Geld oder Liebe (eBook)

Roman

(Autor)

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2014 | 1. Auflage
283 Seiten
Aufbau digital (Verlag)
978-3-8412-0764-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Geld oder Liebe - Lilli Beck
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Ohne Moos nix los! Alles hätte so perfekt sein können: Mimi und ihre alternden Künstlerfreunde haben sich ihren Traum vom gemeinsamen Lebensabend erfüllt und bewohnen zusammen eine Villa am See. Doch dann droht das Anwesen verkauft zu werden. Bei ihrer wilden Rettungsaktion müssen die rüstigen Rentner schon mal zu Tricks greifen - auch jenseits der Gesetze. Denn schon bald merken sie, dass ehrlich nicht immer am längsten währt ... Ein urkomischer Roman über nicht ganz korrekte Oldies - nichts für schwache Nerven, aber gut fürs Herz.

Lilli Beck lebt zurzeit in München. Ihr größter Traum ist es jedoch, im Alter selbst einmal in einer rosa Villa am See zu wohnen. Mit dem Gesetz ist sie aber noch nicht in Konflikt geraten. Im Aufbau Taschenbuch Verlag sind ihre Romane 'Liebe auf den letzten Blick', 'Liebe verlernt man nicht' und 'Geld oder Liebe' lieferbar.Mehr zur Autorin unter www.lilli-beck.de

1


»Wo ist Igor?«

»Da unten im Sarg!«

»Ist er tot?«

»Ja, beim Sterben ums Leben gekommen.«

»Aber ich habe ihn doch gestern noch gesehen.«

»Tja, so schnell kann’s gehen. In unserem Alter sollte man eben höllisch aufpassen, wohin man tritt, sonst …«

»Heute rot, morgen tot!«

Stünde ich nicht vollkommen aufgelöst und von Freunden und Bekannten umringt auf einem Friedhof, würde ich mir vorkommen wie bei der Premiere eines grotesk surrealen Theaterstückes, in dem jemand einen Kranz hinter sich wirft wie den Hochzeitsstrauß, um zu sehen, wer der Nächste ist. Passen würde es, schließlich ist heute der 1. April.

Aber ich starre mit von Tränen verschwommenem Blick tatsächlich in Igors Grab. An sich würde die Szene einer vollkommen normalen Beisetzung gleichen, mit Blumengebinden, Kränzen und Gestecken, hätten nicht alle Trauergäste ein Glas Wodka in der einen Hand und in der anderen ein Stück Brot. Ein unbeteiligter Zuschauer würde vermutlich auch über Roderich schmunzeln: Ein alter Mann in buntgemustertem Samtmantel und grünen Cowboystiefeln, der sich unablässig das durch den Wind verrutschende Toupet zurechtrückt. Ebenso würde er sich wahrscheinlich fragen, was mit dem Mann im Rollstuhl los ist, dessen feuerroter Fahrradhelm wie eine einsame rote Blume aus der schwarz gekleideten Menge herausleuchtet. Er könnte Pistolen-Pennys schmerzverzerrte Miene über dem mottenzerfressenen Silberfuchskragen als einen Ausdruck ihrer Trauer deuten, weil er nicht wüsste, dass ihre Beinprothese bei längerem Stehen unangenehm drückt. Und beim Anblick des grimmig dreinblickenden Wastl mit der platten Boxernase und den türbreiten Schultern, würde er vermutlich auf die Beisetzung einer Unterweltgröße tippen. Die kleine Gruppe bulliger Herren mit Pokerface, Sonnenbrillen und schwarzen Hüten könnte diesen Verdacht erhärten, genauso wie der idyllische Friedhof mit Seeblick und romantischer Zwiebelturmkirche. Nur Alteingesessene werden noch auf diesem exklusiven Gottesacker bestattet. Am Starnberger See klingt »Sozialwohnung« mittlerweile wie ein Fremdwort, und Normalverdiener müssten einen Bankraub begehen, um hier wohnen oder sogar ein Haus erwerben zu können.

Die Unterwelt-Vermutung wäre also nicht von der Hand zu weisen. Aber Igor war kein Gangster, obwohl auch ich anfangs nicht wusste, was ich von ihm halten sollte. Zumindest war er mir ziemlich suspekt. Nur optisch fand ich ihn sofort äußerst sympathisch, vor allem sein Kinngrübchen hatte es mir angetan. Er selbst hasste es, bezeichnete es gerne als Einschussloch, und brachte mich damit zum Lachen. Mein über alles geliebter russischer Kuschelbär war eine außergewöhnliche Mischung aus Kabarettist und Kalaschnikow. Allein sein erster Auftritt in meinem Leben war bühnenreif.

Es war vor neun Jahren in München, am Abend der letzten Vorstellung der Operette Die Csárdásfürstin. Ich hatte die Titelrolle gesungen und rauschende Ovationen erhalten. Erschöpft begab ich mich nach dem letzten Vorhang in meine Garderobe, wo ich neben vielen Blumensträußen einen Brief in einem blassblauen Kuvert vorfand. Darin versicherte mich Igor Komarow seiner glühenden Verehrung und bat höflich, von einem Unwürdigen ein winzig kleines Geschenk anzunehmen. Es würde vor dem Bühnenausgang auf mich warten. Kopfschüttelnd legte ich die Nachricht zur Seite. Üblicherweise wurden kleine Aufmerksamkeiten direkt nach der Vorstellung überbracht oder auf die Bühne geworfen, aber nicht großartig angekündigt. Ich trank mit den Kollegen ein Gläschen Champagner auf unseren Erfolg und vergaß den Brief. Es dauerte eine Weile, bis ich die Csárdásfürstin abgelegt, mich wieder in Mimi Varelli verwandelt hatte und das Theater über den Bühnenausgang verließ. Getarnt mit dunkler Diven-Brille beabsichtigte ich wie jeden Abend die paar Meter zum Taxistand zu laufen, um etwas frische Luft zu schnappen. Doch es schüttete wie aus einer Regenmaschine und ich wollte schon kehrtmachen, als jemand mit einem Schirm aus dem Dunkel auftauchte. Überrascht schrak ich zusammen, erkannte dann aber unseren jungen Saaldiener aus dem Theater. »Ich begleite Sie zum Wagen, gnädige Frau«, sagte er höflich. Ich wandte ein, dass ich zwar keinen bestellt hätte, er aber genau zur richtigen Zeit käme, und ließ mich gut beschirmt zur Straße führen. Statt eines Taxis erwartete mich jedoch eine weiße Stretchlimousine. »Bitte«, sagte mein Begleiter, und noch bevor ich etwas erwidern konnte, öffnete sich die Tür. In einem Meer aus blassrosa Rosen saß Igor und strahlte mich aus leuchtend blauen Augen an. Mit seinem blonden Haar, den ergrauten Schläfen und dem hellen Anzug hatte er eine verblüffende Ähnlichkeit mit Peter Ustinov in Mord im Orient-Express. Allerdings ohne Schnurrbart. Ich habe mich auf Anhieb in ihn verliebt.

»Wenn ich nicht bald den Wodka trinken und das Brot essen darf, werde ich grantig.«

Die Stimme von Margot, meiner Cousine, drängt sich in meine schmerzhaften Erinnerungen.

»Die Zeremonie ist gleich zu Ende«, flüstere ich ihr zu.

»Mir ist kalt«, setzt sie mürrisch nach.

Ich spüre weder Hunger noch Kälte, fühle mich einfach nur hundeelend und bin kurz davor, mich zu Igor ins Grab zu stürzen. Aber Margot könnte recht haben, für April scheint es ungewöhnlich kalt zu sein: Ein schneidender Wind treibt vereinzelte Schneeflocken vor sich her. Sibirisch sozusagen. Igor hätte das scheußliche Wetter gefallen. Er hätte sogar gewollt, dass am Tag seiner Beerdigung schwere dunkle Wolken die Szenerie verdüstern. Dass der Himmel weint, wenn Igor Komarow uns verlässt. Er hätte darauf bestanden, dass sämtliche Schleusen aufgedreht werden. Und zur dramatischen Verstärkung des russisch-orthodoxen Bestattungsrituals hätte er auch noch Donner und Blitz bestellt, als eine Art überirdischen Applaus. Seine russische Seele hatte keine Angst vor Kitsch. »Der Mensch braucht rosarote Träume wie der Künstler das Publikum und den Applaus«, hat er immer gesagt, wenn ich mit einer allzu schwülstigen Inszenierung haderte. Logisch, dass Igor seine »letzte Vorstellung« genau geplant hat. Wie alles in seinem Leben. Er glaubte nicht an Schicksal oder Zufälle. »Das ist mein Leben, und ich bestimme, wo es langgeht«, war sein Motto. Er hatte für alles einen Plan. Für seine Geschäfte und auch für meine Eroberung. Und in den letzten Jahren für die Villa, die wir zusammen in ein privates Seniorenheim umgestaltet haben. Keines, in dem alte Menschen mit Pillen ruhiggestellt und Demenzkranke ans Bett gefesselt werden. Wir wollten ein würdiges Zuhause für uns Oldies schaffen, in dem mündige Bewohner sich selbst um ihre Räume kümmern, miteinander kochen und waschen, aber in Krankheitsfällen auch versorgt werden. Ihm schwebte ein Haus vor, in dem die Bewohner ihre Ideen frei äußern, Haus und Garten mitgestalten können und nicht zur Tatenlosigkeit verdammt sind. Ein Heim, das von jedem als Zuhause und nicht als letzte Station vor dem Tod empfunden wird. Ein bewundernswertes Vorhaben, bei dem ich ihn nur zu gerne unterstützt habe. Nach jahrzehntelangen Theatertourneen in kollegialer Gesellschaft war es für mich undenkbar, im Alter allein oder nur zu zweit zu leben. Igor und mich verband nicht nur unsere Liebe, sondern auch der gemeinsame Plan für die Seniorenvilla. Dass uns der Tod einen dicken Strich durch die Rechnung machen könnte, damit haben wir beide nicht gerechnet.

Die Sängerin stimmt ein Duett mit dem Popen an. Auf Russisch, versteht sich. Keine andere Sprache ist so voller Melancholie, Trauer und Wehmut. Und wer bisher noch keine Tränen vergossen hat, der tut es spätestens jetzt. Ich habe seit Igors Tod vor drei Tagen ununterbrochen geweint, kaum eine Stunde geschlafen und mit dem Schicksal gehadert. Hinzu kommt noch die Sorge, was nun aus mir und meinen Freunden wird. Wie geht es mit dem Seniorenstift weiter? Mit welchen Mitteln soll ich Igors Vermächtnis erfüllen?

»Tolle Show!«, flüstert der Fotograf eines Boulevardblatts, der mich aus Karrierezeiten kennt.

Er hält sein Objektiv direkt auf den Popen, der nun eine große weiße Kerze am Grab entzündet und anschließend das goldene Weihrauchgefäß in rhythmischen Bewegungen schwenkt. Gemäß dem Ritual wird er nach einem letzten Gebet um das Grab laufen, begleitet vom würzigen Duft des verbrennenden Harzes. Nach orthodoxem Brauch soll die Flamme während der Umrundung verlöschen, erst dann hat uns Igor verlassen.

»Geht’s schon los? Ich kann nichts sehen. Schiebt mich mal jemand an die Bühne.« Das war Rollstuhl-Rudi, unser Stuntman in Rente. Ironischerweise ist Rudi nicht durch einen missglückten Stunt im Rollstuhl gelandet, sondern verdankt seine schwerwiegende Rückradverletzung einem rasenden Ferrari. Seitdem fürchtet er sich vor »fliegenden Autos«, geht nie ohne Helm aus dem Haus und hat ein sarkastisches Verhältnis zum Sterben. Er hält Gevatter Tod für einen absoluten Stümper, der seinen Job nicht versteht. Ich bin ganz seiner Meinung, sonst hätte er Igor niemals so abrupt aus dem Leben gerissen.

Murmelnd läuft der Pope die zweite Runde um das offene Grab. Wirkungsvoll flattert sein langer schwarzer Mantel im Wind. Betörende Weihrauchwolken hüllen uns ein. Doch die Flamme der Kerze flackert nur leicht.

Der Pope erhöht das Tempo. Schneeflocken wirbeln auseinander. Die Kerze brennt weiter. Runde drei. Das Murmeln wird lauter, ungeduldiger, beinahe zornig.

Igor will nicht gehen, denke ich und einige Sekunden später, nach einem letzten Aufflackern, verlöscht die Kerze. Ein feiner, zarter Rauchfaden wirbelt...

Erscheint lt. Verlag 16.7.2014
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Comic / Humor / Manga
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Freundschaft • Geld • Humor • Kriminalität • Lebensabend • Rentner • Roman • Senioren • Unterhaltung • Witz
ISBN-10 3-8412-0764-2 / 3841207642
ISBN-13 978-3-8412-0764-7 / 9783841207647
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