Die Göttliche Komödie (eBook)
533 Seiten
Insel Verlag
978-3-458-75290-5 (ISBN)
<p>Friedrich Freiherr von Falkenhausen, geboren 1869 und verstorben 1946 in Potsdam, studierte Rechtswissenschaft in Göttingen und Heidelberg. Später arbeitete er als Verwaltungsjurist, Schriftsteller und Übersetzer.</p>
DIE HÖLLE
Erster Gesang
Mittwegs auf unsres Lebens Reise fand
In finstren Waldes Nacht ich mich verschlagen,
Weil mir die Spur vom graden Wege schwand.
Wie hart ists, ach, von diesem Walde sagen,
Wie wild und rauh und dicht sein Dickicht droht:
Dran denken nur macht noch aufs neu mich zagen!
So bitter ists, daß bittrer kaum der Tod.
Doch heißts vom Heil, das dort ich fand, beginnen,
Ist noch von andrem Fund zu reden not.
Kann, wie ich einging, kaum mich mehr entsinnen,
So war ich voller Schlafes da zur Stunde,
Als ich vom wahren Wege wich von hinnen;
Doch weil am Fuß von einem Hügelrunde
Ich anlangt', als zu Ende jenes Tal,
Von dessen Grauen mir das Herz so wunde,
Blickt' ich empor und sahe schon im Strahl
Des Wandelsternes seine Scheitel prangen,
Der rechten Weg uns weiset allzumal.
Da legte sich ein wenig, was mit Bangen
Des Herzens See geschwellt die Nacht entlang,
Die so in Angst und Nöten mir vergangen.
Wie, wer der Meeresbrandung sich entrang,
Am Strande, keuchend noch, sich rückwärts wendet
Und starrt in des Gewoges wilden Drang,
So hat mein Sinn den Blick zurückgesendet,
Ein Flüchtling noch, zu jenem Engpaß wieder,
Dem Weg, den kein Lebendiger vollendet.
Als ich dann ausgeruht die matten Glieder,
Gings ob der öden Halde fort den Pfad,
Fest stets den Fuß am Boden, der darnieder.
Da sieh: wo grad der Steig der Steile naht,
Ein Panther! Höchst behend und leicht von Lenden
Prunkt' er in bunt gefleckten Felles Staat.
Nicht aus den Augen wich er, allerenden
Den Weg mir sperrend, daß hinab zum Grunde
Ich mehr als einmal mußt' am Ende wenden.
Es war die Zeit der ersten Morgenstunde,
Die Sonne stieg herauf, mit ihr der Stern,
Der sie geleitet, da zur ersten Runde
So hehre Zier entsandt die Huld des Herrn;
Und guter Hoffnung, wie im bunten Felle
Das wilde Tier auch prahlte, traut' ich gern
Dem holden jungen Jahr, der Morgenhelle –
Doch so nicht, daß die Furcht mich losgegeben,
Da jetzt ich einen Löwen sah zur Stelle.
Ich sah ihn kommen, hoch das Haupt erheben,
Grad auf mich los, in seines Hungers Wut
So grimmig, daß die Luft mir schien zu beben.
Auch eine Wölfin, trächtig von der Glut
Jedweder Gier, so schiens, die hagren Weichen –
Manch einen plagt' ihr Lechzen bis aufs Blut –,
Sie machte starrend mich vor Furcht erbleichen,
Daß ich, von ihres Blickes Dräun entsetzt,
Schon gar verzagt, den Gipfel zu erreichen.
Wie dem geschiehet, den Gewinn ergetzt,
Kommt einst der Tag, da zum Verlust sichs neiget,
Daß all sein Sinn sich härmt und grämt zuletzt,
So ich, da sich so friedelos bezeiget
Das Tier, das, nahend, Schritt für Schritt, das schlimme,
Hinab mich drängte, wo die Sonne schweiget.
Da ich zur Tiefe floh vor seinem Grimme,
Stand mir vor Augen einer, stumm, als sei
Versiegt ihm, die so lange schwieg, die Stimme.
Erblickend ihn in dieser Wüstenei,
Rief ich ihn an: »Wer du auch seist, ob Schatten,
Ob Mensch, erbarme dich und steh mir bei!«
»Nicht Mensch; ich wars«, entgegnet' er; »es hatten,
Lombarden von Geblüte, Mantua
Zur Heimat, die mich zeugten, beide Gatten.
Der unter Julius, spät, das Licht ich sah,
Ich lebt', als Rom August gehorcht, dem Guten,
Da falschen Göttern Ehre noch geschah.
Ein Dichter war ich, sang vom hochgemuten
Anchisessohne, der von Troja kam,
Als Ilions Größe sank in Feuersgluten.
Doch du? Was schaffst du hier in Nacht und Gram?
Was steigst du nicht hinan, wo aller Wonnen
Ursprung und Quell, zum Berge wundersam?«
»O, bist du denn Virgil, bist du der Bronnen«,
Rief ich, in Ehrfurcht neigend mein Gesicht,
»Draus so voll Macht der Rede Strom geronnen?
Du, aller Sänger Ehre, Preis und Licht,
Vergilt die Liebe nun, mit der ich wachte
So manche Nacht, versenkt in dein Gedicht!
Mein Meister bist du, der, nach dem ich trachte;
Dir dank ich all mein Dichten, einzig dir
Die edle Kunst, die mich zu Ehren brachte.
Sieh, das hinab mich drängt, das wilde Tier:
Hilf mir von ihm, gepriesner Weiser! Wehe,
Erbeben jede Fiber machts in mir.«
»Ein andrer Weg ist, den ich dir ersehe«,
Versetzt' er, der mein Zagen sah und Weinen,
»Daß dieser Wildnis deine Seel entgehe.
Sie, wider die du Hilfe rufst, läßt keinen,
Die Unholdin, des Wegs vorüber hier
Und scheucht und hetzt zu Tode, die's vermeinen.
So schlimm ist ihre Art, daß nichts die Gier
Ihr stillen mag, und konnte Blut sie lecken,
Lechzt ärger denn zuvor das Ungetier.
Viel andre gatten sich mit ihr und hecken
Noch immer mehr – bis daß der Rüde naht,
Der ihr ein Ende machen wird mit Schrecken.
Der rafft nicht Land und Schätze: weisen Rat
Und Minne wird und Tugend er begehren;
Wo Vlies bei Vliese, keimt die edle Saat.
Der hebt dein Land aus tiefer Schmach zu Ehren,
Für das Camilla starb und Turnus fiel
Und Nisus und Euryalus, die hehren;
Der hetzt von Ort zu Ort und wird am Ziel
Das Ungetüm zur Hölle wieder senden,
Allwo der erste Neid begann sein Spiel. –
Nun will und mein' ich, deine Not zu wenden,
Daß du mir folgst, und will dein Lenker sein
Und führ dich an des ewigen Reiches Enden.
Da hörst du die Verzweiflung, siehst die Pein,
Die weiland abgeschiedne Geister leiden,
Darinnen um den andren Tod sie schrein.
Siehst jene, die in Gluten sich bescheiden,
Getrost in Hoffnung, sich zu ihrer Zeit
Am Lichte mit den Seligen zu weiden.
Und willst du noch zu deren Höhn Geleit,
Ist eine Seele dort, wo ich muß weichen,
Des würdiger denn meine, dir bereit.
Denn der da droben herrscht in jenen Reichen,
Läßt keinen, weil mein Sinn Ihm nicht gefront,
Eingehn in Seine Stadt durch meinesgleichen.
Dem All gebeut Er; dort ists, wo Er thront;
Wo seine Stadt, Sein Stuhl, der hehre, stehen –
Wohl dem, der dort in Seiner Gnade wohnt!«
»Mein Sänger«, rief ich da, »o hör mein Flehen!
Bei jenem Gotte, den du nicht erkannt:
Hilf dieser Not und ärgrer mir entgehen,
Führ mich zu denen, die du mir genannt,
Daß ich Sankt Peters Pforte und die Buße
Der Sünder schau, die so in Qual gebannt!«
Da ging er, und ich folgt' ihm auf dem Fuße.
Zweiter Gesang
Der Tag ging nieder, und im Abendscheine
Fand alles, was sich plagt auf Erden, Rast
Von Tages Sorg und Müh. Nur ich, der eine,
Ich ging ans Werk und nahm auf mich die Last
Des Weges wie des Leids: Das soll nun zeigen
Mein Geist, der alles ohne Fehl gefaßt.
Helft, Musen! Genius, wolle dich mir neigen;
Und du, mein Geist, der, was ich sah, bewahrt,
Tu jetzt den Adel kund, der dir zu eigen!
»Der du mich führst«, begann ich, »meine Art
Schau an, o Sänger, ob sie's kann bestehen,
Bevor du mir vertraust zu solcher Fahrt.
Silvius' Erzeuger, sagst du, ward ersehen,
Verweslich noch, ins Reich der Ewigkeit
Leibhaftig, wachen Sinnes einzugehen.
War Er ihm hold, dem alles Übel leid,
Gedenkend, wer und was zum Heil der Welten
Von ihm noch ausgehn sollt' an Herrlichkeit:
Nicht unwert darf ihn drum der Weise schelten,
Ihn, der dem ewigen Rom erwählt zum Ahn
Und seinem Reich in höchsten Himmels Zelten!
War beides doch – das ist gewiß kein Wahn! –
Als heiliger Sitz gegründet, den zum Throne
Des großen Petrus Folger sollt' empfahn.
Die Fahrt, die du besangst, bracht ihm zum Lohne
Erleuchtung, und so ward ihm Sieg zuteil,
Und dann dem Papste Mantel, Stab und Krone.
Desselben Weges ging nach langer Weil
Das auserwählte Rüstzeug, sich im Glauben
Zu stärken, der den Weg erschließt zum Heil.
Doch ich? Wie komm ich hin? Wer solls erlauben?
Ich, der Äneas nicht noch Paulus bin?
Nicht ich und keiner kann mich würdig glauben.
Der Schritt, so schwant mir, wagt' ich ihn dahin,
Wär tollkühn – besser, als ichs weiß zu sagen,
Du Weiser, weißt du ja, wie mir zu Sinn!«
Wie wer verwünscht, was er gewünscht, sein Wagen
Und Wollen wandelnd, da ers wieder wägt,
Bis er des Wagens gänzlich sich entschlagen,
So ich, im Dunkel dort; der Sinn, der frägt
Nach Wie und Wenn, ließ den Entschluß verblassen,
Der zu Beginn so rasch sich eingeprägt.
»Konnt' ich, was du mir sagtest, recht erfassen«,
Des Hochgemuten Schatte sprachs zu mir,
»Hat sich dein Mut von Angst betören lassen;
Scheut mancher doch, im Schritt gehemmt von ihr,
Zurück vom Werk, das rühmlich unternommen,
Wie wohl, geblendet, nächtens scheut sein Tier.
Daß du den Banden magst der Furcht entkommen,
So hör, um was ich kam und was ich eben,
Da Sorge in mir keimt' um dich, vernommen.
Bei denen weilt' ich, so im Zwielicht schweben,
Als eine selige Frau mich rief, so reich
An Huld, daß ich sie bat, Befehl zu geben.
Ihr Auge leuchtete dem...
Erscheint lt. Verlag | 10.11.2014 |
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Nachwort | Manfred Hardt |
Übersetzer | Friedrich Freiherr von Falkenhausen |
Verlagsort | Berlin |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Klassiker / Moderne Klassiker |
Literatur ► Romane / Erzählungen | |
Schlagworte | Dichtkunst • Gedichte • insel taschenbuch 4504 • IT 4504 • IT4504 • Klassiker • Lyrik |
ISBN-10 | 3-458-75290-0 / 3458752900 |
ISBN-13 | 978-3-458-75290-5 / 9783458752905 |
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