An einem Tag im November (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2014 | 1. Auflage
512 Seiten
Diana Verlag
978-3-641-12411-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

An einem Tag im November -  Petra Hammesfahr
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Es kann nebenan passieren. Der Täter kann ein Freund sein. Es kann jederzeit Realität werden.
An einem Nachmittag im November verschwindet die fünfjährige Emilie Brenner. Spurlos, denn obwohl die Nachbarn sie noch mit ihrem neuen Fahrrad sahen, scheint sie wenig später wie vom Erdboden verschluckt. Ein Albtraum für die Eltern, die eine Vermisstenanzeige allerdings viel zu spät aufgeben, und auch für Kommissar Klinkhammer, der aus bitterer Erfahrung weiß, dass bei verschwundenen Kindern jede Minute zählt. Noch ahnt er nicht, dass seit Monaten in der Nachbarschaft Dinge geschehen, die an jenem Tag im November unweigerlich zur Katastrophe führen.

Die Meisterin der psychologischen Spannung erzählt von den seelischen Abgründen, die in jedem von uns unvermittelt aufbrechen können.



Petra Hammesfahr wurde mit ihrem Longseller »Der stille Herr Genardy« einem großen Lesepublikum bekannt. Seitdem erobern ihre Spannungsromane die Bestsellerlisten, sie wurden mit Preisen ausgezeichnet und verfilmt. So ist die erfolgreiche Netflix-Serie »The Sinner« mit Bill Pullman in der Hauptrolle auf der Grundlage von »Die Sünderin« entstanden.

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Verflechtungen

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Der Auftakt – zehn Monate zuvor

Das Drama, das Holger und Elke Notkötter im November ihre Selbstachtung kostete, begann für Arno Klinkhammer rückblickend betrachtet im Januar desselben Jahres mit Benny Küppers Jacke. Zu dem Zeitpunkt war Klinkhammer noch als Leiter Ermittlungsdienst in Bergheim zuständig für die Aufklärung kleinerer Straftaten im nördlichen Rhein-Erft-Kreis.

Klinkhammer war ein fähiger Mann, hatte bei zwei großen Fällen in den letzten Jahren der Kripo Köln und dem BKA gezeigt, dass in der Provinz keine Luschen saßen. Beim BKA hatte er seitdem einen Freund, der ihm zu einigen Förderkursen verholfen hatte – wie die Freundin seiner Frau das auszudrücken pflegte –, zu denen einer wie er sonst nie und nimmer Zugang bekommen hätte.

Für viele Kollegen, speziell bei der Kreispolizeibehörde Hürth, wo auch der Kriminaldauerdienst und der Erkennungsdienst, von Laien meist Spurensicherung genannt, untergebracht waren, war Klinkhammer seitdem so eine Art graue Eminenz. Egal mit welchen Ermittlungen man nicht recht weiterkam, man fragte ihn in der Hoffnung, dass er neue Ansatzpunkte bieten könne.

Klinkhammer hätte Karriere machen können, schlug jedoch beharrlich jede Aufstiegschance, die ihm geboten wurde, aus. Mit seinen fünfzig Jahren fühlte er sich wohl auf dem Posten in Bergheim, stand den Kollegen aber jederzeit gerne mit dem Wissen zur Verfügung, das er sich in den Weiterbildungsseminaren und Schulungen auf Kosten des BKA hatte aneignen dürfen.

Er war – gelinde gesagt – ein bisschen eigenwillig, aber auch nach einunddreißig Dienstjahren noch mit Leib und Seele Polizist. In jungen Jahren hatte er mit großen Idealen bei der Schutzpolizei begonnen, jedoch bald eingesehen, dass er als Freund und Helfer in Uniform nicht viel bewirken konnte. Sonderlich viel bewirken konnte er als Kriminalbeamter zwar auch nicht. Aber er wurde wenigstens nicht mehr tagtäglich und so unmittelbar mit dem stets gleichen Elend und Einerlei konfrontiert. Besoffene Autofahrer, häusliche Gewalt, Schlägereien unter Jugendlichen.

Früher waren es jedenfalls noch Schlägereien gewesen, bei denen eine Gruppe gegen eine andere Gruppe antrat und sich alle blutige Nasen holten. Dass eine Meute hirnloser Brutalos grundlos auf einen Einzelnen eindrosch, bis der sich nicht mehr rührte, wie es heutzutage üblich zu sein schien, oder dass jemand blindwütig zusammengeschlagen wurde, nur um ihm ein paar Euro oder das Handy abzunehmen, das hatte es früher nicht gegeben, meinte Klinkhammer. Und in dem Punkt stimmte sein Kollege Oskar Berrenrath mit ihm überein.

Berrenrath war nur einige Monate älter als Klinkhammer, trug als Bezirksdienstbeamter in Bergheim aber Uniform. Als Ansprechpartner für alle Bürger lag sein Schwerpunkt in der Jugendarbeit, womit Klinkhammer nur zu tun hatte, wenn es schon zu spät und ein Jugendlicher Täter oder Opfer geworden war. Berrenrath bemühte sich um Vorbeugung, tauschte sich regelmäßig mit Sozialarbeitern aus, kontaktierte Schulen, damit Schüler und Lehrer wussten, an wen sie sich im Notfall vertrauensvoll wenden konnten. Seine Handynummer hing an den Schwarzen Brettern. Auf diese Weise hoffte man an höherer Stelle, die Gewaltbereitschaft unter Jugendlichen, speziell die Gewalt an Schulen, unter Großstadtniveau zu halten.

Leider waren Berrenraths Bemühungen nicht von durchschlagendem Erfolg gekrönt. Kinder, die von Mitschülern verprügelt, eingeschüchtert und erpresst wurden, machten schnell die Erfahrung, dass die Täter (und Täterinnen) keine nennenswerten Konsequenzen zu fürchten hatten und beim nächsten Mal noch brutaler vorgingen, weil man sie verpfiffen hatte.

Was konnten Polizisten denn unternehmen? Alles, was unter vierzehn war, galt als nicht strafmündig. Es gab Ermahnungen, und damit hatte es sich. Ab vierzehn sah es nicht viel anders aus. Es musste schon knüppeldick kommen, im wahrsten Sinne des Wortes, ehe sich ein Jugendrichter auf den Cicero-Spruch »Wehret den Anfängen« besann.

Benny Küpper war vierzehn Jahre alt und besuchte die 9b der Freiherr-vom-Stein-Hauptschule in Herten. Sein Vater hatte die Familie vor Jahren verlassen, war abgetaucht und zahlte keinen Unterhalt. Seine Mutter arbeitete in einem Billigmöbelhaus im Hertener Gewerbegebiet. Mit ihrem Lohn kamen sie über die Runden, große Sprünge waren nicht drin.

Aber Benny war einer von den Tüchtigen. Seine Leistungen in der Schule konnten sich sehen lassen. Sein Taschengeld verdiente er selbst, trug Werbeprospekte aus, um sich besondere Wünsche zu erfüllen. Fast ein Jahr lang hatte er auf eine Winterjacke eines angesagten Labels gespart und zu Weihnachten endlich genug Geld beisammengehabt, um sich selbst mit dem begehrten Kleidungsstück zu beschenken. Lange währte seine Freude daran leider nicht.

Am sechsten Januar kam der Junge, der nicht zu den Kräftigsten seines Jahrgangs zählte, von seiner Tour als Prospektausträger zurück und wurde bei den Müllcontainern von drei Mädchen abgefangen.

Die Älteste im »Trio Infernale«, wie Klinkhammer und Berrenrath die drei später nannten, war Jessie Breuer. Sie war ebenfalls vierzehn und besuchte dieselbe Klasse wie Benny, lag im Notendurchschnitt allerdings weit unter ihm. Dafür brachte sie entschieden mehr Gewicht auf die Waage, weil sie sich hauptsächlich von Fast Food und Süßigkeiten ernährte.

Wie Benny war Jessie ein Einzelkind, ihre Eltern lebten von Hartz IV. Ihr Vater verdiente mit Trickdiebstahl und Hehlerei etwas dazu. Ihre Mutter verbrachte den größten Teil des Tages vor dem Fernseher. Jessie stromerte in ihrer Freizeit durch die Konsumtempel in Herten oder Bergheim und steckte ein, was immer ihr gefiel. Sie hatte einige Tricks auf Lager – beim Vater abgeguckt –, um elektronische Diebstahlsicherungen und Schleusen zu überlisten. Trotzdem wurde sie gelegentlich erwischt. Jessie Breuer war somit polizeibekannt, was im Januar bei den zwei anderen Mädchen noch nicht der Fall war.

Es handelte sich um die Cousinen Tatjana Kalwinov, kurz Jana, und Irina Jedwenko. Beide besuchten ebenfalls die Freiherr-vom-Stein-Hauptschule. Jana war zwölf, Irina dreizehn, sie gab den Ton an, aufgrund von sprachlichen und anderen Defiziten ging sie jedoch wie Jana in die 7a.

Im Jahr zuvor war die Großfamilie Jedwenko/Kalwinov aus dem Übergangslager Friedland in das Hochhaus am Nordring eingezogen, in dem Benny Küpper mit seiner Mutter lebte. Zu dem Clan gehörten zwei ältere Ehepaare, mehrere alleinstehende ältere Personen, die beiden Mädchen und fünf junge Männer zwischen zwanzig und dreißig. Drei von ihnen hatten bereits Familien gegründet und somit Anspruch auf eigene Wohnungen. Deshalb bewohnte die gesamte Sippe zwei komplette Etagen.

Sie stammte aus Kasachstan. Und dort lernte man ziemlich früh Kickboxen, wie Oskar Berrenrath sich am sechsten Januar belehren lassen musste. Weil es in Kasachstan angeblich zu nichts führte, die Polizei um Hilfe zu bitten. Dort musste man sich selbst helfen, was bedeutete, man musste ordentlich draufhauen und treten können. An dieser Schutzmaßnahme hielten Irina und Jana fest, auch wenn sie gar nicht bedroht wurden.

Kaum hatten die beiden Mädchen sich am Nordring eingelebt, gingen sie zunächst in der kleinen Ladenzeile gegenüber dem Hochhaus auf Beutezug. Jüngeren Kindern wurde das Geld abgenommen, mit dem sie losgeschickt worden waren, um noch rasch eine Besorgung zu machen. Dabei wurden die Kleinen derart eingeschüchtert, dass sie spätestens nach dem zweiten Übergriff daheim erklärten, das Geld verloren zu haben. Lieber Schimpfe von Mama oder Papa, als feststellen müssen, wie weh es tat, wenn Irina und Jana ihren Forderungen Nachdruck verliehen.

Aber was bekam man schon für die paar Euro, die man auf die Weise erbeutete? Große Wünsche ließen sich damit nicht erfüllen, die hatten sie natürlich auch. Und dann beobachtete Irina Mitte Dezember, wie Jessie Breuer sich bei Saturn mit einem Smartphone, einigen CDs und DVDs eindeckte und im Vorweihnachtstrubel ungehindert mit ihrer Beute den Laden verließ. Irina und Jana folgten dem dicken Mädchen und nahmen Jessie in ihre Mitte, um ihr in bewährter Manier die Sachen abzunehmen. Doch bevor sie angriff, überlegte Irina es sich anders. Jessies Tricks hatten nützliche Vorteile. Und die Hand, die einen füttern konnte, biss man nicht. Das Trio Infernale war geboren.

Jessie wohnte ebenfalls am Nordring, nicht in dem Hochhaus, aber ganz in der Nähe in einem nicht weniger heruntergekommenen, dreigeschossigen Wohnblock. Eine richtige Freundin hatte sie vorher noch nie gehabt. In der Hauptschule wurde sie wegen ihres Übergewichts von den meisten gemobbt. Irina und Jana entsprachen zwar nicht unbedingt Jessies Vorstellung von guten Freundinnen. Aber wer würde es jetzt noch wagen, diese primitiven Bildchen von Jessie als Walross zu verbreiten, wenn sie zwei kickboxende Russenweiber an ihrer Seite hatte?

Bis Weihnachten erfüllte Jessie diverse Wünsche ihrer neuen Gefährtinnen. Die Läden waren überfüllt, da war es fast ein Kinderspiel. Nach Weihnachten wurde es schwieriger. Und am frühen Nachmittag des sechsten Januar wurde Jessie bei Takko erwischt, als sie für Irina ein schickes Sweatshirt organisieren sollte.

Jessie bekam Hausverbot und musste die übliche Prozedur über sich...

Erscheint lt. Verlag 1.9.2014
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte eBooks • Gewalt an Schulen • Kind vermisst • Kommissar Klinkhammer • Psychologischer Spannungsroman • Psychothriller • Tatort Kölner Umland • Tatort Kölner Umland, Kind vermisst, verdächtige Nachbarn, Kommissar Klinkhammer, Gewalt an Schulen, Psychologischer Spannungsroman • Thriller • verdächtige Nachbarn
ISBN-10 3-641-12411-5 / 3641124115
ISBN-13 978-3-641-12411-3 / 9783641124113
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