Tod eines Holländers -  Magdalen Nabb

Tod eines Holländers (eBook)

Ein Fall für Guarnaccia
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2014 | 1. Auflage
288 Seiten
Diogenes (Verlag)
978-3-257-60592-1 (ISBN)
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Überall in Florenz werden Touristen beraubt, Autos gestohlen, und in der Innenstadt gehen sogar Terroristen ans Werk. Dagegen sieht der Selbstmord eines holländischen Juweliers wie ein harmlos klarer Fall aus. Es gibt zwar ein paar Unstimmigkeiten, aber die einzigen Zeugen sind ein Blinder und eine alte Frau, die bösartigen Klatsch verbreitet. Trotzdem ist dem Maresciallo nicht wohl in seiner Haut - es wirkt alles ein bisschen zu einfach ...

Magdalen Nabb, geboren 1947 in Church, einem Dorf in Lancashire, England, gestorben 2007 in Florenz. Sie studierte an der Kunsthochschule in Manchester und begann dort zu schreiben. Von 1975 an lebte und arbeitete sie als Journalistin und Schriftstellerin in Florenz.

Magdalen Nabb, geboren 1947 in Church, einem Dorf in Lancashire, England, gestorben 2007 in Florenz. Sie studierte an der Kunsthochschule in Manchester und begann dort zu schreiben. Von 1975 an lebte und arbeitete sie als Journalistin und Schriftstellerin in Florenz.

[44] 2


»Was ist mit seinem Koffer?«

»Nimm ihn mit, so wie er ist. Und dies hier, und die Schlüssel …«

»Hey, Luciani, sieh mal hier!«

»Probier mal, ob du den Fensterladen aufkriegst. Das Licht hier drin …«

»Platz da! Der Doktor kommt …«

In der Wohnung war es voll geworden. Die einen schafften alle möglichen Sachen hinaus, die anderen nahmen die kriminalistische Untersuchung an Ort und Stelle vor. Wohin sie auch traten, überall wirbelten sie Staub auf. Ab und zu leuchtete das Blitzlicht der Fotografen durch den Raum. Als der Doktor eintraf, mußte er über den zerbeulten, schwarzen Metallsarg steigen, der mitten in dem schmalen Korridor stand. Es war nicht Professor Forli, sondern ein jüngerer Mann, der gerade erst sein Assistent geworden war. Er gab sich reserviert und förmlich und plauderte mit niemandem, so wie Forli es während der Vorbereitung seiner Arbeit getan hätte.

Der Wachtmeister hatte Bericht erstattet, Signora Giusti wieder in ihre Wohnung gebracht und kehrte jetzt so unauffällig wie möglich zurück, um den Technikern bei ihrer Arbeit zuzusehen. Dieser Job gefiel ihm nicht besonders, dieses Auseinandernehmen eines Menschenlebens, um es anschließend unter dem Mikroskop zu studieren, und er selbst hätte gar nicht sagen können, warum er noch da war. Er wußte, daß er den Leuten im Weg war, während er in die Küche ging, um dort einem Mann in weißem Kittel zu[45]zusehen, der systematisch Essensreste und eine fast leere Kaffeekanne einsammelte. Überall auf dem Boden lagen Kaffeebohnen, und unter dem Tisch war jede Menge verkrustetes Blut zu sehen.

Als letzter erschien der Staatsanwalt am Ort des Geschehens, mit wehendem weißen Leinenjackett und einem gestreiften Hemd, das sich über dem Bauchansatz spannte, atemlos und mit rotem Gesicht nach dem vielen Treppensteigen und sichtlich verärgert, daß man ihn bei einem ausgiebigen Lunch gestört hatte und er in der Hitze auch noch seinen Urkundsbeamten hatte auftreiben müssen.

»Na? Was gibt’s?«

Er sah den zuständigen Offizier kaum an. Der Wachtmeister kam zur Schlafzimmertür zurück und beobachtete die Szene. Den Offizier, der blutjung und sehr aufgeregt war, kannte er nicht. Ob es sein erster Fall war? Wie auch immer, nachdem er seinen Bericht gegeben hatte, wandte er sich wieder mit Anweisungen an seine Leute, blickte aber jedesmal unsicher zum Staatsanwalt, als erwartete er ein Wort der Bestätigung oder der Kritik.

»Mit anderen Worten: Selbstmord«, sagte der Staatsanwalt, nachdem er dem ernsten und exakten vorläufigen Bericht des jungen Gerichtsmediziners mit kaum verhüllter Ungeduld zugehört hatte, »allerdings ein ziemlich schmuddeliger. Hat es sich zwischendrin wohl anders überlegt, was meinen Sie?«

»Schon möglich. Aber es gibt ein, zwei Dinge …«

»Na, die Autopsie wird uns ja wohl Klarheit verschaffen.« Er wandte sich wieder an den Offizier: »Wer ist es denn? Wissen wir das?«

[46]»Ein Holländer, besser gesagt: ein Italo-Holländer. Wurde hier in Florenz geboren, Vater Holländer, Mutter Italienerin, beide verstorben. Es gibt aber noch eine Stiefmutter, gegenwärtiger Aufenthaltsort unbekannt, vermutlich aber in England, nach Angaben der Nachbarin, die sie gut gekannt hat. Er hinterläßt eine Frau und eine Schwiegermutter, beide in Amsterdam. Wir sind gerade dabei, seine Papiere nach einer Adresse zu durchsuchen.«

»Hm. Gut.«

Der junge Offizier blickte dankbar zum Wachtmeister, der stumm und reglos in der Tür stehengeblieben war und gelegentlich einen prüfenden Blick durch den Raum warf.

Der Staatsanwalt wollte schon gehen, mußte aber auf den Untersuchungsrichter warten, der noch nicht gekommen war. Er sagte: »Ein Holländer … Wird es diplomatische Verwicklungen geben? War er etwa …«

»Nein«, sagte der Offizier, »ich glaube nicht. Er war Juwelier und Goldschmied, ziemlich wohlhabend, mehr nicht.«

»Gut. Also, informieren Sie so bald wie möglich seine Frau. Am besten über das niederländische Konsulat in der Via Cavour.«

Den Metallsarg die Treppe hinunterzuschaffen war ein hartes Stück Arbeit, und so waren die vier Brüder unter ihren schwarzen Kapuzen tüchtig ins Schwitzen geraten, als sie auf die Straße hinaustraten. Die Menge machte ihnen Platz und sah zu, wie der Sarg in den Wagen der Misericordia geschoben wurde. Der Wachtmeister, der hinterhergekommen war, hörte die Leute murmeln:

»Die arme Alte …«

[47]»Sie war ja schon über neunzig …«

»Es soll aber Selbstmord gewesen sein … oder etwas noch Schlimmeres, und die vielen Polizisten …«

In allen Geschäften an der Piazza gingen die metallenen Rolläden hoch, ein deutliches Signal dafür, daß man den nachmittäglichen Betrieb wiederaufzunehmen gedachte. Um fünf Uhr war es aber noch immer sehr heiß. Als der Wachtmeister aus dem dunklen Hauseingang trat, schlug ihm eine Hitzewelle entgegen, die ihn fast umwarf. Er konnte sich an die feuchte Hitze von Florenz, die so ganz anders war als die trockene Glut des Südens, einfach nicht gewöhnen, obwohl er, die Tage auf der Unteroffiziersschule nicht mitgerechnet, schon sechs Jahre hier oben war.

Die Hitze schien nicht von der Sonne zu kommen, sondern in mächtigen Wogen von den aufgeheizten Mauern der Gebäude auszugehen und die Stadt in einer heißen Wolke einzuschließen, die im Laufe des Tages immer drückender wurde und immer stärker nach Autoabgasen stank. Das Gefühl des Erstickens war so intensiv, daß der Wachtmeister oft den Drang verspürte, ein Fenster aufzureißen, um überhaupt Luft zu bekommen, sich dann aber daran erinnerte, daß er im Freien war.

Auf der anderen Seite der Piazza lag die Bar, groß und gekachelt, Kühle versprechend, in der es Getränke und hausgemachtes Eis gab, aber als der Wachtmeister näherkam, sah er, daß sich lauter spärlich gekleidete Touristen um den Tresen drängten, die auf ihren Kassenbon warteten, um sich anschließend ihre Eissorte auszusuchen. Die einzige Alternative zum Schlangestehen wäre gewesen, sich an einen der weißen Tische unter den Bäumen zu setzen und [48]bedient zu werden, doch das kam für ihn nicht in Frage. Sowieso würde es das Doppelte kosten.

Er verließ die Piazza und fand schließlich eine Bar ohne Menschentrauben, ein kleines, dunkles Lokal mit einem Flipperautomaten in der hinteren Ecke und hunderterlei staubbedeckter Flaschen auf dem Regal hinter dem Tresen. Der Besitzer, dessen graue Haare zu einem Bürstenschnitt frisiert waren, trug ein blaßbraunes Jackett und eine Fliege, als hätte er früher in einem vornehmen Restaurant gearbeitet.

»Einen Kaffee und ein Glas Wasser.« Er nahm sich ein paar Brioches aus einem durchsichtigen Plastikbehälter auf dem Tresen.

»Heiß, was?« bemerkte der Barmann, um ein Gespräch anzuknüpfen. »Wir sollten am Meer sein statt zu arbeiten. Aber ich fahre da nicht mehr hin, bei den Menschenmassen und den Kosten. Gestern hieß es in den Nachrichten, daß man am Meer, abgesehen von den Ausgaben für die Unterkunft, täglich zwischen achtzig- und hunderttausend Lire braucht.«

»Glaub ich gern.«

»Fünftausend am Tag nur, um zum Strand zu gehen, Liegestuhl und Sonnenschirm und dergleichen, das Eis für die Kinder kostet doppelt soviel wie letztes Jahr – meine sind Gott sei Dank schon erwachsen und machen mit den eigenen Kindern Campingurlaub.«

»Sehr schön«, sagte der Wachtmeister mit vollem Mund.

»Hab ich auch gesagt. Trotzdem – nichts ist mehr so wie früher.«

»Stimmt. Wieviel schulde ich Ihnen?«

[49]»Genau eintausend – drüben auf der anderen Seite des Arno gibt es Bars, wo Sie das Doppelte bezahlen müssen, aber das ist ja Wahnsinn, wenn Sie mich fragen. Wo soll denn das hinführen, wenn wir alle immer mehr haben wollen.«

Auf der Polizeistation Pitti war es ruhig, als der Wachtmeister zurückkehrte. Das Dienstzimmer im Erdgeschoß war leer, nur das Summen des Ventilators war zu hören und ein sporadisches Klopfgeräusch, unterbrochen von langen, gedankenschweren Pausen. Er brauchte sich nicht zu fragen, wer es war.

»Aah! Ciccio!«

Der Wachtmeister schmunzelte, wie jedermann, bei dem bloßen Gedanken an den rundlichen, blonden Jungen. Er kam auch bald darauf die Treppe heruntergewatschelt, mit offenem Hemdkragen und schief sitzender Krawatte.

»Bist du allein?«

»Jawohl! Lorenzini und Di Nuccio sind weggefahren, um die Post abzuholen.«

»Irgendwelche Anrufe?«

»Nein.«

Es war immer dasselbe: Bei den begehrteren Gängen, etwa dem Abholen der Post, die das Oberkommando in Rom per Kurier hochschickte, oder beim Essenholen aus der Kantine, pflegte Gino den anderen beiden den Vortritt zu lassen. Wenn es aber darum ging, beim Lebensmittelhändler unten auf der Piazza Brot oder Wasser zu kaufen, dann wurde meist gestritten, wer dran war, bis Gino munter rief: »Ich gehe!«

Der Wachtmeister blickte auf seine Uhr.

[50]»Sind sie schon lange weg?«

»Nicht sehr lange.« Gino errötete, denn er wußte genau wie der Wachtmeister, daß sie fünf Minuten abzweigen würden, um rasch noch einen Kaffee zu trinken und ein Schwätzchen mit alten Freunden und Bekannten zu halten.

»Wieso gehst du eigentlich nicht ab und zu die Post holen? Hast du keine Lust, mit den anderen manchmal zu schwatzen, hm?«

»Ich habe meinen Bruder, Herr Wachtmeister.« Gino lächelte verlegen.

...

Erscheint lt. Verlag 27.8.2014
Reihe/Serie Maresciallo Guarnaccia
Übersetzer Matthias Fienbork
Verlagsort Zürich
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Carabinieri • Ermittlungen • Florenz • Guarnaccia • Italien • Juwelier • Kommissar • Krimi • Mord • Polizei • Raub • Reihe • Roman • Selbstmord • Serie • Unstimmigkeiten • Verdacht
ISBN-10 3-257-60592-7 / 3257605927
ISBN-13 978-3-257-60592-1 / 9783257605921
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