Königin im Exil (eBook)

und 20 weitere Kurzromane
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2015 | 1. Auflage
1120 Seiten
Blanvalet (Verlag)
978-3-641-15838-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Königin im Exil -  George R.R. Martin,  Gardner Dozois
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Gefährliche Frauen aller Art - Kriegerinnen, Königinnen, Zauberinnen und viele mehr - sind das Thema dieser spannenden Anthologie. Sie enthält 21 bislang unveröffentlichte Erzählungen von Bestsellerautoren wie Joe Abercrombie, Brandon Sanderson und Diana Gabaldon - die eine brandneue Outlander-Story beisteuert. Kernstück und Höhepunkt dieser Sammlung ist ein Kurzroman aus der Feder von George R.R. Martin über den »Tanz der Drachen«, jenen großen Bürgerkrieg, an dem der Kontinent Westeros zweihundert Jahre vor den Ereignissen in der Saga Das Lied von Eis und Feuer beinahe zerbrochen wäre.

George Raymond Richard Martin wurde 1948 in New Jersey geboren. Sein Bestseller-Epos »Das Lied von Eis und Feuer« wurde als die vielfach ausgezeichnete Fernsehserie »Game of Thrones« verfilmt. 2022 folgt der HBO-Blockbuster »House of the Dragon«, welcher auf dem Werk »Feuer und Blut« basiert. George R.R. Martin wurde u.a. sechsmal der Hugo Award, zweimal der Nebula Award, dreimal der World Fantasy Award (u.a. für sein Lebenswerk und besondere Verdienste um die Fantasy) und fünfzehnmal der Locus Award verliehen. 2013 errang er den ersten Platz beim Deutschen Phantastik Preis für den Besten Internationalen Roman. Er lebt heute mit seiner Frau in New Mexico.

WELCH EIN DESPERADO!

Übersetzt von Wolfgang Thon

Shy rammte dem Pferd die Hacken in die Flanke. Die Vorderläufe des Tieres gaben nach, und bevor sie auch nur wusste, wie ihr geschah, hatte sich ihr Sattel von ihr verabschiedet.

Ihr wurde ein kurzer, armrudernder luftiger Moment gewährt, um die Lage zu sondieren. Nur war sie nicht sonderlich gut darin, irgendetwas auf die Schnelle einzuschätzen, und die ihr entgegensausende Erde ließ ihr keine Zeit für eine genauere Prüfung. Sie versuchte so gut wie möglich, sich nach der Landung abzurollen, wie sie es bei den meisten ihrer Missgeschicke versucht hatte, aber der Boden spielte nicht mit; er entrollte sie, klopfte sie ordentlich durch und schleuderte sie dann Hals über Kopf in einen von der Sonne ausgedörrten Busch.

Langsam legte sich der Staub.

Sie nahm sich einen Moment Zeit, um Atem zu schöpfen. Dann einen zweiten, um zu stöhnen, als die Welt aufhörte, sich um sie herum zu drehen. Und noch einen, in dem sie vorsichtig einen Arm und ein Bein bewegte und auf den ekelerregenden Schmerz wartete, der ihr sagen würde, dass etwas gebrochen und der erbärmliche Abklatsch ihres Lebens zu Staub zerronnen war. Sie hätte diese Information begrüßt, wenn sie sich dann einfach hätte ausstrecken und aufhören können wegzulaufen. Doch der Schmerz kam nicht. Jedenfalls überstieg er nicht den gewohnten Rahmen. Was ihr elendes Leben anging, erwartete sie also weiterhin den Urteilsspruch.

Shy rappelte sich hoch, zerkratzt, zerschlagen, vollkommen staubbedeckt, und spuckte Sandkörner aus. Sie hatte in den letzten Monaten viel zu viel Dreck geschluckt, aber ihr schwante, dass das noch nicht alles gewesen war. Ihr Pferd lag ein paar Schritte von ihr entfernt. Die schweißbedeckte Flanke des Tieres hob und senkte sich bebend, und seine Vorderläufe waren schwarz von Blut. Nearys Pfeil hatte es in die Schulter getroffen, war jedoch nicht tief genug eingedrungen, um das Pferd zu töten oder es merklich zu verlangsamen. Aber er saß so tief, dass es ständig Blut verlor. So hart wie sie geritten war, hatte sie das Tier ebenso sicher getötet, als wäre ihm der Pfeil ins Herz gedrungen.

Früher einmal hatte Shy Pferde gemocht. Damals war sie ungewöhnlich liebevoll zu Tieren gewesen, obwohl sie Menschen oft abweisend behandelt hatte, meistens zu Recht. Das war schon lange her. Jetzt hatte Shy nichts Liebevolles mehr an sich und nichts Weiches, weder am Körper noch im Kopf. Also überließ sie das Tier seinen letzten, von rotem Schaum begleiteten Atemzügen, ohne es tröstend zu streicheln, und machte sich auf den Weg in die Stadt. Zuerst trottete sie nur, aber schon bald gefiel ihr diese körperliche Anstrengung. Was Laufen anging, hatte sie einen ganzen Haufen Übung.

»Stadt« war eine Übertreibung. Der Ort bestand aus sechs Gebäuden, wobei für zwei oder drei die Bezeichnung »Gebäude« äußerst wohlwollend war. Sie bestanden aus unbehauenem Holz, ein rechter Winkel war offenbar ein Fremdwort, sie waren von der Sonne verbrannt, vom Regen ausgebleicht und verstaubt. Sie scharten sich um einen schmutzigen Platz und einen Brunnen, dessen steinerne Fassung zerbröckelte.

Das größte Gebäude sah aus wie ein Saloon, ein Bordell oder eine Handelsniederlassung und war wahrscheinlich alles drei gleichzeitig. Ein wackeliges Schild klammerte sich an die Bretter über dem Eingang, aber der Wind und der Sand hatten den Namen darauf zu ein paar grauen Streifen auf der Maserung des Holzes abgeschliffen. Nichts und nirgendwo, war alles, was es jetzt noch verkündete. Sie lief die Treppe hoch, nahm zwei Stufen auf einmal. Die alten Bretter ächzten unter ihren nackten Füßen. Ihre Gedanken überschlugen sich, als sie überlegte, was sie tun würde, sobald sie drin war, mit welchen Lügen sie die Wahrheit würzen musste, um das glaubwürdigste Rezept zusammenzuköcheln.

Ich werde von Männern gejagt! Sie rang nach Luft, als sie in der Tür stand, und gab sich Mühe, vollkommen verzweifelt auszusehen. Was ihr im Augenblick nicht sonderlich schwerfiel; genau genommen war es in keinem Moment der letzten zwölf Monate schwierig gewesen.

Diese Mistkerle sind zu dritt! Dann weiter, vorausgesetzt niemand erkannte sie aufgrund ihrer vielen Steckbriefe: Sie haben versucht, mich auszurauben! Das war eine Tatsache. Unnötig hinzuzufügen, dass sie das Geld selbst der neuen Bank in Hommenaw geraubt hatte, und zwar in Begleitung ebendieser drei ehrenwerten Herrschaften sowie eines Vierten, der allerdings von den zuständigen Behörden erwischt worden war und mittlerweile längst am Galgen baumelte.

Sie haben meinen Bruder ermordet! Sie sind im Blutrausch! Ihr Bruder saß sicher zu Hause, wo sie auch gerne gewesen wäre, und wenn ihre Verfolger trunken waren, dann höchstwahrscheinlich von billigem Fusel, wie gewöhnlich. Aber sie würde all das mit diesem kleinen Triller in ihrer Kehle herausschreien. Shy konnte sehr gut trällern, wenn es sein musste. Sie hatte es geübt. Sie stellte sich vor, wie die Stammgäste aufsprangen, bemüht, einer Frau in Not zu Hilfe zu eilen. Sie haben mein Pferd erschossen! Sie musste einräumen, wie wenig wahrscheinlich es war, dass jemand, der hier draußen leben wollte, deshalb vor lauter Ritterlichkeit ins Schwitzen kam, aber vielleicht würde ihr das Schicksal dieses eine Mal gnädig gestimmt sein.

So etwas kam doch sicher hin und wieder vor …

Sie trat durch die Schwingtür des Saloons und öffnete den Mund, um mit ihrer Geschichte loszulegen, blieb dann aber wie angewurzelt stehen.

Der Laden war leer.

Was nicht hieß, es war einfach nur niemand anwesend, sondern es war gar nichts da. In dem gesamten Schankraum befand sich nicht das kleinste Möbelstück. Eine schmale Treppe führte an der Wand links von ihr zu einer Galerie hoch, auf der leere Türöffnungen gähnten. Überall funkelte Licht, wo die aufgehende Sonne ihre Strahlen durch die vielen Löcher in dem schlecht gezimmerten Dach bohrte. Möglicherweise lief immerhin eine Echse durch die allgegenwärtigen Schatten, und alles war von einer dicken Staubschicht bedeckt, die sämtliche Oberflächen grau färbte und sich in jeder Ecke häufte. Shy stand einen Moment da und blinzelte, dann stürmte sie zurück, die baufällige Veranda entlang zum nächsten Gebäude. Als sie die Tür aufstieß, fiel sie von ihren rostigen Angeln.

Dieses Haus hatte nicht einmal ein Dach oder einen Boden. Nur blanke Dachbalken, zwischen denen der gleichgültige, rosafarbene Himmel schimmerte, und kahle Bodendielen mit einer staubigen Fläche dazwischen, die ebenso trostlos aussah wie die endlosen Meilen Staub draußen.

Als sie wieder auf die Straße trat und ihr Blick nicht mehr von Hoffnung getrübt war, erkannte sie es. In den Fenstern war kein Glas, nicht einmal Wachspapier. Neben dem zerfallenen Brunnen lag kein Seil. Nirgendwo waren Tiere zu sehen, bis auf ihr totes Pferd, was die ganze Sache nur noch zu betonen schien.

Das hier war die vertrocknete Hülle einer Stadt, die schon lange tot war.

Shy stand auf dem verlassenen Platz, auf den Ballen ihrer nackten Füße, als wollte sie irgendwohin losrennen, wüsste nur nicht, wohin. Sie schlang einen Arm um sich, während die Finger ihrer anderen Hand ziellos zuckten und flatterten. Sie biss sich auf die Lippen und sog die Luft scharf und schnell durch den schmalen Spalt ihrer Schneidezähne.

Selbst nach ihren derzeitigen, nicht allzu optimistischen Maßstäben war das ein mieser Augenblick. Aber sie hatte in den letzten Monaten gelernt, dass man immer noch tiefer sinken konnte. Als sie in die Richtung blickte, aus der sie gekommen war, sah sie die Staubwolke. Drei kleine graue Staubfahnen erhoben sich in der schimmernden Hitze über dem grauen Land.

»Ach, zur Hölle!«, flüsterte sie und biss sich fester auf die Lippe. Sie zog das Küchenmesser aus dem Gürtel und wischte den lächerlichen Metallsplitter an ihrem schmutzigen Hemd ab, als würde es ihre Chancen verbessern, wenn sie das Messer reinigte. Man hatte Shy schon oft vorgeworfen, sie hätte eine sehr rege Fantasie, trotzdem fiel es ihr schwer, sich eine erbärmlichere Waffe vorzustellen. Sie hätte gelacht, wenn sie nicht kurz davor gewesen wäre zu weinen. Wenn sie darüber nachdachte, musste sie zugeben, dass sie in den letzten Monaten viel zu oft den Tränen nahe gewesen war.

Wie hatte es nur so weit kommen können?

Diese Frage hätte einem Mädchen, das sitzen gelassen worden war, besser angestanden als einer Gesetzlosen, auf deren Kopf viertausend Silbermünzen ausgesetzt waren. Trotzdem stellte sie sich diese Frage immer wieder. Sie war wirklich ein toller Desperado! Gut, Desperados wurden gehetzt, und darin war sie Expertin, aber der Rest war ihr nach wie vor ein Rätsel. Die traurige Wahrheit lautete jedoch, dass sie ganz genau wusste, wie es zu alldem hatte kommen können, nämlich so wie immer. Ein Desaster folgte so schnell dem nächsten, dass sie förmlich zwischen ihnen hin und her hüpfte wie eine Motte, die in einer Laterne gefangen war. Dann stellte sie sich die zweite, übliche Frage, die der ersten stets unmittelbar folgte.

Was, verflucht, sollte sie jetzt machen?

Sie zog den Bauch ein, was sie zurzeit wenig Mühe kostete, und nahm den Beutel an der Zugkordel aus der Tasche. Die Münzen klickten auf diese besondere Weise, die nur Geld macht. Zweitausend Mäuse in Silber, mehr oder weniger. Eigentlich hätte man denken können, dass eine Bank mehr Geld aufbewahrte. Den Kunden erzählten sie immer, dass sie jederzeit fünfzigtausend Dollar bereit hätten. Wie sich herausstellte,...

Erscheint lt. Verlag 20.4.2015
Übersetzer Barbara Schnell, Andreas Helweg, Karin König, Wolfgang Thon
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel Dangerous Women
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Fantasy
Literatur Fantasy / Science Fiction Science Fiction
Schlagworte Brandon Sanderson • das lied von eis und feuer • Diana Gabaldon • eBooks • Fantasy • Game of Thrones • Harry Dresden • High Fantasy • Jim Butcher • Joe Abercrombie • Joe Abercrombie, Jim Butcher, Harry Dresden, Brandon Sanderson, Diana Gabaldon, Game of Thrones, Sherrilyn Kenyon, Sam Sykes, Das Lied von Eis und Feuer, Outlander • Outlander • Sam Sykes • Sherrilyn Kenyon
ISBN-10 3-641-15838-9 / 3641158389
ISBN-13 978-3-641-15838-5 / 9783641158385
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