Dreimal schwarzer Kater (eBook)

Ein Roussillon-Krimi
eBook Download: EPUB
2014 | 1. Auflage
480 Seiten
Ullstein (Verlag)
978-3-8437-0728-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Dreimal schwarzer Kater -  Philippe Georget
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Mordshitze im Roussillon: Inspecteur Gilles Sebag befindet sich in der schönsten Sommerlethargie. Bis zwei rätselhafte Vermisstenfälle und eine Leiche ihn aus der Idylle mit seiner Frau Claire reißen. Bald findet Gilles sich in Ermittlungen ungeahnten Ausmaßes wieder. Der Inspecteur muss sich nun auch noch mit einem extra eingeflogenen profilneurotischen Kollegen aus Paris rumschlagen. Die gemütlichen Abende mit kühlem Wein am heimischen Pool sind genauso dahin wie die Harmonie mit Claire - und im sommerlich ausgestorbenen Perpignan ist jede Form der Ermittlung einfach nur schweißtreibend.

Philippe Georget wurde 1963 geboren. Nach mehreren Jahren als Journalist für Rundfunk und Fernsehen hat er 2001 seine Familie in einen Campingbus gepackt, um einmal mit ihr das Mittelmeer zu umrunden. Seit seiner Rückkehr lebt er als Autor mit Frau und Kindern in der Nähe von Perpignan und läuft leidenschaftlich gern Marathon. Für seine Krimis hat er in Frankreich mehrere Preise gewonnen.

Philippe Georget wurde 1963 geboren. Nach mehreren Jahren als Journalist für Rundfunk und Fernsehen hat er 2001 seine Familie in einen Campingbus gepackt, um einmal mit ihr das Mittelmeer zu umrunden. Seit seiner Rückkehr lebt er als Autor mit Frau und Kindern in der Nähe von Perpignan und läuft leidenschaftlich gern Marathon. Für seine Krimis hat er in Frankreich verschiedene Preise gewonnen

1 Robert wachte um vier Uhr auf. Wie jeden Tag seit über vierzig Jahren.

Es war für ihn weder eine bewusste Entscheidung noch ein Zwang. Es war einfach so. Winterzeit, Sommerzeit, ganz egal: Um vier Uhr wachte er auf und stieg gleich darauf aus dem Bett.

Er schenkte sich eine Tasse kalten Kaffee ein, gab einen Schuss Milch hinzu und schob dann das Kreuzworträtsel beiseite, um die Tasse auf dem Tischchen abzustellen.

Robert hatte sein ganzes Leben lang als Schlosser in einer Firma für Landmaschinen in der Nähe von Gien im Département Loiret gearbeitet. Er hatte immer genau um vier Uhr dreißig abgestempelt, und niemals war er auch nur eine Minute zu spät gekommen. Er hatte gute Beurteilungen, wurde von seinen Vorgesetzten geschätzt, war nicht in der Gewerkschaft und dazu umgänglich. Ein vorbildlicher Arbeiter. Betriebsbedingt entlassen, als er sich der Fünfundfünfzig näherte.

Er setzte sich auf die schmale Bank und verzog das Gesicht, als er das kalte, bittere Gebräu hinunterschluckte. Er hätte es noch einmal aufwärmen können, aber dazu war er zu träge. Außerdem durfte er ohnehin keinen Zucker dazutun, da konnte er den Kaffee ebenso hinunterkippen, ohne sich lange damit aufzuhalten. Er hatte es auch eine Zeitlang mal mit Tee probiert, doch das hatte er als schlimmere Strafe empfunden.

Obwohl er nicht mehr berufstätig war, hatte Robert seine innere Uhr nicht umstellen können. Dieses frühmorgendliche Aufstehen hatte Solange, seine Frau, zur Verzweiflung gebracht. So hatte er zu Beginn seiner unfreiwilligen Rente versucht, liegen zu bleiben, zumindest bis sechs Uhr. Aber er wälzte sich im Bett herum und verwickelte sich so sehr in den Laken, dass seine Frau ihm letztendlich wieder erlaubte, aufzustehen, sobald er aufwachte. Und dann ging Solange schließlich von ihm. Innerhalb weniger Monate. Knochenkrebs.

Robert schüttete den letzten Rest Kaffee ins Spülbecken und wusch die Tasse ab. Die Wasserpumpe surrte in ihrem Kasten unter der Bank. Er stellte die Tasse auf das Abtropfgestell und verließ den Wohnwagen.

Es war Mitte Juni, und auf dem Campingplatz Lauriers Roses in Argelès war noch nicht viel Betrieb. Nur ein paar Pensionäre wie Robert und eine Handvoll Touristen aus dem Ausland. Die Niederländer trafen immer als Erste ein, gefolgt von den Deutschen. Robert ging geradewegs zu den Toiletten. Gestern hatte er die zweite Kabine von links benutzt. Heute würde er die dritte nehmen. Es war Mittwoch.

Er urinierte langsam und genüsslich in eine saubere Schüssel. Das Häuschen war von einem zarten Lavendelduft erfüllt. Das hatte Robert an Lauriers Roses sofort gefallen: wie sauber die Toiletten waren. Sie wurden regelmäßig gereinigt, und das vor allem auch noch ein letztes Mal recht spät am Abend. Robert wusste es zu schätzen, wenn er nicht schon am frühen Morgen den Gestank von Pisse und Scheiße der anderen Camper einatmen musste.

Bis zum letzten Tropfen auf dem glatten und immer noch makellos reinen Innenrand der Schüssel kostete Robert es aus. Als er die Kabine verließ, sah er auf die Uhr. Vier Uhr neunzehn. Wie am Abend zuvor wusch er sich die Hände am neunzehnten Waschbecken in der scheinbar endlosen Reihe. Anschließend trocknete er sich die Hände an seiner Hose ab. Er war bereit für seinen täglichen Spaziergang.

Er ahnte bereits, dass es der beschwerlichste seines Lebens sein würde.

Der weiße Kies auf dem Hauptweg knirschte unter den Ledersohlen seiner Sandalen. Normalerweise mochte Robert dieses leise, zarte Geräusch, doch an diesem Morgen schenkte er ihm keine Beachtung.

Robert und Solange hatten Lauriers Roses 1976 entdeckt. Davor hatten sie meist irgendwo in der freien Wildbahn gecampt, wenn sie nicht einfach in ihrem alten Citroën Dyane schliefen. Die Geburt ihres ersten Sohnes Paul hatte sie aber dazu bewegt, sich nach etwas mit mehr Komfort umzusehen. Dann waren Gérard und Florence dazugekommen. Die Kinder hatten sich beim Campen mit anderen Kindern angefreundet und freuten sich, sie dort jeden Sommer wiederzusehen. Auch Robert und Solange hatten so ihre Gewohnheiten entwickelt. Die Eltern besagter Freunde waren ebenfalls zu Freunden geworden, und zwischen Boule-Spielen, Grillen und diversen Runden Belote vergingen die Ferien wie im Flug.

Robert ging noch einmal an seinem Wohnwagen vorbei, um nachzusehen, ob er auch die Tür ordentlich verschlossen hatte. Ein Tick von ihm. Zu Lebzeiten seiner Frau hatte er sich zurückgehalten. Aber Solange war nicht mehr da.

Er drehte am Türknauf. Nichts rührte sich, die Tür war verschlossen. Natürlich.

Robert war stolz auf ihren Standort, der am besten angelegte auf dem gesamten Campingplatz. Zwei Vordächer schlossen aneinander an und verbanden den Wohnwagen mit einer Holzveranda, die von einem Steingrill gesäumt wurde, von Robert 1995, im Jahr seiner Entlassung, selbst konstruiert. Das Ganze wurde von einem Pinienholzzaun eingefriedet, an dem ein Dutzend Blumentöpfe angebracht waren. Solange hatte sich immer um die Blumen gekümmert, und im ersten Sommer nach ihrem Tod waren die Töpfe leer geblieben. Dann hatte Robert die Tradition fortgeführt. Den Zaun mit Blumen auszustaffieren erschien ihm sinnvoller, als ein Grab damit zu schmücken.

An den Holzpfosten begann die grüne Farbe unter dem Einfluss von Sonne und Salz abzublättern. Robert hatte vorgehabt, die Pfosten neu zu streichen, aber er bezweifelte, dass er es diesen Sommer schaffen würde.

Er mietete den Stellplatz ganzjährig. Am Anfang seiner Rente verbrachten Solange und er beinahe sieben Monate im Jahr in Argelès. Doch nun ermüdete ihn die Hochsaison. Er war fünfundsechzig und erschöpft. Er würde den Sommer lieber an der Loire verbringen, aber dies war die einzige Zeit, in der seine Kinder und Enkelkinder mit ihm Urlaub machen konnten.

Mit schweren, gedämpften Schritten überquerte er den Campingplatz.

Ein Lichtstrahl schien unter der Tür eines benachbarten Wohnwagens mit deutschem Nummernschild hindurch. Darin wohnte ein Paar um die sechzig herum, er groß und mit ziemlich schütterem Haar, sie klein, stämmig und mit Dauerwelle. Beim Einparkmanöver hatten sie sich heftig angeschrien. Robert hatte zuerst gelacht, doch dann hatte ihn ein merkwürdiges Gefühl überkommen. Seitdem er allein lebte, fehlten ihm solche Streitereien.

Neben den Deutschen, im Zelt der jungen Niederländerin, war weder ein Laut zu hören noch ein Licht zu sehen.

Robert gelangte zur kleinen Pforte, die an den Strand führte. Sie war verschlossen, aber er besaß einen Schlüssel. Charles und Andrée, die Betreiber des Campingplatzes, kannten seine morgendlichen Gewohnheiten und hatten ihm schon vor langer Zeit einen nachmachen lassen. Über die Jahre hatten sie sich aneinander gewöhnt. Robert half den beiden während der Nebensaison hin und wieder bei der Instandhaltung des Platzes. Eine Kleinigkeit hier, ein Handgriff dort. Ein Waschbecken, das verstopft war, ein Stück Rasen, das ausgebessert werden musste, ein Zaun, der wieder aufgerichtet werden sollte. Robert werkelte gern, und in seinem Wohnwagen gab es für ihn nicht viel zu tun. Charles und er plauderten während der Arbeit, das vertrieb die Zeit. Außerdem – auch wenn meist das Gegenteil behauptet wurde – vertrauten sich Männer einander viel eher an, wenn sie dabei vor einem tropfenden Wasserhahn und nicht vor einem Glas Anisette saßen. Nur Charles gegenüber hatte Robert seine Hilflosigkeit nach Solanges Tod eingestehen können.

Einmal hatte er sogar geweint.

Er nahm den Weg durch das Naturschutzgebiet Mas Larrieu. Die Vögel waren sich seiner Qualen nicht bewusst und sangen ihre ewige Hymne an das Leben. Unter ihrem Gezwitscher konnte man bereits das Meeresrauschen hören.

Der Meereswind erhob sich sanft und trug in seinem Schlepptau einen wilden Duft nach Jod und der Ferne herüber. Der Weg führte brav zwischen zwei Holzpfosten hindurch, die den Sand eindämmen und die Touristen lotsen sollten. Zu beiden Seiten reckten blühende Feigenkakteen ihre Micky-Maus-Ohren in die Höhe.

Je näher man dem Strand kam, umso mühsamer wurde das Vorankommen, und im Sand wurden Roberts Schritte schwerfälliger. Der Pensionär ging so nah wie möglich an der Abzäunung entlang, um die Füße auf die mageren Grasbüschel dort setzen zu können. Als er an einem Schilfwäldchen vorbeikam, zögerte er kurz. Schließlich entschied er sich, zuerst bis ans Wasser zu gehen.

Noch ein paar Dutzend Meter und dann gelangte er an den Strand. Der Wind war hier stärker und die Gerüche intensiver. An diesem Morgen herrschte heftiger Seegang. Am Horizont dämmerte es bereits. Das Leben würde weitergehen. Unerschütterlich.

Robert ging bis an die Küstenlinie, wo die Wellen auf immer anderer Höhe den Strand berührten. Er betrachtete die dunklen Wassermassen und die weißen Kämme. Kein Meer würde seinen Körper jemals wieder tragen, klagte er innerlich. Eine enorme Einsamkeit, eine vollkommene Verzweiflung übermannte ihn. Seine Knie gaben unter der Last nach und zwangen ihn, sich in den feuchten Sand sinken zu lassen.

Wie gern hätte er die Zeit um ein paar Stunden zurückgedreht. Nur ein paar Stunden …

Gedanken stürzten auf ihn ein, ohne dass er sie wirklich zu fassen bekam. Eine ihn mitreißende Welle, die über die Felsen hinwegspülte. Solange, Florence … die einzigen Frauen seines Lebens. Bruchstücke glücklicher Ferien tauchten auf, wurden jedoch sogleich von Bildern voll Zorn und Blut hinweggefegt. In seinem Schädel tobte ein Sturm. Robert wusste, dass dieser Sturm sich erst legen würde, wenn er starb. Und zwar so bald wie...

Erscheint lt. Verlag 9.5.2014
Reihe/Serie Roussillon-Krimi
Übersetzer Corinna Rodewald
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Bannalec • Brennender Midi • Frankreich • Frankreichkrimi • Inspecteur Gilles Sebag • Inspektor • Krimi • Languedoc • Languedoc-Roussillon • Mittelmeer • Perpignan • Pyrenäen • Roussillon • Unterhaltung • Urlaubskrimi • Urlaubslektüre
ISBN-10 3-8437-0728-6 / 3843707286
ISBN-13 978-3-8437-0728-2 / 9783843707282
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