Einkehr (eBook) (eBook)

Friedo Behütuns' fünfter Fall - Frankenkrimi

(Autor)

eBook Download: EPUB
2014 | 1. Auflage
325 Seiten
ars vivendi (Verlag)
978-3-86913-448-2 (ISBN)

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Einkehr (eBook) -  Tommie Goerz
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Franken im Frühsommer, unerträgliche Schwüle lastet über dem Land - und in Kommissar Behütuns keimt ein unheimlicher Verdacht: Hat sich vor Jahren die Bamberger Justiz geirrt? Läuft ein Mörder vielleicht noch frei herum? Und schlägt er womöglich nur bei dieser Wetterlage zu? Warum? Und wann wieder? Jetzt? Immer tiefer denkt sich Behütuns in die Psyche dieses Täters hinein - oder ist er nur eine Schimäre? Da erscheint im Nürnberger Kommissariat eine Frau und macht eine verstörende Aussage: Hinter einer Reihe tragischer Unfälle vermutet sie Morde, eiskalt geplant und durchgeführt. Die Idee eines verworrenen Hirns? Die Spuren führen das Team um Behütuns Jahre zurück und in den Süden Europas: nach Korsika, auf Mallorca und in den Norden Italiens, aber auch an verschiedene Orte in Deutschland. Und man findet etwas, das einen unerwarteten Zusammenhang herstellt, der weit zurück bis ins Mittelalter reicht. Eine geheimnisvolle Schrift ... und ein Mönch.

Tommie Goerz, Jahrgang 1954, hat Soziologie, Philosophie und Politische Wissenschaften studiert und war 20 Jahre Texter und Konzeptor bei einem der größten Agenturnetzwerke der Welt. Er gewann unter anderem einen Bronzenen Löwen in Cannes (2007). Heute hat er einen Lehrauftrag an einer Hochschule, ist Inhaber einer kleinen Agentur und in einer Unternehmensberatung tätig. Bei ars vivendi erschienen bislang die vier Kriminalromane Schafkopf (2010), Dunkles (2011), Leergut (2011) und Einkehr (2014).

Tommie Goerz, Jahrgang 1954, hat Soziologie, Philosophie und Politische Wissenschaften studiert und war 20 Jahre Texter und Konzeptor bei einem der größten Agenturnetzwerke der Welt. Er gewann unter anderem einen Bronzenen Löwen in Cannes (2007). Heute hat er einen Lehrauftrag an einer Hochschule, ist Inhaber einer kleinen Agentur und in einer Unternehmensberatung tätig. Bei ars vivendi erschienen bislang die vier Kriminalromane Schafkopf (2010), Dunkles (2011), Leergut (2011) und Einkehr (2014).

 

Wenn er alle seine Schafe hinausgetrieben hat, geht er ihnen voraus, und die Schafe folgen ihm; denn sie kennen seine Stimme.

Johannes 10,4

 

 

1. Kapitel

Der Tag begann für den korsischen Schäfer Caliste Hyppolite Antonini wie jeder andere, als er im Morgengrauen die Tür seines Stalls aufschloss. Nichts im Fluss der Zeit deutete darauf hin, dass sich der Tag von anderen unterscheiden sollte. Warum auch, alles ging seinen gewohnten Gang, ein Tag glich dem anderen, und Veränderungen waren eher schleichend. Er lauschte und sog den Duft der Macchia ein, dieses Süßlich-Faulige, das sich hier mit den Gerüchen der Tiere vermischte. Von Saint Jean à Corbara, dem alten Kloster über dem Tal, schlug einsam eine Glocke, viermal, fünfmal, wohl zum frühen Konvent der Mönche, die derzeit dort oben waren, zusammengekommen aus allen Teilen der Welt, aber der morgendliche Wind vom Meer, der jetzt, gegen Ende September, hin und wieder etwas stärker blies, riss den Schall mit sich fort, zerstäubte ihn und trug ihn hoch in die Berge. Nur ein dünner, fast zittriger Ton drang bis hier unten hin durch. Die hohe Glocke von Santa-Reparata-di-Balagna oberhalb von Corbara – oder »Curbara«, wie die Korsen es schreiben, jedes »o« ist auf Korsisch »u«, und jedes Ortsschild mit nicht-korsischer Schreibweise konsequent und großkalibrig durchschossen – antwortete oder hatte schon vor­gelegt, doch heute war sie hier unten nicht zu hören, zu weit oben lag sie in den Bergen, zu wenig Kraft entfaltete sie gegen den Wind.

Wie jeden Morgen erkannten die Schafe und Ziegen Caliste schon am Motor seines betagten Peugeots, noch lange bevor der Schäfer auf die erdig-staubige Trockenfläche eingebogen war, auf der der Stall der Antoninis stand, das alte Mauergeviert, dessen selbsttragendes Gewölbe noch auf die herkömmliche Weise mörtellos aus Natursteinen gefügt und dick mit Erde und Lehm abgedeckt war. Sobald die Tiere das Geklapper des Wagens sich auch nur nähern hörten, spätestens aber, wenn Caliste seinen Wagen verließ, um das aus zwei alten Bettgestellen gebastelte Gatter an der Straße, die sich an seinem Terrain vorbei den Berg hinaufschlängelte, zu öffnen, meckerten und mähten sie aufgeregt drauflos. Denn sie wussten, ausgemergelt und hungrig wie sie waren, dass sie nun endlich aus dem engen Stall wieder hinauskonnten auf die hell-trockenbraunen Felder der Ebene hier unten und der flachen Hänge, um sich über die letzten verbliebenen Halme herzumachen oder über die stacheligen und dornigen Triebe der Macchiabüsche. Drei alte Olivenbäume standen krumm innerhalb des staubigen Gevierts und spendeten den gelb-dürren Halmresten tagsüber ein wenig Schatten, Mandelbäume und gedrungene Steineichen wuchsen jenseits der halbhoch umlaufenden Mauer und bestimmten mit anderem Strauch- und Baumwerk, lose über die Landschaft verteilt oder in Hainen, das Bild der gesamten Ebene, immer wieder durchsetzt von widerhakigem Brombeerbewuchs, von Zistrosen, Ginster und all dem, was man mit »Macchia« zusammenfasste. Dorniges, undurchdringliches Gestrüpp mit dem leichtem Geruch nach Pisse.

Die Antoninis waren schon seit Generationen Schäfer. Aber Caliste hatte nicht mehr so viele Flächen, die er beweiden konnte. Überall waren in den vergangenen Jahren Grundstücke verkauft und Häuser gebaut worden, und die alten Wege, über die schon seine Väter und Vorväter mit ihren Herden zwischen den halbhohen Natursteinmauern, die die Äcker, Mandel- und Olivenhaine eingrenzten, zum Erreichen ihrer Weidegründe gezogen waren, hatte man inzwischen als Wanderwege ausgeschildert, und sie wurden von Fremden genutzt: Festlandfranzosen, Deutschen, Schweizern, die hier ihre Ferien verbrachten, das Land als ihres betrachteten und immer mehr des Terrains aufkauften, um zu bauen. Feriendomizile, mit Betonsteinen hochgezogen, nur wenige Wochen im Jahr bewohnt. Niemand, schon gar nicht diejenigen, die den Fremden das Land verkauften, achtete mehr das unausgesprochene und seit Menschengedenken geltende Recht der Schäfer wie der Antoninis, diese Flächen beweiden zu dürfen. Und diese Weiden erstreckten sich beinahe über das gesamte Teghiella- und Ruisseautal, angefangen unterhalb von Corbara, fast bis hinüber nach Algajola am Meer und von dort am Hügel von Pigna vorbei bis an die aufstrebenden Hänge von Aregnu, Cateri oder Lavatoggio. Ein großes Gebiet – in dem sie in der Ebene jenseits von Algajola inzwischen ein wucherndes Industriegebiet angesiedelt hatten und nach hinten hin kontinuierlich mehr Land verkauften. Für die Herde der Antoninis blieb da immer weniger Raum, und er musste mit seinen Tieren immer weiter hinauf an die Hänge.

Es würde ein heißer Tag werden heute, dachte sich Caliste mit Blick in den Himmel. Und als er endlich die Stalltür aufgeschlossen hatte, drängten sich ihm schon meckernd die Ziegen entgegen, und die wenigen Zicklein, die sie in diesem Jahr geworfen hatten, tobten sofort mit wilden Bocksprüngen quer übers Geviert. Die Schafe waren langsamer, auch die kleinen. Nur knapp hundertsechzig Stück Vieh betrug seine kleine Herde noch, und selbst für diese wenigen Tiere hatte er Mühe, genügend Weideland zu finden, vor allem jetzt gegen Ende des langen Sommers, wo alles trocken und dürr war und die Bachläufe schon längst kein Wasser mehr führten. Caliste pfiff seinem Hund und machte sich mit den Tieren auf den Weg. Noch war die Sonne nicht über die Bergkette gestiegen, die sich landeinwärts vom Capu Mozzelo links über den Capu di Bestia, den Capu Bracajo und den Capu d’Occi über den gesamten Horizont Richtung Westen bis hin zum Capu Luna Piana zog – Namen, die heute ohnehin niemanden mehr interessierten. Man fuhr mit den Autos bis hinauf in die wie Adlernester an den Hängen und Felsvorsprüngen klebenden Bergdörfer Sant’ Antuninu, Aregnu oder Lumiu, trank einen Kaffee, Limonade aus frisch gepressten Zitronen oder Kastanienbier und fuhr weiter ins nächste Dorf zur Besichtigung oder wieder hinunter ans Meer. Auch für den Käse, den die Antoninis seit Generationen aus der Milch ihrer Tiere machten, interessierte sich niemand mehr. Seit Jahren gab Caliste daher die Milch an die Roquefort Société – sollten die damit machen, was sie wollten. So kam, portioniert und in Plastik verpackt, bestimmt ein Teil der Milch seiner Tiere wieder zurück auf die Insel und hatte sich auf seinem weiten Weg blaugrünen Schimmel eingefangen. Es sollte nicht anders sein.

Die gelbbraune Erde staubte, als seine Tiere den Weg zwischen den Mauern hinaufströmten.

 

***

 

Frère Thomás, einer der Gäste aus Deutschland, war ein beeindruckender Mann in den besten Jahren. Hager, aufrecht, voller Kraft. Als er leise die Tür, die vom Kreuzgang aus direkt in die Kirche führte, öffnete und, für sein Alter erstaunlich gewandt, hindurchschlüpfte, blickten einige der Mönche kurz auf, und manchem huschte ein Lächeln über das Gesicht. Trotz aller Ernsthaftig- und Feierlichkeit. Für einen Moment leuchteten im Türspalt die warmen Farben des Kreuzgangs auf, Ocker, Rot und Gelb, dann versank die Kirche wieder im frühmorgendlichen Halbdunkel. Frère Thomás kam auch heute wenige Minuten zu spät zum Konvent. Er schaffte es einfach nicht, pünktlich zu sein, immer wieder schlief er morgens ein. Vor wenigen Tagen hatten sie ihn in der Frühe sogar schon einmal schlafend auf einer Bank sitzend gefunden – er war während des Bindens seiner Sandalen eingenickt. Entschuldigend sah Frère Thomás unter seiner Kapuze hinweg zu seinen Brüdern, die Hände demütig vor dem Mund gefaltet, aber seine lustigen, wachen Augen blitzten unter dicken Augenbrauen im braun gebrannten Gesicht. Er konnte sich ein schelmisches Grinsen nicht verkneifen. Leise schob er sich in seiner dünnen Sommerkutte aus grauem Leinen auf seinen Platz. Der junge Filipino neben ihm puffte ihm leicht in die Seite, und beide mussten sich zusammennehmen, um nicht loszuprusten. Die Stimmung im Kloster war entspannt, man mochte sich, und in wenigen Tagen würden sich die internationalen Teilnehmer der Zusammenkunft wieder in alle Welt in ihre Heimatklöster verstreut haben. Noch aber nutzten die Mönche ihre Zeit hier nach Kräften, nicht nur für Glaubensfragen. Gestern erst war eine Gruppe am späten Nachmittag noch hinunter zum Strand von Aregnu gefahren. Sie hatten sich in die Wellen geworfen, das Wasser genossen und Spaß gehabt. Erst spät hatten sie bemerkt, dass es der Schwulenstrand war, an dem sie sich splitternackt vergnügten. Das würde wieder ein Gerede geben, hatten sie gefeixt, wenn man sie hier als Mönche erkannte.

Unten im Tal stand etwa zur selben Zeit Caliste Hyppolite Antonini, er hatte seine Herde aus dem Stall gelassen, und sein Blick schweifte über die ferne, noch morgendlich graublaue Bergkette. Dann zog er mit seinen Tieren los.

 

***

 

Der ehemalige Vorstandsvorsitzende Levantor Maria von Herwegen hatte am späten Nachmittag des Vortages einen Anruf bekommen. Einen lang ersehnten und erwarteten. Er hatte sich mit seiner Frau im Herbst 2009 seit Tagen schon im Gästetrakt des Klosters Saint Jean à Corbara eingemietet und große Pläne. Er, Levantor Maria von Herwegen, solle, hatte der Anrufer gesagt, gegen zehn heute Abend nach Aregno kommen – oder Aregnu, wie es die Korsen nannten –, und zwar zu Serge, Bar des Amis, das sei die obere der beiden Kneipen mitten im Ort, im unteren Zipfel des engen Platzes bei der Kirche gelegen. Sie sei sehr leicht zu finden, dort warte man auf ihn. Levantor Maria von Herwegen kannte das Bistro und sagte sofort zu. Er werde hier auf jemanden...

Erscheint lt. Verlag 1.4.2014
Reihe/Serie Friedo Behütuns
Verlagsort Cadolzburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte ars vivendi verlag • Bamberg • Einkehr • Franken • Frankenkrimi • Friedo Behütuns • Korsika • Krimi • Mallorca • Mittelalter • Mönch • Norditalien • Nürnberg • Regionalkrimi • Tommie Goerz
ISBN-10 3-86913-448-8 / 3869134488
ISBN-13 978-3-86913-448-2 / 9783869134482
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