Rache auf leisen Pfoten (eBook)
311 Seiten
Ullstein (Verlag)
978-3-8437-1008-4 (ISBN)
Rita Mae Brown, geboren in Hanover, Pennsylvania, wuchs in Florida auf. Sie studierte in New York Filmwissenschaft und Anglistik und war in der Frauenbewegung aktiv. Berühmt wurde sie mit dem Titel Rubinroter Dschungel und durch ihre Romane mit der Tigerkatze Sneaky Pie Brown als Co-Autorin.
Rita Mae Brown, geboren in Hanover, Pennsylvania, wuchs in Florida auf. Sie studierte in New York Filmwissenschaft und Anglistik und war in der Frauenbewegung aktiv. Berühmt wurde sie mit dem Titel Rubinroter Dschungel und durch ihre Romane mit der Tigerkatze Sneaky Pie Brown als Co-Autorin.
1
In dem vergeblichen Bemühen, die feuchte Augustluft zu bewegen, drehte sich der riesige Ventilator träge an der Decke. Mary Minor Haristeen, von ihren Freunden Harry genannt – und alle waren ihre Freunde –, kritzelte Ideen auf einen gelben linierten Schreibblock. Susan Tucker, ihre beste Freundin, Mrs. Miranda Hogendobber, Harrys Mitarbeiterin und gute Freundin, und Chris Sharpton, eine attraktive Frau, die neu zugezogen war, saßen am Küchentisch; alle hatten ihre Highschool-Jahrbücher vor sich aufgeschlagen.
»Wir hätten diese Besprechung lieber ins Postamt verlegen sollen.« Susan wischte sich den Schweiß von der Stirn.
»Staatseigentum«, sagte Miranda.
Susan lachte. »Genau. Staatseigentum, von meinen Steuern bezahlt.«
Harry, die Posthalterin im Städtchen Crozet, Virginia, erwiderte: »Okay, dort ist eine Klimaanlage, aber denk bloß mal, wie viele Stunden Miranda und ich in dem Kasten schuften. Ich hab keine Lust, auch noch meine Freizeit da drin zu verbringen.«
»Sie haben doch eine Klimaanlage in Ihrem Haus.« Miranda sah Susan auffordernd an.
»Schon, aber die Kinder feiern gerade eine Pool-Party und …«
Harry unterbrach sie. »Du bist weggegangen, während eine Party im Gange ist? Die lassen euch keinen Tropfen Alkohol übrig.«
»Meine Kinder wissen, wann sie aufhören müssen.«
»Gratuliere«, lästerte Harry. »Das heißt noch lange nicht, dass anderer Leute Kinder wissen, wann sie aufhören müssen. Hoffentlich hast du die Bar abgeschlossen.«
»Ned ist zu Hause.« Susan wandte sich wieder dem aufgeschlagenen Jahrbuch zu; für sie war der Fall hiermit erledigt. Ihr Mann wurde mit jeder kritischen Situation fertig.
»Warum hast du das nicht gleich gesagt?« Harry schlug ihr Jahrbuch auf derselben Seite auf.
»Wieso? Es ist viel amüsanter, dich sagen zu hören, was ich zu tun habe.«
»Oh.« Harry beugte sich betreten über das Jahrbuchfoto, das sie als Erfolg versprechendste Schülerin ihres Abschlussjahrgangs zeigte. »Ich kann’s nicht glauben, dass ich mal so ausgesehen habe.«
»Sie sehen noch genauso aus. Haargenau.« Miranda zog Harrys Jahrbuch zu sich heran.
»Machen Sie ihr bloß keine Komplimente, sonst wird sie noch eingebildet.« Susan wandte sich an Chris. »Bereust du es schon, dass du uns deine Hilfe angeboten hast?«
»Nein, aber ich glaube nicht, dass ich viel beitragen kann.« Chris lächelte; ihre Hand lag auf ihrem eigenen Highschool-Jahrbuch.
»Also dann, zur Sache.« Harry straffte die Schultern. »Ich bin bei unserem zwanzigsten Ehemaligentreffen für die Sonderkategorien zuständig. BoomBoom Craycroft, unsere unerschrockene Vorsitzende« – Harry sprach mit einer Spur Sarkasmus über die Leiterin der Jubiläumsfeier –, »möchte Fotos von den Jahresbesten der Abschlussklassen, wie sie heute aussehen. Meine Aufgabe ist es, mir für diejenigen, die keine Jahresbesten waren, andere Sachen auszudenken. Das ist nur gerecht. Ich meine, es gibt nur zwölf Jahresbeste der Abschlussklassen, jeweils eine Frau und ein Mann. Das macht zwanzig Leute von hundertzweiunddreißig, ein paar mehr oder weniger, da einige von uns auf mehr als einem Gebiet zu Jahresbesten gekürt wurden.« Harry hielt inne, um Luft zu holen. »Wie viele waren Sie in Ihrem Jahrgang, Miranda?«
»Sechsundfünfzig. Zweiundvierzig leben noch, wenngleich einige davon vielleicht auf dem letzten Loch pfeifen. Meine Aufgabe für das Ehemaligentreffen ist leichter.« Miranda kicherte; ihre Hand ruhte auf dem abgegriffenen Einband ihres Jahrbuchs von 1950.
»Ihr hattet es gut, weil ihr kleine Schulen besucht habt. Ich war auf einer Gesamtschule. Die war riesig«, bemerkte Chris, und ihr Jahrbuch bestätigte dies, da es dreimal so dick war wie Harrys und Susans oder das von Mrs. Hogendobber.
Susan stimmte ihr zu. »Ich denke, wir hatten es gut, aber damals war uns das nicht bewusst.«
»Wem ist so was schon bewusst?« Harry klopfte mit ihrem gelben Bleistift auf ihr linkes Handgelenk.
»Wohl kaum jemandem. Nicht, wenn man jung ist. Wir hatten viel Spaß.« Miranda, eine Witwe, deren Kopf voller glücklicher Erinnerungen war, nickte.
»Okay, kann ich loslegen?« Sie nickten, und Harry las vor. »Dies sind Vorschläge für Kategorien, um die anderen einzubeziehen: Am weitesten gereist. Die meisten Kinder. Die meisten Ehefrauen …«
»Das können Sie nicht machen.« Miranda kicherte.
»Warum nicht? Darauf folgt ›die meisten Ehemänner‹. Zu schade, dass wir keine Kategorie ›die meisten Affären‹ einführen können.« Harry hob die Augenbrauen.
»Krass«, sagte Susan trocken.
»Reimt sich auf Spaß.« Harrys Augen blitzten. »Okay, was hab ich noch? Am meisten verändert. Versteht sich natürlich im positiven Sinne. Ich kann niemanden raussuchen, der sich hundert Pfund zu viel angefressen hat. Und – äh – mehr ist mir nicht eingefallen.«
»Harry, Sie sind doch sonst so einfallsreich.« Miranda wirkte überrascht.
»Sie ist überhaupt nicht einfallsreich, sie ist nur gnadenlos logisch. Das muss man ihr allerdings lassen.«
Harry ignorierte Susans Feststellung und wandte sich an Chris: »Wenn man neu ist in einem Ort, dauert es lange, bis man die Beziehungen der Leute untereinander ausbaldowert hat. Ich sage nur, dass Susan, die von Geburt an meine beste Freundin ist, sich bemüßigt fühlt, auf meine Schwächen hinzuweisen.«
»Harry, Logik ist keine Schwäche, sondern eine Tugend«, widersprach Susan. »Aber wir sind knapp an Kategorien.«
Chris schlug ein Clubfoto in ihrem dunkelgrünen Jahrbuch auf. »Voriges Jahr war mein zwanzigstes Schuljubiläum. Wir haben unter anderem die Clubfotos nach Leuten durchgesehen, die das, womit sie auf der Highschool glänzten, zu ihrem Beruf gemacht haben. Zum Beispiel, ob jemand, der im Latein-Club war, Lateinlehrer geworden ist. Das ist ein bisschen weit hergeholt, aber nach einer Weile greift man nach jedem Strohhalm.«
Harry zog das Buch zu sich heran; die jungen Gesichter des Cheerleader-Clubs starrten ihr entgegen. »Wo bist du?«
Chris zeigte auf ein großes Mädchen in der hinteren Reihe. »Damals war ich nicht blond.«
»Das sehe ich.« Harry las die Namen unter dem Foto, fand Chris Sharpton. Sie schob ihr das Buch wieder hin.
»Dann haben wir noch etwas gemacht, was ein bisschen Schnelldenken erforderte. Wir haben Karten in Kursivschrift mit den Namen der Mitschüler beschrieben. Sah hübsch aus. Wenn die Betreffenden in keine von den anderen Kategorien passten, haben wir uns Sachen ausgedacht wie Tom-Cruise-Double – irgendetwas, das ihnen das Gefühl gab, was Besonders zu sein.«
»Gute Idee«, lobte Miranda.
»Dann haben wir herumtelefoniert. Ihr wisst ja, nach der Highschool zerstreuen sich die Leute in alle Winde. Die von uns im Komitee waren, haben alle aus unserer Klasse angerufen, mit denen sie noch Kontakt hatten. Dann haben wir die gefragt, mit wem sie Kontakt hatten und was sie über die Leute wussten. Auf diese Weise haben wir Informationen gesammelt wie etwa ›größter Einsatz für die Gemeinschaft‹. Das wird nach einer Weile stressig, aber es ist wichtig, alle einzubeziehen. In letzter Minute haben wir sogar eine Karte mit ›unverändert‹ beschrieben.«
»Chris, das sind super Ideen.« Harry war dankbar. »Es ist großartig von dir, dass du uns hilfst. Dabei ist es nicht mal dein Schuljubiläum.«
Chris lachte. »Ich bin nicht so großzügig, wie du denkst. Susan hat mit mir gewettet, dass sie mich auf dem Keswick-Golfplatz um drei Schläge schlägt. Weil ich verloren habe, muss ich euch helfen.«
»Und wenn du gewonnen hättest?«
»Dann hätte Susan mir zwei Buchsbaumsträucher vor mein Haus gepflanzt.«
Seit sie vor vier Monaten nach Crozet gezogen war, hatte Chris sich darauf verlegt, ihr Anwesen in der Wohnsiedlung Deep Valley zu dekorieren und gärtnerisch zu gestalten. Für Leute unter vierzig, die nach Albemarle County zogen, war Deep Valley ein Magnet.
Die kontaktfreudige Chris hatte sich bereits mit ihren Nachbarinnen angefreundet, ganz besonders mit Marcy Wiggins und Bitsy Valenzuela, die beide mit ehemaligen Mitschülern von Harry verheiratet waren.
Harry stieß einen Pfiff aus. »Klasse Wette.«
»Ich hab dir doch erzählt, dass ich beim Golfen Fortschritte mache«, prahlte Susan. »Aber Miranda, ich glaube, Ihnen haben wir noch gar nicht geholfen.«
Miranda lächelte zaghaft. »Wir haben andere Erwartungen als Sie. Beim fünfzigsten Highschool-Jubiläum ist man heilfroh, wenn man noch alle Gliedmaßen bewegen kann. Wir haben Freude an gutem Essen, Geschichtenerzählen, Zusammensitzen. Ich vermute, wir werden Hufeisen werfen und tanzen. Ganz gemächlich.«
»Organisieren Sie das alles ganz allein?« Chris mochte es nicht glauben.
»Mehr oder weniger. Ich muss ein paar Leute zusammentrommeln, die mir beim Dekorieren zur Hand gehen. Ich werde es einfach halten, weil ich einfach bin.«
Bevor jemand einwenden konnte, dass Miranda nicht einfach war, kam Mrs. Murphy, Harrys schöne Tigerkatze, durch das Tiertürchen gestürmt.
»Was hast du denn da?« Harry, die mit dem Schlimmsten rechnete, stand vom Tisch auf.
Pewter, die fette graue Katze, folgte sogleich durch das Tiertürchen, und Tee Tucker, Harrys Corgihündin, stürzte hinterdrein und stieß die Katze ins Hinterteil, was ein Fauchen hervorrief.
Susan nahm die Tiere ins Visier. »Ich weiß nicht, was sie hat, aber alle wollen es haben.«
Mrs. Murphy flitzte durch die Küche ins Wohnzimmer, wo sie sich hinters Sofa hockte, während Pewter auf die große geschwungene...
Erscheint lt. Verlag | 10.10.2014 |
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Reihe/Serie | Ein Mrs.-Murphy-Krimi |
Übersetzer | Margarete Längsfeld |
Verlagsort | Berlin |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | COSY • Katzen • Krimi • Sneaky Pie • USA |
ISBN-10 | 3-8437-1008-2 / 3843710082 |
ISBN-13 | 978-3-8437-1008-4 / 9783843710084 |
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