Grenzgänger (eBook)
448 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-03951-3 (ISBN)
Cormac McCarthy wurde 1933 in Rhode Island geboren und wuchs in Knoxville, Tennessee auf. Für sein literarisches Werk wurde er mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, unter anderem mit dem Pulitzerpreis und dem National Book Award. Die amerikanische Kritik feierte seinen Roman «Die Straße» als «das dem Alten Testament am nächsten kommende Buch der Literaturgeschichte» (Publishers Weekly). Das Buch gelangte auf Platz 1 der New-York-Times-Bestsellerliste und verkaufte sich weltweit mehr als eine Million Mal. Mehrere von McCarthys Büchern wurden bereits aufsehenerregend verfilmt, «Kein Land für alte Männer» von den Coen-Brüdern, «Der Anwalt» von Ridley Scott und «Ein Kind Gottes» von James Franco. Cormac McCarthy starb im Juni 2023 in Santa Fe, New Mexico.
Cormac McCarthy wurde 1933 in Rhode Island geboren und wuchs in Knoxville, Tennessee auf. Für sein literarisches Werk wurde er mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, unter anderem mit dem Pulitzerpreis und dem National Book Award. Die amerikanische Kritik feierte seinen Roman «Die Straße» als «das dem Alten Testament am nächsten kommende Buch der Literaturgeschichte» (Publishers Weekly). Das Buch gelangte auf Platz 1 der New-York-Times-Bestsellerliste und verkaufte sich weltweit mehr als eine Million Mal. Mehrere von McCarthys Büchern wurden bereits aufsehenerregend verfilmt, «Kein Land für alte Männer» von den Coen-Brüdern, «Der Anwalt» von Ridley Scott und «Ein Kind Gottes» von James Franco. Cormac McCarthy starb im Juni 2023 in Santa Fe, New Mexico.
Als er zwei Tage später die Cloverdale-Straße entlangritt, schwenkte er einfach so ab und ritt zu der Stelle, wo die Vaqueros Mittagspause gemacht hatten; er hielt an und sah auf die schwarze, erloschene Asche hinunter. Irgendein Tier hatte sie aufgewühlt.
Er stieg aus dem Sattel, holte einen Stecken und stocherte in den Überresten des Feuers. Dann saß er wieder auf und ritt um das Lager herum. Eigentlich sprach nichts dagegen, dass es nur ein Kojote war, der die Asche aufgewühlt hatte, aber Billy wollte es trotzdem wissen. Langsam und elegant lenkte er das Pferd um die Feuerstelle. Wie ein Dressurreiter bei einem Turnier. Bei der zweiten Umkreisung, etwas weiter entfernt, blieb er im Windschatten eines Felsbrockens stehen. In dem dort angewehten Sand war der Abdruck ihrer Vorderbrante genau zu erkennen.
Er stieg aus dem Sattel, hielt die Zügel hinter dem Rücken fest, ging in die Knie, blies einzelne Schmutzpartikelchen aus der Spur und stupste mit dem Daumen die zarten Kanten an. Dann saß er wieder auf, ritt zur Straße zurück und nach Hause.
Am nächsten Tag kontrollierte er die mit dem neuen Duftköder bestückten Fallen; wie zuvor waren sie ausgescharrt und lagen mit zugeschnappten Bügeln am Boden. Er grub sie wieder ein und legte zusätzlich zwei unbeköderte Fallen aus, war aber nur mit halbem Herzen dabei. Als er mittags den Pass hinunterritt und über das Cloverdale-Tal blickte, sah er als Erstes die ferne dünne Rauchsäule über dem Lagerfeuer der Vaqueros.
Er blieb eine ganze Weile stehen. Die Hand auf dem Hinterzwiesel, spähte er zurück zum Pass, dann noch einmal übers Tal. Schließlich machte er kehrt und ritt wieder den Berg hinauf.
Er sammelte die Fallen ein, packte sie in den Korb und zog talwärts; als er die Straße überquerte, war es bereits früher Abend. Wieder streckte er den Arm in Richtung Horizont und prüfte mit der Hand den Sonnenstand. Ihm blieb noch knapp über eine Stunde Tageslicht.
Am Lagerfeuer saß er ab, fischte die Kelle aus dem Korb, ging in die Hocke und begann einen Teil der mit Holzkohle und frischen Knochen durchsetzten Asche abzuräumen. In der Mitte befand sich noch Glut; er scharrte sie zur Seite, damit sie abkühlen konnte, grub direkt unter der Feuerstelle ein Loch und holte anschließend ein Tritteisen aus dem Korb. Die Wildlederhandschuhe zog er gar nicht erst an.
Er schraubte mit den Zwingen die Federn herunter, klappte die Fangbügel auf, justierte den Stellhaken, lockerte die Schrauben und überprüfte dabei sorgfältig die Neigung des Tellers. Dann löste er die beiden Zwingen, schob Anker und Kette ins Loch und legte mitten in der Feuerstelle die Falle aus.
Damit der Auslöser frei blieb, deckte er die Bügel mit wachsgetränktem Papier ab; danach siebte er mit der Fliegendrahtkiste Asche darüber, vermischte sie wieder mit den angekokelten Holzstückchen, der Holzkohle, den Knochen und schwärzlich verfärbten Hautfetzen und bestreute alles nochmal mit Asche; dann stand er auf, trat zur Seite, wischte die Kelle an seinen Jeans ab und sah sich die Vorrichtung an. Als Nächstes grub er direkt vor der Feuerstelle ein paar kleine Gras- und Strauchbüschel aus, strich den Sand glatt und schrieb den Vaqueros eine Nachricht hinein, so tief, dass sie der Wind nicht verwehen konnte. Cuidado, schrieb er. Hay una trampa de lobos enterrado en el fuego. Dann warf er den Stecken weg, verstaute die Kelle, schulterte den Korb und stieg in den Sattel.
Er ritt über die Weide zur Straße; im kalten blauen Zwielicht drehte er sich nochmal um und warf einen letzten Blick auf die Lagerstelle. Er beugte sich zur Seite und spuckte aus. Hoffentlich könnt ihr’s lesen, sagte er. Dann lenkte er das Pferd heimwärts.
Zwei Stunden nach Einbruch der Dunkelheit trat er in die Küche. Die Mutter stand am Herd. Der Vater hockte noch bei einer Tasse Kaffee. Neben ihm auf dem Tisch lag das abgegriffene blaue Hauptbuch, in das sie die Ein- und Ausgaben eintrugen.
Wo warst du?, sagte der Vater.
Billy setzte sich; sein Vater hörte sich an, was er zu sagen hatte, und nickte.
Ich erleb’s andauernd, sagte er, dass Leute, die dann und dann irgendwo sein sollen, einfach zu spät kommen. Und immer haben sie irgend’n Grund parat.
Ja, Sir.
Dabei gibt’s bloß einen einzigen.
Ja, Sir.
Weißt du, welchen?
Nein, Sir.
Den, dass man sich nicht auf sie verlassen kann. ’n andern Grund hat’s nie gegeben und wird’s nie geben.
Ja, Sir.
Die Mutter hatte Billys Abendessen aus dem Wärmer über dem Herd geholt, stellte es ihm hin und legte das Silberbesteck dazu.
Iss mal was, sagte sie.
Sie ging aus der Küche. Der Vater saß da und sah Billy beim Essen zu. Nach einer Weile stand er auf, ging mit seiner Tasse zum Spülbecken, schwenkte sie aus und stellte sie umgekehrt auf die Anrichte. Ich weck dich dann morgen früh, sagte er. Du musst unbedingt rechtzeitig raus, sonst hast du womöglich einen von den Mexikanern im Eisen.
Ja, Sir.
Hätt uns grad noch gefehlt.
Ja, Sir.
Vielleicht können die gar nicht lesen.
Ja, Sir.
Der Junge aß zu Ende und ging dann ins Bett. Boyd schlief bereits. Billy lag noch lange wach und dachte über die Wölfin nach. Versuchte die Welt zu sehen wie sie. Versuchte sie sich vorzustellen, wie sie nachts durch die Berge lief. Fragte sich, ob ein Wolf wirklich so unergründlich war, wie der Alte gesagt hatte. Fragte sich, was das für eine Welt war, die die Wölfin roch oder schmeckte. Ob das frische Blut, mit dem sie sich die Kehle netzte, einen anderen Geschmack hatte als der dickflüssige Eisensaft in seinem Innern. Oder als das Blut Gottes. Am nächsten Morgen war er schon vor Tagesanbruch draußen und sattelte im kalten Düster des Stalls sein Pferd. Dann ritt er zum Tor hinaus; sein Vater war noch nicht auf; er sah ihn nie wieder.
Er zog die Straße entlang nach Süden, roch das Vieh auf den dunklen Feldern hinter dem Wassergraben und Zaun. Als er Cloverdale durchquerte, begann gerade der Morgen zu grauen. Er schlug die Cloverdale-Creek-Straße ein und ritt weiter. Hinter ihm, am San-Luis-Pass, ging die Sonne auf; sein junger Schatten trieb lang und schmal vor ihm her. Er kam an dem Wald mit der alten Tanzbühne vorbei und bog dann zwei Stunden später von der Straße ab; als er über die Weide und auf die Feuerstelle der Vaqueros zuritt, richtete die Wölfin sich abwehrbereit auf.
Der Hengst scheute und wich stampfend zurück. Billy brachte ihn wieder zum Stehen, tätschelte ihn, sprach ihm gut zu und ließ die Wölfin dabei nicht aus den Augen. Sein Herz hämmerte, als wolle es ihm die Brust zersprengen. Die Wölfin hing mit dem rechten Vorderlauf in den Fangbügeln, knapp dreißig Meter vom Lagerfeuer entfernt. Der Anker hatte sich in einem Feigenkaktus verfangen. Billy tätschelte nochmal das Pferd und sprach ihm zu; dann griff er nach unten, schnallte das Halfter auf, zog die Büchse heraus, stieg aus dem Sattel und ließ die Zügel sinken. Die Wölfin duckte sich. Als wolle sie sich verstecken. Schließlich richtete sie sich wieder auf und blickte den Jungen an; dann spähte sie zu den Bergen hinüber.
Er ging auf sie zu; sie fletschte die Zähne, knurrte aber nicht und hielt die gelben Augen von ihm abgewandt. Ein weißer Knochen schimmerte in der blutigen Wunde zwischen den Fangbügeln. Im dünnen Bauchpelz waren die Zitzen zu sehen; sie hatte die Rute eingezogen, stand da und versuchte sich loszureißen.
Er schritt um sie herum. Sie drehte sich und wich zurück. Die Sonne stand schon ziemlich hoch; in ihrem Licht war das Fell der Wölfin graubraun, mit helleren Tupfen am Hals und einem schwarzen Längsstreifen am Rücken. Die Wölfin schwenkte hechelnd und mit bebenden Flanken zur Seite und bewegte sich rückwärts, bis die Kette sich spannte. Billy kauerte sich auf den Boden, pflanzte das Gewehr vor sich auf, hielt es am Schaft fest und blieb eine ganze Weile so hocken.
Er war keineswegs vorbereitet auf das, was er da sah. Unter anderem hatte er gar nicht bedacht, ob er es schaffen würde, zur Ranch zu reiten und mit seinem Vater wieder zurück zu sein, bevor die Vaqueros, wenn überhaupt, hier eintrafen. Er versuchte sich zu erinnern, was sein Vater gesagt hatte. Falls ihr Lauf gebrochen war oder sie mit der Pfote...
Erscheint lt. Verlag | 1.3.2014 |
---|---|
Reihe/Serie | Die Border-Trilogie |
Die Border-Trilogie | |
Übersetzer | Hans Wolf |
Verlagsort | Hamburg |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
Schlagworte | Die Border-Trilogie • El Paso • Grenze • Mexiko • Western |
ISBN-10 | 3-644-03951-8 / 3644039518 |
ISBN-13 | 978-3-644-03951-3 / 9783644039513 |
Informationen gemäß Produktsicherheitsverordnung (GPSR) | |
Haben Sie eine Frage zum Produkt? |

Größe: 2,4 MB
DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasserzeichen und ist damit für Sie personalisiert. Bei einer missbräuchlichen Weitergabe des eBooks an Dritte ist eine Rückverfolgung an die Quelle möglich.
Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belletristik und Sachbüchern. Der Fließtext wird dynamisch an die Display- und Schriftgröße angepasst. Auch für mobile Lesegeräte ist EPUB daher gut geeignet.
Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise
Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.
aus dem Bereich