EVIL (eBook)

Roman. Mit einem Vorwort von Stephen King

(Autor)

eBook Download: EPUB
2014 | 1. Auflage
352 Seiten
Heyne (Verlag)
978-3-641-14136-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

EVIL -  Jack Ketchum
Systemvoraussetzungen
9,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Jack Ketchums beunruhigender, grenzüberschreitender Horrorthriller gilt unter Experten als eines der großen Meisterwerke des Genres. Die Geschichte eines Jungen, der inmitten einer amerikanischen Vorstadtidylle mit unvorstellbaren Grausamkeiten konfrontiert wird, steigt tief hinab in die Abgründe der menschlichen Psyche. Nachdem der brillant geschriebene Roman viele Jahre unter der Hand als geheimer Klassiker die Runde gemacht hatte, erhält er jetzt nicht zuletzt dank Stephen King, der zu diesem Werk auch eine ausführliche Einleitung verfasst hat, die verdiente Aufmerksamkeit und erscheint nun endlich auch als deutsche Erstausgabe.


Jack Ketchum ist das Pseudonym des ehemaligen Schauspielers, Lehrers, Literaturagenten und Holzverkäufers Dallas Mayr. Er gilt heute als einer der absoluten Meister des Horror-Genres. 2011 wurde er zum Grand Master der World Horror Convention ernannt. Er erhielt fünfmal den Bram Stoker Award, sowie 2015 den Lifetime Achievement Award der Horror Writers Association. Jack Ketchum verstarb am 24. Januar 2018 in New York City, New York.

VORWORT


von Stephen King

 

 

In Wirklichkeit gibt es überhaupt keinen Jack Ketchum. Es handelt sich um ein Pseudonym für einen Mann namens Dallas Mayr. Natürlich würde ich so etwas nie verraten, wenn es ein streng gehütetes Geheimnis wäre. Aber so ist es nicht. Bei allen Romanen Ketchums (sieben oder acht sind in den USA erschienen) ist der Name Dallas Mayr auf der Copyright-Seite vermerkt, und wenn er Autogramme gibt, kann es durchaus sein, dass er mit »Dallas« unterschreibt. (Im Seite-2-Text dieser Ausgabe wird er allerdings bestimmt als Jack Ketchum vorgestellt.) Mir kam »Jack Ketchum« ohnehin nie wie ein ernst gemeinter Nom de Plume vor, eher schon wie ein Nom de Guerre. Und ein sehr passender. Schließlich war Jack Ketch über Generationen der Spitzname britischer Henker. Auch in den Romanen seines amerikanischen Namensvetters überlebt eigentlich niemand: Immer klappt die Falltür auf, immer zieht sich die Schlinge zusammen, und auch die Unschuldigen müssen baumeln.

Nach einem alten Sprichwort sind im Leben nur zwei Dinge sicher: der Tod und die Steuern. Dem kann ich noch eine dritte Gewissheit hinzufügen: Disney Studios wird nie einen Roman von Jack Ketchum verfilmen. In Ketchums Welt sind die Zwerge Kannibalen, den Wölfen geht nie der Atem zum Schnaufen und Keuchen aus, und die Prinzessin landet zuletzt an einen Balken gefesselt in einem Atombunker, wo ihr eine Wahnsinnige mit einem Bügeleisen die Klitoris wegsengt.

 

Ich habe schon einmal einige Sätze über Ketchum geschrieben und dabei festgestellt, dass er für Leser des Genres zu einer Kultfigur und für Autoren von Horrorgeschichten zu einem Helden geworden ist. Im Grunde kommt er einer amerikanischen Antwort auf Clive Barker sehr nahe, allerdings eher im Hinblick auf die Sensibilität als auf den Stoff seiner Romane, da sich Ketchum kaum je mit übernatürlichen Erscheinungen befasst. Das spielt jedoch keine Rolle. Wichtig ist nur, dass sich kein Schriftsteller, der ihn gelesen hat, seinem Einfluss entziehen kann, und dass ihn kein Leser, der seinem Werk zufällig begegnet, so schnell wieder vergessen wird. Er ist zu einem Archetyp geworden. Das gilt schon seit seinem ersten Roman Off Season (eine Art literarische Fassung von Die Nacht der lebenden Toten) und auf jeden Fall für Evil, das wohl als Ketchums definitives Werk angesehen werden kann.

Der Romancier, mit dem er für meine Begriffe die größte Ähnlichkeit hat, ist der sagenumwobene Krimiautor Jim Thompson aus den späten Vierziger- und Fünfzigerjahren. Ketchums gesamtes Œuvre ist wie das von Thompson als Taschenbuch erschienen (zumindest in seiner Heimat; in England sind ein oder zwei gebundene Ausgaben von ihm veröffentlicht worden), er ist nie auch nur in die Nähe der Bestsellerlisten gekommen, er wird nie außerhalb von Genre-Zeitschriften wie Cemetery Dance und Fangoria rezensiert (wo er nur selten wirklich verstanden wird), und er ist für das allgemeine Lesepublikum praktisch ein Unbekannter. Doch wie Thompson ist er ein äußerst interessanter Autor, grimmig und manchmal sogar brillant, ausgestattet mit großem Talent und einer verzweifelten Weltsicht. Sein Werk besitzt eine lebendige Intensität, der das Schaffen mancher seiner weitaus bekannteren Kollegen nicht das Wasser reichen kann – ich denke da an so unterschiedliche Romanciers wie William Kennedy, E. L. Doctorow und Norman Mailer. Von den heute arbeitenden amerikanischen Romanciers bin ich mir eigentlich nur bei einem sicher, dass er bessere und wichtigere Geschichten schreibt als Ketchum: Cormac McCarthy. Das mag hoch gegriffen erscheinen als Lob für einen obskuren Taschenbuchautor, aber es ist keine Übertreibung. Ob es einem nun passt oder nicht (und vielen, die den folgenden Roman lesen, wird es nicht passen), es ist die Wahrheit. Jack Ketchum ist ein ernst zu nehmender Autor. Schließlich sollte man nicht vergessen, dass auch Cormac McCarthy völlig unbekannt und ständig pleite war, bis er All die schönen Pferde veröffentlichte, einen Western ohne große Ähnlichkeit mit seinen anderen Büchern.

Aber im Gegensatz zu McCarthy hat Ketchum kein Interesse an einer dichten, lyrischen Sprache. Er schreibt eine direkte amerikanische Prosa, in der gelegentlich ein spitzer, halb hysterischer Humor aufblitzt – zum Beispiel wenn Eddie, der verrückte Junge aus Evil, »mit nacktem Oberkörper und einer lebenden schwarzen Schlange zwischen den Zähnen« daherkommt. Kennzeichnend für Ketchums Werk ist allerdings nicht der Humor, sondern der Horror. Wie Jim Thompson vor ihm (siehe die Bücher Grifters und Der Mörder in mir, die beide fast von Jack Ketchum stammen könnten) fasziniert ihn das existentielle Grauen des Lebens, eine Welt, in der ein Mädchen gnadenlos gefoltert wird, und zwar nicht nur von einer psychotischen Frau, sondern von einer ganzen Nachbarschaft; eine Welt, in der sogar der Held zu unentschlossen, zu schwach und innerlich zu zerrissen ist, um das Unheil abzuwenden.

 

Evil ist ein eher kurzes Buch. Dennoch ist es ein ambitioniertes Werk mit Tiefgang. Im Grunde finde ich das gar nicht so überraschend. Abgesehen von Lyrik war der Spannungsroman in den Jahren nach Vietnam für Amerika die fruchtbarste Form des schöpferischen Ausdrucks (künstlerisch gesehen waren es keine besonders guten Jahre; zum größten Teil war die Entwicklung in der Kunst genauso erbärmlich wie in den Bereichen Politik und Sex). Wahrscheinlich ist es immer einfacher, gute Kunst zu produzieren, wenn es weniger kritische Zuschauer gibt. Für den amerikanischen Spannungsroman gilt dies schon seit McTeague von Frank Norris – ein weiterer Roman, der von Jack Ketchum stammen könnte (allerdings hätte Ketchums Fassung bestimmt viel von dem ermüdenden Gerede weggelassen und wäre deutlich kürzer geworden).

Evil beginnt als eine Art Archetyp der fünfziger Jahre. Wie bei fast allen solchen Geschichten (man denke an Der Fänger im Roggen, Ein anderer Frieden, meine eigene Erzählung Die Leiche) ist der Erzähler ein Junge, und das Buch beginnt (nach einem Kapitel, das eine Art Prolog ist) in wunderbarer Huck-Finn-Manier: Ein barfüßiger Junge mit braun gebrannten Wangen liegt in der Sommersonne auf einem Bachstein und fängt mit einer Blechbüchse Flusskrebse. Dort findet ihn die hübsche Meg mit Pferdeschwanz, die vierzehn und natürlich neu im Ort ist. Sie und ihre jüngere Schwester Susan wohnen bei Ruth, einer alleinerziehenden Mutter mit drei Jungs. Einer dieser Jungs ist (natürlich) Davids bester Freund. Zusammen verbringt die ganze Horde Kinder die Abende in Ruth Chandlers Wohnzimmer vor dem Fernseher und schaut sich Komödien wie Vater ist der Beste und Westernserien wie Cheyenne an. Mit sparsamer Präzision ruft Ketchum die Erinnerung an die fünfziger Jahre wach: die Musik, die Isolation des Vorstadtlebens, die durch den Bunker im Keller der Chandlers symbolisierten Ängste. Dann packt er diese erlesen blöde Vorstellung einer idyllischen Vergangenheit und zerpflückt sie mit atemberaubender Leichtigkeit.

Zum einen ist der Vater in der Familie des jungen David sicherlich nicht der Beste, sondern ein zwanghafter Schürzenjäger, dessen Ehe an einem seidenen Faden hängt. Und David weiß das auch. »Mein Vater hatte viele Gelegenheiten zu Affären, die er auch nutzte«, berichtet er. »Er traf sie spät, und er traf sie früh.« Es ist nur ein leichter ironischer Peitschenschlag, aber die Spitze ist mit Schrot beschwert; man hat schon weitergelesen, bevor man merkt, dass es ein wenig brennt.

Meg und Susan sind im Haus der Chandlers gestrandet, weil ihre Eltern bei einem Autounfall ums Leben gekommen sind (irgendjemand sollte mal einen Aufsatz schreiben über den allzeit beliebten Autounfall und seine Auswirkungen auf die amerikanische Literatur). Zunächst hat es den Anschein, als würden sie sich gut einleben bei Ruths Jungs – Woofer, Donny und Willie junior – und bei Ruth selbst, einer unbekümmerten Frau, die gern Geschichten erzählt, viel raucht und anderen Jungs schon mal ein Bier aus dem Kühlschrank anbietet, wenn sie versprechen, dass sie es nicht ihren Eltern verraten.

Ketchum hat schöne Dialoge zu bieten und gibt Ruth eine wunderbar kantige Stimme, die für den Leser einen leicht kratzigen Nachhall bekommt. »Merkt euch eins, Jungs«, sagt sie an einer Stelle. »Das ist wichtig. Bei einer Frau müsst ihr nur immer nett sein – dann tut sie euch jeden Gefallen … Davy war nett zu Meg und hat dafür ein Bild gekriegt … Mädels sind einfach gestrickt … Ihr müsst ihnen nur ein bisschen was versprechen, dann geben sie euch fast immer, was ihr wollt.«

Das ideale heilsame Umfeld und die ideale erwachsene Autoritätsfigur für zwei traumatisierte Mädchen, möchte man meinen … nur dass wir es hier mit Jack Ketchum zu tun haben, und bei Jack Ketchum läuft die Sache nicht so. Ist noch nie so gelaufen und wird wahrscheinlich auch nie so laufen.

Ruth mag nach außen hin so fröhlich sarkastisch erscheinen wie eine Kellnerin mit rauer Schale, aber weichem Kern, doch in Wirklichkeit verliert sie allmählich den Verstand und versinkt immer tiefer in einer Hölle aus Gewalt und Paranoia. Sie ist eine scheußliche, aber merkwürdig banale Schurkin, die perfekte Besetzung für die Eisenhower-Jahre. Was ihr eigentlich fehlt, erfahren wir nie. Nicht zufällig lautet die von Ruth und allen Kindern, die ihr Haus besuchen, benutzte Zauberformel: nicht der Rede wert. Diese Phrase, die fast wie eine Zusammenfassung der fünfziger Jahre wirkt, nehmen sich...

Erscheint lt. Verlag 31.3.2014
Übersetzer Friedrich Mader
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel The Girl Next Door
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Horror
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Abgründe • eBooks • Gewalt • Grausamkeit • Heyne Hardcore • Horror • Junge • Psychopath • Psychothriller • Roman • Spannung • Thriller • Verbrechen • Vorstadt
ISBN-10 3-641-14136-2 / 3641141362
ISBN-13 978-3-641-14136-3 / 9783641141363
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
Wie bewerten Sie den Artikel?
Bitte geben Sie Ihre Bewertung ein:
Bitte geben Sie Daten ein:
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 3,1 MB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Monsterfrauen

von Rudolph Kremer

eBook Download (2023)
Ruhrkrimi-Verlag
7,99