Hass, Neid, Wahn (eBook)

Antiamerikanismus in den deutschen Medien
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2014 | 1. Auflage
409 Seiten
Campus Verlag
978-3-593-42263-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Hass, Neid, Wahn -  Tobias Jaecker
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Wildwestgebaren, Raubtierkapitalismus, Hollywoodschund - die Klage über vermeintlich typisch amerikanische Zustände ist in Deutschland verbreitet. Tobias Jaecker fragt nach den Ursachen, der Funktionsweise und den Auswirkungen des Antiamerikanismus. Er untersucht dazu mediale Kontroversen aus Politik, Wirtschaft und Kultur: von 9/11 über Obama bis zur Finanzkrise. Im Mittelpunkt der Analysen stehen die alltäglichen stereotypen Bilder, die in Zeitungsartikeln, Filmen und Popsongs, aber auch auf Zeitschriftencovern und in Karikaturen zum Vorschein kommen. Das Ergebnis führt eindringlich vor Augen, dass der Antiamerikanismus im 21. Jahrhundert als Welterklärungsmuster dient, um gesellschaftliche Umbrüche und Missstände scheinbar schlüssig zu deuten. Er kann sich so zu einer gefährlichen Ideologie verdichten.

Tobias Jaecker, Dr. phil., ist Kommunikationswissenschaftler, Politikwissenschaftler und Historiker. Er arbeitet als Redakteur beim RBB-Hörfunkprogramm Radioeins.

Tobias Jaecker, Dr. phil., ist Kommunikationswissenschaftler, Politikwissenschaftler und Historiker. Er arbeitet als Redakteur beim RBB-Hörfunkprogramm Radioeins.

Inhalt 6
Dank 10
1. Einleitung 12
1.1 Kontroversen und Leerstellen: Der Forschungsstand 14
1.2 Fragestellung und Vorgehen 22
Zum Diskursbegriff 26
Stereotype und Deutungsmuster 29
Kritische Diskursanalyse 31
Aufbau des Buches 34
2. Der antiamerikanische Diskurs 38
2.1 Politik 38
»Das passiert nicht ohne Grund«: Die Anschläge vom 11. September 38
»Selbst gemacht«: Die 9/11-Verschwörung 41
»Antideutsche Drohkulisse«: Donald Rumsfelds »neues Europa« 51
»Am amerikanischen Wesen soll die Welt genesen«: US-Außenpolitik 57
»Als Hitler mit Hitler vergolten wurde«: Deutschland im Bombenkrieg 64
»Demokratischer Faschismus«: Die amerikanische Öffentlichkeit 68
»Der Colt als Leitkultur«: Amokläufe in den USA 71
»Wildwest-Justiz«: Das amerikanische Rechtssystem 75
»Missionierender Irrer«: US-Präsident George W. Bush 79
»Die Macht der ›Kosher Nostra‹«: Die Israel-Lobby 84
»Das andere Amerika«: Michael Moore & Co.
»Barack, Obama uns!«: Die Präsidentschaftswahl 2008 95
»Wie viel Bush steckt in Obama?«: Barack Obama als Präsident 100
Detailanalyse: Der Spiegel-Artikel »Wie man Terroristen fördert« 104
Resümee 126
2.2 Wirtschaft 131
»Amerikanisierung der Welt«: Globalisierung und Neoliberalismus 131
»Die Schock-Strategie«: Wirtschaftsreformen à la USA 135
»Tanz um das Goldene Kalb«: Die Finanzkrise ab 2008 138
»Eine Nation von Zockern«: Die amerikanische Lebensweise 144
»Jüdischer Gangster«: Der Milliardenbetrüger Bernard Madoff 149
»Raubtierkapitalismus«: Das amerikanische Wirtschaftssystem 151
»Heuschrecken jagen nach Futter«: US-Finanzinvestoren 157
»Amerikanische Krankheit«: Die Opel-Krise 164
»Invasion uniformer Kunstgesöffe«: Amerikanische Weine 167
»Digitaler Imperialismus«: Der US-Konzern Google 169
»Eskapaden der Holocaust-Industrie«: Haim Saban, Sat.1 & Co.
Detailanalyse: Der TV-Film »Tatort: Tod einer Heuschrecke« 176
Resümee 195
2.3 Kultur 199
»Massenvernichtungswaffe«: Amerikanische »Kulturprodukte« 199
»McKultur«: McDonald’s & Co. in Berlin-Kreuzberg
»Fett und hässlich«: Amerikaner und ihre Ernährung 206
»Kult der Blödheit«: Das amerikanische Bildungssystem 210
»Schöner Lügen«: Die Umgangsformen der Amerikaner 211
»Amerikanisierung des Unbewussten«: Hollywood-Filme und -Serien 214
»Mehr Schein als Sein«: Sport in den USA 219
»Sprechen wie Micky-Maus«: Die Anglisierung der deutschen Sprache 222
»Allmacht des amerikanischen Kulturimperialismus«: US-Popmusik 227
»Wegwerfästhetik«: Die Berliner US-Botschaft 228
»Ohne Leben«: Städte und Landschaften in Amerika 231
Detailanalyse: Der Videoclip »Amerika« von Rammstein 236
Resümee 260
3. Elemente des Antiamerikanismus 263
3.1 Strukturprinzipien 264
Dualismus 264
Projektion 269
Selbstaufwertung 273
Verschwörungsdenken 276
3.2 Erscheinungsformen 280
Vorurteil 280
Ressentiment 285
Weltanschauung 288
Ideologie 291
3.3 Besonderheiten in Politik, Wirtschaft und Kultur 300
4. Rückblick: Antiamerikanismus seit 1492 304
4.1 Die Anfänge 304
4.2 Das 19. Jahrhundert 307
4.3 Weimarer Republik und NS-Zeit 319
4.4 Von 1945 bis zur Jahrtausendwende 330
5. Antiamerikanismus und Gesellschaft 341
5.1 Das Unbehagen im entgrenzten Kapitalismus 342
5.2 Amerika als Symbol 347
5.3 Antiamerikanismus und Nationalismus 352
5.4 Antiamerikanismus und Antisemitismus 358
5.5 Die konformistische Rebellion 365
6. Antiamerikanismus heute: Sechs Thesen 372
Abbildungen 378
Quellen 380
Literatur 392

1. Einleitung

'USA aufs Maul' - 'raus aus 36'. Diese Graffiti prangen an der Fassade eines kleinen Cafés zwischen Görlitzer Park und Landwehrkanal im Berliner Szeneviertel Kreuzberg 36. Und: 'fart cafe, shit cake, fuck off'.

Es ist ein Tag im August 2011. Im Gastraum steht Kris Schackman hinter der Theke. Der 35-Jährige kommt ursprünglich aus New York. Das Café hat er ein halbes Jahr zuvor mit einer Freundin eröffnet. Es gibt Torten, Tees und selbstgerösteten Bohnenkaffee. Auf die Frage nach den Graffiti reagiert Schackman ratlos: 'Ich bin doch nicht die USA.' Er erzählt, dass die Fassade bereits mehrmals beschmiert wurde. Mit Sprüchen wie 'Tourist Fick', 'Pissladen' und 'Kill USA'. Der Eingangsbereich sei eines Morgens mit einer klebrigen Masse aus Eiern und Zucker verschmutzt gewesen. Schackman sagt, dass man ihn für die steigenden Mieten im Bezirk verantwortlich mache: 'Aber ich kann doch auch nichts dafür. Ich habe den Laden nur gemietet. Es ist nicht mal eine Kette.' Und wie zur Entschuldigung: 'Ein Kaffee kostet bei uns gerade mal 1,50 Euro. Das ist weniger als in den meisten anderen Läden in der Gegend hier.' Dann sagt er noch, dass Kreuzberg ja eigentlich als liberal gelte. 'Aber die Leute, die diese Graffiti sprühen, sind so hasserfüllt.'

Oberflächlich betrachtet ist es der Unmut über die Gentrifizierung, der sich hier Bahn bricht. Unmut über die schleichende Aufwertung eines Stadtteils, in dem sich einkommensschwache Anwohner das Leben kaum noch leisten können. Doch warum werden die USA oder gar ein junger Amerikaner für diese Entwicklung verantwortlich gemacht?

Über Amerika und dessen Einfluss in der Welt wird in Deutschland heftig gestritten. Ein Antiamerikanismus, der sich wie hier geschildert gegen Objekte oder einzelne Amerikaner richtet, stellt dabei die Ausnahme dar. In der öffentlichen Debatte zeigt er sich dafür umso offener. In Zeitungen, in Funk und Fernsehen, im Internet. Von links bis rechts, quer durch die Gesellschaft. Antiamerikanische Meinungen sind breit akzeptiert - selbst unter Menschen, die sich als fortschrittlich verstehen. Auch wenn das die Meisten weit von sich weisen. Antiamerikanismus? Wer das Thema heute anspricht, bekommt oft zu hören: Das war doch nur eine Folge der politischen Sünden von US-Präsident Georg W. Bush. Den haben die USA kräftig selbst befeuert: mit dem Irak-Krieg, Guantanamo, Abu Ghraib.

Als ich im Jahr 2007 mit der Arbeit an diesem Buch begonnen habe, war Bush noch im Amt - und die antiamerikanische Stimmung auf einem Höhepunkt. Die Frage, wie sich dies nach einem Regierungswechsel entwickeln würde, versprach spannend zu werden. Obgleich die Politik nur einen Aspekt darstellt. Weniger beachtet ist, dass sich der Antiamerikanismus auch im Zusammenhang mit wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklungen zeigt. Vor allem in Zeiten gesellschaftlicher Umbrüche und Krisen. Zeiten der Unsicherheit und Angst, in denen viele Menschen nach Hintergründen, Verantwortlichen oder Schuldigen fragen. Die Terroranschläge vom 11. September 2001 markieren den Beginn einer solchen Phase. Der US-geführte 'War on Terror', die internationale Finanz- und Wirtschaftskrise ab 2008, aber auch kulturelle Veränderungen durch das Internet haben den Beginn des neuen Jahrhunderts geprägt.

Ziel dieser Untersuchung ist es, die Elemente und Erscheinungsformen des Antiamerikanismus im medialen Diskurs in Deutschland aufzuzeigen und so zu einer besseren Erklärung des Phänomens beizutragen. Die Analyse umfasst vielfältige Medienformen: Zeitungs- und Online-Texte, Sachbücher, Hörfunk- und TV-Beiträge, aber auch Zeitschriftencover, Karikaturen, TV-Filme und Musikvideos. Ein Schwerpunkt liegt auf der Frage, wie der Antiamerikanismus auf der diskursiven Ebene funktioniert - und welche Funktion er für die Individuen und in der Gesellschaft erfüllt.

Um dem verbreiteten Einwand zu begegnen, der Antiamerikanismus stelle nur eine (legitime) Reaktion auf die US-Politik dar, werde ich den Diskurs zunächst getrennt in Bezug auf politische, wirtschaftliche und kulturelle Themen analysieren. So kann ich anschließend herausarbeiten, in welchen inhaltlichen Zusammenhängen der Antiamerikanismus am stärksten ausgeprägt ist und in welcher Form er sich dort zeigt. Der Untersuchungszeitraum umfasst das erste Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts, also die Jahre 2001 bis 2010. Es geht dabei ausschließlich um den medialen Diskurs in Deutschland. So kommen auch einige landesspezifische Besonderheiten in den Blick - obgleich dies mitnichten heißen soll, dass der Antiamerikanismus nur ein deutsches Problem darstellt.

1.1 Kontroversen und Leerstellen: Der Forschungsstand

Seit der Jahrtausendwende wird der Antiamerikanismus in der Wissenschaft breit diskutiert - motiviert nicht zuletzt durch die wohl heftigste antiamerikanische Tat der Moderne, die Terroranschläge vom 11. September 2001, sowie deren weltpolitische Folgen. Neuere Länder- und Vergleichsstudien bringen dabei starke Belege für einen weltweiten Aufschwung des Antiamerikanismus. In Bezug auf Deutschland zeigt der Historiker Dan Diner in seinem Essay Feindbild Amerika. Über die Beständigkeit eines Ressentiments (2002), dass der Antiamerikanismus eine lange Geschichte hat. Er zeichnet die Entwicklung von der Aufklärung bis zum Ende des 20. Jahrhunderts nach und diskutiert abschließend kursorisch die Zeit nach dem 11. September. Diner sieht im Antiamerikanismus das 'Ergebnis einer verschrobenen Welterklärung', in der 'Amerika immer wieder als Ursprung und Quelle aller nur möglichen Übel identifiziert' werde. Historisch sei der deutsche Antiamerikanismus auch Ausdruck einer verbreiteten antiwestlichen Einstellung. In vielerlei Hinsicht ähnele er zudem dem Antisemitismus: beide Phänomene seien 'weltanschaulich gehaltene Reaktionen auf die Moderne'. In Deutschland sitze das 'antiamerikanische Ressentiment' dabei 'tiefer [...] als anderswo in Europa', was vor allem mit tief verankerten anti-westlichen Traditionen sowie mit der militärischen Niederlage im Ersten und Zweiten Weltkrieg zu erklären sei.

Erscheint lt. Verlag 13.2.2014
Zusatzinfo 40, teils farbige Abb.
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Sozialwissenschaften Kommunikation / Medien Medienwissenschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte 9/11 • Amerika • Amerikanisierung • Diskursanalyse • Feindbild • Ideologie • Medienanalyse • Nationalismus • Stereoptype • USA
ISBN-10 3-593-42263-8 / 3593422638
ISBN-13 978-3-593-42263-3 / 9783593422633
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