Die Gefährten (eBook)
544 Seiten
Blanvalet (Verlag)
978-3-641-13161-6 (ISBN)
R. A. Salvatore wurde 1959 in Massachusetts geboren, wo er auch heute noch lebt. Bereits sein erster Roman »Der gesprungene Kristall« machte ihn bekannt und legte den Grundstein zu seiner weltweit beliebten Romanserie um den Dunkelelf Drizzt Do´Urden. Die Fans lieben Salvatores Bücher vor allem wegen seiner plastischen Schilderungen von Kampfhandlungen.
Das Jahr des Ersten Kreises (1468 DR)
Nesseril
Ein staubiger Sonnenuntergang bemalte den Himmel im Westen mit Streifen von Rosa und Orange, die über der endlosen Ebene hingen. Sie erinnerten daran, dass diese Gegend noch vor gar nicht langer Zeit eine endlose magische Wüste gewesen war, die Anauroch. Erst die Ankunft des Schattens und die anschließende Heimsuchung durch die große Zauberpest hatten diese Region von Toril ein Stück weit verändert. Doch der störrische Zauber der Ödnis über der Anauroch hatte sich nicht so leicht hinwegfegen lassen. Inzwischen regnete es zwar etwas häufiger, die Vegetation war dichter geworden, und der wandernde weiße Sand hatte dort, wo sich Pflanzen festsetzten, einen schmutzigen, erdfarbenen Ton angenommen.
Doch der ganz gewöhnliche Dunst des Sonnenuntergangs diente den neuen Bewohnern dieser Gegend, insbesondere den Nesserern aus der Enklave der Schatten, als Warnung, dass der Zustand von einst eines Tages wiederkehren könnte. Die nicht sesshaften Beduinen hingegen erinnerten sich bei diesem Anblick an ihre Überlieferungen und an das Leben ihrer Vorfahren, ehe ihre angestammte Heimat sich so sehr verändert hatte.
Die zwei Shadovar-Gesandten, die westwärts über die Ebene ritten, würdigten den Sonnenuntergang jedoch kaum eines Blickes und maßen dem Farbschauspiel keinerlei tiefere Bedeutung bei. Ihre monatelange Mühe schien endlich Früchte zu tragen, sodass sie nur Augen für den vor ihnen liegenden Weg hatten.
»Warum sollte überhaupt jemand hier draußen leben wollen?«, fragte Untaris, der größere der beiden, der gern als die Hand für Alpirs’ Kopf bezeichnet wurde. »Gras und Wind, Sandstürme, Phaerimm, Asabi und andere Monster.« Der kräftige Schattenkrieger auf dem gescheckten Pferd schüttelte den Kopf und spuckte aus.
Alpirs De’Noutess lachte, ohne zu widersprechen. »Die Beduinen lassen sich vom Stolz auf ihre Traditionen blenden.«
»Sie verstehen nicht, dass die Welt sich verändert hat«, sagte Untaris.
»Oh doch, mein Freund, das tun sie«, erwiderte Alpirs. »Was sie nicht begreifen, ist, dass sie nichts dagegen tun können. Ihnen bleibt nichts anderes übrig, als Nesseril zu dienen, aber manche – wie die Desai, die vor uns lagern – glauben, wenn sie sich nur weit genug von den zivilisierten Städten Nesserils fernhalten und bei ihren Löwen und Phaerimm bleiben, nehmen wir vielleicht gar nicht groß Notiz von ihnen.« Er lachte kurz auf. »Womit sie meistens recht haben.«
»Aber jetzt nicht mehr«, erklärte Untaris.
»Zumindest die Desai nicht«, sagte Alpirs. »Nicht, wenn unsere Vermutungen über dieses Kind der Wahrheit entsprechen.« Bei diesen Worten nickte Alpirs in Richtung Süden, wo ein einsames Zelt dem unnachgiebigen Wind trotzte. Er gab seiner Fuchsstute die Sporen und trabte direkt auf das Zelt zu, dicht gefolgt von Untaris.
Als sie näher kamen, trat eine Gestalt in einem knöchellangen weißen Baumwollgewand aus dem Zelt. Der Kragen war rund und wurde von einem großen Knopf mit Quaste zusammengehalten, was sie als Stammesangehörigen der Desai auswies. Wie die meisten Beduinen dieser Gegend trug der Mann darüber einen ärmellosen, rot-braun gestreiften Burnus.
»Lange ich habe gewartet«, sagte der Mann, als die zwei Reiter nahten. Sein von Wind und Sonne gegerbtes Gesicht war von einer weißen Kufiya um seinen Kopf eingerahmt. »Ihr gut werdet zahlen!«
»Klingt mal wieder erbost, der alte Beduine«, flüsterte Untaris, doch Alpirs hatte das Allheilmittel bereits zur Hand.
»Gut genug?«, fragte er seinen Informanten und hielt eine Agal aus Kamelhaar und Goldfäden hoch, die einem Häuptling gut angestanden hätte. Beim Anblick der Kopftuchkordel blitzten die Augen des Mannes unwillkürlich verlangend auf, womit er die legendären Feilschkünste der Beduinen Lügen strafte.
Alpirs und Untaris saßen ab und führten ihre Pferde zu dem weiß gewandeten Mann.
»Sei gegrüßt, Jhinjab«, sagte Alpirs mit einer Verbeugung und zeigte die kostbare Agal vor. Als der Beduine zugreifen wollte, zog er seine Hand sofort zurück. »Du bist mit deinem Lohn also einverstanden?«, fragte er mit einem trockenen Lächeln.
Zur Antwort berührte Jhinjab seine eigene Agal, welche die Kufiya an seinem Kopf zusammenhielt. Es war ein verblichenes schwarzes Ding, das einst kostbares Metall enthalten hatte, jetzt aber nur noch aus ausgefranstem Kamelhaar zu bestehen schien. Für einen Beduinen war eine Agal ein Statussymbol und sein ganzer Stolz.
»Mädchen ist im Lager«, sagte er mit seinem starken Akzent. Jedes Wort klang heiser und abgehackt – diese Sprechweise sollte den allgegenwärtigen Sand vom Mund fernhalten, hatte Alpirs Untaris einmal erklärt. »Lager ist im Osten hinter Berg«, fuhr Jhinjab fort. »Meine Arbeit fertig.« Erneut langte er nach der Agal, die Alpirs knapp außer seiner Reichweite hielt.
»Und wie alt ist die Kleine?«
»So klein sie ist«, erwiderte Jhinjab, der die Hand knapp unter den Bauchnabel senkte.
»Wie alt?«
Der Beduine starrte ihn mit harten Augen an. »Vier? Fünf?«
»Denk nach, mein Freund. Es ist wichtig«, betonte Alpirs.
Jhinjab schloss die Augen und ging murmelnd verschiedene Ereignisse und Wetterlagen durch. »Dann fünf«, sagte er am Ende. »Gerade fünf, im Frühling.«
Alpirs konnte seine Freude nicht unterdrücken und stellte fest, dass Untaris seine Zufriedenheit teilte.
»Dreiundsechzig«, überlegte Untaris, der die Jahreszahlen rekapitulierte.
Die beiden Shadovar nickten und sahen einander an.
»Meine Agal«, sagte Jhinjab und streckte die Hand aus. Wieder zog Alpirs die Schnur zurück.
»Du bist dir ganz sicher?«
»Fünf, ja, fünf«, antwortete der Beduine.
»Nein«, erklärte Alpirs. »In allem. Du bist dir sicher, dass dieses Kind … besonders ist?«
»Sie die Eine ist«, erwiderte der Beduine. »Sie immer singt, ganze Zeit singt. Singt Worte, die nicht sind Worte, du verstehst?«
»Klingt wie ein ganz normales Kind«, meinte Untaris skeptisch. »Erfindet Worte und singt Blödsinn.«
»Nein, nein, nein, nicht das.« Jhinjab wedelte abwehrend mit den Armen, die aus den Schleppenärmeln herausragten. »Singt Zauberei.«
»Eine Zauberin, meinst du«, sagte Alpirs.
»Macht Garten wachsen.«
»Ihren Garten. Einen heiligen Ort?«
Jhinjab nickte heftig.
»Das hast du schon gesagt«, warf Untaris ein, »aber wir haben ihn noch nicht gesehen.«
Der alte Beduine sah sich blinzelnd um, schirmte seine Augen ab und schien sich nur noch mühsam zu beherrschen. Er deutete zu einer hohen Sanddüne im Südosten, wo eine weiße Alabastersäule aufragte. »Hinter Düne, im Süden, zwischen Felsen, wo Wind hat Sand weggeblasen.«
»Wie weit im Süden?«, wollte Alpirs wissen und hob die Hand, um Untaris am Sprechen zu hindern.
Jhinjab zuckte mit den Schultern. »Gehen weit, Reiten kurz.«
»Über den heißen, weiten Sand?«, fragte Alpirs, der seine eigene Skepsis nun offen zeigte.
Jhinjab nickte.
»Und das Lager ist im Westen?«, mischte sich Untaris ein, bevor Alpirs ihn daran hindern konnte.
Wieder nickte der Beduine.
»Also ein neues Lager«, folgerte Alpirs.
»Nein«, sagte Jhinjab. »Ist da seit Frühling.«
»Aber das Heiligtum des Mädchens liegt auf der anderen Seite, und zwar ein ganzes Stück entfernt.«
»Wir sollen dir glauben, dass ein Kind allein durch die Wüste läuft? Einen weiten Weg durch eine gefährliche Gegend?«, fragte Untaris.
Jhinjab zuckte mit den Schultern, ohne zu widersprechen.
Alpirs zog die Agal durch eine Schlinge seines Gürtels und hob die Hand, als Jhinjab aufbegehren wollte. »Wir werden uns diesen Ort einmal ansehen«, erklärte er. »Danach kommen wir hierher zurück.«
»Er gut versteckt«, warnte Jhinjab.
»Natürlich«, schnaubte Untaris und stieg auf seinen Schecken. »Könnte es anders sein?«
»Nein, das nicht gerecht!«, protestierte Jhinjab. »Ich getan, was ihr wollt, und ich will Lohn. Das Mädchen ist im Lager!«
»Du wartest hier, und vielleicht bekommst du deinen Lohn«, erwiderte Alpirs.
»Oh, einen Lohn wirst du gewiss bekommen«, fügte Untaris vielsagend hinzu.
Jhinjab schluckte hörbar.
»Wenn du dir deiner Information sicher bist, bleibst du hier.«
»Ihr zahlt!«, beharrte der Beduine.
»Oder?«, fragte Alpirs.
»Oder er verrät uns an die Desai«, ergänzte Untaris, und als beide Shadovar den alten Mann drohend anstarrten, wurde dessen Gesicht aschfahl.
»Nein …«, begann er, aber ein langer Dolch in Alpirs Hand, dessen Spitze umgehend am Hals des Informanten ruhte, schnitt ihm das Wort ab.
»Du reitest mit meinem Freund«, wies Alpirs ihn an. Untaris streckte die Hand aus.
»Ich nicht kann mit …«, stammelte der Alte. »Ich bin … die Desai nicht wissen, ich weg … sie Jhinjab vermissen. Sie suchen …«
Alpirs zog das Messer zurück und trat dem alten Mann in den Unterleib. Als Jhinjab einknickte, bückte er sich zu ihm herunter und flüsterte ihm zu: »Die Desai können dir auch nicht mehr tun als ich, wenn du nicht augenblicklich...
Erscheint lt. Verlag | 15.9.2014 |
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Reihe/Serie | The Sundering | THE SUNDERING |
Übersetzer | Imke Brodersen |
Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Original-Titel | Sundering 1: The Companions |
Themenwelt | Literatur ► Fantasy / Science Fiction ► Fantasy |
Literatur ► Fantasy / Science Fiction ► Science Fiction | |
Schlagworte | Do Urden • Drizzt • Drizzt, Do Urden, Dunkelelf, Niewinter, Neverwinter • Dungeons & Dragons: Ehre Unter Dieben • Dungeons & Dragons: Honor Among Thieves • Dunkelelf • eBooks • Fantasy • Heroische Fantasy • High Fantasy • Neverwinter • Niewinter |
ISBN-10 | 3-641-13161-8 / 3641131618 |
ISBN-13 | 978-3-641-13161-6 / 9783641131616 |
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