Die Libelle (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2013 | 1. Auflage
637 Seiten
Ullstein (Verlag)
978-3-8437-0853-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Libelle -  John le Carré
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Alle Romane von John le Carré jetzt als E-Book! - Eine Explosion im Diplomatenviertel zerstört die Villa des israelischen Arbeitsattachés und fordert drei Todesopfer. Ein weiterer grausamer Anschlag in einer Reihe europaweiter Attentate, zu denen sich die Terrorgruppe Palästinensische Agonie bekennt. Für den endgültigen Vernichtungsschlag gegen die Terroristen braucht der israelische Meisterspion Schulmann die Hilfe von Charlie, einer jungen englischen Schauspielerin. Als sie einwilligt, einen mit Sprengstoff beladenen Mercedes durch Jugoslawien zu fahren, gibt es für sie kein Zurück mehr. Um zu überleben, wird sie die Rolle ihres Lebens spielen müssen... Der Bestseller - neu aufgelegt zum 75. Geburtstag von John le Carrè. Große TV-Doku 'Der Taubentunnel' ab 20. Oktober 2023 auf Apple TV+

John le Carré, 1931 geboren, schrieb über sechs Jahrzehnte lang Romane, die unsere Epoche ausloten. Als Sohn eines Hochstaplers verbrachte er seine Kindheit zwischen Internat und Londoner Unterwelt. Mit 16 ging er an die Universität Bern (Schweiz), später dann nach Oxford. Nach einer kurzen Zeit als Lehrkraft in Eton schloss er sich dem britischen Geheimdienst an. Während seiner Dienstzeit veröffentlichte er 1961 seinen Erstlingsroman Schatten von Gestern. Der Spion, der aus der Kälte kam, sein dritter Roman, brachte ihm weltweite Anerkennung ein, die sich durch den Erfolg seiner Trilogie Dame, König, As, Spion, Eine Art Held und Agent in eigener Sache festigte. Nach dem Ende des Kalten Krieges weitete le Carré sein Themenspektrum auf eine internationale Landschaft aus, die den Waffenhandel ebenso umfasste wie den Kampf gegen den Terrorismus. Seine Autobiografie Taubentunnel erschien 2016, Das Vermächtnis der Spione, der abschließende Roman um George Smiley, 2017. John le Carré verstarb am 12. Dezember 2020. Posthum erschien sein Roman Silverview.

John le Carré, 1931 geboren, studierte in Bern und Oxford. Er war Lehrer in Eton und arbeitete während des Kalten Kriegs kurze Zeit für den britischen Geheimdienst. Seit nunmehr fünfzig Jahren ist das Schreiben sein Beruf. Er lebt in London und Cornwall.

Kapitel 2


Es vergingen fast acht Wochen, ehe der Mann, den Dr. Alexis als Schulmann kannte, nach Deutschland zurückkehrte. Im Laufe dieser Zeit hatten die Ermittlungen und Planungen des Jerusalemer Teams so erstaunliche Fortschritte gemacht, daß diejenigen, die sich immer noch durch die Godesberger Trümmer hindurcharbeiteten, den Fall nicht wiedererkannt hätten. Wäre es nur darum gegangen, Schuldige zu bestrafen – hätte es sich bei dem Godesberger Zwischenfall um einen Einzelfall gehandelt und nicht um den Teil einer aufeinander abgestimmten Serie –, Schulmann hätte sich kaum die Mühe gemacht, sich persönlich einzuschalten, denn er verfolgte höhere Ziele als bloße Rache, und diese Ziele hingen eng mit seinem beruflichen Überleben zusammen. Monatelang hatten seine Teams nach etwas Ausschau gehalten, was er ein Fenster nannte, groß genug, daß jemand einsteigen konnte, um den Feind im eigenen Haus unschädlich zu machen, statt ihn mit Panzern niederzuwalzen und mit Artillerie niederzukartätschen, wozu man in Jerusalem zunehmend neigte. Dank Godesberg meinten sie, ein solches Fenster gefunden zu haben. Wo die Westdeutschen sich immer noch mit vagen Spuren herumschlugen, waren Schulmanns Schreibtischstrategen bereits dabei, heimlich Verbindungen herzustellen, die so weit auseinanderlagen wie Ankara und Ost-Berlin. Alte Hasen sprachen schon von einem Spiegelbild: davon, daß in Europa Muster entstanden, wie sie einem vor zwei Jahren aus dem Mittleren Osten vertraut gewesen waren.

Schulmann kam nicht nach Bonn, sondern nach München, und auch nicht als Schulmann; weder Alexis noch sein schlesischer Nachfolger ahnten etwas von seinem Aufenthalt, und genau das hatte er beabsichtigt. Sein Name – falls er überhaupt einen hatte – lautete Kurtz, nur benutzte er ihn so selten, daß man es ihm verziehen hätte, hätte er ihn ganz und gar vergessen. Kurtz mit t, Kurtz wie von Abkürzung, sagten einige, und seine Feinde, Kurtz wie von Kurzschluß. Andere stellten bemühte Vergleiche mit Joseph Conrads Helden an. In Wirklichkeit war es einfach ein mährischer Name, ursprünglich Kurz geschrieben, bis ein britischer Polizeibeamter während der Mandatszeit in seiner großen Weisheit noch ein t hinzugefügt hatte – und Kurtz hatte es in seiner Weisheit beibehalten, ein scharfer kleiner Dolch, der in die Masse seiner Identität gestoßen worden war und dort als eine Art anspornender Stachel stekkenblieb.

Er traf von Tel Aviv kommend über Istanbul in München ein und hatte unterwegs zweimal den Paß und dreimal das Flugzeug gewechselt. Zuvor hatte er in London eine Woche lang einiges in die Wege geleitet, dort jedoch eine ganz besonders unscheinbare Rolle gespielt. Wohin er auch kam, hatte er Dinge klargestellt und Ergebnisse überprüft, Hilfe mobilisiert, Leute überredet, sie mit Tarngeschichten und Halbwahrheiten traktiert und die Zögernden mit seiner außerordentlich rastlosen Energie und dem Ausmaß sowie der Reichweite seiner Vorausplanungen überrollt, selbst wenn er sich dabei manchmal wiederholte oder eine kleine Anweisung vergaß, die er gegeben hatte. Unser Leben ist so kurz, erklärte er mit Vorliebe augenzwinkernd, und man ist viel zu lange tot. Das war das Äußerste, was er jemals an Entschuldigung vorbrachte, und seine persönliche Lösung bestand darin, auf Schlaf zu verzichten. In Jerusalem sagten sie gern, Kurtz schlafe so schnell, wie er arbeite. Und das war schnell. Kurtz, erklärten sie einem wohl, sei ein Meister der aggressiven europäischen List. Kurtz schlage die unwahrscheinlichsten Abkürzungen ein. Kurtz bringe die Wüste zum Blühen. Kurtz schlage Haken, lüge und betrüge sogar im Gebet, doch erzwinge er damit mehr Glück, als die Juden in den letzten zweitausend Jahren gehabt hätten.

Nicht, daß sie ihn ausnahmslos liebten; dazu war er viel zu widersprüchlich und kompliziert und eine viel zu schillernde Persönlichkeit. In mancher Hinsicht hatte er zu seinen Vorgesetzten – besonders zu Misha Gavron, seinem Chef – mehr das Verhältnis des knurrend geduldeten Außenseiters als des Partners, dem man restlos vertraute. Er hatte kein festes Aufgabengebiet, wollte aber auch keins. Seine Macht stand auf ziemlich schwachen Füßen und verlagerte sich ständig, je nach dem, wen er bei seiner Suche nach brauchbarer Ergebenheit zuletzt vor den Kopf gestoßen hatte. Er war kein Sabra; ihm fehlte der elitäre Hintergrund der Kibuzzim, der Universitäten oder der Eliteregimenter, aus deren Angehörigen sich zu seinem Leidwesen zunehmend die aristokratische Spitze seines Dienstes rekrutierte. Er hatte nichts im Sinn mit ihren Vervielfältigungsapparaten, ihren Computern und ihrem wachsenden Glauben an Machtspiele amerikanischen Stils, ihrer angewandten Psychologie und ihrem Krisenmanagement. Er liebte die Diaspora und gab ihr gerade jetzt den Vorzug, da die meisten Israelis eifrig und doch voll innerer Hemmungen dabei waren, ihre Identität als Orientalen aufzupolieren. Aber Widerstände waren genau das, woran Kurtz wuchs, und Ablehnung hatte ihn zu dem gemacht, was er war. Er konnte notfalls an allen Fronten zugleich kämpfen, und was ihm freiwillig auf die eine Weise nicht gegeben wurde, nahm er sich heimlich auf die andere. Aus Liebe zu Israel. Um des Friedens willen. Um der Mäßigung willen. Und um seines verdammten Rechtes willen, seinen Schlag zu landen und zu überleben.

In welcher Phase der Jagd er auf seinen Plan gestoßen war, hätte vermutlich nicht einmal Kurtz selbst sagen können. Solche Pläne reiften tief in ihm wie ein rebellischer Impuls, der nur auf einen Anstoß wartete, brachen dann aus ihm hervor, fast ehe er sich ihrer bewußt war. War er auf seinen Plan verfallen, als das Markenzeichen des Bombenlegers bestätigt wurde? Oder während er oben auf der Cäcilien-Höhe, oberhalb von Bad Godesberg pastasciutta gegessen hatte und ihm aufgegangen war, als wie nützlich sich Alexis für ihn einmal erweisen könnte? Schon vorher. Lange vorher. Es muß getan werden, hatte er schon im Frühjahr nach einer besonders bedrohlichen Sitzung von Gavrons Lenkungsausschuß jedem gesagt, der es hören wollte. Wenn wir den Gegner nicht aus dem eigenen Lager heraus angreifen, lassen diese Hampelmänner in der Knesset und im Verteidigungsministerium auf der Jagd nach ihm noch die ganze Menschheit in die Luft fliegen. Einige von seinen Ermittlern schworen, es liege zeitlich noch weiter zurück, und Gavron habe vor zwölf Monaten ein ähnliches Vorhaben unterdrückt. Wie dem auch sei. Fest steht jedenfalls, daß die Vorbereitungen für das ganze Unternehmen längst liefen, ehe der junge Mann nachweislich aufgespürt worden war, selbst wenn Kurtz vor den durchdringenden Blicken von Misha Gavron beharrlich alles, was darauf hätte schließen lassen, geheimhielt und sogar seine Unterlagen frisierte, um ihn zu täuschen. Gavron heißt auf polnisch Krähe. Seine zerfledderte schwarze Erscheinung hätte zu keinem anderen Geschöpf gepaßt.

Findet den Mann, sagte Kurtz zu seinem Jerusalemer Team und begab sich auf seine undurchsichtigen Reisen. Es handelt sich um einen jungen Mann und seinen Schatten. Findet den Mann, der Schatten folgt von selbst, das ist kein Problem. Kurtz bleute es ihnen immer wieder ein, bis sie schworen, es sei nicht zum Aushalten mit ihm. Er konnte Druck genausogut ausüben wie aushalten. Zu jeder Tages- und Nachtzeit rief er an, aus den unmöglichsten Städten, und alles einzig und allein zu dem Zweck, sie seine Anwesenheit in ihrer Mitte keinen Augenblick vergessen zu lassen. Habt ihr den Mann noch nicht gefunden? Warum habt ihr den Mann noch nicht aufgestöbert? Dabei kleidete er seine Fragen immer noch in Worte, die es Gavron unmöglich machten, die Absicht dahinter zu verstehen, falls er doch Wind davon bekam; denn den Vorstoß bei Gavron hielt Kurtz bis zum letzten – und günstigsten – Augenblick zurück. Er verhängte eine Urlaubssperre, schaffte den Sabbat ab und benutzte seine eigenen mageren Ersparnisse, um seine Spesenabrechnungen nicht vor der Zeit durch die offizielle Buchhaltung laufen zu lassen. Er riß Reservisten aus der Behaglichkeit ihrer akademischen Pfründen und scheuchte sie – ohne Gehalt – zurück an ihren alten Schreibtisch, um auf diese Weise die Suche zu beschleunigen. Findet den Mann! Der junge Mann wird uns den Weg zeigen. Eines Tages wartete er aus dem Nirgendwo sogar mit einem Decknamen für ihn auf: Yanuka, ein freundliches aramäisches Wort für Jüngling – wörtlich Halbwüchsiger oder Grünschnabel. »Bringt mir Yanuka, und ich serviere euch diese Clowns samt dem ganzen Apparat auf einem Silberteller.«

Aber zu Gavron kein Sterbenswörtchen! Abwarten! Kein Wort an die Krähe!

Wenn schon nicht in Jerusalem, so hatte jedenfalls in der von ihm so geliebten Diaspora die Schar seiner Helfer etwas Unheimliches. Allein in London flitzte er, ohne daß sich sein Lächeln sehr änderte, von ehrwürdigen Kunsthändlern zu Möchtegern-Filmmagnaten, von kleinen Zimmervermieterinnen im East End zu Kaufleuten aus der Bekleidungsbranche, fragwürdigen Autohändlern und angesehenen großen Firmen in der City. Ein paarmal sah man ihn auch im Theater, einmal sogar in der Provinz, allerdings immer im selben Stück, wobei er einen israelischen Diplomaten mitnahm, der sich um kulturelle Belange zu kümmern hatte; über Kultur unterhielten sie sich allerdings nicht. In Camdem Town aß er zweimal in einem bescheidenen Fernfahrerrestaurant, das von zwei Indern aus Goa betrieben wurde; in Frognal, ein paar Kilometer nordwestlich von London, inspizierte er ein abgeschiedenes viktorianisches Landhaus namens The Acre und erklärte, es sei ideal für seine Zwecke. Aber bitte, nur für den Fall der Fälle, erklärte er den sehr hilfsbereiten Besitzern. Sie akzeptierten diese Bedingung....

Erscheint lt. Verlag 27.12.2013
Übersetzer Werner Peterich
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Agent • Agentin • Alexander Skarsgard • Anschlag • Attentat • Diplomaten • Diplomatie • Europa • Florence Pugh • Geheimagent • Geheimagentin • Geheimdienst • Israel • Jugoslawien • Klassiker • Krieg • Krimi • Marionetten • Michael Shannon • Miniserie • Nahost • Nahostkonflikt • Nahostkrieg • Palästina • Park Chan-wook • Serie • spannend • Spion • Spionage • Spionageroman • Spionagethriller • Sprengstoff • Terror • Terroranschlag • Terrorgruppe • Terrorist • Terroristen • Verfilmung
ISBN-10 3-8437-0853-3 / 3843708533
ISBN-13 978-3-8437-0853-1 / 9783843708531
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