Intervention (eBook)
512 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-402554-4 (ISBN)
Jonathan Freedland ist einer der renommiertesten Journalisten Großbritanniens. 1967 in London geboren, arbeitete er jahrelang als politischer Korrespondent in Washington. Er ist Journalist und Kolumnist für den ?Guardian?, schreibt regelmäßig für ?The New York Times? und ?The New York Review of Books?. Für die BBC präsentiert er eine Radiosendung zur Zeitgeschichte, ?The Long View?. Für seine Arbeit wurde er mehrfach ausgezeichnet. Er lebt mit seiner Frau und zwei Kindern in London
Jonathan Freedland ist einer der renommiertesten Journalisten Großbritanniens. 1967 in London geboren, arbeitete er jahrelang als politischer Korrespondent in Washington. Er ist Journalist und Kolumnist für den ›Guardian‹, schreibt regelmäßig für ›The New York Times‹ und ›The New York Review of Books‹. Für die BBC präsentiert er eine Radiosendung zur Zeitgeschichte, ›The Long View‹. Für seine Arbeit wurde er mehrfach ausgezeichnet. Er lebt mit seiner Frau und zwei Kindern in London Rainer Schmidt, geboren in Mülheim/Ruhr, lebt in Hamburg und Essen und übersetzt aus dem Englischen. Unter anderem übertrug er Romane von Donna Tartt, Frederick Forsyth, Mo Hayder, Chris Hammer und Justin Cronin ins Deutsche.
Interessant, informativ, gradlinig und unterhaltsam
Hier fügt sich alles zu einem Thriller der Extraklasse!
Hervorragend recherchiert konfrontiert er den Leser mit einem interessanten Thema. Wer also einen Thriller außerhalb der 0-8-15-Reihe lesen will, sollte unbedingt zu diesem Buch greifen.
Er hat sehr genau recherchiert und angesichts der Originalzitate, die er in den Roman einfließen lässt, gefriert uns das Blut in den Adern.
Ein noch nie behandeltes Kapitel der Zeitgeschichte, hochspannend erzählt.
Mit ›Intervention‹ gelang Guardian-Journalist Jonathan Freedland ein Thriller höchster Güte.
Geschrieben ist der Roman als Thriller, gut lesbar und der Leser bleibt genauso lange im Dunkeln wie der Protagonist.
Perfekt gezeichnete Figuren, ein kunstvoll konstruierter Plot und massenweise belegbare historische Hintergründe ergeben eine intelligente, extrem unterhaltsame Mischung.
Eins
Sie schmerzte ihn, diese Fahrt, sie quälte ihn, und doch kam er Tag für Tag wieder her, um sich zu peinigen. Jeden Morgen, ob der Himmel dunkel vom Regen war oder, wie heute, von sengender Sonne erfüllt, war James Zennor kurz nach Tagesanbruch hier auf dem Wasser und ruderte allein auf dem als Isis bekannten Abschnitt der Themse.
James liebte diese frühen Morgenstunden. Die Luft roch frisch, der Himmel war leer, alles war still. Eine Familie von Moorhühnern pütterte am Rand des Wassers entlang, aber auch sie gab keinen Laut von sich, als behielte sie ihre Ansichten genau wie er lieber für sich.
Das Boot glitt jetzt dahin, und die federnde Bewegung, mit der James’ Hände die Ruder so drehten, dass sie senkrecht ins Wasser tauchten, bevor sie waagerecht durch die Luft schnitten, verlief praktisch automatisch. Er schaute auf den Fluss, der im Sonnenlicht funkelte wie mit Juwelen besetzt. In solchen Augenblicken, wenn die wahre Anstrengung gerade erst angefangen hatte, wenn der Himmel blau war und die Luft eine kühle Liebkosung, konnte er fast vergessen, was mit seinem zerstörten Körper passiert war. Dann konnte er sich fast fühlen wie der Mann, der er einmal gewesen war.
Abgesehen von jenem einen schicksalhaften Jahr im Ausland kam er seit einem Jahrzehnt an diese Stelle – seit er Student gewesen war, dankbar für seinen Platz in seiner College-Mannschaft. Er war sogar Schlagmann für Oxford in einem Rennen gegen Cambridge gewesen, bis heute berühmt für seinen knappen Ausgang. Aber das war lange her. Heute kämpfte er nur noch gegen sich selbst.
Er schaute nach links und rechts, aber da war noch immer niemand unterwegs. In der Zeit des Vorlesungsbetriebs sah er um diese Zeit manchmal ein paar der ehrgeizigeren Crews auf dem Wasser, die für eine der Regatten trainierten – jüngere Männer, die ihn an sein eigenes jugendliches Ich erinnerten. James Zennor war noch keine dreißig. Aber er hatte so viel durchgemacht, dass er sich doppelt so alt fühlte.
Er blinzelte nach oben und genoss das Gefühl, sich blenden zu lassen. Dann richtete er den Blick wieder auf die Aufgabe, die vor ihm lag. Als seine Augen sich erholt hatten, konnte er die Bäume auf dem rechten Ufer erkennen; sie schirmten den Weg ab, den er und Florence so oft genommen hatten, vor Harrys Geburt und auch danach. James kam gern mit seinem Sohn hier herunter und stellte sich zärtlich vor, Harry könnte sich genauso in den Fluss verlieben wie er selbst als Junge, nur durch seine ständige Nähe. Aber seit ein paar Monaten war Harry nervös und klammerte sich ängstlich an die Hand seiner Mutter, wenn sie zu dicht ans Wasser herankamen. Das würde vorübergehen, da war James sicher. An Tagen wie heute schien alles möglich zu sein.
Er stellte sich vor, wie sein Sohn in diesem Augenblick aussah. In zwei Monaten wurde er drei, und jetzt schlief er bestimmt ganz tief und hielt mit einer Hand Snowy fest, den kleinen Eisbären, der ihn abends immer ins Bett begleitete. Genau so hatte James ihn heute Morgen gesehen, als er sich zu seinem Rudertraining hinausgeschlichen hatte. Was immer er und Florence sonst durchgemacht haben mochten, sie hatten zusammen ein wunderschönes Kind in die Welt gesetzt.
Als er sich jetzt der Schleuse von Iffley näherte und wendete, geschah das Unvermeidliche. Seine linke Schulter schmerzte. Der Schmerz war nicht weniger scharf, weil er vertraut war, brennend und stechend zugleich, als stoße man ihm mehrere dicke, weißglühende Nadeln in den Körper. Jeder Tag begann mit der Hoffnung, es werde diesmal anders sein, der Schmerz werde später kommen, oder überhaupt nicht. Heute, bei diesem perfekten Wetter, hatte diese Hoffnung noch heller gestrahlt als sonst. Aber als er jetzt auf die Folly Bridge zuruderte, wusste er, dass sich nichts geändert hatte.
Er versuchte, sich auf die kurzen, seligen Halbsekunden der Erleichterung zu konzentrieren, wenn die Ruderblätter über das schwere Wasser hinwegglitten: die Erholung vor dem Pull. Er versuchte, sich das kühle Wasser des Flusses vorzustellen, seine sanfte, lindernde Wirkung auf seine brennende Haut.
Jeder Pull presste ihm die Lunge zusammen, und seine Atemzüge klangen wie das Keuchen von jemandem in weiter Ferne, aber sein Herzklopfen war so laut wie ein Motor auf Hochtouren.
Das Boot schnitt durch das Wasser; der schlanke, schmale Bug teilte es lautlos. Er wusste, vom Ufer aus beobachtet würde die Bewegung mühelos aussehen. Gut eingespieltes Mannschaftsrudern sah immer so aus: menschliche Wesen, zu einer einzigen, kraftvollen Maschine verschmolzen, alle ihre Kräfte auf ein einziges Ziel gerichtet. Wenn man die richtigen Männer ausgesucht hatte, die stärksten und besten, leistete das Wasser scheinbar keinen Widerstand mehr.
Ein Einer sah selten so erfreulich aus; ein einzelner Mann konnte nicht den gleichen Schwung hervorbringen, nicht das gleiche Gefühl von Ordnung hervorrufen. James war sicher, dass sein eigenes Rudern besonders unelegant aussah. Seine ruinierte linke Schulter sorgte dafür. Der linke Arm, der jetzt für alle Zeit schwächer war als der rechte, konnte nicht mithalten, und die perfekte Symmetrie war unerreichbar. Vor seinem geistigen Auge sah er, wie sein Boot im Zickzack den Fluss hinunterschlingerte, auch wenn man ihm schon ein Dutzend Mal gesagt hatte, dass es nicht so war.
Er rang nach Luft und warf einen Blick nach vorn. Folly Bridge war in der Ferne gerade noch sichtbar. Wenn er dort angekommen wäre, hätte er die Strecke auf der Isis bis zur Schleuse und wieder zurück dreimal zurückgelegt, eine Distanz von viereinhalb Meilen. Sein Körper verlangte, dass er aufhörte. Sein übliches Morgenpensum hatte er bereits absolviert. Aber er musste an die Männer denken – Männer in seinem Alter oder jünger –, die auf dem Kontinent kämpften, an die Piloten, die sich bereithielten, den Himmel über England zu verteidigen und alles für das zu geben, was der neue Premierminister warnend als »Schlacht um England« bezeichnet hatte. Bei jedem Pull dachte er daran, wie kraftlos seine Anstrengungen im Vergleich zu den ihren waren. Wenn sie ihren Teil taten, dann konnte er wenigstens …
Aber plötzlich verschärfte sich der ewige Schulterschmerz so, als sei etwas gebrochen. Hatte sich da ein Knochensplitter gelöst? Die Qualen waren unbeschreiblich.
James presste die Zähne zusammen. Um sich abzulenken, zwang er sich, an das zu denken, was er gestern Abend im Rundfunk gehört hatte. Die Hauptnachrichten drehten sich nach wie vor um die Versenkung der französischen Flotte durch die Briten vor Algerien. Typisch Churchill war das. Anders als Chamberlain, dieser verdammte Trottel, hatte Churchill begriffen, dass hier kein Platz für Zauderer, keine Zeit für Artigkeiten war. Nachdem Paris erobert worden war, würden Frankreichs Schiffe in die Hände der Deutschen fallen, und da war es besser, sie allesamt zu zerstören. Die Franzosen sahen es allerdings nicht so; sie waren wütend, und die Vorwürfe rumorten immer noch.
Seine Schulter schickte Schockwellen der Pein durch den Körper, aber er achtete nicht darauf. Was war als Nächstes gekommen? Die BBC bemühte sich nach Möglichkeit, ihre Sendungen mit etwas Positivem zu beginnen, um die schlechten Nachrichten, die danach kamen, abzufedern. Welche bittere Pille hatte die Versenkung der französischen Flotte gestern Abend noch versüßen sollen? Die Schmerzen zerrten an seinen Nerven, aber er ließ sich nicht unterkriegen. Genau: die Kanalinseln. Sark hatte sich den Nazis ergeben, zwei Tage nach Alderney, und die Kanalinseln waren jetzt vollständig in deutscher Hand. Eine schockierende Vorstellung. Er war nie dort gewesen, aber er war an der englischen Südküste aufgewachsen und hatte immer gewusst, dass man mit der Fähre nach Jersey hinüberfahren konnte und die Menschen dort Englisch sprachen. Allein in den letzten paar Wochen war das Hakenkreuz über Norwegen, Frankreich, Belgien und Holland aufgezogen worden, und jetzt auch in einem kleinen Winkel von England. Hitler kam näher.
James zog die Ruder ein, ließ das Boot über das glatte Wasser gleiten und tat, wie er glaubte, einen Seufzer der Erleichterung. Erst als ein Schwarm Teichhühner wild aufflatterte, begriff er, dass er geschrien hatte. Ein Mann auf dem Leinpfad drehte sich erschrocken um und ging dann eilig davon.
James steuerte ans Ufer, so nah wie möglich am Bootshaus. Er stemmte sich hinaus auf trockenes Land und machte sich auf den schwierigsten Augenblick seines morgendlichen Trainings gefasst. Er bückte sich tief hinunter und packte die Leine am Bug, um das Skiff aus dem Wasser zu ziehen und auf seine gesunde Schulter zu heben. Eins, zwei, drei – und mit einer Anstrengung, bei der er am liebsten laut aufgeheult hätte, war das Boot draußen und auf seiner Schulter. Taumelnd legte er die paar Schritte ins Bootshaus zurück und legte das Skiff in sein Gestell.
Dann blieb er ein paar Augenblicke stehen, rang nach Atem und schaute zum Himmel hinauf, dessen prachtvolles Kornblumenblau ihm vorkam wie eine Lüge. Der Himmel über dem Königreich wurde zum Schlachtfeld, und in den Großstädten gellten jede Nacht die Luftschutzsirenen. Erst vor wenigen Nächten hatten deutsche Flugzeuge Cardiff bombardiert. Mit welchem Recht sah der Himmel jetzt so friedlich aus?
James ging zügig an den Bootshäusern der Colleges vorbei – St. John’s, Balliol, New und die anderen, jetzt allesamt verschlossen und wie ausgestorben. Auch wenn das eher auf die Universitätsferien als auf den Krieg zurückzuführen war, verfluchte er im Stillen noch einmal sein Schicksal.
Bei seinem Fahrrad angekommen, das er an einem...
Erscheint lt. Verlag | 20.2.2014 |
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Übersetzer | Rainer Schmidt |
Verlagsort | Frankfurt am Main |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | Churchill • England • Entführung • Eugenik • Oxford • Roosevelt • Spanischer Bürgerkrieg • USA • USA Kriegseintritt • Yale • Zennor • Zweiter Weltkrieg |
ISBN-10 | 3-10-402554-1 / 3104025541 |
ISBN-13 | 978-3-10-402554-4 / 9783104025544 |
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