Diagnose Mord (eBook)

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2014 | 1. Auflage
304 Seiten
Buchvolk Verlag
978-3-944581-05-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Diagnose Mord -  Nessa Altura,  Ulrike Blater
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Lesen ist gesund? Dann lesen Sie bitte auf keinen Fall weiter, besonders dann, falls Sie eine Herz- oder Nervenschwäche haben. Mit solchen Warnhinweisen wurden früher gern Zeitungskrimis versehen, aber auch hier ist der Hinweis durchaus angebracht. Diese Sammlung von Kurzgeschichten »behandelt« ausschließlich Themen aus dem Gesundheits(un)wesen und kann zu folgenden gesundheitlichen Sofort-Folgen führen: Gänsehaut, geistige Verwirrung, stockender Atem und - last but not least - akute Anfälle von Hypochondrie. Dafür garantieren hochkarätige Autoren unter chefärztlicher Leitung zweier gewiefter »Kriminalistinnen«: Nessa Altura und Ulrike Blatter, promovierte Rechtsmedizinerin. Lesen bis der Arzt kommt! Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie den Autor Ihres Vertrauens.

ILKA STITZ

Diagnose Mann

Liebe Gina-Redaktion!

Ihre Zeitschrift fiel mir zufällig in die Hände, und ich habe sie mit großem Vergnügen gelesen. Vor allem Ihr Artikel »Diagnose Mann – das zarte Geschlecht« hat mich begeistert. Sie haben so recht, und ich kann Ihre Einschätzung vollauf bestätigen. Männer sind anfällig, ängstlich und überaus wehleidig.

Und weil Sie mir mit diesem Artikel sozusagen aus dem Herzen geschrieben haben, und ich überzeugt bin, dass Sie mich verstehen, möchte ich Ihnen kurz meine Erfahrungen schildern, auch wenn es für mich unter den gegebenen Umständen derzeit etwas schwierig ist.

 

Oh Gott, wenn ich daran denke, wie es anfing! Hätte ich damals schon gewusst, wohin das alles führen würde, ich hätte diesen Mann nie geheiratet. Aber was soll ich sagen: Rüdiger war meine große Liebe. Ein stattlicher Mann, sportlich, intelligent, wohlhabend, erfolgreich, alle meine Freundinnen beneideten mich.

Während unserer Flitterwochen trug er mich auf Händen, las mir jeden Wunsch von den Augen ab. Die ersten Anzeichen ignorierte ich oder wusste sie nicht zu deuten. Die Stapel an Blistern mit bunten Pillen, die seine Kulturtasche ausbeulten – bevor ich ihn kennenlernte, wusste ich nicht einmal, dass diese Tablettendinger einen eigenen Namen haben – die Apothekerzeitschriften, die sich auf dem Nachttisch stapelten, die eingekringelten Gesundheitsratgebersendungen im Fernsehprogramm.

 

Ich erinnere mich noch genau an unseren ersten Streit. Ich bin es gewöhnt, bei offenem Fenster zu schlafen. Nie hatte ich deswegen irgendwelche gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Rüdiger schon. Die Zugluft, so versicherte er mir, als er das Fenster schloss, verursache Muskelverhärtungen in seinem Rücken, wenn nicht gar Zerrungen. Mein Unwohlsein, die Kopfschmerzen durch die stickige Luft, seien dagegen zu vernachlässigen, so seine Worte.

Frauen sind zäh und leidensfähig, dennoch wachte ich am nächsten Morgen mit Kopfschmerzen auf. Oh, sagte mein Mann; ja, Kopfschmerzen, die hätte er schon seit Tagen. Wie arg hätte er erst zu leiden gehabt, wenn wir zudem bei offenem Fenster geschlafen hätten …

Mein Mann hörte meine Klage abwesend an, nickte schwer. Er hätte schon seit drei Tagen Flimmern vor den Augen und stechende Schmerzen hinter der Stirn, ich könnte es mir gar nicht vorstellen … Er winkte ab und legte sich hin.

 

Rüdiger pflegte zweimal in der Woche zu joggen, manchmal auch dreimal. Ausdauersport stärke Herz und Kreislauf, so sein Credo. Im Juni, kurz nach unserer Hochzeit, schenkte er mir Joggingschuhe zum Geburtstag und lag mir anschließend jeden Morgen in den Ohren, ich solle es wenigstens mal versuchen.

Was nimmt man nicht alles auf sich für den Mann, den man liebt. Und um seine Ruhe zu haben. Während ich Schritt für Schritt vorwärts keuchte, meine Zellen quasi beim Absterben begleitete, in der festen Überzeugung, mein Körper bereite sich auf sein Ableben vor, stellte ich fest: Laufen ist nicht mein Ding. Irgendwann im September bekam ich Schmerzen am Meniskus – und mein Mann Anfang Oktober eine Operation am Knie.

Mitte Oktober las ich im Wartezimmer des Orthopäden, in dem ich auf meinen Mann, der zur Kontrolle seines Meniskus’ vorsprach, wartete, in einer dieser Patientenzeitschriften einen Artikel über Knieprobleme. Am Abend fand ich die gleiche Zeitschrift im Lesekörbchen meines Mannes. Aufgeschlagen war die Seite mit Knieproblemen.

Nein, es war nichts markiert oder angestrichen. Inzwischen wundert mich das.

Ich warf die Zeitschrift ins Altpapier, doch wundersamerweise wuchs der Stapel nach jedem entsorgten Heft weiter an, statt zu schrumpfen: »Apothekenrundschau«, »Arzt und Patient«, die »Hausarztpraxis« – allesamt mit durchaus widersprüchlichen Empfehlungen für ein gesundes und langes Leben, Rezepten für eine ausgewogene Ernährung und Tipps zur Früherkennung chronischer Krankheiten.

 

Der Winter brach in jenem Jahr früh herein, schon im November herrschte feuchtkaltes Wetter. Obwohl der Orthopäde geraten hatte, das Knie zu schonen, ging Rüdiger morgens joggen. Unterdessen schwoll mein Hals an. Zur Arbeit begleitete meinen Mann die Sorge, sein Knie vielleicht doch zu intensiv belastet zu haben. Meine Nase lief mittlerweile wie ein Wasserhahn, jeder Knochen schmerzte. Wir aßen zu Abend, ich legte mich früh ins Bett, machte hustend die ganze Nacht kein Auge zu.

Am nächsten Morgen blieb mein Mann zu Hause, seit Tagen stecke ihm schon etwas in den Knochen, Fieber bestimmt. Sein Knie indes schien wie durch ein Wunder geheilt, davon war keine Rede mehr.

 

Mein Mann wurde dann wirklich krank. Er hatte tatsächlich Beschwerden. Ich hatte keine Ahnung, wie, aber er materialisierte Krankheiten. Nicht alle, aber doch erstaunlich viele. Eine Erkältung war eine seiner leichtesten Übungen, die beherrschte er aus dem Handgelenk. Andere Erkrankungen verlangten ein gewisses Maß an Einarbeitung, an Enthusiasmus, wieder andere wollten ihm trotz aller Bemühungen nicht gelingen. Jahrelang arbeitete er daran, vor mir zu menstruieren, aber das mit dem Bluten wollte einfach nicht klappen. Davon einmal abgesehen, beherrschte er Unterleibskrämpfe ausgezeichnet.

 

Eine mögliche Voraussetzung für seine »Materialisierungen« – so nahm ich an – war es, dass ich eine Krankheit bekam. Wie sich meist herausstellte, hatte mein Mann dann bereits seit drei Tagen darunter gelitten. Und nur meiner Beschwerden wegen fühlte er sich ermutigt, sein eigenes Leid endlich zu offenbaren. Die meiste Zeit leide er nämlich still. Ja, das hat er wirklich genau so gesagt.

 

Eine Weile erfreute er sich bester Gesundheit. Er joggte, ich kochte die Rezepte nach, die er aus der »Apothekenrundschau« ausschnitt und auf den Küchentisch legte, mixte ihm Vitaminshakes aus der »Hausarztpraxis« und bestrich seine Butterbrote mit Aufstrichen nach Mixturen aus »Schrot&Korn«, zubereitet mit Gemüse aus biologisch-dynamischem Anbau, an denen Demeter als Göttin der Feldfrüchte ihre Freude gehabt hätte.

 

Im März des darauffolgenden Jahres bekam er es an der Lunge. Oder an den Bronchien, wer weiß.

Am Morgen war er noch joggen gewesen, am Abend keuchte er zum Steinerweichen.

Ich selbst hatte keinerlei Symptome, aber einen Verdacht. Und richtig, in einer alten Ausgabe von »Arzt und Patient« wurde ich fündig. Mein Mann zeigte alle Anzeichen einer Lungenentzündung. Zusätzlich meldete sich sein Knie wieder. Tatsächlich war es angeschwollen.

Seit der Operation neigte er zu Wetterfühligkeit. Natürlich kündigte sich der Frühling mit feuchtwarmer Luft an. Mit Hilfe von warmen und kalten Wickeln, Tropfen, Antibiotika und stinkenden Salben genas er nach einigen Tagen, wovon auch immer. Mit Leidensmiene schleppte er sich zur Arbeit. Am nächsten Tag ging er joggen.

 

Waren es die warme Luft, die Menstruation oder das Glas Wein am Vorabend – jedenfalls meldete sich meine Migräne in ungewohnter Stärke. Ich riss mich zusammen und gab mich ihr erst hin, als mein Mann außer Haus war. Am Abend kam er nach Hause und klagte über Kopfschmerzen und Übelkeit.

Ich sagte ja schon, ich habe keine Ahnung, wie er das machte.

 

Der Sommer verlief ohne größere Klagen, der Winter nahte, und über Nacht hatte es überraschend gefroren. Rüdiger wollte joggen. Keuchend kehrte er vorzeitig zurück, das Gesicht kreidebleich, nur die Wangen hochrot, hielt er sich die Brust mit beiden Händen, in den Augen lag fiebriger Glanz. Er taumelte durch die Tür, klagte über Schwindel, kalte Hände und Füße und furchtbare Schmerzen in der Brust. Sofort meldete er sich krank und blieb zu Hause.

Diesmal machte ich mir wirklich Sorgen. Offenkundig hatte er tatsächlich Schmerzen, und er sah erbärmlich aus. Ich kochte ihm Tee, machte Umschläge, schlug vor, den Notarzt zu rufen, doch er winkte ab. Mit schwacher Stimme wisperte er, ich solle mir keine Mühe machen. Nein danke, er brauche nichts, vielleicht einen Tee. Und einen von den Keksen oder zwei. Und eine Hühnersuppe, die täte bestimmt gut …

Am nächsten Tag blieb er im Bett, schon wieder ganz munter, den Tag darauf ging er erneut joggen.

Der Winter schien kein Ende zu nehmen, und unsere Gasheizung fiel aus. Es war Januar, draußen herrschten Minusgrade. Mein Mann beschloss, sich der Heizung selbst anzunehmen.

Mit Strom und Gas ist nicht zu spaßen. Sonst renoviere und repariere auch ich viel im Haus, aber von Strom und Gas lasse ich die Finger. Das hätte auch mein Mann beherzigen sollen, fand ich und lauschte besorgt nach unten.

Im Keller rumorte es. Ein Bohrer dröhnte, kurz darauf waren unterdrückte Flüche zu hören. Ich rief die Feuerwehr.

Am nächsten Tag berichtete die Tageszeitung in einem kleinen Artikel über den Feuerwehreinsatz anlässlich einer angebohrten Gasleitung. Mein Mann sei nach Einschätzung eines Feuerwehrmannes nur knapp dem Erstickungstod entkommen.

Die Presse übertreibt.

Er sei durch die Hölle gegangen, stöhnte Rüdiger. Man hätte glauben können, er wäre im Irakkrieg gewesen.

 

Das nächste Jahr bescherte meinem Gatten eine Haselallergie, erneut einen entzündeten Meniskus und eine weitere Lungenentzündung, diesmal jedoch nur einen leichten Schub. Nicht zu vergessen die Migräne und regelmäßige Menstruationsbeschwerden – will sagen Unterleibskrämpfe.

Neu hinzu kam ein Karpaltunnelsyndrom, das ihm die Hände einschlafen ließ. Nachdem die Beschwerden auch nach der Operation fortbestanden, entpuppte es sich dann aber als eingeklemmter...

Erscheint lt. Verlag 31.8.2014
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror
Schlagworte Arzt • Diagnose • Medizin • Patient • Rechtsmedizin • Therapeut
ISBN-10 3-944581-05-9 / 3944581059
ISBN-13 978-3-944581-05-7 / 9783944581057
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