Kapital Macht Politik (eBook)

Die Zerstörung der Demokratie
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2014 | 1. Auflage
537 Seiten
Tectum-Wissenschaftsverlag
978-3-8288-6062-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Kapital Macht Politik -  Harald Trabold
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Die Macht des Volkes ist längst zu einer Phrase in Sonntagsreden verkommen. In den westlichen Demokratien herrscht nicht mehr das Volk, sondern das Kapital. Politiker regieren die Bürger, aber Finanzmärkte und Großkonzerne regieren die Politik. Lobbyisten steuern die Gesetzgebung zum Wohl der Großkonzerne, PR-Agenturen machen Kapitalismus-Propaganda, die Unterhaltungsindustrie stellt das Volk ruhig und das Bildungssystem erzieht ökonomisch verwertbaren Nachwuchs. Doch stehen wir auf verlorenem Posten? Harald Trabold demonstriert, wie wir Bürgerinnen und Bürger unsere eingebüßte Macht zurückerobern können. Dafür müssen wir jedoch bereit sein, uns in neuer Freiheit gegen die Herrschaft der Konzerne und Reichen zu behaupten und den Kapitalismus in die Schranken zu weisen. Noch ist es nicht zu spät! Es ist der klare Blick eines erfahrenen Insiders, der das Warum dahinter aufdeckt. Seit 2005 ist Trabold Professor für Volkswirtschaftslehre mit zahlreichen Veröffentlichungen u. a. zu den Themen Globalisierung, Wettbewerbsfähigkeit, Finanzkrise. Zudem ist er als Berater für UN-Organisationen, die Europäische Kommission und das Wirtschaftsministerium tätig.

DAS UNEINGELÖSTE VERSPRECHEN


Am 2. Januar 2009 veröffentlichte die Berliner Zeitung die Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa zur Demokratie. Danach waren 95% der Befragten mit der Idee der Demokratie zufrieden, aber nur 40% mit der konkreten Umsetzung.1 Einer Umfrage des Magazins Stern vom Juli 2012 zufolge meinten zwei Drittel der Befragten, die Abgeordneten des Deutschen Bundestages würden ihre Arbeit weder engagiert noch sachgerecht verrichten.2

Woher stammt dieser große Unterschied zwischen Ideal und Wirklichkeit? Woran liegt es, dass in fast allen westlichen Demokratien die Stimmungslage der Bevölkerung ähnlich zu der in Deutschland ist, und das schon seit Jahrzehnten?

Ursächlich verantwortlich sind vor allem drei Faktoren. Zum einen sind es die nicht gewürdigten Errungenschaften der Demokratie.3 Den meisten Bürgern in den westlichen Demokratien ist zu wenig bewusst, dass sie in einem bislang nie dagewesenen Rechtsstaat leben. Dieser garantiert jedem ganz elementar das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und körperliche Unversehrtheit. Hinzu kommen Meinungsfreiheit, Schutz vor willkürlichen Übergriffen seitens der Obrigkeit, freie Wohnort- und Berufswahl, Religionsfreiheit, Freiheit der Wissenschaft und Kunst sowie das Wahlrecht. Diese Rechte und Freiheiten genießen die Menschen in Westdeutschland seit 1949, in Ostdeutschland seit 1990.

Der zweite Grund sind Missverständnisse in Bezug auf die Möglichkeiten und Aufgaben einer Demokratie.4 Ein demokratischer Prozess dient nicht notwendigerweise der Entdeckung von Wahrheiten oder der Durchsetzung von Vernunft, sondern ist ein Verfahren um herauszufinden, was die Mehrheit für wahr oder vernünftig hält. Eine Demokratie verspricht weder Glück noch Wohlstand, sondern nur, dass jeder auf seine Art glücklich und durch Talent und Anstrengung wohlhabend werden kann. Eine Demokratie löst Probleme nicht besser als Diktaturen oder Monarchien – sie garantiert aber, dass jeder seine Meinung kundtun und prinzipiell an der Lösung der Probleme mitarbeiten kann. Dabei kann nicht jeder seinen Willen bekommen, was vermutlich eines der größten Akzeptanzprobleme von realen Demokratien ist. Der kleine Diktator in uns glaubt, dass seine Ansichten und Problemlösungen die besten sind. Aber in modernen Demokratien zählen alle Stimmen gleich viel und häufig setzen sich die eigenen Vorstellungen nicht mehrheitlich durch. Viele Bürger fühlen sich und ihre Meinung abgelehnt, was sie verdrossen macht gegenüber der Demokratie. Nur haben diese Menschen deren Sinn nicht richtig verstanden. Schließlich ist die Demokratie idealerweise nicht Mittel zur Durchsetzung der eigenen Interessen, sondern zur Erkundung und Realisierung des Willens der Mehrheit, wobei die unterlegenen Minderheiten durch ihre verfassungsmäßigen Rechte gegen willkürliche Benachteiligungen durch die Mehrheit geschützt werden.

Der dritte Grund für die Diskrepanz zwischen Ideal und Wirklichkeit ist das bislang uneingelöste Versprechen der Demokratie, die »unsichtbare Macht« abzuschaffen.5 Denn in den westlichen Demokratien gibt es starke Interessengruppen, die ihren Willen durchsetzen. Dazu zählen die Bürokratie, die Religionen und in den letzten Jahrzehnten vermehrt Großkonzerne und Banken. Deren Wirken führt zu einer Missachtung der Wünsche und Anliegen von Bürgern durch die Politik. Das Volk ist unzufrieden mit Regierungen und Parlamenten, weil diese zu sehr auf die Bedürfnisse von einigen wenigen, gut organisierten Interessengruppen eingehen.6 In den USA glauben seit Mitte der 1970er Jahre im Durchschnitt rund 65% der Bevölkerung, dass die Regierung sich hauptsächlich um deren Anliegen kümmert und nicht um die Mehrheit der Menschen.7 In Deutschland sind 75% der Wähler der Meinung, die Lobbyisten hätten zu viel Einfluss.8

Die ersten beiden Ursachen der Unzufriedenheit mit der Demokratie – ihre nicht gewürdigten Errungenschaften und Missverständnisse hinsichtlich ihrer Möglichkeiten und Aufgaben – sind eigentlich unproblematisch, denn sie ließen sich relativ leicht durch mehr politische Bildung und Aufklärung beseitigen. Die »unsichtbaren Mächte« sind nicht so leicht zu bändigen, insbesondere nicht die Großkonzerne und Banken. Wie ich nachfolgend noch zeigen werde, ist deren Gewinnstreben direkt verantwortlich für die schleichende Aushöhlung der Demokratie, die zu der erwähnten Unzufriedenheit der Bürger und zu Politikverdrossenheit geführt hat.

»Der Kapitalismus entmachtet die Demokratie«, lautet folglich die Kernthese dieses Buches, die es im Folgenden zu belegen gilt. Um Missverständnissen vorzubeugen und klar darzulegen, wie ich bei der Untermauerung meiner These vorgehe, skizziere ich im Folgenden die wichtigsten Prämissen und Eckpfeiler meiner Argumentation:

Die Machtübernahme des Kapitalismus darf man sich nicht als Putsch oder Revolution vorstellen, in deren Verlauf die demokratischen Institutionen abgeschafft und durch eine Diktatur des Kapitals ersetzt werden. Vielmehr wird die Macht der Demokratie in vielen, kleinen Schritten beschnitten. Dabei legt der Kapitalismus bei Auswahl und Einsatz seiner Mittel ein erstaunliches Geschick an den Tag, das eigentlich bewundernswert wäre, diente es nicht einem so fragwürdigen Zweck. Auch ist die Entmachtung der Demokratie nicht das offizielle Ziel des Kapitalismus, wenn auch vereinzelt Stimmen zu vernehmen sind, die für eine Beschränkung der Volksmacht plädieren. Die Entmachtung der Demokratie ergibt sich als Nebenziel der Gewinnorientierung. Sie erfolgt weitgehend indirekt, langsam und beinahe geräuschlos. Sie wurde daher bis zum Ausbruch der Finanzkrise 2008 in der breiten Öffentlichkeit kaum wahrgenommen.

Ziel des Kapitalismus und treibende Kraft der Entmachtung ist das Geldverdienen um des Geldverdienens willen. Die Unterordnung unter dieses Leitmotiv führt zu einem gleichgerichteten Verhalten aller vom Geist des Kapitalismus beseelten Institutionen. Um möglichst schnell möglichst viel Geld verdienen zu können, versuchen die Kapitalbesitzer, die dafür besten Rahmenbedingungen zu schaffen. Dazu bedarf es keiner zentralen Steuerung oder gar einer Verschwörung.9 Der diskrete Charme dieses Prozesses der Entmachtung liegt gerade darin, dass er sich nicht auf dunklen Wegen durch geheim operierende Mächte vollzieht. Die Vertreter des Kapitalismus erklären ganz offen, dass es ihnen ums Geldverdienen geht. Sie verheimlichen nur die logische Konsequenz ihres Gewinnstrebens – die Entmachtung der Demokratie. Alles andere wird öffentlich diskutiert und kommuniziert, sowohl das Gewinnmotiv als auch Strategie und Taktik zur Erzielung von Profiten. Gegen eine Verschwörung spricht auch, dass die Gruppe der Eingeweihten viel zu groß wäre, als dass die Pläne auf längere Frist geheim gehalten werden könnten.

Der Kapitalismus ist nicht die einzige Kraft, die auf die Entmachtung des Volkes hinwirkt. Da ist zum einen die Bürokratie, die dazu neigt, ohne ausreichende Rücksprache mit dem Souverän mehr und mehr Bereiche des öffentlichen Lebens zu regeln. Zum anderen sind es die Politiker, die sich vom Volk nur bedingt in die Ausübung ihrer Ämter hineinreden lassen wollen. Da beide ihre Macht ausdehnen wollen, versuchen sie, den Einflussbereich des Kapitalismus zurückzudrängen. Erfolgreich sind sie damit hauptsächlich in Zeiten wirtschaftlicher Krisen, vor allem, wenn diese ihren Ausgangspunkt im kapitalistischen System zu haben scheinen. In solchen Phasen wird der Kapitalismus schwächer, manchmal sogar im Verhältnis zur Demokratie. Solche Phasen sind aber historisch gesehen bislang zumeist relativ kurz gewesen und dem Kapitalismus gelingt es in den ruhigeren Zeiten immer wieder, seinen Einflussbereich auszuweiten.

Aber nicht nur in Krisenzeiten erleidet der Kapitalismus vereinzelt Rückschläge auf dem Weg zur Macht. Eine kleine Gruppe unbeugsamer Demokraten hört nicht auf, ihm Widerstand zu leisten. Denn Teile der Öffentlichkeit nehmen aus ökologischen, sozialen, kulturellen, religiösen oder politischen Gründen zuweilen eine extrem kritische Position gegenüber dem Kapitalismus ein. Hin und wieder gelingt es dieser Gruppe, das Volk zu überzeugen, Regierungen zu wählen, die den Kapitalismus wenigstens zeitweise in seine Schranken weisen und die den Primat der Politik vor der Wirtschaft durchzusetzen versuchen. Auch verzeichnen die unbeugsamen Demokraten so manchen Erfolg bei der Einführung von Elementen der direkten Demokratie, z. B. Volksentscheiden. Diese stärken die Demokratie deshalb, weil das Votum des Souveräns im Nachhinein nicht mehr so einfach verwässert werden kann. Der Kapitalismus hat jedoch ein ausgefeiltes Arsenal an Mitteln entwickelt, um den Volkswillen zu beeinflussen. Durch die Globalisierung und die damit verbundene Kapitalmobilität hält er zusätzlich noch ein äußerst wirkungsvolles Instrument zur Durchsetzung seiner...

Erscheint lt. Verlag 16.7.2014
Verlagsort Baden-Baden
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Wirtschaft Betriebswirtschaft / Management Finanzierung
Schlagworte Angela Merkel • Bretton Woods • Energiepolitik • Euro • Europäische Zentralbank • Finanzkrise • Finanzmarktregulierung • Freiheit • Globalisierung • Glück • Hartz-IV • IWF • Lobbyismus • Märkte • Minimalismus • Neoliberalismus • Politik • Politikkrise • Rente • Revolution • Sozialismus • Umverteilung • Verschuldung • Wachstum • Wachstumswahn • Weltfinanzsystem • Wirtschaft
ISBN-10 3-8288-6062-1 / 3828860621
ISBN-13 978-3-8288-6062-9 / 9783828860629
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