Alles außer Austern (eBook)

Roman

(Autor)

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2015 | 1. Auflage
352 Seiten
Ullstein (Verlag)
978-3-8437-1082-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Alles außer Austern -  Tessa Hennig
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Eigentlich möchte Anne nach dem Tod ihres Mannes einfach nur ihre Ruhe haben. Ihre besten Freundinnen, Christine und Karin, überzeugen sie aber, die Ferien wieder in der Bretagne zu verbringen. Gute Traditionen bricht man nicht. Doch dieses Jahr ist irgendwie der Wurm drin: Karins Ehe steckt in der Krise, und Christine liegt im Clinch mit ihrer aufmüpfigen Tochter. Eine gemeinsame Fahrradtour soll die Wogen glätten, aber Christine ist es zu anstrengend, und Karins Mann legt sich prompt mit der Polizei an. Nur Anne blüht auf. Liegt das vielleicht an ihrem neuen Tandempartner, mit dem sie die bretonische Küste erkundet?

Tessa Hennig schreibt seit vielen Jahren große TV-Unterhaltung und Bestseller-Romane mit Herz und Humor, die auch erfolgreich verfilmt wurden. Wenn sie vom Schreiben eine Auszeit benötigt, reist sie auf der Suche nach neuen Stoffen gern in den Süden.

Tessa Hennig schreibt seit vielen Jahren erfolgreich große TV-Unterhaltung. Mit "Mutti steigt aus" gelang ihr auf Anhieb ein Bestseller. Wenn sie vom Schreiben und ihrem Wohnort München eine Auszeit benötigt, reist sie auf der Suche nach neuen Stoffen und Abenteuern gern in den Süden.

Kapitel 2

Eine Autobahnfahrt von Straßburg nach Paris lohnte sich eigentlich nur im Frühjahr, wenn die Rapsfelder je nach Wetterlage von Ende April bis Mitte Mai in voller Blüte standen. Anne erinnerte sich beim Blick aus Andreas’ Wagen an die Magie der einzigartigen Farbkompositionen, die leuchtend gelben Streifen, das punktuelle Grün der Baumreihen und Sträucher. Das waren naturgeschaffene impressionistische Gemälde, die ein Monet sicher gemalt hätte, wenn es in seiner Zeit flurbereinigte Landwirtschaft ge­geben hätte. Im Sommer war der Zauber vorbei. Nichts als langweiliges Grün in Grün auf beigefarbenen leeren Äckern hinter der Leitplanke. Wenigstens gab diese Monotonie dazu Gelegenheit, sich während der vierstündigen Fahrt auszutauschen – jedenfalls nachdem sich Anne für ihren gestrigen »Auftritt« entschuldigt hatte. Welcher Teufel hatte sie denn nur geritten, herausfinden zu wollen, ob sie damit fertig würde, all die Plätze zu sehen, mit denen sie gute Erinnerungen an Jörg verband? Also nichts weiter als ein Test, den sie offensichtlich mit der Note sechs abgeschlossen hatte? Noch gestern Nacht war Anne auch klargeworden, warum die beiden sie in das studentische Viertel hatten ausführen wollen. Total aufmerksam von ihren Freunden und typisch Karin, die alles perfekt organisierte, dabei stets an das Wohl der anderen dachte und nichts dem Zufall überließ. Vermutlich hatte sie Andreas gebrieft, sich etwas gesprächiger als sonst zu erweisen, um sie abzulenken. Er gab sich nämlich auf der Fahrt alle Mühe, sie mit den jüngsten Obskuritäten aus seinem Anwaltsleben zu versorgen.

»Da stellt sich die asoziale Schachtel vor den Richter und behauptet doch glatt, ihrem Kollegen Geld geliehen zu haben, obwohl sie selbst pleite ist. Die Kohle hatte ihr Sohn angeblich aus Italien besorgt – von der sizilianischen Verwandtschaft. Kein Darlehensvertrag, keine Quittung, Über­gabe des Geldes in bar in den Geschäftsräumen und – halt dich fest – an einem Tag, an dem mein Klient nicht im Büro sein konnte, weil er Termine bis in die Nacht hatte und noch nicht mal einen Schlüssel, um das Büro zu betreten«, führte er aus.

»Er hat recht bekommen, oder?«, fragte Anne nach.

»Denkst du! Die gute Frau hat einen auf alleinerziehende Mutter gemacht. Die Richterin ist darauf eingestiegen und hat dem Sohn geglaubt. Jetzt geht es in die Berufung.«

»Das hat doch nichts mehr mit Recht zu tun. Ich meine, das stinkt doch zum Himmel«, entrüstete sich Anne.

»Den Himmel gibt es in der Juristerei schon lange nicht mehr«, warf Karin ein.

Je mehr Andreas von schier unglaublichen Fällen dieser Art erzählte, desto schneller verflog die Zeit.

»Wie hältst du das bloß aus? Also ich könnte das nicht ertragen«, merkte Anne an.

»Na, wegen der Kohle«, erwiderte Andreas wie aus der Pistole geschossen.

Anne sah im Rückspiegel, dass Karin ihm vom Beifahrersitz aus einen missmutigen Blick zuwarf. Dissonanz zwischen den beiden war Anne nicht gewohnt. Andreas ging jedenfalls nicht weiter darauf ein – ein untrügliches Zeichen dafür, dass die beiden, zumindest was die Juristerei betraf, ganz unterschiedliche Auffassungen vertraten. Anne erinnerte sich daran, mit wie viel Elan und Idealismus Karin ihr Auslandsjahr in Straßburg angetreten hatte. Die Welt wollte sie verändern, für Gerechtigkeit kämpfen. Keine Demo hatte sie ausgelassen, doch dann hatte die Note in ihrem Staatsexamen nicht für den Lebenstraum gereicht, als Juristin bei Greenpeace zu arbeiten. War sie am Ende frustriert darüber, sich täglich mit Patenten herumzuschlagen? Am besten sie bohrte nicht weiter nach. Die Schweigeminute, die beide eingelegt hatten, sprach sowieso Bände, der abrupte Themenwechsel auch.

»Christine flippt fast aus, dass du kommst«, zwitscherte Karin schließlich wieder bester Stimmung.

»Ich freu mich auch«, erwiderte Anne eher aus Höflichkeit, weil sie sich den Stress vor Augen führte, den dieser Ad-­hoc-Besuch mit sich brachte. Für einen Tag nach Paris und dann mit dem Zug zurück nach München – in dem Wissen, dass die anderen in die Bretagne fahren würden. Der Gedanke schmerzte schon jetzt. An sich würde sie sie ja gern begleiten, aber es sprach zu viel dagegen. Der sechste Stuhl auf der Terrasse wäre leer.

»Christine hat ziemlich viel Stress im Moment«, meinte Karin, was Anne nicht wunderte. Wann hatte sie keinen? Für die größte Pariser Werbeagentur zu arbeiten, brachte das nun mal mit sich.

»Sie kann doch ohne den Trubel gar nicht leben«, stellte Anne richtig, weil sie ihre Freundin kannte.

»Eher privat«, sagte Karin.

»Bernd?«, fragte Anne gleich nach.

»Nein. Suzanne«, erwiderte ihre Freundin.

»Was ist mit ihr? Uni? Liebeskummer?« Viel mehr Möglichkeiten konnte sich Anne bei Suzanne nicht vorstellen.

»Letzteres«, bestätigte Karin.

Die arme Suzanne. Liebeskummer in jungen Jahren war mit das Schlimmste.

»Aber sie war doch so glücklich mit diesem …«, Anne fiel der Name ihres Freundes einfach nicht mehr ein.

»… Pierre. Er hat sie mit einer Kommilitonin betrogen und will sich nicht binden«, erklärte Karin.

»Das ist bitter«, sagte Anne aus vollem Herzen.

»Sie hängt durch wie ein Schluck Wasser. Sie isst nicht einmal mehr. Vielleicht kannst du ja mal mit ihr reden«, schlug Karin vor.

Was sollte man einem jungen Ding sagen, außer, dass sie das Leben noch vor sich hatte und Pierre bestimmt nicht die einzige Option war.

»Christine kommt überhaupt nicht mehr an sie heran«, meinte Karin, was Anne ziemlich beunruhigte, weil sie sich an ihren ersten Liebeskummer in jungen Jahren erinnerte. Die Welt schien damals stillzustehen. Anne nahm sich trotzdem vor, Suzanne davon zu überzeugen, dass sich Liebeskummer nicht lohnte. Zugleich überlegte sie, ob sie Suzanne vielleicht dazu einladen sollte, nach München zu kommen. Das Haus würde sich mit Leben füllen, und sie hätte eine Aufgabe. Suzanne liebte München wie jeder Tourist, der sich die Highlights herauspicken konnte, ohne sich dem stressigen Alltag aussetzen zu müssen. Außerdem war sich Anne sicher, dass ihr die Rolle als Touristenführerin guttun würde.

»Was hältst du davon? Suzanne könnte mit mir zurück nach München fahren«, schlug sie daher vor.

Karin zuckte nur mit den Schultern.

Also anscheinend doch keine so gute Idee. Anne gab es auf, weiter darüber nachzudenken, weil Andreas gerade auf die Stadtautobahn bog, sozusagen den »Mittleren Ring« der französischen Metropole, nachdem sie die letzte »Paysage« an der Ausfahrt nach Paris bezahlt hatten. Aus der gemüt­lichen Fahrt wurde im Nu ein wildes Durcheinander aus gleich fünf Fahrspuren. Das pulsierende Leben einer Großstadt offenbarte sich in Verkehrschaos. Blinken? Das war ein Fremdwort für die Franzosen. Anne fühlte sich wie in einem Videospiel, in dem man Punkte »scoren« konnte, wenn man sich unfallfrei über die »Périphérique«, wie die Pariser ihre Stadtautobahn nannten, bewegte. Der Pariser Charme entfaltete sich erst, sobald man eine Ausfahrt nahm. Andreas bog ab und fuhr die Strecke über den Norden, vorbei an den weniger schönen Vierteln am Place de Clichy, der fest in der Hand von Immigranten lag. In dieser Richtung ging es hinunter zur Seine. Im Nu war Anne wieder im Taumel der Stadt der Liebe – spätestens als Andreas die Champs-Élysées erreichte und von dort in Richtung Eiffelturm bog. Christine und Bernd hatten sich eines der schönsten Viertel in Paris ausgesucht: das fünfzehnte Arrondissement, gleich in der Nähe des Marsfelds. Besser konnte man in Paris kaum wohnen, wobei »besser« relativ war. Während ihres Praktikums für eine der größten französischen Versicherungen hatte Anne dort fünfhundert Mark für eine fünfzehn Quadratmeter große Wohnung berappen müssen. Ein Zimmer mit Kochplatte und einem Klo, das nur dank eines »Debrouilleurs« funktionstüchtig war, sprich eines lärmenden Häckslers, der alles, was hineinkam, in kleine Stücke hackte, um sie über die schmalen Wasserrohre abtransportieren zu können – oft genug war er ausgefallen. Und trotzdem war das mit die schönste und aufregendste Zeit ihres Lebens gewesen. Von ihrem Zimmer in der Rue de l’Exposition aus hatte sie jeden Tag auf die amerikanische Botschaft sehen können, auf Limousinen, auf illustre Gäste. Warum konnte man diese schönen Momente nicht einfach festhalten? Ein wenig beneidete sie Christine um ihr Leben, weil sie den Mut bewiesen hatte, in Frankreich neu anzufangen. Anne blieb nur ein wehmütiger Seufzer, weil sie trotz eines Jobangebots den Schritt damals nicht gewagt hatte.

Christine hoffte inständig, dass ihr Plan in Sachen Anne aufgehen würde. Ihrer Erfahrung nach musste man sich etwas nur aus vollem Herzen wünschen. Es ging in Erfüllung, wenn es sich richtig anfühlte. Die Koffer für die Bretagne waren jedenfalls schon gepackt. Und diesmal hatte Christine die neueste Gaultier-Kollektion mit dabei, von der sie zwei Kleider recht günstig hatte ergattern können. Segel­outfit, Sportoutfit, Lounge-Klamotten für Grillabende – jeder Anlass war garderobentechnisch abgedeckt. Sie würden wie jedes Jahr einen Ausflug nach Deauville machen, und sie könnte in diesen feinen Roben an der edlen Strandpromenade flanieren, es sich gemeinsam mit Anne und Karin so richtig gut gehen lassen. So weit der Plan, den es nun galt, in die Praxis umzusetzen. Die erste Etappe war ja bereits geglückt. Karin hatte es geschafft, Anne zu ködern – primär mit Suzanne, was sich etwas schäbig anfühlte, doch letztlich, das wusste Christine genau, war es für beide das Beste. Der Paris-Effekt kam offenbar noch...

Erscheint lt. Verlag 8.4.2015
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Comic / Humor / Manga
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Bretagne • Dora Heldt • Ellen Berg • Ferien • Frauen • Frauenfreundschaft • Freundinnen • Freundschaft • Humor • Urlaub
ISBN-10 3-8437-1082-1 / 3843710821
ISBN-13 978-3-8437-1082-4 / 9783843710824
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