Ave Vinum (eBook)

Kulinarischer Kriminalroman
eBook Download: EPUB
2014 | 2. Auflage
304 Seiten
Emons Verlag
978-3-86358-399-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Ave Vinum -  Carsten Sebastian Henn
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Nach einem schweren Unwetter steht das idyllische Ahrtal unter Wasser, doch für Sternekoch und Hobbydetektiv Julius Eichendorff kommt es noch schlimmer: Ein Toter wird ihm buchstäblich vor die Füße geschwemmt. Der Mann ist ertrunken. Aber nicht im Wasser. Sondern in Sangri-Ahr, der neuen Wein-Spezialität des Tals. Schnell wird klar: Julius' Verstand muss diesmal schärfer als ein japanisches Messer sein, um dem raffinierten Täter das Handwerk zu legen.

Carsten Sebastian Henn, Jahrgang 1973, ist Autor und Weinjournalist. Mit seiner 'Deutschen Wein-Entdeckungs-Gesellschaft' keltert C. S. Henn eigene Tropfen. Mehr Infos über ihn, seine Bücher und seine Weine gibt es auf seiner Website.

Carsten Sebastian Henn, Jahrgang 1973, ist Autor und Weinjournalist. Mit seiner "Deutschen Wein-Entdeckungs-Gesellschaft" keltert C. S. Henn eigene Tropfen. Mehr Infos über ihn, seine Bücher und seine Weine gibt es auf seiner Website.

2

Gemüsewasser

Der Abend in der »Alten Eiche« wurde lang, und Julius war beim Kochen nicht immer so konzentriert, wie er es sich gewünscht hätte. Seine Gedanken drehten sich mehr um Martin Schenk als um die rotfüßigen Rebhühner mit Trauben und Maronen vor ihm oder die Vogelmiere auf gegrilltem Mais, die dank Butterbröseln und Mohnschmelze auch völlig ohne Fleisch funktionierte. Julius wurde die Vorstellung dieses Mordes nicht mehr los: den Kopf gewaltsam in einen Sangria-Eimer gesteckt, verzweifelt um Luft und Raum kämpfend, und in dieser Enge sterben.

Die Polizei würde versuchen, Martin Schenks letzte Stunden zu rekonstruieren, minutengenau aufzuschlüsseln, mit wem er wo wann worüber gesprochen hatte. Sie würde akribisch vorgehen, genauer: Anna würde es tun. Aber sie stammte nicht aus dem Tal, verstand nicht wirklich, wie die Menschen hier tickten, musste immer erst herausfinden, wer mit wem wie verbandelt war oder ob man einander nicht ausstehen konnte. In Julius’ Kopf war dies dagegen alles gespeichert, denn seine mentale Festplatte war von Kindheit an mit allen möglichen wichtigen und unwichtigen Ahrtaler Infos gefüllt worden. Die nun, wie schon so oft, bei der Ergreifung eines Täters unentbehrlich sein konnten.

Die Vorwürfe von Josephine Schenk nagten an ihm. Hätte er auf dem Dernauer Weinfest nicht einfach den Mund halten können? Aber wurde man wirklich schuldig durch eine einzige dumme Bemerkung, die in neunundneunzig Komma neun Prozent der Fälle zu überhaupt nichts geführt hätte? Konnte man überhaupt für etwas verantwortlich sein, das nicht abzusehen war? Die Antwort war Nein und nochmals Nein.

Und doch.

Julius konnte sich von dieser Schuld nicht freimachen.

Hätte er ihm eine Anstellung in seinem Restaurant gegeben oder später zumindest seinen Mund gehalten, würde Martin Schenk jetzt noch leben. Das hieß: falls der Mord überhaupt etwas mit den Ballermann-Nächten im Bad Neuenahrer Kurpark zu tun hatte. Dabei sollte es häufig hoch hergehen, bis spät in die Nacht, auch Raufereien waren an der Tagesordnung. Aber ein Mord?

Plötzlich fiel ihm auf, dass er eine Vogelmiere in der Hand hielt – und FX ihn ansah, die Arme vor dem Brustkorb verschränkt.

»Stehst unter Drogen, Maestro?«

»Was? Nein!«

»Isses wegen dem Hochwasser? Weißt eigentlich schon, dass sie noch zwei weitere Leichen gefunden haben? Rebecca Laurent, siebenundzwanzig Jahre alt, eine Steuerfachgehilfin aus Sinzig, die wohl auf dem Nachhauseweg von den Fluten erfasst wurde, sowie ein gewisser Hubert Brecker, neunundachtzig Jahre, Rentner, der sein Zimmer im Keller hatte und im Schlaf ertrunken ist.«

Julius legte die Vogelmiere auf den gegrillten Maiskolben, obwohl dieser mittlerweile nicht mehr die richtige Temperatur hatte und so nicht mehr rausgehen konnte.

»Ist des jetzt der neue Schick?« FX deutete auf das Gericht. Julius hatte, ohne es zu merken, ein Kreuz mit den Kräutern gelegt – er leerte den Teller in den Mülleimer und begann das Gericht neu.

FX redete unverdrossen weiter. »Etliche Gäste kamen heut net pünktlich, weil sie den Umweg über die Grafschaft fahren mussten. Des wird auch noch eine ganze Weile so bleiben.« Er klopfte Julius auf den Rücken. »Willst deinen Rundgang machen? Ich glaub, die Gäste würden sich freuen.«

Julius lächelte, der alte Freund war manchmal sensibler, als er je zugeben würde. FX hatte genau gespürt, dass Julius eine Luftveränderung brauchte – und sei es nur von der Hitze der Küche zur perfekt eingestellten Temperatur des Gastraums. Ein bisschen hirnloser Small Talk, ein wenig Lob einstreichen. Doch Julius kam gar nicht dazu, alle zu begrüßen, denn plötzlich trat jemand ein, der seine ganze Aufmerksamkeit erforderte: Antoine Carême, Koch und Besitzer des »Frais Löhndorf«, der, aus der Normandie stammend, tiefere Wurzeln im Tal geschlagen hatte als sämtliche Reben zwischen Heimersheim und Altenahr.

Antoine sah gar nicht gut aus, die Augen wie gejagte Kaninchen hin- und herspringend, die Haut weiß wie Parboiled-Reis. Julius bugsierte ihn in Richtung einer Eckbank – und bestellte mit einem Handzeichen zwei Gläser Champagner. Selten wurde er seinem geliebten Ahrtal untreu, aber nichts half so schnell wieder auf die Beine wie ein großer Schluck französischer Aristokraten-Limo.

Sie tauschten drei französische Wangenküsse aus, bevor sie sich setzten. »Du isst doch eine Kleinigkeit, oder? Keine Widerworte, Antoine! Ohne lasse ich dich nicht gehen.«

Antoine schien zu schwach für Widerworte. »Dein Essen ist immer einen Freude.«

»Eifeler Reh mit karamellisierten Rüben und Steinpilzen oder lieber Steinbutt mit Kohlrabi, Speck und Rotweinbutter?«

»Was für schönen Klassiker aus deine Küche. Entscheid du, liebe Julius.«

»Dann von beidem eine kleine Portion, ja?« Er rief FX herbei und bestellte. Für sich selbst Felchenfilet vom Laacher See in Rieslingsauce mit Mangold und Kartöffelchen. An einem Tag mit so viel Wasser musste man schließlich Fisch essen.

Antoine faltete die Hände auf dem Tisch zusammen, als wolle er beten. »Ich brauche deinen Hilfe, Julius. Mein Verleger steht mir auf die Füßen. Mein neuen Kochbuch wird und wird nicht fertig.«

»Was ist denn diesmal das Thema? Wieder Kräuter? Oder Trüffel?«

»Gemüsen.«

»Nein, das ist jetzt nicht wahr, oder?«

»Doch, wieso? Was hast du gegen Gemüsen? Sehr gesund! Du musst einmal meinen Ofengemüse mit Gewürzaromen, Sommer-Trüffel, Wildkräuter und die Waldkresse-Vinaigrette probieren.« Jetzt kam wieder etwas vom alten Glanz in Antoines Augen. »Oder den Normandie-Poulardenbrust mit die Enten-Foie-Gras, Mangold und Waldlakritzsauce! Das mach ich mit die Wurzel vom Engelsüß.«

Julius nahm die Hand des alten Freundes. »Ich würde dir bei allem helfen, Antoine. Ja, ich würde sogar Pferde mit dir stehlen – und nicht nur, um Sauerbraten draus zu machen!« Er zwinkerte ihm zu. »Ich würde mich auch jede freie Minute mit dir in die Küche stellen, um gemeinsam Gemüserezepte auszutüfteln, und mein Name müsste dafür noch nicht mal in die Danksagungen.« Julius kam richtig in Fahrt. »Wenn du es auftischst, würde ich sogar fermentierte Heuschrecken oder Ameisenbrei essen. Aber ich kann dir leider nicht helfen.«

»Was? Wieso kannst du mir denn nicht bei die Buch unterstützen?«

»Weil ich auch eins schreiben muss.«

»Nein!«

»Doch.«

»Nein!«

»Doch.«

»Oh.«

Julius kam sich plötzlich vor wie in einem Louis-de-Funès-Film. Antoine zeigte derweil auf sein leeres Glas.

»Dann hätte ich gern noch einen Glas von die Champagner.«

»So soll es sein!« Julius goss ihre Gläser noch einmal voll. Er spürte den Alkohol schon. Junge, Junge, schoss das Zeug schnell in die Hirnwindungen. Musste am Kohlendioxid liegen, das funktionierte wie Raketentriebwerke in den Blutbahnen. Wie musste sich dann Antoine erst fühlen? Der Normanne war so klein, dass man ihm bei McDonald’s reflexartig das Kindermenü angeboten hätte – wenn er denn jemals einen Fuß in solch ein Etablissement setzen würde.

Sie stießen an.

»Was ist denn die Thema von deinen Buch?« Antoine nahm einen großen Schluck.

»Gemüse.«

Der Champagner wählte einen ungewöhnlichen Ausgang – er spritzte aus Antoines Nase. Der kleine Koch prustete vor Lachen. »Du nimmst mich in die Armen!«

»Du meinst auf. Aber in die Arme ist mir auch lieber. Es ist wirklich wahr. ›Meine heimische Gemüseküche‹ soll es heißen.«

Antoine hob sein leeres Glas. »Mach voll bis zu die Rand!«

Julius kam dem äußerst verständlichen Wunsch nach.

Nachdem Antoine getrunken hatte, schüttelte er ungläubig den Kopf. »Meins soll ›Das neue Eifeler Gemüseküche‹ heißen. Ach, guck mal! Mein klein Glas ist schon wieder leer. Muss einen Loch haben.«

»Das ist ja unerhört! Dafür werde ich den österreichischen Oberkellner auspeitschen lassen! Ist sowieso längst überfällig!«

Sie prosteten sich zu. Dann beugte Julius sich verschwörerisch vor. »Lass uns eine Wette abschließen, ja? Wer zuerst sein fertiges Manuskript beim Verlag abgibt …«

»… der bekommt das Restaurant von die anderen.« Antoine grinste breit.

»Nein, das ist zu viel.«

»Bekommt das Sommelier von die anderen? Die Maître d’hôtel? Ich bekomme dein FX

»Menschen als Wetteinsatz gehen nicht, sonst wäre FX schon lange nicht mehr hier.«

Antoine goss sich mürrisch sein Glas wieder voll. »Unseren Haustieren?«

»Ein Hund gegen zwei Katzen? Das wäre unfair.«

»Aber Rouen ist einen Trüffelhund! Sehr wertvoll!«

»Herr Bimmel ist eine Leberwurstkatze und Felix ein Thunfischkater. Sie finden beides immer, ganz egal, wo du es hinpackst.«

»Ich hab einen Idee! Oh, das ist einen großartigen Idee!«

»Sprich, mein roter … äh, französischer Bruder. Und trink noch mehr Feuerwasser mit mir!« Julius machte den Indianergruß.

»Die Name von die Restaurant. Wenn du gewinnst, darfst du meine ›Frais Löhndorf‹ umtaufen, und wenn ich, deinen ›Alte Eiche‹.«

Julius’ Kopf senkte und hob sich, was als Nicken interpretiert werden konnte. »Muss!«, sagte er. »Der Gewinner muss das Restaurant des Verlierers umtaufen. Ich hab dich übrigens unheimlich gern, Winnetou.«

»Winne-wer?«

»Tou! Win-ne-tou. Auch bekannt als Pierre der Brice. Ein berühmter Franzose. Prost!«

»Nicht in mein Frankreich.«

Sie...

Erscheint lt. Verlag 21.5.2014
Reihe/Serie Julius Eichendorff
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Ahrtal • Ballermann • Blitze • Currywurst • Krimi mit Humor • Kulinarisch • Kunst und Kultur • Natur • Schlager • Wein
ISBN-10 3-86358-399-X / 386358399X
ISBN-13 978-3-86358-399-6 / 9783863583996
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