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Gespräche über 50 Jahre Schreiben fürs Theater
eBook Download: EPUB
2014 | 1. Auflage
199 Seiten
Suhrkamp (Verlag)
978-3-518-73710-1 (ISBN)
Systemvoraussetzungen
19,99 inkl. MwSt
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In vier Gesprächen zeichnen Peter Handke und Thomas Oberender Handkes imposante Werkgeschichte im Theater nach, ein »in Bezug auf formelle Schönheit und brillante Reflexion« unvergleichliches Lebenswerk, wie es in der Jurybegründung zur Verleihung des International Ibsen Award 2014 an Handke heißt. Oberender fragt als profunder Kenner der Bühne, als sensibler Leser, er ist Stichwortgeber für einen anregenden Dialog über Handkes literarische Prägungen, über Entwicklungen und Kontinuitäten dieses großen Epikers des zeitgenössischen Theaters.

<p>Peter Handke wird am 6. Dezember 1942 in Griffen (K&auml;rnten) geboren. Die Familie m&uuml;tterlicherseits geh&ouml;rt zur slowenischen Minderheit in &Ouml;sterreich; der Vater, ein Deutscher, war in Folge des Zweiten Weltkriegs nach K&auml;rnten gekommen. Zwischen 1954 und 1959 besucht Handke das Gymnasium in Tanzenberg (K&auml;rnten) und das dazugeh&ouml;rige Internat. Nach dem Abitur im Jahr 1961 studiert er in Graz Jura. Im M&auml;rz 1966, Peter Handke hat sein Studium vor der letzten und abschlie&szlig;enden Pr&uuml;fung abgebrochen, erscheint sein erster Roman <em>Die Hornissen</em>. Im selben Jahr 1966 erfolgt die Inszenierung seines inzwischen legend&auml;ren Theaterst&uuml;cks <em>Publikumsbeschimpfung </em>in Frankfurt am Main in der Regie von Claus Peymann.</p> <p>Seitdem hat er mehr als drei&szlig;ig Erz&auml;hlungen und Prosawerke verfasst, erinnert sei an: <em>Die Angst des Tormanns beim Elfmeter </em>(1970), <em>Wunschloses Ungl&uuml;ck</em> (1972), <em>Der kurze Brief zum langen Abschied </em>(1972), <em>Die linksh&auml;ndige Frau </em>(1976), <em>Das Gewicht der Welt</em> (1977), <em>Langsame Heimkehr </em>(1979), <em>Die Lehre der Sainte-Victoire </em>(1980), <em>Der Chinese des Schmerzes </em>(1983),<em> Die Wiederholung </em>(1986), <em>Versuch &uuml;ber die M&uuml;digkeit</em> (1989), <em>Versuch &uuml;ber die Jukebox</em> (1990), <em>Versuch &uuml;ber den gegl&uuml;ckten Tag</em> (1991), <em>Mein Jahr in der Niemandsbucht </em>(1994), <em>Der Bildverlust </em>(2002), <em>Die Morawische Nacht</em> (2008), <em>Der Gro&szlig;e Fall</em> (2011), <em>Versuch &uuml;ber den Stillen Ort</em> (2012), <em>Versuch &uuml;ber den Pilznarren</em> (2013). </p> <p>Auf die <em>Publikumsbeschimpfung </em>1966 folgt 1968, ebenfalls in Frankfurt am Main uraufgef&uuml;hrt, <em>Kaspar. V</em>on hier spannt sich der Bogen weiter &uuml;ber <em>Der Ritt &uuml;ber den Bodensee </em>1971), <em>Die Unvern&uuml;nftigen sterben aus </em>(1974), <em>&Uuml;ber die D&ouml;rfer</em> (1981), <em>Das</em> <em>Spiel vom Fragen oder Die Reise zum sonoren Land </em>(1990), <em>Die Stunde da wir nichts voneinander wu&szlig;ten</em> (1992), &uuml;ber den <em>Untertagblues </em>(2004) und <em>Bis da&szlig; der Tag euch scheidet </em>(2009) &uuml;ber das dramatische Epos <em>Immer noch Sturm</em> (2011) bis zum Sommerdialog <em>Die sch&ouml;nen Tage von</em> <em>Aranjuez </em>(2012) zu <em>Die Unschuldigen, ich und die Unbekannte am Rand der Landstra&szlig;e</em> (...

Vorwort


Im Grunde haben wir nur im Garten gesessen und über das Theater geredet. Die ersten beiden Gespräche fanden im September 2012 statt, auf der Terrasse hinterm Haus von Peter Handkes Verlegerin Ulla Unseld-Berkéwicz. Für die anderen beiden trafen wir uns ein Vierteljahr später in Handkes Wohnort Chaville bei Paris. Wobei es tatsächlich eine Rolle spielt, daß wir im Garten saßen. Es entstand eine besondere Form der Begegnung – am Gartentisch wirkt ein Gespräch nicht so vorsätzlich geführt, die Abschweifung lag in der Luft.

Ich erinnere mich, daß Peter Handke, als wir uns in Berlin trafen, gerade von einem Morgenspaziergang durch die Rehwiesen unweit des Hauses zurückkehrte. In der Hand hielt er einen Strauch Sauerampfer. Und so, wie alles etwas sagt oder zu sprechen beginnt, wenn man es lange genug anschaut, erscheinen mir die Umstände unserer Gespräche rückblickend eben auch erwähnenswert. Für uns beide hatte der Beschluß, über ein halbes Jahrhundert seiner Theaterarbeit zu sprechen, etwas Einschüchterndes: Wie soll das gehen? Zuviel Zeit, zu viele Etappen, Personen, Texte und Interviews, Preise und Krisen. Ich hatte für unsere Begegnungen vorab keine Fragen vorbereitet, sondern hielt mich an einzelne Beobachtungen und versuchte die Themen erst im Gespräch zu finden. Um einen Eindruck von Handkes Sprache, deren Rhythmus und Klang zu vermitteln, hatten wir uns darüber verständigt, daß ich immer wieder aus seinen Stücken zitieren sollte.

Zu Herbert Gamper hatte Peter Handke Ende der 1980er Jahre gesagt, daß sein Ausgangspunkt beim Schreiben nie eine Geschichte oder ein Ereignis, ein Vorfall sei, sondern immer ein Ort. Tatsächlich beruhen viele seiner Stücke auf irgendeinem Platz in der Welt – Stücke wie Über die Dörfer, Spuren der Verirrten, Immer noch Sturm, Bis daß der Tag euch scheidet oder Eine Frage des Lichts oder Die schönen Tage von Aranjuez. Die frühen Stücke hatten immer das Theater selbst als Ort. Genauso erstaunte mich, wie lange es dauerte, bis der bereits erfolgreiche Dramatiker Handke zum ersten Mal Figuren auftreten ließ, also Schauspieler, die eine Rolle spielen – wobei Peter Handke die Rolle des Dramatikers nie angenommen hat, er, der stets betont, dem Theater ein »Fremder« zu sein. Im gleichen Gespräch bekennt Handke, daß er als Epiker alle Tricks des Erzählens kennt und sie natürlich auch meidet, genauso wie er gerne vermeidet, romantypische Geschichten zu erzählen. Wenn das so ist, wie konnte er dann Stücke schreiben? Dramen ohne Tricks, ohne dramatische Entwicklung und Handlung? In seinen Radiobeiträgen für das Landesstudio Steiermark des ORF hatte er bereits in seiner Studentenzeit das moderne Theater als Ausbruchversuch aus diesem Konzept des Dramas, der Belehrung und Geschichte am Beispiel der Stücke von Pirandello und Brecht analysiert. Aber was kommt dann?

Mich interessierte seine Eigenart, den Schauspielern paradoxe Spielhaltungen mit auf den Weg zu geben, und überhaupt die merkwürdige Weise, wie er sich als Autor bis heute auf die Bühne schleicht, die Epik ins Dialogische oder Monologische gleiten läßt und eine sehr eigene Situation der Schwelle und des Übergangs schafft. Mir fielen die Motive und Konstellationen in seinen Stücken auf, die oft mit großen zeitlichen Abständen anknüpften an früher Geschriebenes. Und diese grundsätzliche Treue der Frage gegenüber, wie es gehen kann, daß man auf der Bühne nicht »lügt«. Wie kann ein Autor einerseits zulangen, eine Position beziehen, einen kräftigen Ton anschlagen, und doch nicht naiv sein und das Theater als Theater vergessen. Dieses »schöne Problem«, nicht zu »lügen« auf der Bühne, und die vielfältigen Versuche Handkes, es als Epiker zu lösen, hatten mich beschäftigt.

Bei meiner Ankunft in Chaville im September 2012 saß Peter Handke bereits hinter dem blauen Hoftor und hatte vielleicht nicht auf mich gewartet, aber doch zumindest nichts getan, was die Ruhe stört. Er mußte meine Schritte auf dem kurzen, von Bäumen gesäumten Kiesweg, der von der Straße her zu seinem Haus führt, gehört haben. Das Hoftor war offen, er rief und kam mir beim Eintreten von seinem Platz am Holztisch entgegen. Wir setzten uns an diesen Tisch seitlich des Hauses, auf dem Herbstäpfel lagen, ein durchgeweichtes Taschenbuch und eine zerkratzte Glasscheibe, die er zurechtschneiden wollte. Er war zwei Tage mit seiner Frau Sophie Semin auf dem Land gewesen und gerade zurückgekehrt. Während er Wein und Essen aus dem Haus holte, installierte ich das Aufnahmegerät zwischen den Gartenäpfeln und dachte noch einmal an unsere früheren Begegnungen zurück.

Aufgewachsen bin ich nicht mit den Büchern von Peter Handke. Das Jahr seines literarischen Durchbruchs, 1966, war das Jahr meiner Geburt. Obgleich viele seiner Bücher auch in der DDR veröffentlicht wurden, bei einem Verlag mit dem schönen Namen Volk und Welt, kaufte ich mir das erste Buch von ihm erst nach dem Fall der Mauer in einem Antiquariat in der Düsseldorfer Bahnhofstraße. Es hieß Als das Wünschen noch geholfen hat, war eine Erstausgabe, und der Buchhändler hatte sie wie ein besonderes Gut in einer Gefriertüte ins Fenster gelegt. Diese Langgedichte brachten mich auf den Geschmack. Lange Zeit las ich angenehm zweckfrei in seinen Büchern, vor allem seine Sprechstücke hatten es mir angetan.

Es waren die Arbeiten der englischen Theatergruppe Forced Entertainment, die mich dann ein paar Jahre später wieder zu seinen Stücken zurückgebracht haben. Forced Entertainment zeigte Mitte der 1990er Jahre mit ihren Dauerperformances im Berliner Kunsthaus Podewil eine Form von Theater, die im deutschen Kontext atemberaubend intensiv und verstörend wirkte – waren das Stücke oder bloß Spiele, spielten da Schauspieler oder war das privat? In den Performances kamen klassische Theaterkategorien wie Dialog, Figur oder Handlung schlicht nicht mehr vor, sondern es entstand ein seltsames Schillern zwischen Professionalität und Intimität, Keuschheit und Prostitution. Die Aufführungen wirkten vital, unmittelbar und aufwühlend. Als ich anfing, eines dieser neuen Stücke oder eigentlich eher Spiele, die der junge Tim Etchells für und mit Forced Entertainment geschrieben hatte, zu übersetzen, fielen mir die dreisten, abstrakten und doch direkten Sprechstücke von Peter Handke wieder ein – sie waren literarische Vorläufer dieser erstaunlichen Theaterpraxis aus England und, wie so oft, als szenische Literatur Mitte, Ende der 1990er Jahre der Entwurf eines Theaters, das da erst noch kommen mußte und ja auch kam. So öffneten mir die Produktionen der Künstler meiner Generation rückwirkend die Augen für die Experimente des jungen Peter Handke und seinen Versuch, das »Glaubwürdige« auf der Bühne, nicht nur hinsichtlich der Aussagen, die dort gemacht werden, sondern auch der Form, in der dies geschieht, anders zu begründen oder herzustellen. Auch er führte dem Theater bis dahin völlig fremdes Material zu, das sich zunächst nicht mehr in Biographien und Figuren auflösen wollte, sondern die Strukturen der Sprache und des Theatermetiers selbst als Drama begriff, als Formen der Machtausübung. Tim Etchells hat in Quizoola! wie Peter Handke zunächst eher auf Sprechformate reagiert, vom Popsong bis zum Verhör, sie gemischt und auf der Bühne eine experimentelle Situation hergestellt, in der radikal zeitgenössische Kunst entstand, ein Erlebnismoment gesellschaftlicher Wahrheit und originaler Schönheit. Über diesen Umweg wurde mir der junge Peter Handke kostbar. Und zum Zeitpunkt dieser Einsicht war Handke 30 Jahre weitergewandert.

Als Leiter des Schauspielprogramms der Salzburger Festspiele wollte ich 15 Jahre später sein Stück Spuren der Verirrten uraufführen. 2005 fuhr ich zum ersten Mal nach Chaville, das Stück war inzwischen Claus Peymann versprochen. Wir sprachen bei dieser Begegnung über Beckett, und ich schickte ihm, wieder daheim, einen Essay, den ich zuvor in der »Neuen Zürcher Zeitung« veröffentlicht hatte. Der Satz »Nur der Baum lebt« aus Becketts Warten auf Godot, sei einer der traurigsten Theatersätze überhaupt, so die zentrale These des Aufsatzes. »Finden Sie wirklich?« fragte mich Peter Handke lächelnd, und schickte nach einigen Monaten den ersten Entwurf von Bis daß der Tag euch scheidet oder Eine Frage des Lichts – sein Antwortstück auf Becketts Das letzte Band. Beide Stücke wurden 2008 zunächst als szenische Lesung mit Sophie Semin und Thomas Holtzmann in Max Reinhardts Schloß Leopoldskron aufgeführt, und ein Jahr später in der Regie von Jossi Wieler mit Nina Kunzendorf und André Jung als Doppelabend mit Das letzte Band am Salzburger Landestheater. 2011 brachten wir Peter Handkes großes Traumspiel, sein Familien- und Historiendrama Immer noch Sturm auf der Perner-Insel in Hallein heraus. Er hatte auf einer Uraufführung in Österreich bestanden, und mit Dimiter Gotscheff fanden wir einen Regisseur, der wie Handke eine Phase in seiner Werkgeschichte erreicht hatte, in der seine Arbeit beinahe mühelos wirkte, lässig im sicheren Umgang mit den Formen und doch auch durchlässig für die Existenz hinter den Worten, die Geschichte, Poesie und Tragik.

Da Immer noch Sturm gemeinsam mit Goethes Faust I und II auf dem...

Erscheint lt. Verlag 30.6.2014
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Essays / Feuilleton
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Handke • handke peter • Handke, Peter • Kärntner Landesorden in Gold 2018 • Nestroy-Preis 2018 • Nobelpreis für Literatur 2019 • Peter • spectaculum • Werkgeschichte • zeitgenössisches Theater
ISBN-10 3-518-73710-4 / 3518737104
ISBN-13 978-3-518-73710-1 / 9783518737101
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