Future (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2014 | 1. Auflage
928 Seiten
Heyne (Verlag)
978-3-641-13202-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Future -  Dmitry Glukhovsky
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Willkommen in der Zukunft!
Seit die Sterblichkeit überwunden wurde, ist die Erde vollkommen überbevölkert. Ganz Europa ist zu einer einzigen Megapolis aus gigantischen Wohntürmen zusammengewachsen. Nur die Reichen und Mächtigen können sich in den obersten Etagen noch ein unbeschwertes Leben leisten, während die Mehrheit der Bevölkerung auf den niederen Ebenen ein beengtes Dasein fristet. Die Fortpflanzung ist streng reglementiert, und illegale Geburten werden unnachgiebig verfolgt. Als der Polizist Nr. 717 auf den Anführer einer Terrorgruppe angesetzt wird, gerät er in das Netz eines Komplotts, das bis in die höchsten Etagen der Gesellschaft reicht - und das die brutale Ordnung ins Wanken bringen wird.

Dmitry Glukhovsky ist ein russischer Schriftsteller und Dramatiker. 1979 in Moskau geboren, machte er seinen Abschluss an der Hebräischen Universität Jerusalem. Er schreibt für die internationale Presse, darunter THE GUARDIAN, LA LIBERATION, DIE ZEIT und NOVAYA GAZETA. Glukhovsky ist Autor zahlreicher Bestseller, darunter der Welterfolg »METRO 2033«. Seine Bücher wurden in 40 Sprachen übersetzt. Als entschiedener Kritiker des Putin-Regimes wurde Dmitry Glukhovsky zum »ausländischen Agenten« erklärt und 2023 von einem Moskauer Gericht in Abwesenheit zu 8 Jahren Haft verurteilt. Er lebt im Exil.

Instagram: @glukhovsky, Twitter: @glukhovsky, Facebook: @glukhovskybooks

II · WIRBEL

E igentlich dürfte ich hier gar nicht sein. Aber ich bin zu aufgewühlt, um nach Hause zu gehen, und zu betrunken, um mich zusammenzureißen – also bin ich hier.

Im Badehaus Quelle.

Von meiner Schale aus gesehen, scheint es das ganze Weltall einzunehmen.

Hunderte großer und kleiner Becken steigen in fächerförmigen Kaskaden in den warmen Abendhimmel auf. Sie alle sind über durchsichtige Röhren miteinander verbunden. Aus den Umkleidekabinen geht es zunächst mit einem Fahrstuhl einen etwa hundert Meter hohen Glasschacht hinauf, an dem die gesamte phantasmagorische Konstruktion befestigt ist. Ganz oben befindet sich ein breites Becken, von wo sich eine Vielzahl gläserner Tunnel in alle Himmelsrichtungen verzweigt. Auf schäumenden Bächen gleitet der Badegast abwärts, von einer Schale zur anderen, bis er diejenige gefunden hat, die ihm zusagt.

Jede dieser mit Meerwasser gefüllten Schalen pulsiert in einer bestimmten Farbe zum Takt einer eigenen Melodie. Dennoch ergibt sich kein kakofonisches Durcheinander: Von einem unsichtbaren Dirigenten geleitet, vereinigen sich Tausende von Schalen zu einem großen Orchester, unzählige Einzelstimmen verschmelzen zu einer einzigen, gewaltigen Sinfonie. Genau wie die Röhren sind auch die Schalen durchsichtig. Blickt man von oben auf sie hinab, erscheinen sie wie Blüten an den Zweigen des Weltenbaums, von unten betrachtet dagegen sind es Heerscharen schillernder Seifenblasen, die der Wind ins abendliche Blau hinausträgt. Auch das vielfarbige Leuchten dieser scheinbar frei schwebenden umgedrehten Glaskuppeln ist nach einem bestimmten Rhythmus synchronisiert: Mal nehmen die Schalen eine einheitliche Tönung an, mal breitet sich ein buntes Farbspiel über sie aus, wie ein Lauffeuer im Gezweig eines wundersamen kristallenen Baobabs, der den Himmel mit der irdischen Feste verbindet.

Der Baobab steht inmitten eines grünen Hochplateaus, umgeben von verschneiten Gebirgsausläufern, hinter denen die Sonne gerade erst untergegangen zu sein scheint. Natürlich sind die grauen Gipfel, die moosbedeckte Ebene davor und der allmählich erlöschende Himmel dahinter nur Projektionen. Nichts davon gibt es wirklich. Tatsächlich existiert nur eine gigantische würfelförmige Box, in deren Zentrum sich dieses unwirkliche Gebilde aus Pseudoglas, einem durchsichtigen Verbundwerkstoff, befindet.

Doch nur mir fällt die Täuschung auf, denn heute habe ich den wahren Himmel und den wahren Horizont gesehen. Die übrigen Besucher des Bades lassen sich wie immer durch nichts irritieren. Auflösung und Raumtiefe dieser Projektion sind so eingestellt, dass das menschliche Auge die Fälschung schon ab zwanzig bis dreißig Meter Entfernung nicht mehr wahrnimmt. Wozu auch: Heutzutage hat niemand mehr das Bedürfnis, die durchsichtigen Barrieren zu überwinden, die die Grenzen dieses komfortablen Selbstbetrugs markieren.

Auch ich selbst will an diese Berge und diesen Himmel glauben, und ich habe genügend Tequila in mir, um die Grenze zwischen Projektion und Realität dahinschmelzen zu lassen.

Wie schläfrige tropische Fische in einem Aquarium rekeln sich die Badegäste in ihren bunten Anzügen in den Becken. Das Badehaus ist ein Fest für die Augen, ein Hort der Frische, der Schönheit und des Begehrens, ein Tempel ewiger Jugend.

Weder Alte noch Kinder sind hier zu sehen: Nichts soll den Besuchern den Genuss verderben, weder moralisch noch ästhetisch. Die gläsernen Gärten sind nur denen zugänglich, die sich ihre Jugend und Kraft bewahrt haben. Alle anderen sollen ruhig in ihren Reservaten bleiben, wo ihre Abnormität niemanden irritiert.

Junge Frauen und Männer kommen allein, paarweise oder auch in größeren Gruppen hierher. Über die Wasserrutschen verteilen sie sich, bis jeder für sich die passende Schale gefunden hat, mit einer Musik, die seiner Stimmungslage entspricht, und in der richtigen Größe, sei es für einsame Gedanken, für eine erotische Vereinigung oder für Spiele unter Freunden. Mit eher schweigsamen Nachbarn, die kein Interesse an einer Kontaktaufnahme haben, oder mit solchen, die Abenteuer suchen und eine ganze Schale elektrisieren können.

Im labyrinthischen Geäst des kristallenen Baobabs gibt es Winkel, in denen man völlig ungestört ist. Doch nicht jeder will sich vor fremden Blicken verbergen: So manche Suchenden vereinigen sich, sobald der erste Funke überspringt, zu einem lüsternen Geflecht, mitunter nur einen Schritt entfernt von zufälligen Augenzeugen. Eine einzige unwillkürliche Berührung, ein heftiges Seufzen oder ersticktes Stöhnen bringt den Zuschauer dazu, sich entweder abzuwenden oder aber sich dem leidenschaftlichen Spiel anzuschließen.

Für gewöhnliche Menschen ist das Badehaus ein Supermarkt des Vergnügens, ein Fahrgeschäft des Glücks, eine höchst beliebte Art und Weise, die Ewigkeit zu verbringen.

Für solche wie mich jedoch ist es Sünde – und verboten.

Ungefähr in der Mitte dieses fiktiven Universums habe ich eine kleine Schale für mich gefunden. Halb liegend betrachte ich die eine Hälfte der unzähligen Seifenblasen, die hoch über mir im Himmel schwebt, während die andere sich unter mir ausdehnt. Der schwere, sinnliche Duft aromatischer Öle hängt in der Luft. Die Glaswand meines Beckens lodert in gedämpftem Violett, leise, aber eindringliche Basstöne passieren meine Haut und erreichen meine innersten Organe; es ist eine ruhige, schwere Musik, doch statt mich einzuschläfern, erregt sie meine Fantasie.

Durch das Glas hindurch blicke ich auf eine Schale weiter unten, in der zwei junge Frauen wie Seesterne ausgestreckt liegen. Sie haben ihre Zeigefinger miteinander verhakt, es sieht aus, als ob sie in der Luft schwebten.

Die Dunkelhäutige trägt einen gelb fluoreszierenden Badeanzug, durch den die braunen Flecken ihrer Nippel durchscheinen. Die andere, rothaarig mit milchweißem Teint, verdeckt mit einem Arm die entblößten Brüste; ihre Haare schwimmen lose verteilt im Wasser, wie ein dunkler Nimbus umrahmen sie ihr schmales, ein wenig kindliches Gesicht. Sie betrachtet die flackernden Glaskugeln, die sich über ihr in den Himmel erheben, dann treffen sich für einen Augenblick unsere Blicke. Anstatt meinem Blick auszuweichen, lächelt sie mir langsam zu.

Ich erwidere ihr Lächeln, dann wende ich mich ab und schließe die Augen. Die Strömung des Salzwassers schaukelt mich sanft, der Tequila rauscht wie Meeresbrandung in meinen Ohren. Ich weiß, ich könnte jetzt eine Etage hinabgleiten, es würde nur wenige Augenblicke dauern, bis ich die Hand des rothaarigen Mädchens ergreife, und ganz sicher würde sie ihr wortloses Versprechen einlösen. Das Badehaus ist ebenso ein Ort für den erfrischenden Aufguss wie für den erleichternden Erguss, ein Zweck, den früher einmal Nachtclubs erfüllten. In den durchsichtigen Schalen ertränkt man seine Einsamkeit, verscheucht sie durch flüchtige Bekanntschaften, kurze, fiebrige Ringkämpfe; zugleich berührt uns diese plötzliche Nähe so unangenehm, dass wir anschließend sofort wieder Reißaus nehmen und uns davonmachen durch die nächstbeste gläserne Röhre.

Wir? Ich tue ja schon so, als gehörte ich zu ihnen. Nein, nicht wir, sondern sie.

Uns, den Unsterblichen, ist der Zugang zum Badehaus durch...

Erscheint lt. Verlag 12.5.2014
Übersetzer M. David Drevs
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel Будущее
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Science Fiction
Schlagworte Dmitry Glukhovsky • Dystopie • eBooks • Metro 2033 • Near future • russische Science Fiction • Science Fiction
ISBN-10 3-641-13202-9 / 3641132029
ISBN-13 978-3-641-13202-6 / 9783641132026
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