Seneca, Das große Buch vom glücklichen Leben - Gesammelte Werke (eBook)

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2014 | 1. Auflage
704 Seiten
Anaconda Verlag
978-3-7306-9079-6 (ISBN)

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Seneca, Das große Buch vom glücklichen Leben - Gesammelte Werke -  Seneca
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Der antike römische Philosoph Seneca war ein freier, unabhängiger Geist. Seine Schriften sind klar formuliert und noch dem heutigen Leser unmittelbar verständlich. Sein humanitär grundiertes Denken kreist um die Kunst der Lebensführung, die zu Seelenruhe und innerer Freiheit führt. Dieser Band dokumentiert Senecas Werk in all seinen Facetten. Er umfasst Schriften wie 'Von der Seelenruhe', 'Vom glücklichen Leben', 'Von der Muße', 'Von der Kürze des Lebens', 'Über die Milde', 'Über den Zorn' sowie sein Hauptwerk, die 'Moralischen Briefe an Lucilius'.

Von der
göttlichen Vorsehung


1. Wie kommt es, dass, wenn eine Vorsehung die Welt lenkt, den rechtschaffenen Menschen doch so viel Unheil widerfährt? So lautet die Frage, die du, mein Lucilius, mir vorgelegt hast. Das ließe sich allerdings bequemer im Verfolg eines größeren Werkes abhandeln, wo bewiesen würde, dass eine Vorsehung über dem Weltall walte und dass Gott seine Hand über uns halte. Doch hier gilt es, von dem Ganzen einen kleinen Teil abzuzweigen und sich mit einem einzelnen Einwurf abzufinden, ohne auf die Sache als Ganzes mich einzulassen. So kann ich es mir denn leicht machen, indem ich als Anwalt der Götter auftrete.

Es erübrigt sich für den vorliegenden Zweck, darzutun, dass dieser gewaltige Weltenbau nicht bestehen könne ohne irgendeinen Hüter und dass dieses Sternenheer mit seinen mannigfachen Bahnen nicht Wirkung eines zufälligen Anstoßes sei, und dass anderseits, was der Zufall in Bewegung setzt, häufigen Störungen ausgesetzt sei und leicht anstoße, während dieser in ungestörter Schnelligkeit sich vollziehende Sternenlauf, der so große Massen von Erde und Meer, so viele hellstrahlende und nach fester Ordnung leuchtende Lichter mit sich führt, sich nur unter dem Machtgebot eines ewigen Gesetzes vollziehen kann. Diese Ordnung ist unvereinbar mit dem Wesen einer unstet umherirrenden Materie, und was sich nur blindlings zusammengefunden hat, kann unmöglich in so künstlicher Lage bleiben, dass die gewaltige Last der Erde in unbeweglicher Ruhe verharre als Zuschauer der raschen Flucht des sich um sie herumdrehenden Himmels, oder dass die in die Niederungen eingedrungenen Meere den Boden aufweichen, ohne ein Anschwellen durch die Flüsse erkennen zu lassen, oder dass aus winzigen Körnern das Größte erwächst. Selbst das, was ohne Ordnung und sichere Regel vor sich zu gehen scheint, nämlich Regengüsse, Gewölk, das Zucken geschleuderter Blitze, die aus geborstenen Bergesgipfeln sich ergießenden Feuermassen, das Erbeben des wankenden Erdbodens und was sonst noch an Aufruhrerscheinungen auf dem Erdenrund sich zeigt, vollzieht sich nicht regellos trotz seiner Plötzlichkeit; vielmehr hat auch dies seine Gründe nicht weniger als die Wunderdinge, die man an fernen Orten bemerkt hat, als da sind warme Quellen inmitten der Fluten sowie geräumige neue Inseln, die aus dem weiten Meere emporsteigen. Beobachtet man ferner, wie das Gestade entblößt wird, wenn das Meer sich in sich selbst zurückzieht, und wie es nach kurzer Zeit wieder von der Flut bedeckt wird, soll man dann glauben, es sei eine blindlings wirkende Strömung, durch welche die Wogen bald zusammengezogen und in sich selbst zusammengedrängt werden, bald wieder hervorbrechen und in mächtigem Andrang sich wieder über ihren alten Platz ergießen, während sie doch in bestimmtem Maße anschwellen und pünktlich nach Stunde und Tag sich vergrößern und vermindern, je nach dem bestimmenden Einfluss des Mondes, der den Fluten des Ozeans ihr Gesetz vorschreibt? Das wird alles erst seiner Zeit zur Sprache kommen und dies umso mehr, weil du an der Vorsehung nicht zweifelst, sondern dich nur über sie beschwerst. Ich will dich mit den Göttern versöhnen, die es mit den Besten auch immer am besten meinen. Denn es wäre wider die Natur, dass je dem Guten das Gute schade. Zwischen guten Menschen und Göttern besteht Freundschaft, und was sie vermittelt, ist die Tugend. Und etwa bloß Freundschaft? Nein, auch Verwandtschaft und Ähnlichkeit; denn der Gute ist nur in Beziehung auf die zeitliche Dauer von Gott verschieden, sein Schüler und Nacheiferer und wahrhaftiger Abkömmling, den jener hochherrliche Vater, kein lauer Wächter der Tugend, nach Art gestrenger Väter nicht ohne Härte aufzieht. Bemerkst du also, dass gute und den Göttern wohlgefällige Menschen sich abmühen, sich plagen und mühsam emporklimmen, während schlechte in Schwelgerei und Wollust ihr Leben dahinbringen, so bedenke: Auch wir finden Gefallen an dem bescheidenen Auftreten unserer eigenen Söhne, während wir an dem Mutwillen jugendlicher Sklaven nichts auszusetzen haben; jene werden durch strengere Zucht in Schranken gehalten, diese in ihrer Keckheit bestärkt. Ebenso sollst du von der Gottheit denken: Den guten Menschen verhätschelt sie nicht, sie lässt ihn harte Proben durchmachen und gestaltet ihn nach ihrem Muster.

2. »Warum begegnen den Guten viele Widerwärtigkeiten?« Dem Guten kann nichts Böses widerfahren: Was einander entgegengesetzt ist, verschmilzt nicht zur Einheit. Wie die Menge der Ströme, wie die Masse des vom Himmel fallenden Regens, wie die starke Kraft der Heilquellen den Geschmack des Meerwassers nicht ändert, nicht einmal mildert, so bricht sich der Ansturm von Widerwärtigkeiten an der Sinnesart eines tapferen Mannes. Er, der Tapfere, verharrt in seiner Haltung und lässt kein Ereignis an sich herantreten, das nicht seine Farbe annehmen müsste; ist er doch mächtiger als alles, was von außen kommt. Das soll nicht heißen: Er fühlt es nicht, wohl aber: Er überwindet es und bietet, sonst ruhig und gelassen, dem, was über ihn hereinbricht, mannhaft Trotz. Alle Widerwärtigkeiten sind in seinen Augen nichts als Kraftproben. Wer aber, wenn er überhaupt ein Mann und für Ehre empfänglich ist. sehnte sich nicht nach würdiger Anstrengung und nach Erfüllung gefahrvoller Aufgaben? Ist nicht für jeden Tatenfrohen das Nichtstun eine Strafe? Man blicke doch um sich: Athleten, denen es Ernst ist mit der Steigerung ihrer Kräfte, schlagen sich am liebsten immer mit den Tapfersten und verlangen von denen, durch die sie sich zum Wettkampf einüben lassen, dass sie ihre volle Kraft gegen sie selbst einsetzen; sie lassen sich Wunden und Drangsale gefallen, und wenn sich nicht Gegner finden, die einzeln ihnen gewachsen sind, so nehmen sie den Kampf zugleich mit mehreren auf. Es erschlafft die Tapferkeit ohne Gegner; erst dann tritt ihre Größe und ihre Kraft hervor, wenn sie durch geduldiges Beharren ihre Stärke bezeugt. Lass dir gesagt sein: Ebenso müssen sich die Guten verhalten: Sie dürfen das Harte und Schwere nicht scheuen und dürfen sich nicht über das Schicksal beklagen; was auch kommen mag, sie müssen sich darein schicken, müssen es zum Guten auslegen. Nicht was, sondern wie man es erträgt, darauf kommt es an. Gewahrst du nicht den großen Unterschied in Sachen der Nachsicht zwischen Vätern und Müttern? Jene wollen ihre Kinder frühzeitig zu ernster Arbeit angetrieben sehen, lassen sie auch an Feiertagen nicht müßig gehen, ersparen ihnen keinen Schweiß, ja zwingen sie mitunter sogar zu Tränen. Dagegen wollen die Mütter sie im Schoße hegen, sie im Schatten halten, wollen sie niemals betrübt, niemals weinend, niemals bei strenger Arbeit sehen. Gottes Gesinnung gegen die Guten ist von der väterlichen Art, seine Liebe zeugt von Tapferkeit. »Sie müssen sich«, so spricht er, »in Atem erhalten durch werktätige Anstrengung, durch Schmerzen und Verluste, um wahre Kraft zu gewinnen.« Was in trägem Behagen aufgefüttert worden ist, das erweist sich als unzulänglich nicht nur für jede Arbeit, sondern auch für die Bewegung, und zwar durch seine eigene Last. Unangefochtenes Glück hält keinen Schlag aus. Aber wer in beständigem Kampfe mit Widerwärtigkeiten liegt, der bekommt durch die Unbilden eine harte Haut, er weicht keinem Unglück, und ist er auch zu Boden gefallen, so kämpft er noch auf den Knien. Du wunderst dich, dass Gott, der für alle Guten die höchste Liebe hegt und sie so trefflich und so hervorragend wie möglich zu sehen wünscht, ihnen ein Schicksal auferlegt, mit dem sie hart zu ringen haben. Ich aber wundere mich nicht, wenn die Götter zuweilen sich veranlasst fühlen, große Männer im Kampfe mit irgendwelchem Missgeschick zu sehen. Uns macht es zuweilen Vergnügen, wenn ein herzhafter Jüngling ein auf ihn losstürzendes Tier mit seinem Jagdspieße auffängt, wenn er, ohne seine Fassung zu verlieren, dem Ansturm eines Löwen standhält, und das Schauspiel ist umso erfreulicher, je edler derjenige ist, der es uns bietet. Das sind keine Dinge, die der Götter Blicke auf sich ziehen könnten: Es ist Kinderspiel in ihren Augen und Kurzweil menschlichen Leichtsinns. Dagegen ein anderes Schauspiel, würdig, den Blick des ernst über seinem Werke wachenden Gottes auf sich zu lenken: Schaue ein Kampfespaar, würdig des Gottes: einen tapferen Mann im Kampfe mit einem widrigen Schicksale, zumal wenn er es selbst herausgefordert hat. Ich wiederhole es: Ich wüsste nicht, welches schönere Schauspiel Jupiter auf der Erde haben könnte, wenn anders er darauf achten mag, als einen Cato zu sehen, wie er nach dem Sturze seiner mehrfach geschlagenen Partei gleichwohl aufrechten Hauptes dasteht inmitten des allgemeinen Ruins. »Mag auch«, so spricht er, »alles der Gewalt des Einen anheimgefallen sein, mögen die Länder von Legionen, die Meere von Flotten bewacht sein, mag Caesars Soldateska die Tore verrammeln, gleichviel: Cato findet doch seinen Ausweg; eine Hand wird genügen, der Freiheit eine weite Gasse zu machen. Dies Schwert, auch im Bürgerkriege rein und...

Erscheint lt. Verlag 13.12.2014
Übersetzer Otto Apelt
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Philosophie Geschichte der Philosophie
Geisteswissenschaften Philosophie Philosophie Altertum / Antike
Schlagworte Antike • De vita beata • Dialog • Dialogi • eBooks • Ethik • Freiheit • geburt von erdbeben • Gelassenheit • Glück • Glückseligkeit • John Malkovich • Lebensführung • Lucius Annaeus Seneca • Philosophie • Philosophie der Antike • Resilienz • Rom • römischer Philosoph • Seelenruhe • Stoiker • stoische Philosophie • Stoizismus • Tugend • Tugendethik • Über den Zorn • Von der Seelenruhe
ISBN-10 3-7306-9079-5 / 3730690795
ISBN-13 978-3-7306-9079-6 / 9783730690796
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