Das fünfte Grab des Königs (eBook)
480 Seiten
Blanvalet Verlag
978-3-641-15181-2 (ISBN)
Die Schatzjäger Sam und Remi Fargo helfen einem befreundeten Archäologen, ein geheimnisvolles Manuskript zu bergen. Darin entdecken sie einen Hinweis auf eine noch wertvollere Beute: das Grabmal des Hunnenkönigs Attila. Ihre Suche führt sie durch ganz Europa. Dabei wird immer deutlicher, dass sie nicht die einzigen sind, die dem unermesslichen Schatz auf der Spur sind - und mindestens einer ihrer Konkurrenten geht sogar über Leichen, um das Gold des Hunnenkönigs in die Finger zu kriegen.
Archäologie, Action und Humor für Indiana-Jones-Fans! Verpassen Sie kein Abenteuer des Schatzjäger-Ehepaars Sam und Remi Fargo. Alle Romane sind einzeln lesbar.
Seit er 1973 seinen ersten Helden Dirk Pitt erfand, ist jeder Roman von Clive Cussler ein »New York Times«-Bestseller. Auch auf der deutschen SPIEGEL-Bestsellerliste ist jeder seiner Romane vertreten. 1979 gründete er die reale NUMA, um das maritime Erbe durch die Entdeckung, Erforschung und Konservierung von Schiffswracks zu bewahren. Er lebte bis zu seinem Tod im Jahr 2020 in der Wüste von Arizona und in den Bergen Colorados.
1
PANNONIEN, 453 N. CHR.
Das Lager der Barbaren war von riesigen Ausmaßen. Es war eine große Stadt, die je nach Laune ihres unumstrittenen Herrschers, des Großkönigs, von Ort zu Ort zog. Aber im ungewissen Licht dieses heraufziehenden Tages herrschte in ihr das vollkommene Chaos. Hunderttausende Krieger, ihre kreischenden Frauen und ihre nicht zu bändigenden Kinder rannten durcheinander. Hunderttausende Pferde, Rinder, Schafe und Ziegen blökten und wieherten in der allgemeinen Aufregung und füllten den Morgen mit einem ohrenbetäubenden Inferno aus Lärm. Hinzu kam der Gestank des Viehs, der sich mit dem Qualm zehntausender gleichzeitig entfachter Lagerfeuer mischte.
Priskos’ Diener hatte seinen Herrn in dem sicheren Bewusstsein aus dem Bett gezerrt, dass in diesem plötzlichen Aufruhr der barbarischen Horden ihr Leben ernstlich bedroht war. Priskos eilte über das unwegsame Gelände und achtete so gut wie möglich darauf, sich nicht in einer tiefen Wagenspur den Fuß zu verstauchen oder in ein Erdloch zu treten. Er folgte Ellak, wobei er vergeblich versuchte, mit ihm Schritt zu halten. Er trug nur leichte Sandalen, die lediglich dafür gemacht waren, über das glatte Pflaster von Konstantinopel zu schlendern. Ellak, berühmter Kämpfer und Nachfahr eines Geschlechts berühmter Krieger, hatte dank seiner Kraft und Schnelligkeit das Erwachsenenalter erreicht.
Als Priskos das imposante Tierhautzelt des Großkönigs erblickte – der Pfahl in seiner Mitte war so hoch wie eine römische Villa und seine Grundfläche groß genug, um Hunderten Platz zu bieten –, konnte er lautes Jammern und Schreien hören und wusste, was während der Nacht geschehen sein musste. Er verlangsamte seinen Schritt so weit, dass er seine aufrechte Haltung und die römische Würde beibehielt. Er war Diplomat und hatte daher gleichzeitig die Aufgabe, die Ereignisse dieses historisch bedeutsamen Tages schriftlich zu fixieren. Ellak, der Sohn des Großkönigs, hatte ihn geholt, weil Priskos im Umkreis vieler Leugen der gelehrteste Mann war und vielleicht wusste, wie man das Leben des Großkönigs retten konnte. Aber das Jammern konnte durchaus bedeuten, dass sie zu spät kamen.
Priskos ließ sich seine Angst nicht anmerken. Die Barbaren versperrten ihm den Weg, rannten aufgeregt herum und stachelten sich gegenseitig zu Raserei an. Wie Hunde konnten sie die Angst wittern. Seit ihrer Geburt waren sie ausgebildete und erfahrene Mörder, die sich mit äußerster Grausamkeit den Weg vom fernsten Asien bis nach Europa gebahnt hatten. Wenn sie lautes Gebrüll hörten, kamen sie herausgerannt, aber stets mit gezückten Schwertern und Dolchen, die ebenso zu ihnen gehörten wie Hände und Füße. Wenn heute jedoch einer von ihnen bei ihm – einem Fremden – Angst spüren sollte, so würde er ihn ohne Vorwarnung in Stücke reißen.
Ellak führte ihn in das gewaltige Zelt des Großkönigs. Priskos war fast einen ganzen Kopf größer als die Barbaren, die aus dem fernen Osten kamen, klein und stämmig, mit breiten Schultern und muskulösen Armen und Beinen, die Gesichter dunkel wie gegerbtes Leder. Priskos konnte über die Köpfe einiger Männer, die den Zugang zur inneren Kammer versperrten, hinwegschauen. Dort musste der König sein. Die Krieger, die der Kammer am nächsten waren, zückten bereits ihre kurzen Dolche und ritzten ihre Wangen mit so tiefen Schnitten, dass das Blut wie Tränen an ihnen herabrann.
Priskos gelangte dorthin, indem er zur Seite auswich und zwischen den Wächtern hindurchschlüpfte, die sich wie irr aufführten. Nun konnte er die junge Frau des Großkönigs, Ildico, sehen. Sie kauerte auf einem Stapel dicker Teppiche in einer Nische – so weit entfernt von ihrem Ehemann wie nur möglich. Sie weinte, aber keiner tröstete sie. Priskos konnte niemanden sehen, der ihre Anwesenheit auch nur zur Kenntnis nahm.
Während einer der Wächter seinen Freunden sein Gesicht zuwandte, damit sie sehen konnten, wie er sich mit einem kurzen Schwert verstümmelte, schlüpfte Priskos hinter ihm in die Kammer. Er blickte auf den Körper des Großkönigs hinab und erkannte sofort, weshalb die junge Frau derart geschockt war. Der große Barbar, als Flagellum Dei gerühmt, lag auf dem Rücken im seidenen Bettzeug, den Mund weit offen wie ein schnarchender Betrunkener. Blut rann aus seiner Nase und aus seinem Mund und bildete eine nass glänzende Pfütze unter dem Kopf.
Priskos trat in die Nische und zog Ildico aus ihrer Kauerhaltung hoch. Er schob die langen blonden Haare von ihrem Ohr weg und flüsterte: »Alles ist in Ordnung. Er ist tot, und du kannst hier nichts mehr tun. Komm.« Es waren lediglich beruhigende Worte, nur eine menschliche Stimme, die sie trösten sollte, ohne ihr irgendetwas Bedeutsames mitzuteilen. Ildico, die siebte Ehefrau des Großkönigs, war trotz ihrer Schönheit kaum älter als ein Kind. Sie war von ihrem germanischen Stamm zu den Hunnen gebracht worden, um den Eroberer zu heiraten. Sie verstand Priskos’ Latein genauso wie ihr eigenes Gotisch, aber er war sich nicht sicher, welche Sprache die Wachen beherrschten, deshalb sagte er nur wenig. Dann geleitete er sie hinaus in den Sonnenaufgang und die frische Luft. Sie sah bleich und schwach aus, ganz wie ein Geist. Er hoffte, sie so weit wie möglich von den Wachen und Kriegern weglenken zu können, ehe jemand auf die Idee kam, sie trüge am Tod des Königs Schuld. Die Unwissenden waren oft besonders misstrauisch, und selbst wenn jemand vom Blitz getroffen wurde, konnte ihn ein anderer auf das bedauernswerte Opfer herabbeschworen haben.
Priskos entdeckte einige von ihren weiblichen Bediensteten. Es war die kleine Gruppe von Zofen und Verwandten, die sie zu ihrer Hochzeit begleitet hatten. Sie standen in einiger Entfernung und beobachteten mit ängstlichen Mienen das Geschehen in und vor dem Zelt. Priskos übergab Ildico ihrer Obhut, und sie entfernten sich eilig von dem wachsenden Menschenauflauf.
Priskos schaute ihr noch eine Weile nach, um sicherzugehen, dass sie nicht aufgehalten wurden, als kräftige Hände unsanft seine Arme packten. Er reckte den Hals, um zu sehen, wer sich seiner bemächtigt hatte. Keinen der beiden Krieger erkannte er, obgleich er sie jedes Mal gesehen hatte, wenn er den Großkönig aufsuchte. Sie hatten sich als Zeichen ihrer Trauer Schnittwunden in den Wangen zugefügt, so dass die untere Hälfte ihrer Gesichter von Blut glänzte. Ihr Verhalten hatte sich verändert, seit Priskos in der vorangegangenen Nacht lachend und trinkend mit ihnen zusammengesessen und die Hochzeit ihres Herrn gefeiert hatte. Die beiden Männer zerrten ihn in das Zelt des Königs, und die Schar der Krieger teilte sich, um ihnen den Weg in die innere Kammer zu öffnen.
In der Kammer war der Körper des Toten nicht bewegt worden. Über ihn beugten sich Ardarich, König der Gepiden, und Onegesius, Attilas bester Freund und engster Vertrauter. Ardarich kniete nieder und ergriff den Krug mit dem Wein, den der Großkönig getrunken hatte, ehe er gestorben war. Er sagte: »Dies ist der Wein, den Ildico ihm gestern eingeschenkt hat.« Onegesius hob auch den Kelch auf, der neben dem König lag.
Priskos sagte: »Seit Wochen litt er unter einer Krankheit, von der seine Nase ständig blutete. Vielleicht wurde es schlimmer, während er schlief, und er ist in seinem eigenen Blut ertrunken. So sieht es jedenfalls aus, nicht wahr?«
Ardarich schnaubte zornig. »Niemand stirbt an Nasenbluten. Er hat sein ganzes Leben lang gekämpft. Er wurde sehr oft verwundet und ist nie verblutet. Es war Gift.«
»Glaubst du wirklich?«, fragte Priskos mit Augen, die vom Schock geweitet waren.
»Das glaube ich«, bekräftigte Ardarich. »Und ich denke an dich. Kaiser Theodosius hat dich vor vier Jahren zusammen mit dem Botschafter Maximinus zu uns geschickt. Dein Übersetzer, Vigilas, wurde bei einer Verschwörung ertappt, deren Absicht es gewesen war, Attila zu ermorden. Anstatt euch alle töten zu lassen, schickte dich Attila zu deinem Kaiser nach Konstantinopel zurück. Vielleicht war das ein Fehler. Und vielleicht war Vigilas nicht der Einzige, der hierherkam, um den König zu töten.«
Onegesius schüttete Wein in Attilas Kelch, dann hielt er ihn hoch. »Beweise, dass du ihn nicht vergiftet hast. Trink.«
Priskos sagte: »Ich weiß nicht, ob der Wein vergiftet ist oder nicht. Wenn er es ist, dann ist es noch kein Beweis, dass ich ihn vergiftet habe. Ich war ganz gewiss nicht während der Hochzeitsnacht beim König und seiner jungen Frau. Wenn ich den Wein trinke, könnte die einzige Folge die sein, dass ich ebenfalls sterbe.«
»Deine Angst verrät dich.« Onegesius’ freie Hand legte sich auf den Griff seines Schwerts.
Priskos nahm den Kelch. »Falls ich sterbe, denk immer daran, dass ich unschuldig bin.« Er setzte den Kelch an die Lippen und leerte ihn.
Die anderen warteten und beobachteten Priskos gespannt. Ellak kam näher. »Nun, Priskos?«
»Ich spüre nichts. Es schmeckt wie Wein.«
»Bitter? Sauer?«
»Wie jeder andere Wein – süß wie eine Traubenfrucht, aber mit ein paar Tropfen Essig.«
Ardarich roch an dem Kelch, tupfte ein wenig Wein mit dem Finger auf und benetzte damit seine Zunge. Er nickte Onegesius zu, ließ den Kelch auf den Teppich neben dem Leib des Großkönigs fallen und ging hinaus. Dort wandte er sich an die Krieger: »Es war kein Gift. Er ist an einer Krankheit gestorben.«
Priskos folgte Ardarich aus der Kammer und suchte sich einen Weg durch das Gedränge der Krieger. Mit ihren schmerzverzerrten, blutigen Gesichtern boten sie einen furchterregenden Anblick. Diese Männer hatten in ihrem bisherigen Leben nichts anderes getan als zu töten. Sie kämpften und aßen auf...
Erscheint lt. Verlag | 29.1.2015 |
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Reihe/Serie | Die Fargo-Abenteuer |
Die Fargo-Abenteuer | |
Übersetzer | Michael Kubiak |
Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Original-Titel | The Tombs |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror |
Schlagworte | Abenteuerroman • Das Erbe der Azteken • Das fünfte Grab des Königs • Das Geheimnis von Shangri La • Das Gold von Sparta • Das graue Phantom • Das Orakel des Königs • Das Vermächtnis der Maya • Der Schatz des Piraten • Der Schwur der Wikinger • Der Zorn des Poseidon • Die verlorene Stadt • Dschinghis Khan • Dschinghis Khan, NUMA, Dirk Pitt, Spiegel-Bestseller, Spiegel Bestseller • eBooks • Fargo • Jäger des gestohlenen Goldes • NUMA • spiegel bestseller • SPIEGEL-Bestseller • Thriller |
ISBN-10 | 3-641-15181-3 / 3641151813 |
ISBN-13 | 978-3-641-15181-2 / 9783641151812 |
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