern und übermalten kirschroten Lippen. Ihr Haar, das die rötlich leuchtende Farbe von Baumrinde hatte, war geschickt zu einem Knoten auf ihrem Kopf hochgesteckt.

Eins der anderen Mädchen musste ihr von dem Aufruhr berichtet haben, denn Sylvette hielt noch einen offenen Tiegel mit weißem Gesichtspuder in der Hand, als sie zu Evas Rettung herbeieilte.

»Es wird nicht wieder vorkommen, Madame«, versprach Sylvette eifrig und legte schwesterlich den Arm um Evas schmale Schultern.

»Sie haben Glück, dass eine der Tänzerinnen sich bei der Probe ihren Unterrock und ihre Strümpfe aufgerissen hat und unsere übliche Näherin – wie Sie selbst ja bis gerade eben auch – nirgends zu finden ist, sonst würde ich Sie nämlich einfach fortschicken. Ach, ihr ganzen jungen Dinger kommt mit euren großen Augen an und denkt, eure hübschen Gesichter werden euch alle Türen öffnen, bis ihr etwas Besseres findet oder einen wohlhabenden Herrn aus dem Publikum dazu bringt, euch zu erobern, und dann werde ich hier einfach im Stich gelassen.«

»Ich kann sehr hart arbeiten, Madame, wirklich, und das wird nicht passieren. Ich habe kein Interesse daran, von einem Mann errettet zu werden«, erwiderte Eva mit so eifriger Gewissheit, wie sie ein zierliches Mädchen vom Lande mit riesigen blauen Augen nur aufbieten konnte.

Madame Léautaud konnte jedoch weder Naivität noch Ehrgeiz oder Schönheit gut ertragen, und so prallte Evas halbherziger Protest an ihr ab. Sylvette hatte sie noch am Morgen gewarnt – wenn sie diese Frau nicht von der Ernsthaftigkeit ihrer Ambitionen überzeugte, würde sie auf ihrem zarten Hintern landen und sich in ihrem gemeinsamen kleinen Zimmer in La Ruche (das so hieß, weil das Gebäude wie ein Bienenstock aussah) wiederfinden, ehe sie wusste, wie ihr geschah. Sylvette arbeitete schon seit über einem Jahr im Moulin Rouge, und sie war selbst nur eine Revuetänzerin in zwei Nummern, eine anonyme Gestalt im Hintergrund – eine, die niemals auch nur in die Nähe des Rampenlichts am vorderen Bühnenrand kam.

In diesem Augenblick traten drei Tänzerinnen in Kostümen, die aufwendiger waren als Sylvettes, durch die Tür, angelockt vom Geschimpfe ihrer Gewandmeisterin und begierig darauf, einen Streit mitzubekommen. In der gespannten Stille sah Eva, wie sie sie abschätzig begutachteten, ihre hübschen, bemalten Gesichter voller Herablassung. Eins der Mädchen stemmte die Arme in die Hüften, während sie die Augenbrauen spöttisch hochzog. Die anderen beiden Mädchen flüsterten sich etwas zu. Ihr Anblick versetzte Eva sofort zurück zu den grausamen Rivalinnen ihrer Jugend in ihrer Heimatstadt Vincennes – zu jenen Mädchen, denen sie ebenfalls nicht gut genug gewesen war. Sie waren einer der vielen Gründe dafür gewesen, weshalb sie in die Stadt geflohen war.

Einen Moment lang konnte Eva keinen klaren Gedanken mehr fassen. Ihr wurde schwer ums Herz.

Wenn sie diese Chance vertat …

Sie hatte so viel gewagt, nur um die Vorstadt zu verlassen. Vor allen Dingen die Missbilligung ihrer Familie. Sie wollte nichts anderes, als hier in Paris etwas aus ihrem Leben zu machen, doch bislang hatte ihr Streben sie noch nicht weit gebracht. Eva wandte den Blick ab, als sie spürte, wie sich die Tränen in ihren Augen sammelten. Sie durfte nicht zulassen, dass Mädchen wie diese zu sehen bekamen, wie schwach sie war. Niemand durfte wissen, dass sie es mit ihren vierundzwanzig Jahren noch immer nicht gelernt hatte, ihre Gefühle zu kontrollieren. Von dieser einen Chance hing nach einem erfolglosen Jahr in Paris einfach zu viel ab, als dass sie es riskieren konnte, als empfindlich zu gelten.

»Hoffen Sie vielleicht, auch Tänzerin zu werden, wie eine von denen?«, fragte Madame Léautaud und wies mit einem kurzen scharfen Nicken auf die anderen Mädchen. »Jede von ihnen hat es viel Anstrengung und jahrelanges Üben gekostet, hier zu sein. Wenn das also Ihre Absicht sein sollte, würden Sie nur noch mehr von meiner und auch Ihrer eigenen Zeit verschwenden.«

»Ich bin gut darin, Spitze auszubessern«, zwang Eva sich, ohne Stocken zu erwidern.

Und das stimmte. Tatsächlich hatte ihre Mutter, schon seit Eva denken konnte, wundervolle Kreationen aus Spitze erschaffen. Einige davon hatte sie aus Polen mit nach Frankreich gebracht. Die kleinen sorgfältigen Nadelstiche waren ihr Vermächtnis, das Madame Gouel ihrer Tochter mitgegeben hatte. Darauf würde Eva immer zurückgreifen können, um beim Begleichen von Rechnungen zu helfen, wenn sie erst einmal einen netten Mann aus dem Ort geheiratet und sich in ein vorhersehbares, ruhiges Leben eingefunden hatte. Zumindest war es das, was ihre Eltern sich für sie erhofft hatten, bevor es ihre Tochter kurz nach ihrem dreiundzwanzigsten Geburtstag nach Paris gelockt hatte. Dies war nun die erste Chance auf eine Anstellung in der Stadt, die sich Eva bot, und sie hatte nur noch so wenig Geld übrig, dass sie sie einfach ergreifen musste.

Sylvette gab keinen Ton von sich, aus Angst, ihre eigene unsichere Stellung in Gefahr zu bringen, wenn sie noch ein weiteres Wort zu Evas Unterstützung sagte. Sie hatte Eva diese Gelegenheit verschafft – hatte ihr erzählt, dass das Moulin Rouge eine zusätzliche Näherin brauchte, weil die Tänzerinnen sich ständig etwas aufrissen, wenn sie ihre Beine in die Luft schleuderten oder sich auf den Boden fallen ließen. Was Eva nun daraus machte, hing allein von ihr selbst ab.

»In Ordnung, ich werde Sie also zur Probe behalten«, ließ sich Madame Léautaud naserümpfend zu einer Antwort herab. »Aber nur, weil ich mich in einer Notlage befinde. Kommen Sie und flicken Sie Aurélies Unterrock. Machen Sie schnell, und zeigen Sie mir Ihre Arbeit, während die anderen proben.«

»Oui, Madame.« Eva nickte. Sie fühlte sich vor Dankbarkeit überwältigt, riss sich jedoch zusammen und zwang sich zu lächeln.

»Sie sind wahrhaftig ein winziges Ding, eine kleine Nymphe beinahe. Nicht gänzlich unattraktiv, das muss ich sagen. Wie heißen Sie noch mal?«, fragte Madame Léautaud beiläufig.

»Marcelle. Marcelle Humbert«, antwortete Eva, die all ihren Mut zusammennahm, um ihren neuen Pariser Namen zu nennen, von dem sie hoffte, dass er ihr Glück bringen möge.

Seit jenem Tag, an dem sie in ihrem übergroßen Tuchmantel und ihrem schwarzen Filzhut, mit ihren Habseligkeiten in einer alten Reisetasche, allein in der Stadt angekommen war, wurde Eva Gouel von eiserner...

Erscheint lt. Verlag 9.3.2015
Reihe/Serie Mutige Frauen zwischen Kunst und Liebe
Übersetzer Yasemin Dinçer
Zusatzinfo Mit historischer Karte auf U2/3
Sprache deutsch
Original-Titel Madame Picasso
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 1911 • Belle Époque • Biografischer Roman • Boheme • Caroline Bernard • Coco • Diva • Edith Piaf • Eva Gouel • Frankreich • Frida • Gefühle • Historischer Liebesroman • Historischer Roman • Krankheit • Kubismus • Kunst • Künstler • Leidenschaft • Liebe • Liebesroman • Maler • Marcelle Humbert • Metropole • Michelle Marly • Muse • Musen Reihe • Mutige Frauen zwischen Kunst und Liebe • Pablo Picasso • Paris • Picasso • Roman • Starke Frauen • Tuberkulose • Wahre Begebenheit • Wahre GEschichte
ISBN-10 3-8412-0910-6 / 3841209106
ISBN-13 978-3-8412-0910-8 / 9783841209108
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