Die Versuchung der Pestmagd (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2015 | 1. Auflage
448 Seiten
Diana Verlag
978-3-641-12259-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Versuchung der Pestmagd -  Brigitte Riebe
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Ein ruchloser Kardinal, eine verschmähte Geliebte und eine Seuche, vor der alle gleich sind
Mainz 1542: Nach der Flucht aus dem pestverseuchten Köln finden der unkonventionelle Arzt Vincent de Vries und seine Pestmagd Johanna in Mainz eine neue Heimat. Sie folgen damit dem Ruf von Kardinal Albrecht, doch Johanna traut diesem nicht und hat dunkle Vorahnungen. Und tatsächlich: Eines Tages ist ihre kleine Tochter spurlos verschwunden. Halb wahnsinnig vor Angst irren sie und Vincent durch die Stadt, in der erste Fälle von Schwarzen Blattern aufgetreten sind - die Pockenform, die innerhalb von 48 Stunden den Tod bringt ...

Brigitte Riebe erzählt hoch spannend von Zeiten voller Angst und Schrecken

Brigitte Riebe ist promovierte Historikerin und arbeitete zunächst als Verlagslektorin. Sie hat mit großem Erfolg zahlreiche historische Romane veröffentlicht, in denen sie die Geschichte der vergangenen Jahrhunderte wieder lebendig werden lässt. Mit 'Marlenes Geheimnis' widmet sie sich nun der Kriegs-und Nachkriegszeit um 1945. Auch Riebes Familie mütterlicherseits stammt aus Nordböhmen, wo sie wie viele Sudetendeutsche nach dem Ende des Dritten Reichs das Schicksal von Vertreibung und Flucht erlitt. Die Autorin lebt mit ihrem Mann in München.

ZWEI

Inzwischen waren es nicht mehr nur Kinder, die stark fieberten, das Essen verweigerten und mit dickem Hals pfeifende Geräusche von sich gaben, sondern auch immer mehr Erwachsene, die über Schmerzen im ganzen Körper klagten und aus Schwäche ihr Lager nicht mehr verlassen konnten. Außer Vincent de Vries gab es noch einen weiteren Medicus in der Stadt, den alten Raess, dazu die beiden Bader Gisler und Wältin. Sie gaben sich Mühe, die Patienten untereinander aufzuteilen, um keinen unversorgt zu lassen. Doch Braunelle als traditionelles Heilmittel erwies sich immer öfter als machtlos.

»Die Halsbräune führt uns an der Nase herum«, sagte Vincent verzweifelt, der immer öfter bis spät in die Nacht über seinen Büchern brütete, um herauszufinden, ob er nicht doch etwas übersehen hatte, was die Krankheit bannen könnte. »Mir kommt es vor wie ein teuflisches Spiel: Je mehr wir uns anstrengen, desto schneller schreitet sie voran. Was, wenn es so weitergeht? Dann wären Hunderte in Lebensgefahr.«

Schließlich entdeckte er in einer alten Handschrift die Empfehlung eines italienischen Alchimisten: ein Gurgelwasser aus Salpeter und Schwefel, das er exakt nach dessen Angaben zusammenbraute und seinen Kranken zu verabreichen versuchte. Doch die Mischung roch derart widerlich, dass die Kinder bereits bitterlich zu weinen begannen, sobald er damit in ihre Nähe kam. Lediglich einige wenige Hartgesottene unterzogen sich freiwillig dieser Prozedur – ohne jedoch davon gesund zu werden.

Es machte Johanna ganz elend, ihn so zu sehen, erst recht, weil sie spürte, dass die angespannte Lage Vater und Sohn weiter entzweite. Nach ein paar Ausflüchten weigerte Jakob sich eines Morgens, die Häuser Infizierter zu betreten, und weder die väterlichen Ermahnungen noch der mütterliche Appell an sein Mitgefühl konnten seine Haltung ändern.

»Was hilft es den Leuten, wenn ich auch noch krank werde?«, sagte er aufsässig. »Ich bin doch lediglich ein Wasserträger, den jeder andere ersetzen kann.«

»Dann lässt du deinen Vater in dieser schwierigen Situation allein?« Es fiel Johanna schwer, Jakob nicht anzuschreien. »Das musst du mit Gott, dem Allmächtigen, ausmachen!«

»Hat nicht Gott uns diese Prüfung geschickt?« Wie klug er zu argumentieren wusste, wenn er sich Mühe gab! Beinahe, als sei er kein ehemaliger Vagabund, sondern ein Gelehrter. »Wenn das zutrifft, hat er sicherlich auch seine Gründe dafür. Gott wird retten, wen er retten will – sofern es in seinen ewigen Plan passt.«

Nach diesen Worten lief Jakob aus dem Haus, wohin, das wusste Johanna nicht. Erst spätabends trudelte er wortkarg und mürrisch wieder ein. War er gerade dabei, erneut in schlechte Gesellschaft abzurutschen? Nach außen hin gab Basel sich so sauber, so fromm, doch kaum war man am Kohlenberg angelangt, wo auch der Henker wohnte, traf man sehr wohl auf ehrloses Gesindel.

Vincent dagegen kämpfte unbeirrt weiter, obwohl er immer öfter gegen die Krankheit verlor. Der Jüngste des Braumeisters, der fünfjährige Reto, verschied japsend, und die Trauer der Eltern zerriss ihm schier das Herz.

»Jetzt müsst Ihr wenigstens unseren Großen retten!«, bettelte Bethli, die Mutter, in Tränen aufgelöst, während der zweite Sohn hilflos nach Luft rang. »Sonst stürze ich mich in den Rhein. Ohne meine Kinder will ich auch nicht mehr leben.«

Erschöpft erhob sich Vincent. Zu seiner Überraschung war Jakob heute wieder dabei, obwohl es ihn sichtlich Überwindung gekostet hatte, das Haus des Braumeisters zu betreten.

»Tonis Hals ist fast zugeschwollen«, sagte Vincent, nachdem er die Eltern beiseitegenommen hatte. »Und sein Herz wird immer schwächer. Wenn er weiterhin so wenig trinkt, sind auch noch die Nieren gefährdet. Ich kann Euch leider keine großen Hoffnungen machen, so gern ich das auch täte. Setzt das Gurgeln fort, flößt ihm an Flüssigkeit ein, was immer Ihr in ihn hineinbekommt, und betet zu Jesus Christus, zur Jungfrau Maria oder zum heiligen Rochus! Das ist das Beste, was Ihr derzeit tun könnt.«

Zornig funkelte der Braumeister ihn an.

»Dann seid Ihr also gar kein rechtschaffen Reformierter, der nach den Lehren der Heiligen Schrift lebt! Dem alten Glauben hängt Ihr an und wollt durch Zauberwerk und Götzendienst unser Kind verderben. Hinaus mit Euch – auf der Stelle! Einen unserer Söhne habt Ihr ja bereits auf dem Gewissen …«

Toni bäumte sich auf, die Augen übergroß im roten, unförmig geschwollenen Gesicht, als wollten sie aus den Höhlen quellen. Sprechen konnte er nicht mehr, er gab nur noch hohe Pfeifgeräusche von sich.

»So unternehmt doch etwas!« Bethli klammerte sich an den Medicus. »Helft unserem Kind in Gottes Namen!«

»Ich kenne nur eine einzige Methode, die ihm Erleichterung bringen könnte«, sagte Vincent. »Doch dazu müsste ich ihm den Hals aufschneiden …«

»Wenn du die Hand an mein Fleisch und Blut legst, bring ich dich um!«, keuchte der Braumeister.

»Lass ihn, Roland!« Bethlis Stimme klang entschlossen. »Zeigt Eure Kunst, Medicus de Vries – ich vertraue Euch!«

»Es gibt keinerlei Garantie.« Vincents Blick hielt sie fest. »Das müsst Ihr wissen. Er könnte dabei auch sterben.«

»Versucht es!« Sie wirkte plötzlich größer. »Wenn wir nichts riskieren, verlieren wir ihn auf jeden Fall, richtig?«

Vincent nickte.

»Nun denn: Was müssen wir tun?«, fragte sie.

»Erhitzt Wein.« Die Anweisungen des Medicus waren nun sehr knapp. »Und bringt mir einen sauberen Schwamm!« Bethli nickte und lief los. »Außerdem brauche ich Tinte oder Ruß.« Das war an Hilty gerichtet, der ebenfalls hinausrannte.

Vincent sah Jakob an. »Du wirst mir assistieren. Dein Griff ist ebenso wichtig wie mein Schnitt.«

Sehr schnell stand auf einem Stuhl neben dem Krankenlager, wonach er verlangt hatte, dazu ein Schilfröhrchen, das er aus seiner Tasche geholt hatte. Er brachte Toni behutsam in eine sitzende Stellung und bat Bethli, ihren Sohn von hinten mit ihrem Körper zu stützen. Das durchgeschwitzte Nachtgewand hatten sie ihm schon zuvor abgestreift.

Zitternd vor Fieber und Angst saß der kleine Junge da.

Mit Asche zog Vincent eine gerade Linie vom unteren Rand des Schildknorpels bis zum oberen Rand des Brustbeins. Dann stellte er sich rechts neben das Bett, während er Jakob an die linke Seite beorderte.

»Zieh die Haut am Hals fest auseinander!«, befahl er. »Genauso, wie ich es tue.«

Schließlich setzte er sein Skalpell an. Hilty stieß einen Klagelaut aus, als die Haut des Jungen aufklaffte und helles Blut austrat, Vincent jedoch ließ sich nicht davon beirren. Er tastete in die blutende Wunde, um den Übergang vom Ringknorpel, der direkt unter dem Schildknorpel lag, zum ersten Knorpelring der Luftröhre zu identifizieren. Nachdem er die Stelle gefunden hatte, durchschnitt er mit einem stichartigen Schnitt diesen Ring und schuf auf diese Weise einen Zugang zur Luftröhre, der groß genug war, um das Schilfröhrchen ohne Widerstand mit ausreichender Abdichtung durch das umgebende Gewebe einzuführen.

»Das Röhrchen!«, verlangte Vincent. »Schnell!«

Jakob reichte es ihm, und der Medicus versenkte es in der Wunde.

Toni begann heftigst zu husten; Blut und Schleim schossen aus seiner Nase, dann jedoch wurde seine Atmung ruhiger. Vincent benetzte den Schwamm mit heißem Wein und legte ihn auf die äußere Öffnung des Röhrchens.

Nach und nach verschwand die ungesunde Röte aus dem Kindergesicht. Die Brust hob und senkte sich gleichmäßig.

»Er lebt«, rief Bethli weinend. »Er kann wieder atmen! Ihr habt ihn uns zurückgegeben!«

»Ja, aber er ist noch lange nicht über den Berg«, sagte Vincent mahnend. »Wiederholt das mit dem Wein, hüllt ihn warm ein, betupft seine Lippen. Gebt ihm zu trinken und lasst ihn vor allem spüren, dass er nicht allein ist. Ich komme später wieder, um nach ihm zu schauen.«

»Ihr wollt ihn so zurücklassen?«, fragte Hilty fassungslos. »Mit einem Loch im Hals? Habt Ihr vollständig den Verstand verloren?«

»Im Augenblick kann ich nichts weiter für ihn tun. Bedeckt die Wunde mit einem Leinentuch. Nach ein paar Tagen werde ich sie zunähen. Wenn Toni Glück hat, erinnert ihn später nur noch eine verblassende Narbe an diesen Tag.«

Der Braumeister packte Vincent am Arm, um ihn am Verlassen der Stube zu hindern, doch der Medicus machte sich frei.

»Wir müssen jetzt weiter. Komm, Jakob! Andere Kranke in großer Not warten bereits sehnsüchtig auf uns.«

*

Am dritten Tag nach der Operation konnte Vincent das Röhrchen behutsam herauslösen, und er vernähte die Wunde mit einem Seidenfaden, was der Junge ohne zu weinen tapfer ertrug. Toni war noch schwach und mager, er hatte aber kein Fieber mehr und war wieder in der Lage, selbstständig zu atmen und fast ohne Schmerzen zu schlucken.

Bethli drängte Vincent zwei große Bierfässer auf, die ihm an die Haustür geliefert werden sollten, und sie wollte ihren Mann dazu bringen, dem Medicus doppelt so viel zu bezahlen, wie er verlangte.

»Für immer stehen wir in Eurer Schuld«, rief sie bewegt. »Ihr habt ein Wunder vollbracht. Bei der ganzen Aufregung hab ich auch noch meinen Trauring verlegt, aber was schert...

Erscheint lt. Verlag 9.3.2015
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Schlagworte eBooks • Heimatkrimi • Historische Kriminalromane • Historische Romane • Hofarzt • Kardinal von Brandenburg • Kardinal von Brandenburg , Mittelalter-Mainz, Hofarzt, Schwarze Blattern, Pocken, Pest, Seuchen • Krimi • Kriminalromane • Krimis • Mittelalter-Mainz • Pest • Pocken • Schwarze Blattern • Seuchen
ISBN-10 3-641-12259-7 / 3641122597
ISBN-13 978-3-641-12259-1 / 9783641122591
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