Armance: Geschichte aus einem Pariser Salon im Jahre 1827 (eBook)

Ein Roman und ein Frühwerk des Autors von Rot und Schwarz, Die Kartause von Parma und Über die Liebe

(Autor)

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2014 | 1. Auflage
253 Seiten
e-artnow (Verlag)
978-80-268-2494-7 (ISBN)

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Armance: Geschichte aus einem Pariser Salon im Jahre 1827 -  Stendhal
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Dieses eBook: 'Armance: Geschichte aus einem Pariser Salon im Jahre 1827' ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Marie-Henri Beyle (1783 - 1842) besser bekannt unter seinem Pseudonym Stendhal, war ein französischer Schriftsteller, Militär und Politiker. In seiner Zeit eher als Journalist, Kritiker und Essayist bekannt, gilt er heute durch die analytischen Charakterbilder seiner Romane als einer der frühesten Vertreter des literarischen Realismus. 1827 publizierte Stendhal seinen ersten Roman, Armance, die zarte, um 1820 in Paris spielende Liebesgeschichte der armen jungen Adeligen Armance und des reicheren, offenbar impotenten Octave. Aus dem Buch: 'Kaum zwanzigjährig, verließ Octave die Polytechnische Hochschule. Sein Vater, der Marquis von Malivert, wünschte seinen einzigen Sohn in Paris zu behalten. Sobald Octave sich klar war, daß dies der beständige Wunsch seines verehrten Vaters und seiner leidenschaftlich geliebten Mutter war, verzichtete er auf sein Vorhaben, bei der Artillerie einzutreten. Gern hätte er ein paar Jahre gedient und dann seinen Abschied genommen, bis zum ersten Kriege, den er mitgemacht hätte, einerlei, ob als Leutnant oder Oberst. Dies ist ein Beispiel für seine Wunderlichkeiten, die ihn bei den Durchschnittsmenschen verhaßt machten. Viel Geist, hoher Wuchs, edler Anstand und große schwarze Augen, die schönsten auf der Welt, hätten ihm seinen Rang unter den vornehmsten jungen Leuten gesichert, hätte nicht in seinem sanften Blick etwas Düsteres gelegen, dessentwegen man ihn eher bedauerte als beneidete.'

Zweites Kapitel


Inhaltsverzeichnis


Melancholy mark'd him for her own,
whose ambitious heart overrates the
happiness he cannot enjoy.

Marlowe

Am nächsten Morgen um acht Uhr machte sich eine große Veränderung im Hause Malivert bemerkbar. Alle Klingeln waren plötzlich in Bewegung. Alsbald ließ der alte Marquis sich bei seiner Gattin melden, die noch zu Bette lag. Er hatte sich selbst nicht die Zeit zum Ankleiden genommen. Mit Tränen in den Augen umarmte er sie. »Meine Liebste«, sagte er, »wir werden unsre Enkel sehen, bevor wir sterben.« Und der gute Greis weinte heiße Tränen. »Gott weiß«, fuhr er fort, »es ist nicht der Gedanke, kein Bettler mehr zu sein, der mich so erregt ... Das Entschädigungsgesetz ist sicher; du wirst zwei Millionen bekommen.« In diesem Augenblick bat Octave, den der Marquis hatte rufen lassen, eintreten zu dürfen. Sein Vater stand auf und warf sich in seine Arme. Octave sah Tränen und täuschte sich vielleicht über deren Ursache, denn eine kaum merkbare Röte überzog seine bleichen Wangen. »Macht die Vorhänge weit auf, es ist schon heller Tag!« sagte seine Mutter lebhaft. »Tritt näher, schau mich an«, gebot sie im gleichen Tone. Und ohne ihrem Gatten eine Antwort zu geben, warf sie einen prüfenden Blick auf die flüchtige Röte, die auf Octaves Wangen erschien. Aus ihren Gesprächen mit den Ärzten wußte sie, daß rote Flecken auf den Backen ein Anzeichen von Brustkrankheit sind; sie zitterte für die Gesundheit ihres Sohnes und dachte nicht mehr an die zwei Millionen Entschädigung.

Als Frau von Malivert sich beruhigt hatte, sagte der Marquis, der durch dies Zwischenspiel etwas ungeduldig geworden war, endlich: »Ja, mein Sohn, eben erhalte ich die Gewißheit, daß das Entschädigungsgesetz eingebracht wird, und wir haben 319 von 420 Stimmen sicher. Deine Mutter hat ein Vermögen verloren, das ich auf über sechs Millionen anschlage. Welche Opfer auch die Furcht vor den Jakobinern der Gerechtigkeit des Königs abnötigen wird, auf zwei Millionen können wir reichlich rechnen. Somit bin ich oder vielmehr du – kein Bettler mehr; dein Vermögen steht wieder im Einklang mit deiner Geburt, und ich kann dir jetzt eine Frau suchen und brauche sie nicht mehr zu erbetteln.« – »Aber, mein Lieber«, versetzte Frau von Malivert, »gib acht, daß dich dein allzu williger Glaube an diese große Neuigkeit nicht zur Zielscheibe der Bemerkungen unsrer Verwandten, der Herzogin d'Ancre, und ihres Kreises macht. Sie besitzt ja tatsächlich all die Millionen, die du uns versprichst; verkaufe das Fell des Bären nicht.« – »Schon seit fünfundzwanzig Minuten«, sagte der alte Marquis, seine Uhr ziehend, »bin ich sicher, daß das Entschädigungsgesetz durchgehen wird, völlig sicher.«

Er mußte wohl recht haben, denn als der gleichgültige Octave am Abend bei Frau von Bonnivet erschien, wurde er allgemein mit einer gewissen Zuvorkommenheit begrüßt. Er beantwortete dies plötzliche Interesse mit einem Anflug von Hochmut; wenigstens bemerkte dies die alte Herzogin d'Ancre. Octave empfand Mißvergnügen und zugleich Verachtung. Er sah sich in der Pariser Gesellschaft und in dem Kreise, in dem er intim verkehrte, wegen der Aussicht auf zwei Millionen freundlicher empfangen. Diese glühende Seele, die gegen andre ebenso gerecht und fast ebenso streng war wie gegen sich selbst, erhielt von dieser traurigen Tatsache den Eindruck tiefer Schwermut. Octaves Stolz ließ sich zwar nicht dazu herab, den Leuten zu grollen, die der Zufall in jenem Salon zusammengeführt hatte; er bemitleidete nur sein Schicksal und das aller Menschen. »So wenig werde ich also geliebt«, sagte er sich, »daß zwei Millionen alle Gefühle ändern, die man für mich hegte. Statt danach zu trachten, mich liebenswert zu machen, hätte ich versuchen sollen, mich durch irgendein Geschäft zu bereichern.«

Während Octave diese traurigen Erwägungen anstellte, saß er auf einem Diwan gegenüber einem kleinen Stuhle, den seine Kusine Armance von Zohiloff innehatte. Zufällig blieben seine Augen auf ihr ruhen. Er bemerkte, daß sie am ganzen Abend kein Wort an ihn gerichtet hatte. Armance war eine ziemlich mittellose Nichte der Damen von Bonnivet und von Malivert, etwa gleichaltrig mit Octave, und da diese beiden Menschen einander völlig gleichgültig waren, sprachen sie ganz offen miteinander. Seit einer Dreiviertelstunde war Octaves Herz voller Erbitterung; jetzt kam er auf den Gedanken: »Armance macht mir keine Komplimente. Sie allein teilt hier nicht das neue Interesse, das ich dem Gelde verdanke. Sie ist hier die einzige, die etwas Seelenadel besitzt.« Und es war ihm ein Trost, Armance anzublicken. »Das ist wenigstens ein achtbares Wesen«, sagte er sich, und im Laufe des Abends sah er mit einem Vergnügen, das seinem anfänglichen Grollen gleichkam, daß sie auch weiterhin nicht mit ihm sprach.

Ein einziges Mal, als ein Provinzler, ein Abgeordneter, ihm ein linkisches Kompliment über die zwei Millionen machte, die er ihm durch seine Stimme verschaffen wollte (so lautete sein Ausdruck), fing Octave einen Blick von Armance auf, der bis zu ihm gelangte. Der Ausdruck dieses Blickes war unverkennbar; wenigstens beurteilte ihn Octave in seinem überaus strengen Verstande so: dieser Blick sollte ihn beobachten und – was ihn lebhaft erfreute er war darauf gefaßt, ihn verachten zu müssen. Der Abgeordnete, der Millionen bewilligen wollte, ward Octaves Opfer; die Mißachtung des jungen Vicomte wurde selbst für einen Provinzler zu sichtbar. »So sind sie alle«, sagte der Abgeordnete zum Komtur von Soubirane, auf den er gleich darauf zutrat. »Ach, Ihr Herren vom Hofadel; könnten wir uns unsere Entschädigungen bewilligen, ohne die Euren zu bewilligen, Ihr solltet sie weiß Gott erst erhalten, wenn Ihr uns Bürgschaften gegeben hättet. Wir haben es satt, Euch wie ehedem mit dreißig Jahren als Obersten und uns mit vierzig als Hauptleute zu sehen. Von den 319 wohlgesinnten Abgeordneten gehören 212 zu jenem Provinzadel, der ehemals aufgeopfert wurde.« Sehr geschmeichelt, daß man eine solche Beschwerde an ihn richtete, begann der Komtur die Standespersonen zu rechtfertigen. Diese Unterhaltung, die Herr von Soubirane in seiner Wichtigtuerei politisch nannte, dauerte den ganzen Abend fort; trotz des durchdringenden Nordwindes fand sie in einer Fensternische statt – dem gegebenen Platz zum Politisieren.

Der Komtur verließ die Nische nur für einen Augenblick, indem er den Abgeordneten bat, ihn zu entschuldigen und auf ihn zu warten. »Ich muß nur meinen Neffen fragen, was er mit meinem Wagen gemacht hat«, versetzte er. Und er sagte Octave ins Ohr: »Rede doch; dein Schweigen fällt auf. Dies neue Vermögen darf sich bei dir nicht durch Hochmut bemerkbar machen. Bedenke doch, diese zwei Millionen sind nur eine Rückerstattung und weiter nichts. Wie würdest du dich erst benehmen, wenn der König dir das blaue Ordensband verliehen hätte!« Und flink wie ein Jüngling eilte der Komtur zu seiner Fensternische zurück und wiederholte halblaut: »Also den Wagen um halb zwölf!«

Octave begann zu reden, wenn auch nicht mit jener Leichtigkeit und Munterkeit, die den vollen Erfolg verbürgen, aber seine auffällige Schönheit und der tiefe Ernst seines Wesens gaben seinen Worten in den Augen der Damen, mit denen er sprach, doch besonderen Wert. Seine Gedanken waren klar, lebhaft und gewannen an Wert, je länger man darüber nachdachte. Allerdings brachte ihn die vornehme Schlichtheit, mit der er sie ausdrückte, um die Wirkung einiger pikanter Züge; man erstaunte erst nach ein paar Sekunden darüber. Sein stolzer Charakter erlaubte ihm nie, etwas herauszustreichen, was er hübsch fand. Er gehörte zu den Geistern, die aus Stolz in der Lage einer jungen Dame sind, die ungeschminkt in einen Salon kommt, wo das Schminken allgemein üblich ist: im ersten Augenblick läßt ihre Blässe sie trübsinnig erscheinen. Wenn Octave Erfolg hatte, so war es, weil er die geistige Regsamkeit und Erregung, die ihm oft abgingen, an diesem Abend durch bitterste Ironie ersetzte.

Diese anscheinende Bosheit veranlaßte die älteren Damen, ihm sein schlichtes Benehmen zu verzeihen, und die Dummköpfe, die Angst vor ihm hatten, beeilten sich, ihm Beifall zu spenden. Indem Octave in seiner Weise die ganze Verachtung ausdrückte, die ihn verzehrte, fand er in der Geselligkeit das einzige Vergnügen, das sie ihm geben konnte. Da trat die Herzogin d'Ancre auf den Diwan zu, auf dem er saß, und sagte zwar nicht zu ihm, aber für ihn, halblaut zu ihrer Busenfreundin, Frau de la Ronce: »Sieh doch nur die kleine Törin, die Armance. Scheint sie nicht eifersüchtig auf das Vermögen, das Herrn von Malivert in den Schoß fällt? Gott, wie schlecht steht der Neid einer Frau an!«

Die Freundin erriet die Absicht der Herzogin und fing den starren Blick Octaves auf, der alles gehört hatte, aber so tat, als sähe er nur das ehrwürdige Gesicht des Bischofs von ..., der eben mit ihm sprach. Binnen drei Minuten war Fräulein von Zohiloffs Stillschweigen erklärt, und sie war in Octaves Geist all der niedrigen Gesinnung überführt, deren man sie beschuldigt. »Großer Gott«, sagte er bei sich, »gibt es denn gar keine Ausnahme von der niedrigen Gesinnung dieser ganzen Gesellschaft! Und unter welchem Vorwand kann ich dann wähnen, die übrigen Gesellschaften seien anders als diese? Wagt man in einem der ersten Salons von Frankreich solche Verehrung für das Geld zur Schau zu tragen, hier, wo niemand ein Geschichtsbuch aufschlagen kann, ohne einen Helden seines Namens zu finden, wie mag es dann erst unter den armseligen Kaufleuten hergehen, die heute Millionäre sind, aber deren Väter noch gestern den Sack...

Erscheint lt. Verlag 9.10.2014
Verlagsort Prague
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Alexandre Dumas • Balzac • Emile Zola • George Sand • Marie-Henri Beyle • Maupassant
ISBN-10 80-268-2494-6 / 8026824946
ISBN-13 978-80-268-2494-7 / 9788026824947
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