Schule - Macht - Politik (eBook)

Politische Erziehung in österreichischen Schulbüchern der Zwischenkriegszeit
eBook Download: EPUB
2013 | 1. Auflage
218 Seiten
Tectum-Wissenschaftsverlag
978-3-8288-5644-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Schule - Macht - Politik -  Roman Pfefferle
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Die Inhalte und Wertungen von Schulbüchern prägen das gesellschaftliche und politische Bewusstsein ganzer Generationen. Was die Großelterngeneration im Schulranzen mit sich herum trug, verrät viel darüber, wie sie sozialisiert wurde, welches selektierte Grundwissen sie mit auf den Weg bekam, wie nachhaltige Grundhaltungen und politische Einstellungen entstanden. Schulbuchforschung ist somit politische Kulturforschung. In der Zeit zwischen den Weltkriegen waren die Schulbücher in Österreich je nach dem herrschenden politischen System sehr unterschiedlich in Inhalt und Ausrichtung. Roman Pfefferle zeichnet in diesem Buch anschaulich nach, was die politischen Eliten der Ersten Republik und jene des Austrofaschismus für die Jugend wollten und wie sie es propagierten.

Teil I

1 Politische Kultur

1.1 Begriff

Der Begriff politische Kultur ist heute in zweierlei Bedeutung in Verwendung. Einerseits fand er Eingang in die politische Alltagssprache, andererseits bezeichnet er ein Konzept politikwissenschaftlicher Analyse.

In seiner alltagssprachlichen Bedeutung wird unter dem Begriff, analog zur Verwendung des Kulturbegriffs in anderen Bereichen (z.Bsp. Esskultur, Unternehmenskultur etc.), ein kultivierter politischer Stil verstanden. Er dient in diesem Zusammenhang zur Bezeichnung zwischenmenschlicher Umgangsformen im politischen Prozess und wird dementsprechend im Politiker- sowie Journalistensprachgebrauch meist wertend verwendet. So etwa dann, wenn Politiker einander einen Mangel an politischer Kultur unterstellen und damit auf ihr Unbehagen hinsichtlich des politischen Stils ihrer Kontrahenten hinweisen wollen.

Im Gegensatz dazu wurde der Begriff in der Politikwissenschaft für die Bezeichnung der subjektiven Dimension gesellschaftlicher Grundlagen der Politik oder politischer Systeme eingeführt, worunter unterschiedliche politische Orientierungsmuster einer Bevölkerung oder ihrer Teilgruppen aber auch solche innerhalb politischer Eliten zu verstehen sind. Politische Kultur ist in diesem Sinne keine kultivierte Umgangsform, die es zu erzeugen oder zu erhalten gilt, sondern meint die Existenz politischer Mentalitäten, die für eine bestimmte Zeit innerhalb eines bestimmten Territoriums charakteristisch sind. Es gibt daher nicht „die“ politische Kultur Österreichs, sondern immer nur bestimmte politische Kulturen innerhalb unterschiedlicher Perioden österreichischer Geschichte.

Im Folgenden soll der Entstehungsgeschichte und der Weiterentwicklung des komplexen Analysekonzepts politische Kultur mit dem Ziel auf den Grund gegangen werden, es für vorliegende Arbeit zu operationalisieren und somit nutzbar zu machen.

1.2 Ursprungskonzept der politischen Kultur

Das politikwissenschaftliche Konzept politische Kultur wurde bereits Mitte der fünfziger Jahre von Gabriel Almond (vgl. Almond 1956) vorgestellt und in weiterer Folge, gemeinsam mit Sydney Verba, zu einem Theorieentwurf verdichtet. In ihrer Pionierstudie „The Civic Culture“ (Almond/Verba 1963) stellen die beiden Autoren politische Kulturen in fünf Staaten vergleichend gegenüber, wobei ihre empirischen Erhebungen auf Umfragedaten beruhen. Die Motivation für die Etablierung des Konzepts der politischen Kultur kann darin gesehen werden, dass es für eine umfassende Analyse politischer Systeme nicht genügt, lediglich die jeweilige Rechtsverfassung beziehungsweise die institutionelle Architektur unterschiedlicher Regime zu untersuchen. Vielmehr ist es notwendig, auch subjektive Dimensionen wie politische Einstellungs- und Orientierungsmuster sowie Verhaltensweisen in einem bestimmten System über einen bestimmten Zeitraum zu erfassen, um zu einem vollständigen Bild zu gelangen. „The political culture of a society consists of the system of empirical beliefs, expressive symbols, and values which defines the situation in which political actions take place. It provides the subjective orientation to politics” (Pye/Verba 1965: 513).

Bezugnehmend auf das Ursrpungskonzept wird politische Kultur Mitte der 1980er Jahre von Almond schließlich in vierfacher Weise definiert (vgl. Almond, 1987: 29):

1. Politische Kultur bezieht sich auf das Muster subjektiver Orientierungen gegenüber Politik einer ganzen Nation oder ihrer Teilgruppen.

2. Politische Kultur hat kognitive, affektive und evaluative Bestandteile. Sie schließt Kenntnisse und Meinungen über politische Realität, Gefühle über Politik und politische Werthaltungen ein.

3. Inhalt politischer Kultur ist das Ergebnis von Kindheitssozialisation, Erziehung, Medieneinfluss und Erfahrungen im Erwachsenenleben mit den Leistungen von Regierung, Gesellschaft und Wirtschaft.

4. Politische Kultur beeinflusst die Struktur von Regierung und Politik und ihre Leistungen, schränkt sie ein, aber determiniert sie sicherlich nicht völlig. Die Kausalpfeile zwischen Kultur, Struktur und Regierungsleistungen weisen in beide Richtungen.

Politische Kultur bezeichnet also erstens bestimmte politische Orientierungsmuster innerhalb einer Gesamtgesellschaft oder ihrer territorialen sowie auch nicht-terrritorialen Teilgruppen, die für eine bestimmte Periode charakteristisch sind. Bei territorialen Teilgruppen kann es sich etwa um einzelne Gliedstaaten in föderalen Systemen bzw. um einzelne Regionen eines Landes handeln. So könnte für Österreich etwa die Existenz unterschiedlicher politischer Kulturen in den einzelnen Bundesländern angenommen werden. Unter nicht-territorialen Teilgruppen ist das Vorhandensein unterschiedlicher Subsysteme der Politik zu verstehen, die ebenfalls spezifische politischkulturelle Orientierungsmuster aufweisen können. Hierunter fallen beispielsweise das bürokratische System, das Mediensystem oder auch jenes der Wirtschaft (vgl. Gerlich/Pfefferle: 2006). Des Weiteren ist festzuhalten, dass es sich bei politischkulturellen Orientierungsmustern nicht um kurzfristige Einstellungsmomente im Hinblick auf das politische Tagesgeschehen handelt. Vielmehr handelt es sich um stabilisierte und bewusstseinsprägende Prädispositionen, die letztendlich individuelles und kollektives politisches Handeln beeinflussen können. Solche politisch-kulturelle Prädispositionen können in Meinungen (beliefs), Einstellungen (attidudes) und Werte (values) unterteilt werden, wobei Werte die intensivsten und Meinungen die oberflächlichsten Orientierungsmuster bezeichnen (vgl. Berg-Schlosser 1972: 33).

Zweitens wird im Ursprungskonzept politischer Kultur zwischen drei Arten von Orientierungen, nämlich der kognitiven, der affektiven und der evaluativen Ebene unterschieden. Unter der wissensmäßigen Ebene werden hier jene Orientierungen verstanden, die durch subjektive Kenntnisse über bestimmte Ereignisse, politische Prozesse und Institutionen oder auch bestimmte Themen geprägt sind. Die affektive Ebene bezeichnet die emotionalen Prädispositionen einer Person gegenüber bestimmten politischen Vorgängen oder Ereignissen und die evaluative Komponente beinhaltet schließlich die normativen und ethisch geprägten Einstellungen. Politisch-kulturelle Orientierungen beinhalten demnach Wissen über die politische Realität, Gefühle und Meinungen über Politik und politische Werthaltungen und Urteile. Des Weiteren lässt sich in diesem Zusammenhang zwischen den Objekten politischer Orientierungen unterscheiden, was sich entlang der klassischen Trias des Politikbegriffs durchführen lässt. Politische Orientierungsmuster können sich also auf das politische System als Ganzes (Systemkultur oder polity-culture), auf den politischen Prozess (Prozesskultur oder politics-culture) oder auch auf konkrete Politikfelder richten (Politikfeldkultur oder policy-culture). Politische Systemkultur beinhaltet Einstellungen gegenüber zentralen Strukturen des politischen Systems, gegenüber seinen Institutionen und Spielregeln aber auch hinsichtlich der Staats- und Regierungsform und der politischen Gemeinschaft. Demokratiebewusstsein oder auch Fragen der nationalen Identität sind etwa Orientierungsmuster im Rahmen der Systemkultur.

Politisch-kulturelle Orientierungen sind drittens nicht a priori vorhanden, sondern werden im Verlauf des Sozialisationsprozesses „erlernt“ und erworben. Sie sind somit das Produkt des individuellen und kollektiven Erlebens von Politik in unterschiedlichen Bereichen und Phasen politischer Sozialisation. Das „Erlernen“ politischer Kultur wird von unterschiedlichen Sozialisationsinstanzen wie Familie, Freundeskreise, Medien und Schule aber auch durch politische Alltagserfahrungen geprägt. Mit anderen Worten könnte man sagen: „Politische Sozialisation produziert Politische Kultur“ (Pelinka 2006: 226). Demnach hat politische Sozialisation unweigerlich die Aufgabe, politische Kultur herzustellen, zu tradieren und zu wandeln und ihre Untersuchung scheint nach Almond und Powell „eine der am meisten versprechenden Arten zu sein, um das Phänomen der politischen Stabilität und Entwicklung zu verstehen“ (Almond/ Powell 1966: 65). Die Formen und Bedingungen politischer Sozialisation und ihre Kontrolle sind daher in jedem politischen System eine zentrale Frage, auf die noch an späterer Stelle vorliegender Arbeit zurückgekommen wird, da sie das primäre Untersuchungsinteresse darstellen.

Der vierte Punkt legt schließlich nahe, dass es eine Wechselwirkung zwischen politischer Struktur von Regierung und Politik und politisch-kulturellen Orientierungen innerhalb der Bevölkerung gibt. Einerseits wird dies deutlich, da der Output eines politischen Systems, wie gerade angesprochen, auf verschiedensten Ebenen die politische Kultur der Bevölkerung so gesehen beeinflusst, indem er das „Erleben“ von Politik prägt. Dies geschieht indirekt über mediale Politikberichterstattung, aber auch durch die Schaffung bestimmter Spielregeln politischer Sozialisation. Generell kann angenommen werden, dass es in diesem Zusammenhang das...

Erscheint lt. Verlag 20.8.2013
Reihe/Serie Wissenschaftliche Beiträge aus dem Tectum-Verlag
Verlagsort Baden-Baden
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Geschichte Regional- / Ländergeschichte
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung Politische Theorie
Schlagworte Austrofaschismus • Austrofaschismus; Erste Republik; Glöckl; Otto; Politische Bildung; Politische Kultur; Politische Sozialisation; Schulpolitik • Erste Republik • Glöckl • Otto • Politische Bildung • Politische Kultur • Politische Sozialisation • Schulpolitik
ISBN-10 3-8288-5644-6 / 3828856446
ISBN-13 978-3-8288-5644-8 / 9783828856448
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