Dark Places - Gefährliche Erinnerung (eBook)

Thriller
eBook Download: EPUB
2014 | 1. Auflage
464 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-402785-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Dark Places - Gefährliche Erinnerung -  Gillian Flynn
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DER ZWEITE ROMAN VON GILLIAN FLYNN - AUTORIN DES MEGA-BESTSELLERS »Gone Girl« Sie war sieben, als die Schüsse fielen. Als sie in die kalte Nacht hinauslief und sich versteckte. Als ihre Mutter und ihre beiden Schwestern umgebracht wurden. Als ihre Zeugenaussage ihren Bruder hinter Gitter brachte. Jetzt, 25 Jahre später, ist aus Libby Day eine verbitterte, einsame Frau geworden, deren Leben eigentlich keines mehr ist. Doch inzwischen gibt es Leute, die an der Schuld ihres Bruders zweifeln. Libby muss noch einmal ihre Vergangenheit aufrollen: Was hat sie in jener verhängnisvollen Nacht wirklich gesehen? Ihre Erinnerungen bringen sie in Lebensgefahr - so wie damals.

Gillian Flynn ist mit ihrem dritten Buch >Gone GirlCry BabyBritish Dagger AwardsDark PlacesLiteraturpreise:British Dagger Award

Gillian Flynn ist mit ihrem dritten Buch >Gone GirlCry BabyBritish Dagger AwardsDark Places< waren große Erfolge und wurden ebenfalls verfilmt. Die Autorin lebt mit ihrem Mann und zwei Kindern in Chicago. Literaturpreise: British Dagger Award Christine Strüh, geboren 1954, lebt in Berlin. Sie ist Übersetzerin von Gillian Flynn, Cecelia Ahern, Judy Blume, Pete Hamill, Laini Taylor und anderen.

Mit ›Gone Girl‹ landete die US-Autorin einen internationalen Bestseller. Das neue Buch ist nicht minder gruselig.

Gillian Flynns Thriller sind Sensationen

Noch spannender als ›Gone Girl‹.

[…] über 400 spannende Seiten […]!

Mindestens genauso spannend wie Flynns Megahit ›Gone Girl‹!

Souverän verschachtelt Gillian Flynn die Zeitebenen und die Perspektiven

Mit Zuneigung begleitet Flynn ihre nur allzu menschlichen Figuren.

Libby Day


Jetzt

In meinem Innern haust eine Fiesheit, so real wie ein Organ. Würde man mir den Bauch aufschlitzen, käme sie wahrscheinlich auf der Stelle rausgeflutscht, fiele fleischig dunkel zu Boden, und man könnte auf ihr herumtrampeln. Es ist das Day-Blut. Irgendwas stimmt nicht damit. Ich war nie ein braves kleines Mädchen, und nach den Morden wurde es nur noch schlimmer mit mir. Mürrisch und labil wuchs die kleine Waise Libby heran, weitergereicht von einem weitläufigen Verwandten zum anderen – Cousins zweiten Grades, Großtanten oder auch Freunde von Freunden, quer durch Kansas, in Wohnwagen oder verrotteten Ranchhäusern. In der Schule trug ich die Sachen, die ich von meiner toten Schwester geerbt hatte: Shirts mit schweißgelben Achseln, Hosen mit herunterhängendem Gesäß, zusammengehalten von einem schäbigen, bis ins letzte Loch gezurrten Gürtel. Auf Klassenfotos war ich grundsätzlich ungekämmt – Haarspangen hingen windschief an einzelnen Strähnen, als wären es Flugobjekte, die sich darin verfangen hatten – und hatte immer dicke Tränensäcke unter den Augen, wie eine versoffene alte Gastwirtin. Vielleicht brachte ich widerwillig eine leichte Krümmung der Lippen zustande, wo bei anderen ein Lächeln war. Aber nur vielleicht.

Ich war kein liebenswertes Kind, und ich entwickelte mich auch zu keiner liebenswerten Erwachsenen. Wenn man meine Seele zeichnen könnte, wäre es irgendein wildes Gekritzel mit deutlich sichtbaren Reißzähnen.

 

Es war März, scheußlich und nass wie immer. Ich lag im Bett und ging einem meiner Hobbys nach – ich malte mir aus, mich umzubringen. In solchen Tagträumen schwelgte ich gern: Ein Gewehr, mein Mund, ein Knall, mein Kopf ruckt einmal, ruckt zweimal, Blut spritzt an die Wand. Splatter, splatter. »Wollte sie begraben oder eingeäschert werden?«, fragen die Leute. »Wer kommt zur Beerdigung?« Aber niemand weiß eine Antwort. Die Leute glotzen einander auf die Schuhe oder Schultern, bis die Stille sich eingenistet hat, und dann setzt einer Kaffee auf, energisch und mit viel Geklapper. Kaffee und plötzliche Todesfälle passen immer gut zusammen.

Ich streckte einen Fuß unter der Decke heraus, brachte es aber nicht über mich, ihn auf den Boden zu setzen. Vermutlich war ich mal wieder deprimiert. Vermutlich war ich die ganzen letzten vierundzwanzig Jahre deprimiert. Irgendwo in mir spüre ich gelegentlich eine bessere Version meiner selbst – versteckt hinter der Leber oder als eine Art Anhang an der Milz, tief im Innern meines unterentwickelten, kindlichen Körpers –, eine Libby, die mir sagt, ich soll aufstehen, erwachsen werden, die Vergangenheit hinter mir lassen. Aber für gewöhnlich gewinnt die Fiesheit rasch wieder die Oberhand. Mein Bruder hat meine Familie abgeschlachtet, als ich sieben Jahre alt war. Meine Mom, meine zwei Schwestern, alle tot: Peng peng, hack hack, würg würg. Danach brauchte ich eigentlich gar nichts mehr zu tun. Keiner erwartete etwas von mir.

Als ich achtzehn wurde, erbte ich 321373 Dollar, gestiftet im Laufe der Jahre von all den wohlmeinenden Menschen, die von meiner traurigen Geschichte gelesen hatten, Gutmenschen, deren Herz von meinem Schicksal zutiefst gerührt war. Sooft ich diesen Satz höre – und ich höre ihn oft – stelle ich mir automatisch kitschige Herzen mit Flügelchen vor, die zu einer meiner heruntergekommenen Kindheitsbehausungen flattern. Dort stehe ich am Fenster, ein kleines Mädchen, winke und greife nach den schimmernden Kitschherzen, während von oben grüne Dollarscheine auf mich herabregnen. Danke, vielen, vielen Dank! Solange ich noch klein war, wurden die Spenden auf ein konservativ verwaltetes Bankkonto eingezahlt, dessen Stand alle drei bis vier Jahre, wenn wieder einmal eine Zeitschrift oder eine Nachrichtensendung einen Beitrag über mich brachte, sprunghaft anstieg. Ein großer Tag für die kleine Libby Day: Die Überlebende des Prärie-Massakers wird bittersüße zehn Jahre alt. (Ich mit zerzausten Rattenschwänzchen auf dem von Opossum-Pisse getränkten Rasen vor dem Trailer meiner Tante Diane. Hinter mir, unter dem für sie ganz untypischen Rock, Dianes baumstammdicke Waden.) Unsere tapfere Libby Day ist süße sechzehn! (Ich, immer noch viel zu klein, das Gesicht im Schein der Geburtstagskerzen, das Shirt viel zu eng über meinen Brüsten, die sich in diesem Jahr zu Körbchengröße D entwickelt hatten und an meinem zierlichen Körper wie eine Karikatur wirkten, lächerlich, seltsam pornographisch.)

Von dem Spendengeld lebte ich seit über dreizehn Jahren, aber nun näherte es sich dem Ende. An diesem Nachmittag hatte ich einen Termin, bei dem festgestellt werden sollte, wie viel genau noch da war. Einmal im Jahr bestand der Mann, der das Geld verwaltete – ein unerschrockener, rotwangiger Banker namens Jim Jeffreys –, darauf, mich zum Lunch auszuführen, zu einem »Check-up«, wie er es nannte. Dann aßen wir etwas aus der Preisklasse um die zwanzig Dollar und unterhielten uns über mein Leben – schließlich kannte er mich schon, seit ich sooo klein war, hehe. Ich meinerseits wusste so gut wie nichts über Jim Jeffreys und fragte auch nie, sondern sah diese Verabredungen strikt aus der immer gleichen Kinderperspektive: Einigermaßen höflich sein und daran denken, dass es bald vorbei ist. Einsilbige Antworten, müde Seufzer. Meine einzige Vermutung über Jim Jeffreys war, dass er religiös orientiert sein musste, christlich, kirchlich, denn er besaß die hartnäckige Geduld und den Optimismus von jemandem, der glaubt, dass Jesus ihm ständig über die Schulter schaut. Eigentlich wäre der nächste Check-up erst in acht oder neun Monaten fällig gewesen, aber Jim Jeffreys hatte mich genervt und mit ernster, gedämpfter Stimme Nachrichten auf meinem Anrufbeantworter hinterlassen, in denen er mir mitteilte, er hätte alles getan, um »das Leben des Fonds« zu verlängern, aber es wäre Zeit, über die »nächsten Schritte« nachzudenken.

Und wieder zeigte sich meine innere Fiesheit: Sofort fiel mir das andere kleine Mädchen aus der Klatschpresse ein, Jamie Soundso, die im gleichen Jahr, also auch 1985, ihre Familie verloren hatte. Ihr Gesicht war teilweise in dem Feuer verbrannt, das ihr Vater gelegt und damit den Rest ihrer Familie getötet hatte. Jedes Mal, wenn ich am Geldautomaten die Knöpfe drücke, muss ich an diese Jamie denken, und daran, dass ich wahrscheinlich doppelt so viel Kohle hätte, wenn diese Göre mir nicht die Show gestohlen hätte. Dass Jamie Sowieso irgendwo in einem popligen Einkaufszentrum mein Geld ausgab, schicke Handtaschen und Schmuck und affiges teures Make-up kaufte, das sie auf ihr fettglänzendes Narbengesicht schmieren konnte. Total gemein, so was zu denken. Das wenigstens war mir klar.

Mit einem bühnenreifen Ächzen quälte ich mich endlich aus dem Bett und ging nach vorn. Ich wohne zur Miete in einem kleinen Backsteinbungalow in einer Ringstraße mit lauter kleinen Backsteinbungalows, auf einer Anhöhe, von der man auf den ehemaligen Viehhof von Kansas City blickt. Kansas City, Missouri, nicht Kansas City, Kansas. Das ist ein großer Unterschied.

Mein Viertel hat nicht mal einen Namen, es ist völlig in Vergessenheit geraten. Man nennt es ›Da Drüben‹. Oder ›Hier Entlang‹. Eine seltsame, zweitklassige Gegend, voller Sackgassen und Hundekacke. In den anderen Bungalows wohnen meist ältere Leute, die hier schon seit dem Bau der Häuschen leben. Mit grauen Puddinggesichtern sitzen sie hinter den Fliegengitterfenstern und starren hinaus, von früh bis spät. Manchmal gehen sie zu ihren Autos, vorsichtig, auf gebrechlichen Zehenspitzen, und wenn ich sie sehe, kriege ich ein schlechtes Gewissen, weil ich denke, ich sollte ihnen vielleicht helfen. Aber das würde ihnen wahrscheinlich nicht gefallen. Es sind keine freundlichen alten Leute, sondern wortkarge, verbitterte Senioren, denen es überhaupt nicht gefällt, dass ich hier eingezogen bin, ich, die Neue. Man spürt ihre Missbilligung im ganzen Viertel, es liegt in der Luft wie ein leises Summen. Dazu kommt noch der magere rote Hund zwei Häuser weiter, der tagsüber ständig bellt und nachts andauernd jault, ein Hintergrundlärm, von dem man nicht merkt, dass er einen wahnsinnig macht, bis er für ein paar glückliche Augenblicke aussetzt und dann sofort wieder anfängt. Das einzig fröhliche Geräusch in der Nachbarschaft verschlafe ich normalerweise: das Plappern und Lachen der Kinder, die jeden Morgen – pausbäckig und nach dem Zwiebelprinzip eingemummelt – zu einer Kindertagesstätte marschieren, die noch weiter in dem Rattennest von Straßen hinter mir versteckt liegt. Die erwachsene Begleitperson hält eine Schnur in einer Hand, an der die Knirpse sich festhalten, und so watscheln sie Morgen für Morgen im Gänsemarsch an meinem Haus vorbei. Aber ich habe sie noch kein einziges Mal zurückkommen sehen. Was mich anbelangt, könnten sie die ganze Welt umrunden, Hauptsache sie würden rechtzeitig zurückkehren, um am nächsten Morgen wieder unter meinem Fenster vorbeizutrotten. Wie auch immer – irgendwie hänge ich an ihnen. Es sind drei Mädchen und ein Junge, alle mit einer Vorliebe für leuchtend rote Jacken. Wenn ich sie nicht sehe, wenn ich verschlafe, bin ich tatsächlich geknickt. Noch geknickter als sonst. Dieses Wort würde meine Mom benutzen, nicht so etwas Dramatisches wie deprimiert. Ich bin seit vierundzwanzig Jahren geknickt.

 

Für das Treffen mit Jim Jeffreys zog ich Rock und Bluse an und fühlte mich dabei wie ein Zwerg, der in die Erwachsenenklamotten, das Zeug für große Mädchen, einfach nicht passte. Ich bin knapp...

Erscheint lt. Verlag 27.3.2014
Übersetzer Christine Strüh
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Anklage • Drogen • Erinnerungen • Familiendrama • Kansas • Kansas City • Kindheit • Kinnakee • Libby Day • Massaker • Mittlerer Westen • Mord • Oklahoma • Polizei • Spannung • Trey • USA • Zeugenaussage
ISBN-10 3-10-402785-4 / 3104027854
ISBN-13 978-3-10-402785-2 / 9783104027852
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