Totgeglaubte leben länger (eBook)

Roman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2014 | 1. Auflage
432 Seiten
Blessing (Verlag)
978-3-641-13828-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Totgeglaubte leben länger -  Kathy Reichs
Systemvoraussetzungen
9,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Tempe Brennans 8. Fall
Die Leiche eines zwielichtigen Importeurs beschert Tempe Brennan Überstunden im Labor. Die Schusswunde am Kopf deutet auf Selbstmord hin, doch die Gerichtsmedizinerin kann ein Gewaltverbrechen nicht ausschließen. Ihre Untersuchungen nehmen eine unerwartete Wendung, als ein Fremder ihr das Foto eines uralten Skeletts aus Israel zusteckt und beteuert, es sei der Schlüssel zum Tod des streng religiösen Mannes. So stößt Tempe auf ein abgründiges Geheimnis, das älter ist als die Bibel ...

Kathy Reichs, geboren in Chicago, lebt in Charlotte und Montreal. Sie ist Professorin für Soziologie und Anthropologie, eine von nur knapp hundert vom American Board of Forensics Anthropology zertifizierte forensischen Anthropolog*innen und unter anderem für gerichtsmedizinische Institute in Quebec und North Carolina tätig. Ihre Romane erreichen regelmäßig Spitzenplätze auf internationalen und deutschen Bestsellerlisten und wurden in dreißig Sprachen übersetzt. Für den ersten Band ihrer Tempe-Brennan-Reihe wurde sie 1998 mit dem Arthur Ellis Award ausgezeichnet. Die darauf basierende Serie »BONES - Die Knochenjägerin« wurde von Reichs mitkreiert und -produziert.

1


Nach einem Osteressen aus Schinken, Erbsen und Kartoffelbrei klaute Charles »Le Cowboy« Bellemare seiner Schwester einen Zwanziger, fuhr zu einem Crack-Haus in Verdun und verschwand.

In diesem Sommer wurde das Haus für teures Geld verkauft. Im Winter ärgerten sich die neuen Besitzer über den schlechten Abzug ihres Kamins. Am Montag, den siebten Februar, öffnete der Herr des Hauses den Rauchfang und stocherte mit einem Rechenstiel nach oben. Ein vertrocknetes Bein fiel in den Aschekasten.

Papa rief die Polizei. Die Polizei rief die Feuerwehr und das Bureau du coroner. Der Coroner, der Leichenbeschauer also, rief das forensische Institut an. Pelletier bekam den Fall.

Pelletier und zwei seiner Techniker standen binnen einer Stunde nach Entdeckung des Beins auf dem Rasen. Zu sagen, dass große Verwirrung herrschte, wäre ungefähr so, als würde man den D-Day als hektisch bezeichnen. Entrüsteter Vater. Hysterische Mutter. Überdrehte Kinder. Neugierige Nachbarn. Verärgerte Polizisten. Ratlose Feuerwehrmänner.

Dr. Jean Pelletier ist der älteste und ranghöchste der fünf Pathologen am Laboratoire de Sciences Judiciaires et de Médecine Légale, Quebecs zentrales forensisches und gerichtsmedizinisches Institut. Er hat schlechte Gelenke und schlechte Zähne und null Toleranz, was die Vergeudung seiner knappen Zeit angeht. Er warf nur einen Blick auf die Szene und bestellte eine Abrissbirne.

Die Außenwand des Kamins wurde pulverisiert. Eine gut durchgeräucherte Leiche wurde herausgezogen, auf eine Bahre geschnallt und in unser Institut gebracht.

Am nächsten Tag warf Pelletier auch auf die Überreste nur einen kurzen Blick und sagte: »Ossements.« Knochen.

Auftritt meiner Wenigkeit, Dr. Temperance Brennan, forensische Anthropologin für North Carolina und Quebec. La Belle Province und Dixie? Eine lange Geschichte, die anfängt mit einem Fakultätsaustausch zwischen meiner Heimatuniversität UNC-Charlotte und der McGill in Montreal. Als das Austauschjahr zu Ende war, ging ich wieder in den Süden, arbeitete aber weiter als externe Beraterin für das Institut in Montreal. Ein Jahrzehnt später pendle ich noch immer zwischen beiden Orten hin und her und dürfte inzwischen, was Bonusmeilen für Vielflieger angeht, auf der Rangliste ziemlich weit oben stehen.

Pelletiers demande dexpertise en anthropologie lag auf meinem Schreibtisch, als ich für meinen Februar-Turnus in Montreal eintraf.

Inzwischen war es Mittwoch, der sechzehnte Februar, und die Knochen aus dem Kamin bildeten auf meinem Arbeitstisch ein komplettes Skelett. Obwohl das Opfer kein Freund regelmäßiger Kontrolluntersuchungen gewesen war, was einen Vergleich des Gebisses mit zahnärztlichen Unterlagen ausschloss, deuteten alle skelettalen Indikatoren auf Bellemare hin. Alters –, Geschlechts –, Abstammungs- und Größenschätzungen sagten mir, neben zwei Stahlstiften im rechten Schien- und Wadenbein, dass ich den lange vermissten Cowboy vor mir hatte.

Abgesehen von einem Haarriss an der Schädelbasis, der wahrscheinlich von dem ungeplanten Sturz in den Kamin herrührte, fand ich keine Hinweise auf äußere Verletzungen.

Ich überlegte mir gerade, wie und warum ein Mann auf ein Dach klettert und dann in einen Kamin fällt, als das Telefon klingelte.

»Wie es aussieht, brauche ich Ihre Unterstützung,Temperance.« Nur Pierre LaManche nannte mich bei meinem vollen Namen, den er auf der letzten Silbe betonte, so dass er sich auf »La France« reimte. LaManche hatte sich selbst einen Kadaver zugewiesen, der, wie ich vermutete, Verwesungserscheinungen aufwies.

»Fortgeschrittene Fäulnis?«

»Oui.« Mein Chef hielt kurz inne. »Und andere komplizierende Faktoren.«

»Komplizierende Faktoren?«

»Katzen.«

O Mann.

»Ich bin gleich unten.«

Nachdem ich den Bellemare-Bericht auf einer Diskette abgespeichert hatte, verließ ich mein Labor, ging durch die Glastüren, die die rechtsmedizinische Abteilung vom Rest der Etage abtrennen, bog in einen Nebenkorridor ein und drückte auf den Knopf neben einem einzelnen Fahrstuhl. Zugänglich nur von den beiden gesicherten Etagen des LSJML und vom Büro des Leichenbeschauers, hat dieser Lift nur ein einziges Ziel: die Leichenhalle.

Während ich in den Keller hinunterfuhr, wiederholte ich im Geiste noch einmal, was ich bei der Personalbesprechung an diesem Morgen erfahren hatte.

Avram Ferris, ein sechsundfünfzigjähriger orthodoxer Jude, war eine Woche zuvor verschwunden. Gestern am späten Nachmittag war Ferris’ Leiche in einer Abstellkammer im Obergeschoss seines Geschäftsgebäudes entdeckt worden. Keine Hinweise auf einen Einbruch. Keine Hinweise auf einen Kampf. Die Angestellte sagte, er habe sich in letzter Zeit merkwürdig verhalten.Tod durch einen selbst zugefügten Pistolenschuss lautete die Einschätzung vor Ort. Die Familie des Opfers beharrte jedoch stur darauf, dass ein Selbstmord ausgeschlossen sei.

Der Coroner hatte eine Autopsie angeordnet. Ferris’ Verwandte und der Rabbi hatten dagegen Einspruch erhoben. Die Verhandlungen waren ziemlich hitzig verlaufen.

Ich sollte nun gleich den Kompromiss sehen, den man erreicht hatte.

Und das, was die Katzen angerichtet hatten.

Vom Aufzug aus ging ich nach links und dann nach rechts auf die Leichenhalle zu. Als ich mich der äußeren Tür des Autopsieflügels näherte, hörte ich Geräusche aus dem Familienzimmer, einer tristen, kleinen Kammer, die für diejenigen reserviert war, die man für eine Identifikation der Toten einbestellt hatte.

Leises Schluchzen. Eine Frauenstimme.

Ich stellte mir den trostlosen kleinen Raum mit seinen Plastikpflanzen und Plastikstühlen und dem diskret mit einem Vorhang verhängten Fenster vor und spürte den üblichen Schmerz. Wir im LSJML machen keine Krankenhausautopsien. Keine Leberzirrhose im Endstadium. Kein Pankreaskrebs. Wir treten in Aktion bei Mord, Selbstmord, Unfällen und plötzlichen und unerwarteten Todesfällen. Im Familienzimmer warten diejenigen, die eben vom Undenkbaren und Unvorhergesehenen überfallen wurden. Deren Kummer rührt mich immer.

Ich zog eine hellblaue Tür auf und lief einen schmalen Korridor entlang, vorbei an Computerterminals, Trockengestellen und Edelstahlrollbahren zu meiner Rechten und weiteren blauen Türen zu meiner Linken, alle mit der Aufschrift SALLE D’AUTOPSIE. Vor der vierten Tür atmete ich einmal tief durch und trat dann ein.

Neben den Skelettierten bekomme ich die Verbrannten, die Mumifizierten, die Verstümmelten und die Verfaulten. Meine Aufgabe ist es, die Identität zu rekonstruieren, die der Tod ausgelöscht hat. Saal vier benutze ich ziemlich häufig, weil er mit einem speziellen Belüftungssystem ausgestattet ist. An diesem Morgen hatte das System gegen den Fäulnisgestank kaum eine Chance.

Einige Autopsien finden vor leerem Haus statt. Andere ziehen Publikum förmlich an. Trotz des Gestanks gab es bei Avram Ferris’ Autopsie nur Stehplätze.

LaManche. Lisa, seine Autopsietechnikerin. Zwei uniformierte Beamte. Ein Detective der Sûreté du Québec, den ich nicht kannte. Ein großer Kerl, sommersprossig und blasser als Tofu.

Ein SQ-Detective, den ich kannte. O Mann. Andrew Ryan. Eins sechsundachtzig. Sandblonde Haare. Wikingerblaue Augen.

Wir nickten einander zu. Ryan der Bulle. Tempe die Anthropologin.

Als wären die offiziellen Teilnehmer nicht schon zahlreich genug, bildeten auch noch vier Laien hinter der Leiche eine Mauer der Missbilligung.

Ich musterte sie schnell. Lauter Männer. Zwei Mittfünfziger, die beiden anderen vermutlich Ende sechzig. Dunkle Haare. Brillen. Bärte.Yarmulken.

Die Wand betrachtete mich abschätzend. Acht Hände blieben hinter vier steifen Rücken gefaltet.

LaManche zog seine Atemmaske herunter und stellte mich dem Beobachterquartett vor.

»In Anbetracht des Zustandes von Mr. Ferris’ Leiche ist ein Anthropologe erforderlich.«

Vier verständnislose Blicke.

»Dr. Brennans Fachgebiet ist skelettale Anatomie.« LaManche sprach Englisch. »Sie ist, was Ihre speziellen Anforderungen angeht, vollständig im Bilde.«

Abgesehen von der sorgfältigen Aufbewahrung auch der geringsten Mengen von Blut und Gewebe, hatte ich keine Ahnung von den speziellen Anforderungen dieser Männer.

»Mein tief empfundenes Bedauern über Ihren Verlust«, sagte ich und drückte mir mein Klemmbrett an die Brust.

Vier Köpfe nickten melancholisch.

Ihr Verlust lag in der Bühnenmitte, mit einer Plastikplane zwischen Leiche und Edelstahl. Auf dem Boden unter und um den Tisch herum waren weitere Planen ausgebreitet. Leere Wannen, Gläser und Röhrchen standen auf einem Rollwagen bereit.

Die Leiche war ausgezogen und gewaschen, doch es war noch kein einziger Schnitt gesetzt worden. Zwei Papiertüten lagen platt gedrückt auf der Arbeitstheke. Ich nahm an, dass LaManche seine äußerliche Untersuchung bereits abgeschlossen hatte, darunter auch die Suche nach Schmauchspuren und anderen Indizien an Ferris’ Händen.

Acht Augen verfolgten mich, als ich zu dem Verstorbenen ging. Beobachter Nummer vier faltete nun seine Hände vor den Genitalien.

Avram Ferris sah nicht aus, als wäre er erst letzte Woche gestorben. Er sah aus, als wäre er während der Clinton-Ära gestorben. Seine Augen waren schwarz, die Zunge purpurn, die Haut oliv- und auberginefarben gesprenkelt. Sein Bauch war aufgebläht, sein Hodensack drall wie ein Wasserball.

Ich schaute Ryan fragend an.

»Die Temperatur in der Abstellkammer lag bei zweiundneunzig Fahrenheit«, sagte er.

»Warum so heiß?«

»Wir gehen davon aus, dass die Katzen ans Thermostat...

Erscheint lt. Verlag 27.1.2014
Reihe/Serie Die Tempe-Brennan-Romane
Übersetzer Klaus Berr
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel Cross Bones
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Anthropologin • brennan • Christentum • eBooks • Forensik • Glaube • Judentum • Krimi • Kriminalromane • Krimis • Mord • Reihe • Roman • Spannung • Tempe Brennan • Temperance • Thriller
ISBN-10 3-641-13828-0 / 3641138280
ISBN-13 978-3-641-13828-8 / 9783641138288
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
Wie bewerten Sie den Artikel?
Bitte geben Sie Ihre Bewertung ein:
Bitte geben Sie Daten ein:
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 2,8 MB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Psychothriller

von Sebastian Fitzek

eBook Download (2022)
Verlagsgruppe Droemer Knaur
9,99
Krimi

von Jens Waschke

eBook Download (2023)
Lehmanns Media (Verlag)
9,99
Psychothriller | SPIEGEL Bestseller | Der musikalische Psychothriller …

von Sebastian Fitzek

eBook Download (2021)
Verlagsgruppe Droemer Knaur
9,99