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Die Viagra-Tagebücher (eBook)

eBook Download: EPUB
2013 | 1. Auflage
288 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-48811-3 (ISBN)
Systemvoraussetzungen
9,99 inkl. MwSt
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Träume hat man immer, das hat mit dem Alter nichts zu tun. Anny ist attraktiv, lebenslustig, Single - und fünfundsechzig. Die Suche nach Mr. Right hat sie noch nicht aufgegeben. Doch immer wieder stellen Anny und ihre Freundinnen fest: Männer ihres Alters vergnügen sich lieber mit deutlich jüngeren Frauen - im Zeitalter der kleinen blauen Wunderpille kein Problem. Auch beruflich sieht es nicht gut aus für Anny. Ihre wöchentliche Kolumne steht vor dem Aus, zu langweilig, meint die Chefredakteurin. Da sowieso schon alles egal ist, schreibt Anny sich eben ihren Beziehungsfrust öffentlich von der Seele. Und die Berichte aus dem Haifischbecken Singlewelt treffen einen Nerv. Vor allem ihre Erlebnisse mit dem geheimnisvollen Mr. X elektrisieren die Leserinnen. Zu dem gutaussehenden Kerl mit Silbermähne fühlt Anny sich sofort hingezogen - doch dann ist es plötzlich sie selbst, die sich nach einem Jüngeren umschaut, als sich ihr charmanter Nachbar Ryan für sie interessiert ...

Barbara Rose Brooker hat Literatur und Kreatives Schreiben studiert und unterrichtet an der San Francisco State University. Sie weiß, was es bedeutet, jenseits der 60 und Single zu sein. Vieles von dem, über das sie so humorvoll schreibt, hat sie selbst erlebt.

Barbara Rose Brooker hat Literatur und Kreatives Schreiben studiert und unterrichtet an der San Francisco State University. Sie weiß, was es bedeutet, jenseits der 60 und Single zu sein. Vieles von dem, über das sie so humorvoll schreibt, hat sie selbst erlebt. Ulrike Thiesmeyer, geb. 1967, studierte Literatur-Übersetzen in Düsseldorf, wo sie auch bis heute lebt. Sie ist als freiberufliche Übersetzerin tätig und hat zahlreiche Romane ebenso wie Sachbücher aus dem Englischen und Französischen ins Deutsche übertragen. Zu den von ihr übersetzten Autoren gehören u.a. Kamila Shamsie, Patrick Lee und William Boyd.  

3


Tags darauf sitze ich mittags mit Janet und Lisa in dem Café im Untergeschoss von Macy’s. In dem weitläufigen Raum duftet es nach Enchiladas, und Kunden stehen in langen Schlangen an, um sich etwas zu essen zu besorgen. Janet hat gerade Mittagspause, und Lisa hat noch etwas Zeit bis zu ihrem nächsten Termin.

«Die alten Knacker aus der Boomer-Generation sind ein Albtraum», sagt Janet, die sich ein Putensandwich genehmigt. «Entweder, sie schleppen Bikinifotos ihrer verstorbenen Ehefrau mit sich herum, oder sie muten einem aus purem Geiz einen meilenweiten Fußmarsch zu, bloß, um für ihr Auto keine Parkgebühren zahlen zu müssen.»

Janet trägt ihre Arbeitskleidung, einen todschicken dunkelblauen Hosenanzug von Chanel. Ihr Haar, das einst von Natur aus rot war und das sie mittlerweile grell orange färben lässt, hat sie elegant hochgesteckt. Sie hat eines dieser nicht unbedingt vollkommenen Gesichter, die dennoch schön sind – eine ausgeprägte Nase, hellwache dunkle Augen und volle rote Lippen.

«Du bist eine Überlebenskünstlerin, Anny», beruhigt Lisa mich. «Dir fällt schon etwas Gutes für deine Kolumne ein.» Lisa ist eine kleine, zierliche Person mit einem blonden, sehr exakten Pagenschnitt und dunklen, intelligenten Augen. Ihr elegantes graues Kostüm von Armani hat sie durch einen blauen Seidenschal von Hermès ergänzt, der um ihre Schultern drapiert ist. Auf der Bank neben ihr steht ihre türkisgrüne Birkin Bag.

Janet, seit dreißig Jahren geschieden, ist Chefeinkäuferin für Chanel bei Macy’s. Kennengelernt haben wir uns vor neun Jahren, als ich einen Lippenstift von Chanel kaufte. Bei dieser Gelegenheit stellten wir fest, dass wir Töchter im selben Alter haben und beide von unseren Ehemännern verlassen worden sind, und seither sind wir Freundinnen. Sie ist im Waisenhaus aufgewachsen und schlägt sich seit ihrer Scheidung allein durch. Lisa Berman bin ich kurze Zeit danach bei einem Festessen begegnet, das vom Kunstmuseum für all die ehrenamtlichen Helfer ausgerichtet wurde, die unentgeltlich Führungen durch die Sammlung leiten. Wir plauderten angeregt über de Kooning und Picasso und waren uns auf Anhieb sympathisch. Sie ist zweiundsechzig, sehr erfolgreich als Projektentwicklerin für gewerbliche Immobilien und verwitwet – ihr Mann ist vor zehn Jahren einem plötzlichen Herzinfarkt erlegen. Sie hat einen verheirateten Sohn und einen Enkel.

«Mal was ganz anderes. Gestern habe ich bis tief in die Nacht am Computer gesessen und mich bei JDate umgetan», verkünde ich und behalte die beiden dabei gespannt im Auge. «Freitagabend habe ich ein Date. Wir treffen uns zum Essen und auf ein paar Drinks im Harris. Er ist siebzig, Diamantenhändler und sehr wohlhabend.»

«Hey! Süße! Gar nicht übel!», freut sich Janet für mich. «Die Männer aus der Boomer-Generation, die ich kennenlerne, gehen mit mir höchstens popelig zum Italiener essen. Die meisten von ihnen tragen Windeln, und wenn sie husten, lassen sie einen fahren. Müssen sie mal einen Schritt zulegen, landet unweigerlich Pipi in der Hose. Die Hälfte dieser Boomer-Typen nimmt Viagra und läuft mit einem Dauerständer durch die Gegend. Viele futtern außerdem diese angeblichen Wunderpillen, ExtenZe, damit ihr Schniedelchen größer wird.»

«Aber sei lieber vorsichtig», wirft Lisa ein. «Nicht dass er ein Serienmörder ist.» Sie hat einen Bio-Rote-Bete-Salat vor sich stehen, den sie in kleinen, damenhaften Häppchen verspeist.

«Jüdische Männer sind doch keine Serienmörder!» Janet sieht sie entrüstet an. «Die sind Anwälte, Ärzte –»

«Und mitunter schofel genug, um Geschenke zurückzufordern», ergänzt Lisa trocken und trinkt ein Schlückchen Eistee. «Wisst ihr noch, dieser Firmenchef, den ich auf JDate kennengelernt habe? Mit schneeweiß verblendetem Gebiss, Chauffeur und Penthouse? Er hat mir eine goldene Rolex zum Geburtstag geschenkt. Als ich mich dann geweigert habe, mit ihm zu schlafen, hat er sie von mir zurückverlangt. Es war die Uhr seiner verstorbenen Ehefrau. Schade, denn eigentlich stimmte die Chemie zwischen uns.»

«Chemie, Schmemie», kommentiert Janet abfällig und tut sich eifrig an ihren Pommes frites gütlich. «Geizkrägen können mir jedenfalls gestohlen bleiben. Eine Zeitlang bin ich mit diesem steinreichen Pelzhändler ausgegangen. Er residierte wie der Sonnenkönig persönlich in den Royal Towers, aber er war knauserig. In Restaurants benutzte er immer seine Zwei-für-eins-Karte, die er dem Kellner ganz verstohlen zusteckte, als würde ich das nicht bemerken.»

«Janet, eigentlich ist es mir egal, ob er Geld hat –»

«Vielleicht ist er ja genau der Richtige», fällt Janet mir mit einem Grinsen ins Wort. «Du solltest auf jeden Fall wieder heiraten, ehe du auf Antidepressiva bist, ein künstliches Hüftgelenk bekommst und auf Seniorenkreuzfahrten für Singles nach Alaska landest. Heirate ihn, ehe die einzige Freude in deinem Leben darin besteht, dass dich die Kinder sonntags mit einem schäbigen Blumenstrauß aus dem Supermarkt besuchen.»

«Danke, aber von der Ehe habe ich die Nase voll», wehre ich ab. «Irgendwie bin ich mir nicht sicher, ob man tatsächlich mit einem Mann sein Leben lang zusammenbleiben kann. Und wir leben ja nicht mehr im Zeitalter von Jane Austen. Wir können uns heute frei entscheiden.»

«Frei entscheiden? Ja, ob wir allein versauern wollen oder uns mit den Boomer-Typen einlassen, die sich mit Viagra aufputschen», sagt Janet.

«Amen», pflichtet Lisa ihr bei, sieht sich kurz vorsichtig um und sagt dann mit gedämpfter Stimme: «Und Janet hat vollkommen recht, was Viagra betrifft. Da draußen läuft eine ganze Viagra-Generation herum.»

Janet rümpft angeekelt die Nase. «Das wirkt selbst bei den jämmerlichsten Typen. Einmal hatte ich was mit diesem Versicherungsmagnaten, sechsundachtzig und schon halbtot. Kaum hatte ich eins seiner armseligen Eierchen berührt, die kaum größer waren als Murmeln, hat er auch schon losgelegt wie ein brünstiger Elch. Myrna Goldblatt war mit einem reichen Typen auf einer dieser Abschlepp-Kreuzfahrten, und er war dermaßen vollgepumpt mit Viagra, dass sein bestes Stück sich in ihr verkeilt hat und sie den Stewart rufen musste. Der hat dann einen Arzt aufgetrieben, der sie trennen musste wie zwei läufige Hunde.»

«O mein Gott», sage ich und muss gegen einen heftigen Lachanfall ankämpfen. «Die Ärmste.»

«Janet!», ruft Lisa sie streng zur Ordnung.

«Entspann dich, Süße», erwidert Janet lässig. Dann mustert sie mich eingehend mit ihren seelenvollen dunklen Augen. «Eine Rundumerneuerung könnte dir nicht schaden, Anny.»

Lisa nickt. «Du bist groß und schlank, aber was dir fehlt, ist Botox. Und deine Klamotten sind entschieden zu Spät-Hippie-mäßig. Lass dir die grauen Haare überfärben, am besten mit goldenen Strähnchen. Das kann Hasid übernehmen, mein Haarstylist. Ich rufe ihn gleich für dich an.»

«Nun macht mal halblang! Ich bin seit neun Jahren in Therapie und endlich so weit, dass ich mir gefalle, so, wie ich bin.»

Beide seufzen und können ihre Ungeduld nur schwer verbergen. Janet besteht mit Nachdruck darauf, dass ich mich zumindest im Gesicht etwas auffrischen lasse. «Das wird gut, du wirst sehen. Dann siehst du bei deinem Date richtig glamourös aus.»

Lisa muss zurück zur Arbeit, und ich komme nach kurzer Überlegung zu dem Schluss, dass ich ja eigentlich nichts zu verlieren habe. Also folge ich Janet.

 

Macy’s ist der reinste Zoo. Aus den Lautsprechern dröhnt Rockmusik. Am Chanel-Stand in der Mitte des Verkaufsraums sitze ich auf einem hohen Barhocker aus Holz vor einem Spiegel, während Manuel, Janets Assistent, mein Gesicht mit Wattebäuschchen reinigt, die mit scharf riechendem Gesichtswasser getränkt sind. Manuel ist etwa neunzehn, spindeldürr, mit stachelig nach oben gegeltem Haar und einem arroganten, stechenden Blick. Er ist ganz in Schwarz gekleidet und tänzelt geschmeidig um mich herum.

«Haben Sie eine gute Reinigungsmilch?», fragt er mich mit starkem spanischen Akzent.

«Von Nivea», antworte ich kleinlaut.

«Sehr schlecht.» Manuel reißt bestürzt die Augen auf. «Verstopft die Poren. Deswegen sieht Ihre Haut so grau und leblos aus. Was Sie brauchen, ist eine Tiefenreinigung.» Seine beiden Gehilfen, die blutjung wirken, kaum älter als zwölf, nicken eifrig wie ein griechischer Chor. Inzwischen ist ringsumher eine kleine Schar Kunden stehen geblieben, um neugierig bei meiner Verschönerung zuzusehen.

Nun löst Janet Manuel ab. Sie steigt vor mir auf einen Tritthocker. «Also, Süße, als Erstes tragen wir eine Feuchtigkeitscreme auf. Sieh dir diese Falten an», sagt sie und schnalzt tadelnd mit der Zunge. «Wenn Männer mich kennenlernen, schätzen sie mich auf dreißig. Sieh dir meine Haut an. Sie ist glatt. Hat genug Feuchtigkeit.» Sie dämpft die Stimme. «Abends vor dem Schlafengehen schmiere ich mein Gesicht immer dick mit nativem Olivenöl ein.»

«Feuchtigkeit», wiederhole ich folgsam.

«Mach die Augen zu, Süße», fordert Janet mich auf und haucht mir dabei ihren nach Zigarettenrauch riechenden Atem ins Gesicht. «Ich trage jetzt Abdeckcreme auf, um diese dunklen Flecken und roten Äderchen zu kaschieren. Süße, das ist sehr wichtig.»

«Klar.»

Als Nächstes umrandet Janet mir sorgfältig die Augen mit Kajalstift, um dann grauen Lidschatten auf meine Lider aufzutragen. «Rauchig und sexy», murmelt sie vor sich hin und schärft mir ein, wie unerlässlich Lidschatten für ein gelungenes Make-up ist.

«Klar. Merke ich mir.»

«Gib dich kühl und unbeteiligt, Süße», raunt sie mir zu. «Diese Boomer-Typen stehen auf zickige...

Erscheint lt. Verlag 2.9.2013
Übersetzer Ulrike Thiesmeyer
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Emanzipation der Frau • Internet • Kolumne • Liebe im Alter • Liebessuche • Single-Dasein • USA
ISBN-10 3-644-48811-8 / 3644488118
ISBN-13 978-3-644-48811-3 / 9783644488113
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