Paris (eBook)

Roman einer Stadt
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2014 | 1. Auflage
928 Seiten
Blessing (Verlag)
978-3-641-13787-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Paris -  Edward Rutherfurd
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Der Meister des Monumental-Epos entdeckt Paris neu
Fünf Familien, deren Schicksale sich mit der großen Historie dieser Stadt über Jahrhunderte verweben: Die adligen Le Cygnes sind mit den armen Le Sourds seit der Niederschlagung der Pariser Kommune in einer Rachegeschichte unheilvoll verbunden. Die Brüder Gascon, die in den Hinterhöfen von Montmartre zu Hause sind, erleben bei der Errichtung des Eiffelturms Glanz und Elend - und, was den älteren der beiden Gascons betrifft, die große Liebe. Und schließlich sind da die Blanchards, die im Napoleonischen Zeitalter im Kunsthandel ihr Glück machten, ebenso wie Kunsthändlerfamilie Jacob, die aber 1940 im Zuge der deutschen Besatzung alles zu verlieren drohen.



Edward Rutherfurd, 1948 in Salisbury geboren, studierte in Cambridge und Stanford und lebt heute in New York. Seine Romane 'Sarum' (1990), 'London' (1998), 'Der Wald der Könige' (Blessing, 2000), 'Die Prinzen von Irland' (Blessing, 2005) und sein großer New-York-Roman 'Im Rausch der Freiheit (Blessing, 2012) wurden internationale Bestseller.

Kapitel  l

1875

Paris. Stadt der Liebe. Stadt der Träume. Stadt des Glanzes.

Stadt der Heiligen und Gelehrten. Stadt der Freude.

Schmelztiegel des Lasters.

In zweitausend Jahren hatte Paris schon alles gesehen.

Als Erster hatte Julius Cäsar die Entwicklungsmöglichkeiten des Ortes erkannt, in dem der bescheidene Stamm der Parisii beheimatet war. Zu der Zeit waren die mediterranen Landstriche Südgalliens bereits seit Generationen römische Provinzen. Cäsar entschied, das Reich bis zu den Territorien der lästigen Keltenstämme Nordgalliens auszudehnen.

Die Römer hatten schnell gewusst, dass dies die richtige Stelle für eine Stadt war. Nicht nur wurden hierher die Erträge der riesigen, fruchtbaren Felder Nordgalliens gebracht; das Pariser Gebiet lag obendrein an der gut schiffbaren Seine, die wiederum weiter südlich durch Wasserwege mit der Rhône verbunden war, die als breiter Strom hinunter zu den geschäftigen Häfen des Mittelmeeres floss. In Richtung Norden mündete die Seine in die schmale Meeresstraße, hinter der die Insel Britannien lag. Durch dieses riesige Flusssystem wurden die südliche und die nördliche Welt miteinander verbunden. Bereits vor der Geburt des römischen Reiches hatten griechische und phönizische Händler die Flüsse genutzt.

Paris war auch in anderer Hinsicht ein besonderer Ort. Er lag in einem weiten, niedrigen Tal, durch das sich die Seine mit ihrer Reihe eleganter Schleifen wand. Im Zentrum des Tals weitete sich der Fluss in einer hübschen Ost-West-Biegung, und mitten im Strom lagen einige große Wattgebiete und Inseln wie Schiffe vor Anker. Am nördlichen Ufer erstreckten sich weitläufige Wiesen und Sumpfland bis zu der Hügelkette, die das Tal einschloss, und aus der ein paar kleine Hügel und Vorsprünge herausstachen, die teilweise mit Weinstöcken übersät waren.

Doch am südlichen Ufer – dem linken flussabwärts – erhob sich die Erde nahe dem Fluss sanft zu einer niedrigen, flachen Anhöhe, wie ein Tisch, von dem aus man aufs Wasser blickte. Genau hier erbauten die Römer ihre Stadt: Ein großes Forum und ein Haupttempel erstreckten sich über die Tischplatte, umgeben von einem Straßennetz und einer Nord-Süd-Straße, die mitten durch die Stadt führte, übers Wasser zur größten Insel. Diese verwandelte sich bald in eine Vorstadt mit hübschem Jupitertempel und mit einer Brücke zum nördlichen Ufer hin. Die Römer nannten diese Stadt Lutetia. Doch man kannte sie auch unter einem imposanteren Namen: Stadt der Parisii.

Im finstersten Frühmittelalter, nachdem das Römische Reich zerfallen war, eroberte der germanische Frankenstamm die Gebiete im Land der Franken, das man nun auch einfach Frankreich nannte. Zwar fielen Hunnen und Wikinger in die fruchtbaren Ländereien ein, doch mit ihrem Bollwerk aus Holz überlebte die Insel im Fluss wie ein abgetakeltes altes Schiff. Im Verlauf des Mittelalters entwickelte Lutetia oder Paris sich zu einer prächtigen Stadt. Das Labyrinth aus gotischen Kirchen, hohen Holzhäusern, gefährlichen Gassen und stinkenden Kellern erstreckte sich über beide Seine-Ufer, umgeben von einem steinernen Wall. 1345 wurde Notre-Dame vollendet und schmückte als stattliche Kathedrale die Insel. Die Pariser Universität wurde in ganz Europa geschätzt. Dann fielen die Engländer in Frankreich ein. Und Paris könnte heute noch zu England gehören, wenn nicht Jeanne d’Arc, die sagenumwobene Jungfrau von Orléans, erschienen wäre, um die Besatzer aus den Burgen südlich der Loire zu vertreiben.

Das alte Paris war eine Stadt der bunten Farben und engen Gassen, des Karnevals und der Pest.

Und dann gab es da noch das neue Paris.

Die Veränderung kam schleichend. Seit der Renaissance tauchten leichtere, klassischere Formen im dunklen, mittelalterlichen Durcheinander der Stadt auf. Königliche Paläste und weiträumige Plätze brachten neuen Glanz. Breite Boulevards bahnten sich ihren Weg durch das verrottende alte Häusermeer. Ehrgeizige Herrscher erschufen Panoramen, die dem antiken Rom in nichts nachstanden.

Paris putzte sich für den Prunk unter Ludwig XIV. und die Eleganz unter Ludwig XV. heraus. Im Zeitalter der Aufklärung und während der neuen Republik nach der Französischen Revolution kam klassische Schlichtheit in Mode, die Ära Napoleons dagegen brachte kaiserliche Erhabenheit.

In den folgenden Jahrzehnten trieb ein neuer Städteplaner große Veränderungen voran: Baron Haussmann schuf ein breites Netz von Boulevards und schnurgeraden Straßen, die von eleganten Bürogebäuden und Wohnblöcken gesäumt wurden. In manchen Pariser Vierteln blieb von dem mittelalterlichen Gewirr der Gassen kaum noch eine Spur.

Doch das alte Paris war noch immer da, lauerte hinter mancher Ecke, voller Erinnerungen an vergangene Jahrhunderte. Erinnerungen, so eindringlich wie eine alte, halb vergessene Melodie, die in jedem Zeitalter, in jeder Tonlage, ob auf einer Harfe oder auf einem Leierkasten, doch immer dieselbe war. Dies war ihre unvergängliche Anmut.

Hatte die Stadt nun ihren Frieden gefunden? Sie hatte gelitten und überlebt, hatte Königreiche entstehen und vergehen sehen. Chaos und Diktatur, Monarchie und Republik: Paris hatte alles ausprobiert. Was ihr am besten gefallen hatte? Gute Frage … Trotz ihres Alters und ihrer Anmut schien sie es nicht zu wissen.

1871 durchlitt Paris eine besonders schreckliche Krise: Die Einwohner mussten Ratten essen. Erst kam der Hunger, dann die Scham. Und schließlich fielen die Bewohner von Paris übereinander her.

Vier Jahre später, 1875, schien sich die Stadt erholt zu haben. Doch noch immer gab es viele dringliche Angelegenheiten, die einer Lösung bedurften. Es war noch nicht lange her, dass man die Echos der Erschießungskommandos vernommen, dass man die Leichen vergraben und dass der Wind den Geruch des Todes verweht hatte.

Der kleine Junge war gerade einmal vier Jahre alt. Ein Kind mit blonden Haaren und blauen Augen. Einige Dinge wusste er bereits. Andere noch nicht. Und dann waren da noch die Geheimnisse.

Pater Xavier betrachtete ihn. Wie sehr er seiner Mutter glich. Pater Xavier war Priester, doch er war verliebt in eine Frau, die Mutter dieses Kindes. Zwar gestand er sich selbst seine Leidenschaft ein, aber seine Selbstbeherrschung war vollkommen. Niemand hätte ihm seine Gefühle angesehen. Und was den kleinen Jungen betraf: Gott hatte sicher einen Plan für ihn vorgesehen.

Vielleicht war er dazu bestimmt, geopfert zu werden.

Es war ein sonniger Tag im beliebten Jardin des Tuileries vor dem Louvre, wo Kindermädchen ihren Zöglingen beim Spielen zusahen und Pater Xavier mit ihm einen Spaziergang machte. Pater Xavier: Beichtvater der Familie, Freund in der Not, Priester.

»Wie lauten deine Namen?«

»Roland, d’Artagnan, Dieudonné de Cygne.« Er kannte alle auswendig.

»Bravo, junger Mann.« Pater Xavier Parle-Doux war ein kleiner, drahtiger Mann in den Vierzigern. Vor langer Zeit war er einmal Soldat gewesen. Seit einem Sturz vom Pferd litt er fortwährend an stechenden Schmerzen im Rücken – nur eine Handvoll Menschen wusste davon.

Doch seine Zeit als Soldat hatte noch andere Spuren hinterlassen. Er hatte seine Pflicht getan und das Töten miterlebt. Und noch Schlimmeres. Am Ende hatte er gedacht, es müsse etwas Besseres geben, etwas Heiliges, eine nicht zu löschende Flamme des Lichts und der Liebe in der furchtbaren Finsternis dieser Welt. Er hatte sie im Herzen der Heiligen Kirche gefunden.

Außerdem war er Monarchist.

Er kannte die Familie des Jungen schon ein Leben lang und blickte voller Zuneigung, aber auch voller Mitleid auf Roland hinunter. Der Junge hatte weder Brüder noch Schwestern. Seine Mutter, diese wundervolle Seele, die der Pater selbst gern zur Frau genommen hätte, wäre er nicht einer anderen Berufung gefolgt, war von schwacher Gesundheit. Vielleicht würde die Zukunft der Familie allein auf Rolands Schultern ruhen: eine schwere Last für einen kleinen Jungen.

Doch als Priester musste er die Gesamtsituation betrachten. Wie sagten die Jesuiten noch? »Gebt uns einen Jungen bis zum siebten Jahr, und er wird uns ein Leben lang angehören.« Was auch immer Gott mit diesem Kind vorhatte, ganz gleich, ob er dabei glücklich wurde oder nicht, Pater Xavier würde ihn auf den Weg seiner Vorsehung lenken.

»Und wer war Roland?«

»Roland war ein Held.« Der kleine Junge blickte auf, um zu sehen, ob er richtiglag. »Mutter hat mir die Geschichte vorgelesen. Er war mein Vorfahr«, fügte er ehrfürchtig hinzu.

Der Priester lächelte. Das berühmte Rolandslied war eine packende, achthundert Jahre alte, romantische Sage darüber, wie ein Freund Karls des Großen beim Weg über die Berge von den Truppen getrennt wurde. Wie er auf seinem Horn vergebens um Hilfe blies. Wie die Sarazenen ihn abschlachteten und der Kaiser um den verlorenen Freund weinte. Der Anspruch auf Verwandtschaft der Familie de Cygne mit Roland war zwar etwas abenteuerlich, aber durchaus...

Erscheint lt. Verlag 27.10.2014
Übersetzer Dietlind Falk, Lisa Kögeböhn
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel Paris
Themenwelt Literatur Historische Romane
Schlagworte Bartholomäusnacht • eBooks • Eiffelturm • Familiensaga • Frankreich • Historische Romane • Historischer Roman • Liebesgeschichten • Okkupation Frankreichs • Paris • Paris, Historischer Roman, Eiffelturm, Bartholomäusnacht, Okkupation Frankreichs, Liebesgeschichten
ISBN-10 3-641-13787-X / 364113787X
ISBN-13 978-3-641-13787-8 / 9783641137878
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