Spinnenkuss (eBook)
448 Seiten
Piper Verlag
978-3-492-96328-2 (ISBN)
Jennifer Estep ist SPIEGEL- und internationale Bestsellerautorin und immer auf der Suche nach ihrer nächsten Fantasy-Romanidee. In ihrer Freizeit trifft sie sich gerne mit Freunden und Familie, macht Yoga und liest Fantasy- und Liebesromane. Außerdem sieht sie viel zu viel fern und liebt alles, was mit Superhelden zu tun hat. Sie hat bereits mehr als vierzig Bücher sowie zahlreiche Novellen und Kurzgeschichten veröffentlicht. Bei Piper erscheinen ihre Young-Adult-Serien um die »Mythos Academy«, »Mythos Academy Colorado«, »Black Blade«, »Die Splitterkrone« und »Gargoyle Queen« sowie die Urban-Fantasy-Reihen »Elemental Assassin«, »Bigtime« und »Section 47«.
Jennifer Estep ist Journalistin und New-York-Times-Bestsellerautorin. Sie schloss ihr Studium mit einem Bachelor in Englischer Literatur und Journalismus und einem Master in Professional Communications ab und schreibt heute Paranormal Romance und Urban Fantasy für erwachsene Leserinnen und Jugendliche. Bei Piper erschien bisher ihre All-Age-Serie um die "Mythos Academy" sowie die Erwachsenenreihe "Elemental Assassin".
1
»Ich heiße Gin, und ich töte Menschen.«
Unter normalen Umständen hätte mein Geständnis überraschtes Keuchen ausgelöst. Bleiche Gesichter. Nervöse Schweißausbrüche. Unterdrückte Schreie. Ein, zwei umgeworfene Stühle, weil die Leute zu entkommen versuchten, bevor ich mein Messer in ihrer Brust versenkte – oder in ihrem Rücken. Solange die Verletzung zum Tod führte, war ich nicht besonders wählerisch.
Aber nicht hier.
»Hi, Gin«, antworteten vier Leute unisono, in perfektem Einklang und dumpfer Monotonie.
Innerhalb der von Mauern umschlossenen Räume der Ashland-Klinik sorgte mein Geständnis, so wahr es auch sein mochte, nicht einmal für eine gehobene Augenbraue und noch weniger für markerschütternde Angst und Ehrfurcht. Ich war relativ normal, verglichen mit den Missgeburten und der Magie, die diese Anstalt füllten. Wie Jackson, dem zwei Meter zehn großen Albino-Riesen, der links von mir saß, schlimmer sabberte als ein Bernhardiner und vor sich hin brabbelte wie ein drei Monate altes Baby.
Ein langer Faden durchsichtigen, glänzenden Speichels hing von seinen riesigen Lippen, aber Jackson war zu sehr damit beschäftigt, dem plump tätowierten Gänseblümchen auf seinem Handrücken Unsinn zuzuflüstern, um sich darum zu kümmern. Oder das Naheliegende zu tun und sich den Mund abzuwischen. Ich rückte ein wenig von ihm ab, um nicht in Kontakt mit dem nassen Schleim zu kommen.
Widerlich. Aber Leute wie Jackson waren typisch für die Klinik. Klinik. Die Bezeichnung brachte mich immer zum Lächeln. So ein hygienisches Wort für dieses Drecksloch.
Es war schon schlimm genug, dass ich nun seit fast einer Woche hier festsaß. Aber was mir wirklich auf die Nerven ging, war der ständige Lärm – und dass ich gezwungen war, dem Gebäude zuzuhören. Die Schreie der Verdammten und Geistesgestörten waren, so wie es alle Gefühle und Ereignisse mit der Zeit tun, schon vor langer Zeit in den Granitwänden und Böden der Klinik versickert. Da ich ein Steinelementar war, konnte ich die Vibrationen der Wände und der Decken spüren und das ständige irre Geplapper selbst durch den billigen Teppich und meine weißen Baumwollsocken hindurch wahrnehmen.
Als ich hier angekommen war, hatte ich zunächst versucht, mich den Steinen zuzuwenden, in dem Bemühen, meine eigene Magie zu nutzen, um dem Element ein wenig Trost zu spenden. Oder zumindest um die Schreie genug zu dämpfen, damit ich nachts schlafen konnte. Aber es hatte nichts geholfen. Die Steine waren nicht mehr in der Lage, meiner Magie zu lauschen oder auf sie zu reagieren. Genau wie die armen Seelen, die auf ihnen herumschlurften.
Inzwischen blendete ich die nicht enden wollende Kakofonie aus Geräuschen und Gebrabbel einfach vollständig aus – wie ich es mit so vielen anderen Dingen auch tat.
Eine Frau, die mir im schiefen Kreis aus Plastikstühlen gegenübersaß, beugte sich vor. Sie nahm Blickkontakt zu mir auf. »Gin, das hast du jetzt schon mehrmals behauptet. Wir haben darüber auch bereits gesprochen. Du hältst dich nur für eine Auftragsmörderin. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bist du keine.«
Evelyn Edwards. Die Psychiaterin, die eigentlich alle Verrückten in dieser magischen Irrenanstalt heilen sollte. In ihrem engen schwarzen Kostüm, der elfenbeinfarbenen Bluse und den Schuhen mit niedrigem Absatz strahlte sie Selbstbewusstsein und professionelle Ruhe aus. Eine eckige Brille saß tief auf ihrer spitzen Nase und betonte ihre grünlichen Augen. Ihre Haare waren zu einem kurzen verwuschelten Bob geschnitten. Evelyn war hübsch, aber auf ihrem fahlen Gesicht lag ein hungriger Ausdruck – ein Ausdruck, den ich sofort erkannte. Es war der kalte Blick des raffinierten Jägers.
Und genau deswegen war ich heute hier.
»Ich bin sicherlich keine einfache Auftragsmörderin«, hielt ich dagegen. »Ich bin die Spinne. Sie haben garantiert schon von mir gehört.«
Evelyn verdrehte die Augen und warf einen Blick zu dem großen Wärter, der gleich hinter dem Stuhlkreis stand. Er kicherte kurz, dann hob er den Finger an die Stirn und zeigte einen Vogel.
»Natürlich habe ich schon von der Spinne gehört«, sagte Evelyn betont geduldig. »Jeder hat von ihm gehört. Aber du bist es sicherlich nicht.«
»Sie«, verbesserte ich sofort.
Wieder kicherte der Wärter. Ich zog verstimmt eine Augenbraue hoch. Eigentlich ging der Witz auf seine Kosten, denn er hatte mit diesem Lachen gerade sein Leben verwirkt. Ich wurde nicht gern verspottet, selbst wenn ich die letzten paar Tage damit verbracht hatte, mich als Irre auszugeben.
Um Leute umzubringen, muss ich in ihre Nähe kommen. Muss mich in ihre Welt begeben. Das mögen, was sie mögen. Ihre Gewohnheiten annehmen. So denken wie sie.
Mich für diesen Auftrag in Evelyn Edwards Welt zu begeben, hatte bedeutet, dass ich mich in die Ashland-Klinik einliefern ließ. Für Evelyn und die Wärter, die auf ihre Befehle hörten, war ich nicht mehr als eine weitere Verrückte, die man von der Straße aufgesammelt hatte, in den Wahnsinn getrieben durch Elementarmagie, Drogen oder eine Kombination aus beidem. Ein weiteres armes verlorenes Sorgenkind des Staates, das ihrer Zeit, ihrer Aufmerksamkeit, ihrer Rücksicht oder ihres Mitgefühls im Grunde jedoch nicht wert war.
Ich hatte die letzten paar Tage in der Klinik damit verbracht, Evelyn und die anderen davon zu überzeugen, dass ich genauso verrückt war wie der Rest der brabbelnden Psychos. Hatte mit wirrem Gesichtsausdruck behauptet, dass ich eine Auftragsmörderin sei. Hatte gesabbert und mit den schleimigen Erbsen, die es zum Mittagessen gab, die Wände bemalt. Ich hatte mir sogar während der Bastelstunde Strähnen meiner langen blondierten Haare abgeschnitten, und das alles nur, um die Illusion aufrechtzuerhalten. Die diensthabenden Wärter hatten mir die Schere abgenommen, allerdings erst nachdem ich es geschafft hatte, im Gemeinschaftsraum damit eine Schraube aus einem der Tische zu drehen.
Und genau diese Schraube verwandelte ich kurze Zeit später in eine fünf Zentimeter lange, spitze Waffe. Genau diese Schraube hielt ich nun in der Hand. Und genau diese Schraube würde ich Evelyn in die Kehle rammen. Die Waffe schmiegte sich in meine Handfläche, lag kalt auf meiner vernarbten Haut. Hart. Solide. Beruhigend.
Natürlich brauchte ich eigentlich keine Waffe, um die Irrenärztin zu töten. Ich hätte Evelyn auch mit meiner Steinmagie erledigen können. Hätte nach der elementaren Macht greifen können, die durch meine Adern floss. Hätte die unzähligen Granitsteine nutzen, aus denen die Klinik erbaut war, und dafür sorgen können, dass das gesamte Gebäude über ihrem Kopf zusammenbrach. Meine Steinmagie einzusetzen fiel mir genauso leicht wie das Atmen.
Vielleicht war es verkorkster professioneller Stolz, aber ich setzte meine Elementarmagie nicht zum Töten ein, außer mir blieb absolut keine andere Wahl und es gab definitiv keinen anderen Weg, den Auftrag zu erledigen. Sonst war es einfach zu leicht. Aber noch wichtiger war, dass Magie hierzulande Aufmerksamkeit erregte. Besonders Elementarmagie. Wenn ich anfing, Gebäude über Leuten zum Einstürzen zu bringen oder ihnen den Schädel von herabfallenden Ziegelsteinen einschlagen ließ, würden die Polizei und noch andere, widerwärtigere Charaktere es bemerken – und anfangen, ein ungesundes Interesse an mir zu entwickeln. Ich hatte mir über die Jahre mehr als genug Feinde geschaffen, und ich hatte nur deswegen so lange überlebt, weil ich mich im Schatten hielt. Weil ich vollkommen unbemerkt in Gebäude eindrang und wieder verschwand, genau wie meine achtbeinige Namenspatronin es tat.
Davon abgesehen gab es eine Menge Wege, dafür zu sorgen, dass jemand das Atmen einstellte. Dafür brauchte ich nun wirklich keine Magie.
»Die Spinne.« Evelyn verzog für einen Moment den Mund und erlaubte sich ein amüsiertes Kichern. »Als könnte jemand wie du die Spinne sein. Der gefürchtetste Killer des Südens.«
»Östlich des Mississippi«, korrigierte ich sie erneut. »Und natürlich bin ich die Spinne. Tatsächlich werde ich Sie umbringen, Evelyn. In drei Minuten. Der Countdown läuft.«
Vielleicht lag es an der Art, wie meine grauen Augen sie ruhig anstarrten. Vielleicht lag es auch an dem vollkommen emotionslosen Tonfall meiner Stimme. Aber das Lachen erstarb in ihrer Kehle wie ein kleines Tier in der Falle. Und bald schon würde sie selbst folgen.
Ich stand auf und streckte die Arme über den Kopf, um die Schraube in meiner Hand besser zu greifen. Mein weißes Hemd mit den langen Ärmeln rutschte nach oben, als ich mich reckte, und gab den Blick auf meinen flachen Bauch frei. Der große Wärter starrte auf meinen Schoß und leckte sich die Lippen. Dead man walking.
»Genug von mir«, sagte ich und ließ mich wieder auf den Stuhl fallen. »Lassen Sie uns über Sie reden, Evelyn.«
Sie schüttelte den Kopf. »Gin, du weißt doch, dass das gegen die Regeln verstößt. Therapeuten dürfen nicht mit Patienten über sich selbst sprechen.«
»Warum nicht? Sie stellen mir jetzt schon seit Tagen Fragen. Versuchen, mich dazu zu bringen, über meine Vergangenheit zu reden. Über meine Gefühle zu sprechen. Mich damit abzufinden, dass ich kalt bin, ›emotional distanziert‹, wie Sie sagen. Ich würde es gerne einmal andersherum probieren, wissen Sie. Ich habe gehört, Ricky Jordan gegenüber waren Sie auch immer ganz redselig.«
Sie riss die Augen hinter ihrer Brille auf. »Woher – woher kennst du diesen Namen?«
Ich ignorierte ihre Frage. »Ricky Robert Jordan. Siebzehn Jahre alt. Ein Luftelementar mit einer schweren bipolaren...
Erscheint lt. Verlag | 10.12.2013 |
---|---|
Reihe/Serie | Elemental Assassin |
Elemental Assassin | |
Elemental Assassin | |
Übersetzer | Vanessa Lamatsch |
Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Original-Titel | Spider's Bite |
Themenwelt | Literatur ► Fantasy / Science Fiction ► Fantasy |
Literatur ► Fantasy / Science Fiction ► Science Fiction | |
Literatur ► Romane / Erzählungen | |
Schlagworte | Antiheldin • Ashland • Assassin • Assassine • Auftragskiller • Buch • Bücher • eBook • Eis • elementargeist • Elemente • Fantasy • Fantasy Bücher • Fantasy für Frauen • Fantasy Reihe • Fantasy-Reihe • Fantasy Serie • Geheimnis • Geheimnisvolle • Gin Blanco • Kalifornien • Kleider • Mörder • Mythos Academy • Phantastik • Phoenicrus • Schatten • Schiffsreise • Schmöker • Schmuck • Spinne • Spinnen • Stein • Urban Fantasy |
ISBN-10 | 3-492-96328-5 / 3492963285 |
ISBN-13 | 978-3-492-96328-2 / 9783492963282 |
Informationen gemäß Produktsicherheitsverordnung (GPSR) | |
Haben Sie eine Frage zum Produkt? |

Größe: 439 KB
DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasserzeichen und ist damit für Sie personalisiert. Bei einer missbräuchlichen Weitergabe des eBooks an Dritte ist eine Rückverfolgung an die Quelle möglich.
Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belletristik und Sachbüchern. Der Fließtext wird dynamisch an die Display- und Schriftgröße angepasst. Auch für mobile Lesegeräte ist EPUB daher gut geeignet.
Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise
Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.
aus dem Bereich