Schwierige Patienten (eBook)

eBook Download: PDF
2014 | 1. Auflage
350 Seiten
Hogrefe AG (Verlag)
978-3-456-95121-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Schwierige Patienten -  Hans-Wolfgang Hoefert,  Martin Härter (Hrsg.)
Systemvoraussetzungen
26,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Wenn die Arzt-Patient-Beziehung schwierig wird 10 bis 20 % aller Patienten gelten bei Ärzten als 'schwierig', und dies aus unterschiedlichen Gründen: Patienten mit einer hohen Inanspruchnahme des Gesundheitssystems, die häufig den Arzt oder Therapeuten wechseln Patienten, die den Arzt durch ihre unklare Symptomlage verunsichern Patienten, deren Lebenslage, Alter, kultureller Hintergrund usw. von denen des Arztes abweicht Patienten, deren Persönlichkeit die Arzt-Patient-Beziehung belastet Patienten, die auf Grund eines anderen Krankheitsverständnisses mit dem Arzt um die richtige Interpretation ihrer Krankheit oder die angemessene Therapie ringen. Manchmal jedoch entstehen Schwierigkeiten aus der Arzt-Patient-Interaktion selbst, etwa dann, wenn wechselseitige Erwartungen nicht erfüllt oder soziale Regeln verletzt werden. Auch Ärzte selbst können 'schwierig' sein, so zum Beispiel aufgrund hoher Arbeitsbelastung oder eigener Voreinstellungen. Dieses Buch beschränkt sich aber nicht allein auf die Analyse von Schwierigkeiten in der therapeutischen Begegnung, sondern versucht darüber hinaus, konkrete Handlungshilfen für den Umgang mit 'schwierigen' Patienten anzubieten.

Inhaltsverzeichnis 6
Vorwort: Schwierige Patienten und schwierige Begegnungen mit Patienten. Hans-Wolfgang Hoefert und Martin Härter 8
1. Herausforderungen in der Arzt-Patient-Interaktion 18
Patienten mit nicht hinreichend erklärbaren Körperbeschwerden. Astrid Sonntag 20
Divergenz von „Krankheitstheorien“ zwischen Arzt und Patient. Hans-Wolfgang Hoefert 30
Narzisstische Patienten. Christoph Klotter 48
Der internetinformierte Patient – ein schwieriger Patient für das Gesundheitswesen. Christiane Eichenberg und Demetris Malberg 60
Patienten mit Präferenz für die komplementär-alternative Medizin. Hans-Wolfgang Hoefert 84
2. Schwierige Patienten in ausgewählten medizinischen Fachrichtungen 104
Schwierige Patienten in der Gastroenterologie. Hans-Wolfgang Hoefert 106
Schwierige Patientinnen in der Gynäkologie. Hans-Wolfgang Hoefert und Bernhard Uehleke 130
Schwierige psychisch erkrankte Patienten in Klinik und Praxis. Martin Lambert 150
Der „schwierige“ Patient in der Zahnmedizin. Daniel R. Reißmann und Guido Heydecke 168
„Schwierige“ Patienten aus Sicht der Pflege. Almut Hartenstein-Pinter 186
3. Schwierige Patienten in der Psychotherapie 202
Interaktionsschwierigkeiten im Therapieprozess bei Klienten mit narzisstischer und histrionischer Persönlichkeitsstörung. Rainer Sachse und Jana Fasbender 204
Patienten mit Krankheitsängsten und Hypochondrie. Michael Witthöft und Maria Gropalis 216
Patienten mit Suchtproblemen. Ingo Schäfer, Nena Kerkow und Martina Stubenvoll 232
4. Spezielle Patientengruppen 242
Patienten mit anderem kulturellen Hintergrund. Isaac Bermejo, Fabian Frank und Lars P. Hölzel 244
Adipöse Patienten. Christoph Klotter 260
Patienten mit demenziellen Erkrankungen im Krankenhaus. Klaus Wingenfeld und Thomas Kleina 274
Alte und demente Patienten in der ambulanten Versorgung. Eva Maria Neumann 284
5. Interventionsansätze zur Verbesserung der Arzt-Patient-Interaktion 298
Schwierige Ärzte. Harald Jurkat 300
Reflexionen über „schwierige“ Patienten am Beispiel der Balint-Gruppe. Matthias Elzer 312
Training kommunikativer Kompetenzen im Umgang mit schwierigen Patienten. André Karger 326
Partizipative Entscheidungsfindung mit Patienten. Miriam Körner und Linda Zimmermann 338
Autorinnen und Autoren 350

Patienten mit nicht hinreichend erklärbaren Körperbeschwerden
Astrid Sonntag

Einleitung

Die Gründe für organisch nicht hinreichend erklärbare Körperbeschwerden können vielfältig sein. Denkbar wäre eine rein psychische oder soziale Bedingtheit der Körperbeschwerden (zum Beispiel eine Persönlichkeitsstörung oder die simple Suche nach Zuwendung und Aufmerksamkeit), ein mitwirkender Einfluss psychosozialer Ursachen oder auch eine tatsächlich nicht entdeckte körperliche Ursache. Diese Bandbreite der Möglichkeiten bringt es mit sich, dass sich Patient und Arzt gedanklich an ganz unterschiedlichen Punkten dieses Kontinuums befinden und sich häufig nicht auf eine gemeinsame Sichtweise des Problems einigen können. In dieser Situation werden beide Seiten enttäuscht; jeder möchte gern, dass der andere doch sein Konzept über die Beschwerden übernehmen möge. Der Patient, welcher dem möglicherweise angemessenen Konzept des Arztes nicht erwartungsgemäß folgt, hinterlässt einen ansprüchlichen, unkooperativen und schwierigen Eindruck. Der Arzt, der es ablehnt, dem Krankheitskonzept des Patienten weiter nachzugehen, wird als inkompetent und uneinfühlsam bezeichnet. Naheliegenderweise wird dann ein nächster Arzt konsultiert oder der gleiche Arzt wiederholt mit neuen Darstellungen körperlicher Beschwerden konfrontiert. Patienten mit unklaren Körperbeschwerden nehmen das Gesundheitssystem vielfältig und kostenintensiv in Anspruch. Der Umgang mit ihnen erscheint als „nervig“ und „schwierig“. Im vorliegenden Kapitel wird überwiegend auf die Thematik der Mitbeteiligung psychischer und sozialer Gründe an unklaren Körperbeschwerden Bezug genommen. Dabei ist der Übergang von „psychischer Mitbeteiligung“ und dem Vorliegen psychiatrischer Auffälligkeiten bei Patienten fließend.

1. Begriffe

Körperliche Symptombilder, für die maßgeblich eine psychische Ursache, weniger oder gar nicht aber eine somatische Ursache vermutet wird, werden nicht einheitlich bezeichnet. Häufig verwendet werden die Begriffe „funktionelle“ oder „somatoforme“ Körperbeschwerden bzw. Störungen, wobei der Begriff „funktionelle Störung“ in der Praxis mehr akzeptiert zu sein scheint und häufig auch auf ein spezielles Organsystem bezogen wird (z.B. Reizdarmsyndrom oder Spannungskopfschmerz). „Somatoform“ bedeutet, dass der Patient eine körperliche Ursache für seine Symptome vermutet, diese aber nicht oder noch nicht nachweisbar ist. Bei der Wahl der Begriffe steht immer vor allem die Frage nach der organischen Erklärbarkeit der Beschwerden im Vordergrund, eine Frage, welche zumeist nicht vollständig aufklärbar ist. Einer solchen Diagnose ist daher eine gewisse Trostlosigkeit immanent. Dies hat zur Folge, dass schon allein die Begriffsverwendung Frustration auslöst. Man kann es daher als gesunden Impuls betrachten, eine derartige Diagnose (und damit allerdings auch psychische Ursachen) von sich zu weisen. Wer möchte schon etwas haben, bei dem man am Ende immer ratlos zurückbleibt.

Hauptcharakteristikum somatoformer Störungen ist die Darbietung körperlicher Symptome, die nicht adäquat auf der körperlichen Ebene begründet werden können. Es kann sich dabei um Körperbeschwerden handeln, für die überhaupt kein organisches Korrelat diagnostizierbar ist, oder auch um Körperbeschwerden, die nur unzureichend mit organischen Befunden erklärt werden können, wobei letzteres der häufigere Fall ist, da die technischen Methoden der Diagnostik gerade im Bereich bildgebender Verfahren und der genetischen Diagnostik sehr große Fortschritte genommen haben. Wiederum würde auch ein pathologischer Organbefund nicht sogleich das Vorhandensein einer psychischen Thematik bzw. einer funktionellen Störung ausschließen. Denn häufig bedingen und verstärken sich organische und somatoforme Störungen wechselseitig.

Entsprechend der Klassifikationssysteme ICD-10 und DSM-IV liegt eine somatoforme Störung vor, wenn eine oder mehrere Körperbeschwerden, für die kein hinreichendes organpathologisches Korrelat gefunden wird, über mindestens ein halbes Jahr andauern und zu einer Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit im Alltag führen (Dilling et al. 2011; Saß et al. 2011). Die Terminologie und die Kriterien der somatoformen Störung und ihrer Subkategorien sind umstritten und werden auch aktuell weiterentwickelt. In der Praxis findet dies Ausdruck in den sehr verschiedenen Klassifikationen der Patienten, die möglicherweise auch stark mit den Spezialisierungen der Ärzte und deren Erklärungsmodellen für das Beschwerdebild assoziiert sind.

Patienten mit einer somatoformen Störung sind überwiegend gegen eine psychische Erklärungsursache eingenommen und suchen wiederholt die Aufmerksamkeit des Arztes, häufig indem sie hartnäckig weitere medizinische Untersuchungen einfordern. Als wichtige Kriterien werden also eine längere Dauer der Beschwerden, die subjektive Beeinträchtigung des Befindens und eine spezifische subjektive Interpretation der Symptomatik durch den Patienten angesehen.

Der Begriff „Somatisieren“ beschreibt schlicht den vermehrten Ausdruck körperlicher Beschwerden. Historisch wurde der Begriff „Somatisierung“ aber benutzt, um die Ausbildung körperlicher Symptome bei unverarbeiteten psychischen Konflikten, quasi im Sinne eines Abwehrmechanismus zu bezeichnen. Diese ausschließliche Reduzierung unklarer körperlicher Beschwerden auf psychogene Ursachen ist nicht mehr aktuell und würde eher auf das eine Ende des Kontinuums abheben, an dem ausschließlich psychische Ursachen beim Patienten für die Körperbeschwerden angenommen werden.

Relevant in diesem Zusammenhang sind die Begriffe der „Konversionsstörung“ oder „dissoziativen Störung“, die sich auch im DSM-IV finden. Hier betreffen die Körperbeschwerden eine zeitweise fehlende Kontrolle der Willkürmotorik oder der Körperbewegungen, wie beispielsweise bei einer psychogenen Lähmung oder Gehstörung. Auch dabei lässt sich schwer feststellen, ob und in welchem Umfang der Funktionsverlust willkürlich vom Patienten kontrolliert werden kann. Der symbolische Gehalt des Funktionsverlustes im Sinne eines Konfliktausdruckes ist oftmals sehr offensichtlich und bei den Behandelnden entsteht der Eindruck, dass die psychische Verursachung quasi „auf der Hand liegt“. Gleichzeitig weisen die Patienten aber äußerst deutlich diese Vermutung von sich. Der Begriff „dissoziative Störung“ soll ausdrücken, dass es zu einer Aufspaltung des Erlebens bei den Patienten kommt und eben keine Verbindung der Körperbeschwerde mit dem psychischen Thema gesehen werden kann. Häufig besteht ein Zusammenhang zu traumatisierenden Erlebnissen oder unerträglichen Konflikten. Es wird angenommen, dass sich der Patient mit Hilfe der Dissoziation vor der Schwere der psychischen Belastung schützt und zunächst die Körperbeschwerden für ihn erträglicher erscheinen. Historisch betrachtet wurde diese Symptomatik unter dem Begriff „Hysterie“ zusammengefasst. Da der Begriff häufig „Hysterie“ inkorrekt und populärwissenschaftlich nicht beschreibend, sondern auch abwertend verwendet wird, versucht man von der fachlichen Verwendung des Begriffes Abstand zu nehmen. Differenzialdiagnostisch abzugrenzen sind vorrangig somatische Erkrankungen und somatische Aspekte im Kontext anderer psychischer Erkrankungen (Angst, Depression). Es besteht zudem eine hohe Komorbidität zwischen somatoformen Erkrankungen, Angststörungen und depressiven Syndromen (Fink et al. 2002).

Erscheint lt. Verlag 3.2.2014
Sprache deutsch
Themenwelt Medizin / Pharmazie Pflege
Medizin / Pharmazie Studium
Schlagworte Arzt-Patient-Beziehung • Gesundheit • Kommunikation • Persönlichkeit • Schwierige Patienten • Therapeut • Umgang • Versorgung • Verständnis
ISBN-10 3-456-95121-3 / 3456951213
ISBN-13 978-3-456-95121-8 / 9783456951218
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
Wie bewerten Sie den Artikel?
Bitte geben Sie Ihre Bewertung ein:
Bitte geben Sie Daten ein:
PDFPDF (Wasserzeichen)
Größe: 3,3 MB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: PDF (Portable Document Format)
Mit einem festen Seiten­layout eignet sich die PDF besonders für Fach­bücher mit Spalten, Tabellen und Abbild­ungen. Eine PDF kann auf fast allen Geräten ange­zeigt werden, ist aber für kleine Displays (Smart­phone, eReader) nur einge­schränkt geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür einen PDF-Viewer - z.B. den Adobe Reader oder Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür einen PDF-Viewer - z.B. die kostenlose Adobe Digital Editions-App.

Zusätzliches Feature: Online Lesen
Dieses eBook können Sie zusätzlich zum Download auch online im Webbrowser lesen.

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Das Lehrbuch für Pflegende in der Ausbildung

von Susanne Schewior-Popp; Franz Sitzmann; Lothar Ullrich

eBook Download (2020)
Thieme (Verlag)
79,99