Stress und Coping in der Adoleszenz (eBook)

Ein Kulturvergleich von Jugendlichen in 10 europäischen Ländern

(Autor)

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2013 | 1. Auflage
614 Seiten
Tectum-Wissenschaftsverlag
978-3-8288-5648-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Stress und Coping in der Adoleszenz -  Tim Gelhaar
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Europa wächst zusammen und Jugendliche wachsen in diesem Europa in eine globalisierte Welt hinein, gestalten ihr Leben und planen ihre Zukunft. Dabei sind sie einem gehörigen Stresspotential ausgesetzt. Schulprobleme, Ärger mit den Eltern oder die Frage, welchen Beruf man ausüben möchte sind Themen von Jugendlichen in ganz Europa. Doch wo zeigen sich Unterschiede und Gemeinsamkeiten im Erleben und Verhalten? Wie wird Stress in verschiedenen Kulturen bewältigt? In welchen Lebensbereichen sind kulturelle Prägungen besonders einflussreich und wie wirken sie sich aus? Tim Gelhaar geht diesen Fragen am Beispiel der alltäglichen Stressbelastung und deren Bewältigung nach und analysiert die Lebensbedingungen Jugendlicher in Europa zu Beginn des noch neuen Jahrtausends. Seine Antworten spiegeln die heutigen Lebensumstände im Spagat zwischen kultureller Differenzierung und Annäherung wider und bieten zahlreiche entwicklungspsychologische sowie kulturbasierte Erklärungsansätze. Pädagogen, Psychologen und alle, die mit Kindern und Jugendlichen im interkulturellen Kontext arbeiten, gewinnen durch dieses Buch ein vertieftes Verständnis und neue Sichtweisen.

Einleitung

„Rogério (13) lebt in Quinta da Serra, einem armen Vorort von Lissabon. Er hat eine dunkle Hautfarbe, denn seine Familie stammt aus Angola, einer ehemaligen portugiesischen Kolonie. Wie in vielen Einwanderfamilien fehlt es oft am Nötigs­ten. So kann Rogério nur unregelmäßig in die Schule gehen, denn er muss seiner Mutter helfen, Geld zu verdienen. Er hat noch fünf jüngere Geschwister. Seinen Vater, der im Bürgerkrieg gefallen ist, kennt er nicht. Rogério möchte später gerne eine technische Ausbildung machen, denn Maschinen haben ihn schon immer begeistert. Er stellt sich vor, wie er viel Geld verdienen wird und seiner Mutter und seinen Geschwistern eine bessere Wohnung mit regendichtem Dach und einer eigenen Dusche bezahlen kann. Doch Einwanderkinder finden nur schwer einen Ausbildungsplatz und außerdem braucht er einen Schulabschluss, und obwohl Rogério klug ist, wie seine Lehrer sagen, wird er das Schuljahr wohl wieder nicht schaffen, da er so oft fehlt.“

„Jarik (16) kommt aus dem nordfinnischen Lappland. Fast das halbe Jahr ist es dort dunkel, doch das stört ihn nicht. Jarik liebt die raue Landschaft. Er verbringt viel Zeit in der Natur, die seine ausgeprägte Phantasie anregt. Häufig schreibt er Ge­dichte, die von dieser Landschaft und von den Menschen, die hier leben, erzählen. Später möchte Jarik gerne Literatur studieren. In Helsinki gibt es eine gute Fakul­tät dafür, doch das ist über 1000 km von seinem Zuhause entfernt. Er könnte seine Familie und Freunde nur noch selten sehen. Außerdem war er noch nie in einer so großen Stadt und er hat Angst, sich dort nicht zurechtzufinden.“

„Yasemin (15) lebt in Istanbul, doch ursprünglich kommt sie aus dem Osten der Türkei. Sie ist froh, nun in einer Stadt zu leben, denn Yasemin liebt das bunte, pulsierende Stadtleben. Gerne wäre sie mehr auf den Straßen der Stadt unterwegs, um Freunde zu treffen, doch ihre Eltern verlangen, dass sie direkt von der Schule nach Hause kommt. Yasemin interessiert sich für andere Länder und Kulturen, doch außerhalb der Türkei ist sie noch nie gewesen. Nach ihrem Schulabschluss möchte sie gerne studieren, am liebsten Internationales Recht. In der Türkei geht das nicht, aber in England oder Amerika. Yasemin weiß, dass sich dieser Traum nie erfüllen wird. Ihre Eltern werden sie nicht gehen lassen. Du sollst bei der Familie bleiben, sagen sie, das ist die Pflicht einer guten Muslimin.“

Drei kurze Blitzlichter aus dem Leben dreier Menschen in Europa, wie sie unterschiedlicher nicht sein können. Allen drei gemeinsam ist, dass sie – trotz ihres fiktiven und vielleicht auch plakativen Charakters – Ein­blick in das Leben von Jugendlichen gewähren, die ein Teil der Stichprobe sein könnten, welche die Grundlage der vorliegenden Arbeit darstellt. Doch es gibt noch ein weiteres verbindendes Element: die Sorge um die Zukunft. Alle drei, Rogério, Jarik und Yasemin, erwarten etwas von ihrem Leben, sie möchten gerne studieren, sich bilden und ihrem Leben einen Sinn geben. Doch in jedem der drei Fälle gibt es Dinge, die dagegen spre­chen, Hindernisse, die diesen Wunsch schwierig, wenn nicht unerfüllbar machen: geografische Gegebenheiten, die Religion, die wirtschaftliche und politische Situation oder traditionelle Werte. Werte und Eigenschaften, die einer Kultur, einer Gesellschaft ihren Charakter verleihen. Es wird deutlich, dass es nicht erstrangig die drei jungen Menschen sind, die sich unterschei­den, sondern ihr jeweiliger Hintergrund, denn so unähnlich sind sich Rogé­rio, Jarik und Yasemin gar nicht: Alle haben eine Begabung und Visionen, sie haben Ziele, die sie erreichen möchten. Jeder der drei wird Freunde haben und mit ihnen Freuden und Traurigkeiten teilen, alle haben eine Familie, die eine wichtige Rolle in ihrem Leben spielt.

Der Einfluss von Kultur auf Jugendliche steht im Vordergrund dieser Arbeit. Konkret soll es dabei nicht nur um Zukunftssorgen, sondern um alltägliche Sorgen und normative Stressoren im Allgemeinen gehen. Was belastet Jugendliche verschiedener Kulturkreise? Und wie wird mit diesen Belastungen umgegangen? Was sind Bewältigungsansätze und Copingstra­tegien? Dabei steht keineswegs nur die Identifizierung von Unterschieden und kultureller Vielfalt im Vordergrund, sondern ebenso die Suche nach universalen, kulturübergreifenden Strukturen und Gemeinsamkeiten. Im Fokus steht dabei eine kulturzentrierte Perspektive, d.h. die Frage, ob es über individuelle Unterschiede hinaus systematische Variation allein in Abhängigkeit der Kulturzugehörigkeit gibt. Trotz dieser individuumsüber­greifenden Perspektive handelt es sich ohne Zweifel um eine psychologi­sche Arbeit – zum einen, weil entwicklungspsycholgische Parameter expli­zit berücksichtigt werden, und zum anderen, weil es sich bei Stress und Coping um genuin psychologische Konstrukte handelt, die in Hinblick auf menschliches Erleben und Verhalten eine entscheidende Rolle spielen.

Die Realisierung der vorliegenden Dissertationsschrift war nur mög­lich, weil dem Autor der Arbeit dankenswerterweise Rohdaten zur Aus­wertung zur Verfügung gestellt wurden. So stammen acht der zehn ausge­werteten Datensätze aus einem größeren kulturübergreifenden Projekt, welches zwischen zahlreichen ausländischen Kooperationspartnern und der Abteilung Entwicklungs- und Pädagogische Psychologie der Universi­tät Mainz unter Leitung von Prof. Dr. Inge Seiffge-Krenke besteht. Bei die­sem Forschungsprojekt handelt es sich um eine wissenschaftliche Koopera­tion von Forschern aus zahlreichen Ländern mehrerer Kontinente, die die von Prof. Dr. Inge Seiffge-Krenke entwickelten und im Rahmen der vorlie­genden Arbeit eingesetzten Verfahren zu Forschungszwecken einsetzten. Nachdem in den zurückliegenden Jahren zunehmend mehr Forscherkolle­gen im In- und Ausland auf diese Verfahren für eigene Forschungsarbeiten zurückgriffen, entstand die Idee, Stress und Coping gezielt im Kulturver­gleich zu untersuchen. Dies führte seinerzeit zu der Überlegung, die For­schungsergebnisse zentral zu verwalten, um so kulturvergleichende Analy­sen zu ermöglichen. Im Jahr 2003 wurde begonnen, die bereits vorliegen­den Daten systematisch zusammenzufassen und für eine gemeinsame Verrechnung aufzuarbeiten. Gleichzeitig wurden zahlreiche weitere Daten­sätze rekrutiert. Mittlerweile liegen Datensätze aus mehr als zwanzig Län­dern der Erde vor und die Einbindung weiterer internationaler Datensätze ist geplant. Die Koordination und Verwaltung obliegt Prof. Dr. Inge Seiffge-Krenke vom Psychologischen Institut der Universität Mainz. Erste Analy­sen des kulturvergleichenden Projektes wurden in den vergangenen Jahren auf verschiedenen nationalen und internationalen Kongressen vorgestellt. Darüber hinaus sind zwei jüngere Publikationen dem Projekt gewidmet (Gelhaar, Seiffge-Krenke, Borge, Cicognani, Cunha, Loncaric et al., 2007; Seiffge-Krenke, 2006b). Für die großzügige Überlassung der Daten im Dienste der Wissenschaft sei an dieser Stelle sowohl der Projektkoordinato­rin als auch den vielen europäischen Kooperationspartnern nochmals auf herzlichste gedankt. Namentlich wurden diese bereits in der Danksagung genannt.

Die vorliegende Arbeit ist folgendermaßen gegliedert: Zunächst wird in einem sich anschließenden Einführungskapitel 1 der Ausgangspunkt für diese Arbeit überblickartig dargestellt. Mit Hilfe zweier Modelle wird ein erster Einblick in das Forschungsfeld und die daraus ableitbaren For­schungsdefizite gegeben. Die gesellschaftliche Situation in Europa zu Be­ginn eines neuen Jahrtausends wird skizziert und die Legitimation für die vorliegende Arbeit geschaffen. Die ausführliche Darstellung des theoreti­schen Hintergrunds dieser Arbeit ist daran anschließend in mehrere Teile gegliedert. Da sich der innovative Beitrag dieser Arbeit zu einem großen Teil aus der zehn Länder umfassenden Stichprobe ableitet, ist Kapitel 2 zunächst der Bedeutung des Kulturvergleichs in der psychologischen For­schung gewidmet. Nach einer eingehenden Beschäftigung mit dem Kultur­begriff wird im Anschluss versucht, das Verhältnis von Psychologie und Kultur zu klären, wobei die historische Entwicklung ebenso skizziert wird wie der momentane state-of-the-art. In Kapitel 3 steht die Lebensphase Jugend mit ihren spezifischen Chancen, Veränderungen und Herausforde­rungen im Vordergrund. Neben einer genauen Konzeptionalisierung des Jugendalters werden verschiedene Lebensumwelten Jugendlicher, die auch in der vorliegenden Arbeit Berücksichtigung finden, dargestellt. Anschlie­ßend folgt in den Kapiteln 4 und 5 eine nähere Betrachtung der Konzepte Stress und Coping. Im Vordergrund steht dabei jeweils zunächst ein Abriss der historischen Entwicklung beider Konzepte, sowie die Darstellung von Definitionsansätzen, Zielen und Messverfahren. Abschließend wird der gegenwärtige Forschungsstand zu Stress und Coping in der Adoleszenz dargestellt, wobei der kulturvergleichenden Perspektive besondere Auf­merksamkeit geschenkt wird. Kapitel 6 widmet sich weiteren sozialen und familiären Einflussgrößen auf Stress und Coping im Jugendalter, welche im Rahmen der vorliegenden...

Erscheint lt. Verlag 15.11.2013
Verlagsort Baden-Baden
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Psychologie Sozialpsychologie
Schlagworte Alltäglicher Stress • Entwicklungspsychologie • Europa • Jugendalter • kulturvergleichende Psychologie • Stressbewältigung • Zukunftssorgen
ISBN-10 3-8288-5648-9 / 3828856489
ISBN-13 978-3-8288-5648-6 / 9783828856486
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