Der Wille des Königs (eBook)
576 Seiten
Blanvalet Verlag
978-3-641-12634-6 (ISBN)
Ian Krystal ist ein einfacher Soldat, als König Preston seinen Clan übers Meer schickt, um den neu entdeckten Kontinent zu besiedeln. Während andere versuchen, die hier lebenden Völker zu unterwerfen, erreicht Ian Krystal durch Verhandlungen ein friedliches Miteinander. Doch dann befiehlt ihm König Preston, seine einheimischen Freunde zu verraten und das Land mit Waffen und alter dunkler Magie zu erobern. Nun muss sich Ian entscheiden, ob er seinem König die Treue hält oder dem Ruf seiner eigenen Ehre folgt ...
Royce Buckingham, geboren 1966, begann während seines Jurastudiums an der University of Oregon mit dem Verfassen von Fantasy-Kurzgeschichten. Sein erster Roman »Dämliche Dämonen« begeisterte weltweit die Leser*innen und war insbesondere in Deutschland ein riesiger Erfolg. Gemeinsam mit seiner Frau und seinen beiden Söhnen lebt Royce Buckingham in Bellingham, Washington. Er arbeitet zurzeit an seinem nächsten Roman.
Prolog
Petrich liebte die Dunkelheit. Nicht nur wegen ihrer Reinheit und Schönheit, sondern weil sie seine vertraute Begleiterin war. Andere fürchteten das Dunkel und die Schatten, verabscheuten sie und verfluchten sie still, als könnte die Finsternis ihre Worte hören und sie bestrafen. Nicht so Petrich Krysalis aus den Hügeln Artungs. Er schritt die Steinstufen hinunter, die schon seit Jahrhunderten vergessen waren, tauchte ein in die Finsternis und fühlte sich sicher, geborgen vor der Welt des Lichts, die so hart, grausam und manchmal schlichtweg böse war.
Seit seinem fünften Lebensjahr war das Dunkel seine treueste Freundin. Damals hatte der Talklan in einer mondlosen Sommernacht alle Männer seines Bergdorfes getötet. Aber die Dunkelheit hatte ihn vor ihren eisernen Äxten verborgen. Dorthin hatte er sich verkrochen, ins Innere eines von der Fäulnis ausgehöhlten Baumstamms, in dem er noch am Morgen desselben Tages mit seinen Vettern gespielt hatte. Der erste Trupp der blutrünstigen Krieger war so dicht an seinem Versteck vorbeigekommen, dass er ihre stinkenden und verschwitzten Tierhäute riechen konnte und hörte, wie die Hauer der Keiler, die sie an Schnüren um den Hals trugen, bei jedem Schritt gegen ihre Lederharnische schlugen. Grunzend wie Schweine brachten die bärtigen Krieger jeden Mann im Dorf um, den sie nur finden konnten. Ihre Äxte schmatzten, wenn sie die Schädeldecke durchschlugen, und das grausame Grinsen auf ihren Gesichtern, die im Licht der flackernden Fackeln aufblitzten, war weit grauenhafter als alles, was sich im Schwarz der Nacht verbergen mochte.
Diese Nacht hatte ihn zutiefst verändert und ebenso seinen Klan. Nicht ein Mann aus seinem Dorf hatte überlebt, und jede Frau seines Klans trug nun das kreisförmige Brandmal der Sklaven auf der Stirn. Nur er, der kleine Petrich, war entkommen. Seine Freundin, die Dunkelheit, hatte sich über ihn gelegt wie ein schützender Schleier. Als die Talbewohner vor seinem Versteck kauerten und mit ihren Fackeln hineinleuchteten, wünschte er, das Licht möge verschwinden, und die Dunkelheit erhörte seine Bitte. Sie widersetzte sich dem Licht, ihrem natürlichen Feind, hüllte Petrich in Schatten, kämpfte für ihn und schlug das Licht zurück. Die bärtigen Männer waren schnaubend wieder verschwunden, zu blind oder zu dumm, um etwas zu bemerken.
Petrich hatte sich selbst beschmutzt vor Angst. Eine unsägliche Schande für einen Spross des Bergklans, selbst im Angesicht des Todes. Sein Vater hätte ihn dafür mit einer Rute verprügelt, aber sein Vater war tot, sein Kopf von einer Axt gespalten. Aber Petrich lebte. Wie durch ein Wunder. Seine Verbündete, die Dunkelheit, hatte ihm das Leben geschenkt, und noch während er eingekeilt in dem fauligen Baumstamm lag und die Bisse der Rüsselkäfer und Mückenlarven in seinen Ohren und an den Handgelenken ertrug, schwor er, sich eines Tages zu bedanken.
Jetzt, als dreiundzwanzigjähriger Mann, bewegte er sich durch die Straßen einer längst vergessenen Stadt jenseits des Meeres, weit entfernt von seiner Heimat. »Die Täler« nannten die Einheimischen sie. Schon in die zweite Flucht aus Steinstufen drang kein Licht mehr, und als er die dritte erreichte, tastete er sich nur noch mit den Fingern voran, immer tiefer hinein in die Erde. Als Zeichen der Freundschaft trug Petrich keine Fackel bei sich. Die Finsternis scheute das Licht, und solange er sich nicht mit der verhassten Sonne verbündete, würde die Dunkelheit ihn mit offenen Armen empfangen, ihm vielleicht ihre Geheimnisse preisgeben.
Weit über ihm erstreckten sich die Ruinen einer einstmals prächtigen Stadt, doch die Zeit ihrer Blüte lag lange zurück. Mehr als nur Jahrhunderte, dachte Petrich. Die steinernen Bauten waren längst verfallen. Wie geborstene Felsnadeln ragten sie auf, klagten Regen und Sonne an, die weiter an ihnen fraßen, und sangen ihr nimmer endendes Totenlied. Die Menschen, die hier gelebt hatten, mussten auf einem weit höheren Entwicklungsstand gewesen sein als die Höhlenbewohner und Nomaden, die jetzt diesen Landstrich bevölkerten. Was sie einst zu Fall gebracht hatte, war für Petrich genauso rätselhaft wie die riesigen Statuen, die sie als Wächter vor der Treppe errichtet hatten.
Die Augen vermochten ihm hier keine Dienste zu leisten, aber Petrichs andere Sinne waren aufs Äußerste geschärft, und er spürte eher, als dass er sah, wie die Stufen sich zu einem großen Raum öffneten. Die Luft war dick und schwer, kein Hauch regte sich. Der Widerhall seiner Schritte wurde lauter, die Wand, an der er sich entlanggetastet hatte, verschwand, und es roch auch anders. Der stechende Geruch von etwas Lebendigem hing in der Luft, durchsetzt mit dem Gestank von Exkrementen und Tod.
Petrich hielt inne und lauschte. Er hörte ein Tropfen – und Atemgeräusche, ganz leise und flach. Kein Höhlenbär also. Ein weiteres demütiges Geschöpf wie ich selbst, das in der Dunkelheit Zuflucht sucht, dachte Petrich und betrat die unterirdische Kammer.
»Vergib mir mein Eindringen«, flüsterte er dem unsichtbaren Wesen zu. »Hier drinnen ist genug Finsternis für uns beide.«
Wie als Antwort ertönten ein hohes Kichern zu seiner Linken und ein Schlurfen zu seiner Rechten. Klauen, die über Stein schabten. Wer oder was auch immer diese Geräusche verursachte, es waren mindestens zwei. Dann hörte er ein Wimmern, wie er es noch nie von einem lebenden Geschöpf vernommen hatte, und ein eiskalter Schauer lief ihm über den Rücken. Petrich kämpfte den unbändigen Drang zur Flucht in sich nieder und spannte die Hinterbacken an, damit sein Darm sich nicht entleerte. Die Dunkelheit ist deine Freundin, rief er sich ins Gedächtnis. Einen Moment lang blieb er stehen, dann tastete er sich weiter, befühlte den steinernen Boden mit den schwieligen Sohlen seiner nackten Füße, als wären sie Hände.
Hätte Petrich behauptet, er wüsste, wonach er suchte, hätte er gelogen. Etwas zog ihn hierher, das war alles. Er würde es merken, wenn er es fand. Aber was es war und wozu er es vielleicht gebrauchen konnte, wusste er nicht.
»Was tue ich hier?«, fragte er sich laut.
Vorgeblich war er im Auftrag des Königs hier. Er sollte neue Ländereien für die Krone beanspruchen. König Schwarzwasser hatte den Klanskriegen ein Ende gemacht, und dann waren auf seinen Befehl hin die Gefangenen ausgetauscht worden. Petrichs Schwester Rachee war auch unter ihnen gewesen. Sie kehrte zurück, körperlich und seelisch gezeichnet, aber am Leben. Dann waren sie beide in die Hügel zu entfernten Verwandten ihres Klans geschickt worden, die in den höheren Lagen der heimischen Rostigen Berge lebten. Dort wuchsen sie auf, wiedervereint, aber ohne Eltern, und die Bande zwischen ihnen wurden während der nächsten sieben Jahre umso enger, bis Rachee mit Petrichs Zustimmung an einen entfernten Cousin verheiratet wurde. Aus Dankbarkeit, dass er seine geliebte Schwester gerettet hatte, hatte Petrich dem König ewige Treue geschworen. Nicht nur mit Worten, sondern aus tiefstem Herzen, denn ohne Rachee wäre Petrich mutterseelenallein gewesen auf der Welt. Er sorgte sich sogar mehr um ihr Leben als um sein eigenes. Nur die überraschende Intervention des Königs hatte ihn davon abgehalten, selbst einen Befreiungsversuch zu unternehmen. Petrich hatte sich einen schlauen Plan zurechtgelegt, und manchmal bedauerte er es beinahe, dass er nicht dazu gekommen war, ihn durchzuführen. Vielleicht wäre er ein Held geworden.
Dennoch war es nicht seine Loyalität gegenüber dem König, die ihn hierhergeführt hatte. Während die anderen ein gutes Stück entfernt von den Ruinen im Lager schliefen, hatte die Dunkelheit ihre Fühler ausgestreckt und ihn zu sich gerufen.
Dem Echo seiner Schritte nach zu urteilen, hatte er nach etwa zehn Schritten die Mitte des Raums erreicht. Die scharrenden Geräusche um ihn herum wurden jetzt hektischer. Er hörte ein leises Klatschen, Schweiß oder Geifer, der zu Boden tropfte. Noch hielten sie Abstand, aber wie lange noch? Petrich war ganz nahe dran. Ob sie das Geheimnis bewachten? Das wäre bedauernswert, denn er war nicht gekommen, um zu kämpfen. Im Gegensatz zu den anderen Klansmännern, die sich von den Ruinen fernhielten, weil die Geschichten, die sie darüber gehört hatten, ihnen Angst machten, war Petrich kein Krieger. Aber ebendiese Krieger glaubten, dieser Ort sei verflucht. Selbst wenn er sie hätte überzeugen können, ihn zu begleiten, wären sie niemals ohne Fackeln hier heruntergekommen. Und dann wäre die Dunkelheit geflohen, hätte sich verkrochen und ihr Geheimnis niemals enthüllt.
Petrich tastete nach seinem Dolch. Er konnte zwar nichts sehen, aber genauso wenig würden seine Angreifer die Klinge sehen, die so scharf war, dass sie selbst die dicke Haut eines Ebers durchstechen konnte.
Er war jetzt in der Mitte angekommen und schlich weiter zur gegenüberliegenden Wand, von der er wusste, dass sie da sein musste. Alles wurde still. Die Geschöpfe liefen jetzt nicht mehr auf und ab. Sie pirschten sich an und würden sich jeden Moment auf ihn stürzen.
Aber die Dunkelheit ist meine Freundin.
Er hörte ein leises Einatmen, eine letzte Vorbereitung …
Petrich ging blitzschnell in die Knie und stieß den Dolch nach oben. Die Bestie schnellte über ihn hinweg und schlitzte sich im Sprung den Bauch an Petrichs Klinge auf. Warmes, klebriges Blut spritzte auf ihn herab, besprenkelte den Boden, und Petrich spürte, wie die Dunkelheit sich veränderte. Sie verdichtete sich, wurde schwärzer.
Sie will Blut. Das ist es, was sie...
Erscheint lt. Verlag | 15.9.2014 |
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Reihe/Serie | Mapper |
Mapper | |
Übersetzer | Michael Pfingstl |
Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Original-Titel | Mapper 2 |
Themenwelt | Literatur ► Fantasy / Science Fiction ► Fantasy |
Literatur ► Fantasy / Science Fiction ► Science Fiction | |
Schlagworte | Abrogan • Die Karte der Welt • eBooks • Fantasy • Heroische Fantasy • High Fantasy • Karte • Prequel • Spiegel Bestseller Autor • Spiegel-Bestseller-Autor • spiegel-bestseller-autor, spiegel bestseller autor, Die Karte der Welt, Prequel, Vorgeschichte, Karte, Abrogan • Vorgeschichte |
ISBN-10 | 3-641-12634-7 / 3641126347 |
ISBN-13 | 978-3-641-12634-6 / 9783641126346 |
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