Das Tribunal (eBook)

Thriller
eBook Download: EPUB
2015 | 1. Auflage
704 Seiten
Verlagsgruppe Droemer Knaur
978-3-426-42695-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Tribunal -  John Katzenbach
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Zweiter Weltkrieg, 1942: Der junge amerikanische Leutnant Thomas Hart wird mit seinem Flugzeug über Sizilien abgeschossen. Als Einziger überlebt er den Absturz und kommt in ein deutsches Kriegsgefangenenlager in Bayern. Als dort ein Mitgefangener ermordet wird, fällt der Verdacht auf den schwarzen Piloten Lincoln Scott. Hart, der vor seiner Einberufung Jura studiert hat, wird von einem Kriegsgericht im Lager zu dessen Verteidiger ernannt. Nun muss er sich nicht nur gegen seine Nazi-Bewacher behaupten, sondern auch gegen die weißen Rassisten in der eigenen Truppe zur Wehr setzen ... »Dieses berührende, kunstvoll gezeichnete Kriegsepos wird die Leser bis zum dramatischen Ende nicht loslassen.« Publishers Weekly

John Katzenbach, geboren 1950, war ursprünglich Gerichtsreporter für den »Miami Herald« und die »Miami News«. Bei Droemer Knaur sind inzwischen zahlreiche Kriminalromane von ihm erschienen, darunter die Bestseller »Die Anstalt«, »Der Patient«, »Der Professor« und »Der Bruder'. Zweimal war Katzenbach für den Edgar Award, den renommiertesten Krimipreis der USA, nominiert. Er lebt mit seiner Familie in Amherst im Westen des US-Bundesstaates Massachusetts.Weitere Informationen unter www.john-katzenbach.de und www.johnkatzenbach.com

John Katzenbach, geboren 1950, war ursprünglich Gerichtsreporter für den »Miami Herald« und die »Miami News«. Bei Droemer Knaur sind inzwischen zahlreiche Kriminalromane von ihm erschienen, darunter die Bestseller »Die Anstalt«, »Der Patient«, »Der Professor« und »Der Bruder". Zweimal war Katzenbach für den Edgar Award, den renommiertesten Krimipreis der USA, nominiert. Er lebt mit seiner Familie in Amherst im Westen des US-Bundesstaates Massachusetts. Weitere Informationen unter www.john-katzenbach.de und www.johnkatzenbach.com

Prolog


Der Nachthimmel

Er war alt, doch noch immer reizte ihn das Risiko.

Am Horizont zählte er drei Wasserhosen, die aus der glatten blauen Meeresfläche am Rande des Golfstroms in die bleigrauen Wolken ragten – Vorhut der abendlichen Gewitterstürme auf ihrem Weg nach Westen. Die schmalen, dunklen Kegel wirbelten mit der gleichen Wucht wie die Tornados zu Lande. Nur an Heimtücke konnten sie sich nicht mit ihren Verwandten messen, die gespenstisch schnell wie aus dem Nichts auftauchten. Über dem Meer entstanden diese Gebilde, wenn sich Hitze, Wind und Wasser zusammenbrauten und von der Wolkenmasse angezogen wurden. Dem alten Mann schienen sie gemächlich über die Wellen zu wandern. Da sie weithin sichtbar waren, konnte man sich rechtzeitig vor ihnen in Sicherheit bringen – das hatten die anderen Fischer im Randgebiet des Stroms aus wärmeren karibischen Gewässern längst getan und ihre Boote vertäut. So schaukelte am Ende nur noch der alte Mann draußen auf See im Takt der Wellen auf und nieder. Der Motor war abgeschaltet; die beiden Schwimmer an der ausgeworfenen Angelrute lagen reglos auf dem tintenblauen Wasser.

Die drei Trichter waren vielleicht fünf Meilen entfernt, doch der Wind, der in ihrem Innern mit über zweihundert Meilen tobte, konnte diese Distanz mühelos überwinden. Je länger er die grauen Schläuche zwischen Himmel und Meer beobachtete, desto schwereloser, schneller und agiler schienen sie ihm – wie zwei Tänzer, die im Wettstreit um eine schöne junge Frau in immer rasanteren Figuren und Schritten einander auszustechen versuchten. Hielt einer plötzlich an, während die anderen beiden langsam ihre Kreise zogen, preschte der Wartende Sekunden später ohne Vorwarnung voran, so dass der zweite mit einem Satz zur Seite sprang. Wie ein Menuett an einem Fürstenhof der Barockzeit, dachte der alte Mann. Er schüttelte den Kopf. Das traf es nicht ganz. Er betrachtete das Schauspiel genauer. Eher ein Squaredance in einer Scheune, zu fröhlicher Fiedelmusik? Ein Wimpel an einem der Ausleger knatterte in einer kräftigen Böe und war ebenso schnell verstummt, als habe er wie die anderen Boote aus Furcht vor dem tosenden Wind, der unaufhaltsam näher kam, die Flucht ergriffen.

Der alte Mann zog scharf die Luft ein.

Keine fünf Meilen, eher drei.

Trieb sie der Übermut in seine Richtung, waren die Zyklone in wenigen Minuten da. Selbst wenn sein offener Kutter mit zweihundert PS und fünfunddreißig Knoten über den Ozean schoss, wäre es schon zu spät. Hatten die tosenden Wirbel es auf ihn abgesehen, war er leichte Beute.

Mit ihrem Rhythmus und ihren Synkopen wirkte die Tanzformation elegant, aber auch ausgelassen. Einen Moment lang horchte er angestrengt in die Stille, als müsse der Wind ferne Musik herübertragen, die wilden Klänge von Posaunen und Trompeten, von Drums und treibenden Bässen, von fetzigen Gitarrenriffs. Er legte den Kopf in den Nacken. Der blaue Himmel hatte sich verdüstert; geballte schwarze Gewitterwolken fegten auf ihn zu. Big-Band-Musik, Jimmy Dorsey und Glenn Miller, dass er nicht eher darauf gekommen war. Die Musik seiner Jugend. Von Lebenshunger strotzender Jazz, schmachtende Bläserklänge.

Ein Donnerschlag riss ihn aus den Erinnerungen. Er fuhr mit dem Kopf herum und sah den Blitz, der über dem Ozean zuckte. Zugleich spürte er, wie der Wind langsam, aber stetig zunahm, hörte das Knattern der Takelage und der Wimpel. Wieder wandte er den Blick zu den Zyklonen. Zwei Meilen, stellte er fest.

Wenn er blieb, war er fällig. Wollte er seine Haut retten, wurde es allerhöchste Zeit.

Er schmunzelte. Deine Zeit ist noch nicht gekommen.

Blitzschnell drehte er den Zündschlüssel an der Konsole. Als sei er über den Leichtsinn empört, mit dem der alte Mann sein Leben im letzten Moment den Launen der Technik überließ, sprang der Johnson-Motor mit dumpfem Grollen an.

Er wendete in einem Halbkreis und kehrte dem Gewitter den Rücken. Die ersten Tropfen prasselten auf ihn nieder und hinterließen auf seinem blauen Jeanshemd dunkle Flecken, während er den Regen auf den Lippen schmeckte. Mit wenigen Sätzen war er im Heck des Bootes und holte die beiden Angelschnüre mit den Ködern ein. Einen letzten Moment lang zögerte er und warf einen prüfenden Blick auf die Wasserhosen. Jetzt reckten sich die Riesen, nur noch eine Meile entfernt, bedrohlich in die Höhe, als hielten sie beim Anblick des Winzlings zu ihren Füßen, der sich ihnen dreist widersetzte, vor Staunen an. Das Meer hatte von Blau zu Bleigrau gewechselt, das mit der düsteren Wolkenmasse verschmolz.

Als der nächste Donnerschlag explodierte, diesmal näher und laut wie ein Kanonenschuss, lachte er nur.

»Fang mich doch, wenn du kannst!«, brüllte er lachend in den Wind. »Ein andermal vielleicht.«

Dann gab er Vollgas. Der Motor machte ein Geräusch wie ein schallendes, höhnisches Gelächter, in rasender Fahrt hob sich der Bug, und das Boot hüpfte über die Wellentäler, um nach wenigen Meilen die stilleren Gewässer unter klarerem Himmel dicht an der Küste zu erreichen, bevor der lange Sommertag im letzten Licht der Abendsonne zur Neige ging.

 

Wie gewohnt blieb er noch bis lange nach Einbruch der Nacht draußen auf dem Wasser. Das Gewitter hatte sich aufs offene Meer verzogen und machte dort vielleicht dem einen oder anderen großen Containerschiff zu schaffen, das auf den Florida Straits seine Bahnen zog. An der Küste hatte es aufgeklart, am nächtlichen Himmel funkelten die ersten Sterne. Dabei spürte er selbst hier auf dem Wasser die schwüle Luft wie einen dünnen Film auf der Haut. Seit Stunden angelte er nicht mehr, sondern saß, eine halb leere Flasche gekühltes Bier in der Hand, auf einer Kühlbox. Nach seinem kleinen Abenteuer rief er sich ins Gedächtnis, dass sein Motor jederzeit den Geist aufgeben konnte oder er nicht mehr schnell genug an der Zündung war und ein solches Gewitter ihm eine letzte Lektion erteilen würde. Doch er zuckte nur mit den Achseln. Das Leben hatte es überaus gut mit ihm gemeint, ihn mit Erfolg und allem anderen, was der Mensch sich nur wünschen konnte, reichlich gesegnet – noch dazu durch ein schier unglaubliches Zusammenfallen von Ereignissen.

Wenn man nach allen Regeln der Wahrscheinlichkeit hätte tot sein müssen, war das Leben von da an leicht.

Der alte Mann drehte sich um und blickte Richtung Norden, wo er – in einer Entfernung von fünfzig Meilen – gerade noch die schimmernden Lichter von Miami erkennen konnte. Dabei herrschte in seiner Umgebung eine Dunkelheit, die dank der Hitze und Luftfeuchtigkeit in Florida wie Tinte zu zerfließen schien. Zuweilen sehnte er sich nach den klaren, strengen Nächten in seinem Heimatstaat Vermont. Dort spannte sich die Nacht straff über den Himmel.

Für diesen Moment harrte er draußen auf dem Wasser aus, für diesen Blick in die unendliche Weite über ihm, fernab der Lichter und des Lärms der Stadt: der Polarstern, die Sternenkonstellationen, die ihm so vertraut waren wie der Atem seiner schlafenden Frau. Er blickte von einem zum anderen und fand in ihrer Beständigkeit Trost. Orion und Kassiopeia, das Sternbild des Widders. Den Helden Herkules und Pegasus, das geflügelte Pferd. Die beiden Himmelswagen – am einfachsten zu erkennen, sie waren die ersten Sternbilder, die er sich als Kind vor über siebzig Jahren eingeprägt hatte.

Er atmete den nächtlichen Dunst tief ein und sagte laut mit tiefer, kehliger Stimme und schleppendem Südstaatenakzent, mit der Stimme eines Mannes, den er vor langer Zeit gut, wenn auch nicht lange gekannt hatte:

»Bring uns nach Hause, Tommy, okay?«

Das war fünfzig Jahre her, doch den melodischen Tonfall, das Schmunzeln, das selbst über die Bordsprechanlage und bei dem ohrenbetäubenden Dröhnen der Turbinen und dem Geknatter des Flakfeuers zu hören war, hatte er immer noch im Ohr.

Und so wie damals Dutzende Male antwortete er laut: »Nur keine Bange! Zur Basis finde ich im Schlaf zurück.«

Er schüttelte den Kopf. Bis auf das letzte Mal. Da hatte ihnen sein ganzes Arsenal, von Funkmess- und Radarwarngeräten über Koppelnavigation bis hin zur Positionsbestimmung mit Oktant, nichts genützt. Wieder hörte er die Stimme. »Bring uns nach Hause, Tommy, okay?«

Tut mir leid, sagte er zu den Toten. Statt nach Hause habe ich euch ins Grab gebracht.

Er nahm noch einen Schluck Bier, dann hielt er sich das kühle Glas der Flasche an die Stirn. Mit der freien Hand griff er sich in die Hemdtasche, um eine gefaltete Seite aus der neuesten Ausgabe der New York Times hervorzuziehen. Als er das Papier an den Fingern spürte, zuckte er zurück. Er brauchte es nicht noch einmal zu lesen, die Überschrift würde er nie vergessen: BERÜHMTER PÄDAGOGE, EINFLUSSREICHER BERATER DEMOKRATISCHER PRÄSIDENTEN, MIT SIEBENUNDSIEBZIG JAHREN GESTORBEN.

Somit bin ich der Letzte, der weiß, was wirklich passiert ist.

Er holte tief Luft. Plötzlich kam ihm eine Unterhaltung mit seinem Enkel in den Sinn. Dieser war kaum älter als elf und war mit einem Foto zu ihm gekommen. Es gehörte zu den wenigen Aufnahmen aus seiner eigenen Jugend, als er nur wenige Jahre älter als der Junge war. Auf dem Bild saß er an einem Gusseisenofen in ein Buch vertieft. Im Hintergrund war seine Holzpritsche zu erkennen. An einem Strick, der als Wäscheleine diente, hingen ein paar einfache wollene Kleidungsstücke. Auf dem Tisch neben ihm stand eine Kerze, die nicht brannte. Er war spindeldürr, sein Haar sehr kurz geschnitten. Er lächelte ein wenig, als läse er gerade...

Erscheint lt. Verlag 28.1.2015
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte 2. Weltkrieg • amerikanische thriller • Ausbruch • Bedford • Cleveland • Das Tribunal • Gestapo • Hinrichtung • Historische Kriminalromane • historische Romane 2. Weltkrieg • Hugh Renaday • John Katzenbach Bücher • Justiz Thriller • Justizthriller Buch • Katzenbach Bücher • Kriegsgefangene • Kriegsgefangenenlager • Kriegsgericht • Krimi historisch • Lager • Lamar Archer • Lincoln Scott • Luftwaffe • Macnamarum • McNamara • Mordanklage • New York • Phillip Pryce • Politthriller • Rassismus • Spannung • Stalag • thriller für männer • Thriller Politik • Thriller USA • Tommy Hart • Vermont • Vincent Bedford • Virginia • Walker Townsend
ISBN-10 3-426-42695-1 / 3426426951
ISBN-13 978-3-426-42695-1 / 9783426426951
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