Die Unbekannte (eBook)

Thriller
eBook Download: EPUB
2014 | 1. Auflage
320 Seiten
Blanvalet (Verlag)
978-3-641-12463-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Unbekannte -  Peter Swanson
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Sie zu lieben ist ein tödlicher Fehler
George Foss hatte nicht gedacht, dass er sie jemals wiedersehen würde, bis er Liana eines Nachts in seiner Lieblingsbar in Boston erblickt. Er weiß nur zu gut, dass er sich von ihr fernhalten sollte, doch seit zwanzig Jahren kann er diese Frau nicht vergessen. Und nun ist sie zurückgekommen, um George um einen Gefallen zu bitten, der ihn in große Gefahr bringen wird. Trotzdem willigt er ein, ihr zu helfen, denn Liana ist die Einzige, die er jemals wirklich geliebt hat. Drei Menschen werden sterben, ein Vermögen in Diamanten wird verschwinden, und es ist kaum vorstellbar, dass George all das überleben könnte ...
Zwanzig Jahre lang hat er auf sie gewartet. Jetzt wünscht er sich, er wäre ihr nie begegnet.

Peter Swanson studierte am Trinity College, der University of Massachusetts in Amherst und am Emerson College in Boston und hat Abschlüsse in kreativem Schreiben, Pädagogik und Literatur. Er veröffentlichte Kurzgeschichten und Gedichte in zahlreichen namhaften Magazinen wie The Atlantic. Mit seinem Thriller »Die Gerechte« gelang ihm ein internationaler Bestseller. Der Roman wurde von der Presse begeistert besprochen und für einen Ian Fleming Steel Dagger Award nominiert. Zudem schrieb Swanson weitere spannende Thriller, zuletzt »Angst sollst du haben«. Er lebt mit seiner Ehefrau in Somerville, Massachusetts.

1

Um fünf nach fünf an einem Freitagnachmittag ging George Foss in der klebrigen Schwüle einer Bostoner Hitzeglocke direkt von seinem Büro zu Jack Crow’s Tavern. Er hatte die letzten drei Arbeitsstunden damit verbracht, die Neuformulierung des Vertrags mit einem Illustrator peinlich genau Korrektur zu lesen und anschließend dumpf in den dunstig blauen Himmel über der Stadt hinausgestarrt. Er verabscheute den Spätsommer wie andere Bewohner Bostons die langen Winter in Neuengland. Die erschlafften Bäume, die sich gelb färbenden Parks und die langen feuchtwarmen Abende weckten in ihm die Sehnsucht nach dem Herbstwetter mit seiner frischen Luft, in der einem nicht die Kleidung auf der Haut klebte und man sich schlapp und müde fühlte.

Er ging das halbe Dutzend Blocks zu Jack Crow’s betont langsam und hoffte, sein Hemd möglichst wenig zu verschwitzen. Autos ruckelten durch die schmalen Straßen von Back Bay, ihre Fahrer versuchten, dem Gestank der City zu entkommen. Die meisten Einwohner dieses speziellen Viertels planten ihre ersten Drinks des Abends vermutlich in Bars in Wellfleet, Edgartown und Kennebunkport oder an einem anderen Ort am Meer, der in einer einigermaßen akzeptablen Fahrzeit erreichbar war. George gab sich damit zufrieden, ins Jack Crow’s zu gehen, wo die Drinks durchschnittlich waren, aber ein im Exil lebender Frankokanadier dafür sorgte, dass die Klimaanlage gewöhnlich für Kühlhaustemperatur sorgte.

Und er freute sich darauf, Irene wiederzusehen. Es war zwei Wochen her, seit sie sich auf der Cocktailparty eines gemeinsamen Freundes zuletzt getroffen hatten. Sie hatten sich kaum miteinander unterhalten, und als George zuerst gegangen war, hatte sie ihm einen gespielt zornigen Blick zugeworfen. Der Blick hatte George zu der Überlegung geführt, ob ihre lose Beziehung bei einer ihrer regelmäßig wiederkehrenden Krisen angekommen sei. Er kannte sie seit fünfzehn Jahren, hatte sie bei der Zeitschrift kennengelernt, bei der er immer noch tätig war. Sie hatte als Redakteurin dort gearbeitet, er selbst in der Debitorenbuchhaltung. Buchhalter bei einer bekannten Literaturzeitschrift war ihm als der perfekte Job für einen Menschen mit literarischen Neigungen, aber ohne literarisches Talent erschienen. Inzwischen war George Geschäftsführer dieses sinkenden Schiffs, während sich Irene in der ständig expandierenden Online-Redaktion des Boston Globe hochgearbeitet hatte.

Zwei Jahre lang waren sie das perfekte Paar gewesen. Doch diesen zwei Jahren waren dreizehn Jahre immer seltenerer Besuche, gegenseitiger Beschuldigungen, gelegentlicher Untreue und beständig sinkender Erwartungen gefolgt. Und während sie die Vorstellung, ein normales Paar mit einer normalen Zukunft zu sein, längst aufgegeben hatten, gingen sie immer noch beide in ihre gemeinsame Lieblingsbar, erzählten sich alles, schliefen gelegentlich miteinander und waren entgegen aller Wahrscheinlichkeit die besten Freunde geworden. Trotzdem ergab sich in regelmäßigen Abständen die Notwendigkeit, ihren Status zu klären, ein Gespräch zu führen. Und George hatte das Gefühl, an diesem Abend nicht in der Verfassung dafür zu sein. Es hatte nichts mit Irene zu tun; in mancher Weise hatten sich seine Empfindungen für sie seit rund einem Jahrzehnt nicht verändert. Es hatte mehr mit seinem allgemeinen Lebensgefühl zu tun. Da er auf die vierzig zuging, kam es George vor, als wäre nach und nach alle Farbe aus seinem Leben gewichen. Er war bereits über das Alter hinaus, in dem er vernünftigerweise noch darauf hoffen konnte, sich rasend zu verlieben und eine Familie zu gründen, die Welt im Sturm zu erobern oder irgendeine Überraschung zu erleben, die ihn aus seiner Alltagsexistenz riss. Er hätte diese Gefühle niemals laut geäußert – immerhin hatte er eine sichere Anstellung, lebte in der schönen Stadt Boston, und sein Haar war noch voll –, doch er verbrachte die meisten Tage in einem Nebel der Interesselosigkeit. Und auch wenn er noch nicht gerade vor Bestattungsunternehmen stehen blieb, hatte er sehr wohl den Eindruck, als habe er sich seit Jahren auf nichts mehr gefreut. Er hatte kein Interesse an neuen Freunden oder Beziehungen. In der Arbeit waren die Gehaltsschecks größer geworden, aber die Begeisterung für den Job hatte nachgelassen. In früheren Jahren war er bei jeder neuen Monatsausgabe stolz auf die erbrachte Leistung gewesen. Heute las er kaum noch je einen Artikel.

Kurz bevor er die Kneipe erreichte, fragte sich George, in welcher Stimmung Irene heute sein würde. Sicher würde er etwas über den geschiedenen Redakteur hören, der sie in diesem Sommer mehrmals gebeten hatte, mit ihm auszugehen. Was, wenn sie zustimmte, und was, wenn die Sache ernst wurde und George endgültig den Laufpass erhielt? Er versuchte, eine Gefühlsregung aufzubieten, aber stattdessen fragte er sich, was er mit der ganzen freien Zeit anfangen würde. Wie würde er sie füllen? Und mit wem würde er sie füllen?

George stieß die Milchglastür zu Jack Crow’s auf und stapfte direkt zu seinem üblichen Tisch. Später wurde ihm bewusst, dass er direkt an Liana Decter vorbeigegangen sein musste, die an der Ecke der Theke saß. An einem anderen Abend, an einem kühleren oder einem, an dem ihn sein Los in dieser Welt weniger bedrückte, hätte er vielleicht den Blick über die nicht sehr zahlreichen Gäste in seiner Stammkneipe an einem Freitagabend schweifen lassen. Es hatte vielleicht sogar eine Zeit gegeben, da George beim Anblick einer einsamen kurvenreichen Frau mit Haut so blass wie Milch zusammengezuckt wäre, weil die Möglichkeit bestand, dass es Liana war. Er hatte zwanzig Jahre lang davon geträumt, sie wiederzusehen, und sich zugleich davor gefürchtet. Er hatte Variationen von ihr überall auf der Welt entdeckt: ihr Haar bei einer Stewardess, ihren üppigen Körper an einem Strand am Kap, ihre Stimme in einer nächtlichen Jazzsendung. Er war sogar ein halbes Jahr lang überzeugt gewesen, sie sei zu einer Pornodarstellerin namens Jean Harlot geworden, und er war so weit gegangen, die wahre Identität der Schauspielerin zu ermitteln, die sich als die Tochter eines Geistlichen aus North Dakota herausstellte und Carli Swenson hieß.

George ließ sich an seinem Tisch nieder, bestellte bei Trudy, der Kellnerin, einen Old Fashioned und zog die aktuelle Ausgabe des Globe aus seiner abgenutzten Botentasche. Er hatte sich das Kreuzworträtsel für genau diese Gelegenheit aufgehoben. Irene würde erst um sechs kommen. Er nippte an seinem Cocktail und löste das Rätsel, worauf er widerstrebend zu Sudoku und sogar zu Wortsalat überging, ehe er Irenes vertraute Schritte hinter sich hörte.

»Bitte lass uns tauschen«, sagte sie zur Begrüßung und meinte ihre Plätze. Im Jack Crow‘s gab es, selten genug für eine Bar in Boston, nur einen Fernseher, und Irene, die ein weitaus größerer Red-Sox-Fan war als George, wollte die bessere Sicht darauf haben.

George rutschte aus der Bank, küsste Irene seitlich auf den Mund – sie roch nach Clinique und Pfefferminzbonbons – und setzte sich auf die andere Seite mit Blick zu der Bar aus Eichenholz und den raumhohen Fenstern. Draußen war es noch hell, ein rosafarbener Rest Sonnenscheibe verschwand gerade hinter den Backsteinhäusern auf der anderen Straßenseite. Der Lichteinfall ließ George plötzlich die Frau bemerken, die allein an der Ecke der Bar saß. Sie trank ein Glas Rotwein und las in einem Taschenbuch, und ein Kribbeln in Georges Magen verriet ihm, dass sie aussah wie Liana. Genau wie Liana. Doch dieses Kribbeln hatte er schon viele Male zuvor erlebt.

Er wandte sich Irene zu, die sich zu der Tafel hinter der Bar umgedreht hatte, wo die Tagesangebote und wechselnden Biere angeschrieben waren. Wie immer machte ihr die Hitze nichts aus, sie hatte das kurze blonde Haar aus der Stirn gestrichen und hinter die Ohren gesteckt. Das Gestell ihrer Katzenaugenbrille war rosa. War es das immer schon gewesen?

Nachdem sie ein Allagash White bestellt hatte, brachte Irene George auf den neuesten Stand in der Fortsetzungsgeschichte von dem geschiedenen Redakteur. George war erleichtert, dass Irene im Plauderton begann und nicht streitlustig klang. Geschichten über den Redakteur tendierten in Richtung humorvolle Anekdote, auch wenn George ein kritischer Unterton nicht entging. Dieser Redakteur mochte pausbäckig sein, einen Pferdeschwanz tragen und leidenschaftlich gern sein eigenes Bier brauen, aber wenigstens bot er eine reale Zukunftsperspektive, die aus etwas mehr als Cocktails, Lachen und höchst seltenem Sex bestand, wie George sie inzwischen bot.

Er hörte zu und nippte an seinem Drink, behielt aber die Frau an der Bar im Blick. Er wartete auf eine Geste, auf irgendeine Kleinigkeit, die ihn von der Vorstellung befreite, er habe tatsächlich Liana Decter vor sich und nicht eine Doppelgängerin oder würde einer Einbildung erliegen. Wenn es Liana war, hatte sie sich verändert. Nicht auf eine Weise, die sofort ins Auge sprang – wie dass sie fünfzig Kilo zugenommen oder sich das Haar abgeschnitten hätte –, aber sie sah auf eine gute Art anders aus, als wäre sie endlich zu der seltenen Schönheit herangereift, die ihre Gesichtszüge immer versprochen hatten. Sie hatte den Babyspeck verloren, den sie im College noch besaß, ihre Gesichtsknochen traten stärker hervor, das Haar war ein dunkleres Blond, als es George in Erinnerung hatte. Je länger George hinsah, desto überzeugter wurde er.

»Du weißt ja, dass ich nicht zur Eifersucht neige«, sagte Irene, »aber zu wem schaust du eigentlich die ganze Zeit?« Sie reckte den Hals in Richtung des Barbereichs, der sich rapide füllte.

»Jemand, mit dem ich auf dem College...

Erscheint lt. Verlag 28.7.2014
Übersetzer Fred Kinzel
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel The Girl With A Clock For A Heart
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror
Schlagworte Boston • Diamanten • eBooks • femmefatale • Gefallen • Liaison • Liebe • Roman • Spannung • Thriller • Vermögen • Verschwinden
ISBN-10 3-641-12463-8 / 3641124638
ISBN-13 978-3-641-12463-2 / 9783641124632
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