Hart an der Grenze (eBook)
216 Seiten
KBV Verlags- & Medien GmbH
978-3-95441-063-7 (ISBN)
Ralf Kramp, geb. 1963 in Euskirchen, lebt in einem alten Bauernhaus in der Eifel. Für sein Debüt »Tief unterm Laub« erhielt er 1996 den Förderpreis des Eifel--Literatur-Festivals. Seither erschienen zahlreiche Kriminalromane und Kurzgeschichten. In Hillesheim in der Eifel unterhält er zusammen mit seiner Frau Monika das »Kriminalhaus« mit dem »Deutschen Krimi-Archiv« (30.000 Bände), dem »Café Sherlock«, einem Krimi-Antiquariat und der »Buchhandlung Lesezeichen«. Im Jahr 2023 wurde er mit dem Ehren-Glauser für »herausragendes Engagement für die deutschsprachige Krimiszene« ausgezeichnet.
Ralf Kramp, geb. 1963 in Euskirchen, lebt in einem alten Bauernhaus in der Eifel. Für sein Debüt »Tief unterm Laub« erhielt er 1996 den Förderpreis des Eifel--Literatur-Festivals. Seither erschienen zahlreiche Kriminalromane und Kurzgeschichten. In Hillesheim in der Eifel unterhält er zusammen mit seiner Frau Monika das »Kriminalhaus« mit dem »Deutschen Krimi-Archiv« (30.000 Bände), dem »Café Sherlock«, einem Krimi-Antiquariat und der »Buchhandlung Lesezeichen«. Im Jahr 2023 wurde er mit dem Ehren-Glauser für »herausragendes Engagement für die deutschsprachige Krimiszene« ausgezeichnet.
2. Kapitel
Jost Spilles gab ein Zeichen und im nächsten Augenblick wurde ein Wasser über den Tresen geschoben. Bläschen stiegen auf. Es prickelte auf seiner Hand, als er danach griff und rasch trank, bevor die Kohlensäure sich verflüchtigt hatte. Diese schale, handwarme Suppe mochte er nicht. Es musste frisch und sauer sein.
Heute Abend war nicht viel los in der Kneipe. Einer aus dem Dorf feierte seinen Fünfzigsten. Spilles war nicht eingeladen. Grillfleisch fand er sowieso zum Kotzen. Er trank lieber in Ruhe sein Wasser und guckte der Bedienung zu. Das Gedudel des Spielautomaten drängelte sich immer wieder zwischen die Wortfetzen von Hofmanns Alli und den anderen Männern von der Baufirma, die am anderen Ende der Theke soffen.
Sie lachten immer alle, wenn er sich Wasser bestellte. So was war für die einfach komisch. Damals hatten sie ihm prophezeit, dass er nie wieder in die Kneipe würde gehen können, ohne einen Rückfall zu erleben. Sie hatten gesagt, er solle mal lieber schön zu Haus bleiben und fernsehen, sonst wäre er im Nu wieder an der Flasche. Ein paar hatten versucht ihn anzuspitzen. Sie hatten ihm Korn ins Wasser gekippt und solche Scherze. Dann hatte er es ohne große Worte über die Theke gehalten und ins Spülwasser gekippt. Irgendwann hatten sie dann Ruhe gegeben.
Alles war damals gleichzeitig passiert: Der Job bei der Zeitung war weg, und dann das mit Miriam und diesem Typen vom Kreisbauamt. Und dann hatten sie mitten im Sommer, mitten am helllichten Tag, mitten im Dorf ihr Kind überfahren.
Andere fingen bei so was mit dem Saufen an. Er hatte aufgehört.
Er hatte geglaubt, dass er das alles nur begreifen könne, wenn er klar in der Birne sei. Und dieses eine Mal hatte er dann sein Leben in die richtige Bahn gelenkt.
Wenn man ihn so auf dem Hocker an der Theke sitzen sah, dann hätte man meinen können, es sei bereits zu spät gewesen. Jost Spilles war sechsundvierzig, aber mit den tiefen Furchen im Gesicht und mit dem eisgrauen Pferdeschwanz sah er mindestens aus wie sechzig. Gebückt, stoppelig, mit einem Zucken im linken Augenlid.
Aber für ihn war es noch nicht zu spät gewesen. Er hatte seither begonnen klar zu sehen.
Dafür war Miriam jetzt diejenige, die soff. Ihr Bauamtsfuzzi hatte sie vor zwei Jahren abserviert und jetzt zog sie mit einem durch die Gegend, den sie bei einem Weinfest an der Mosel kennen gelernt hatte. Wenn Spilles den beiden in Tondorf bei einem Fest oder sonst wo begegnete, hatte der Typ immer seine Zunge in Miriams Mund. Spilles trank dann seinen Sprudel und lachte still in sich hinein.
Einmal war er Miriam auf dem Friedhof begegnet. Sie hatte ein fettes blaues Auge, das die Sonnenbrille nicht zu verbergen vermochte. Sie legte einen geschmacklosen Blumenstrauß auf Jennifers kleines Grab und fragte: »Wie geht’s dir?«
Spilles hatte mit den Schultern gezuckt und gefragt: »Und dir?« Und sie hatte ebenfalls mit den Schultern gezuckt und war wieder abgezogen.
Seit er Wasser trank, ging es ihm tatsächlich besser.
Er schrieb kleine Artikel über Goldhochzeiten und Schützenfeste, zu denen die Kollegen aus Euskirchen nicht extra rausfahren wollten. Das reichte für die kleine Wohnung am Ortsausgang Richtung Blankenheim.
Spilles war nicht glücklich, aber er hatte sich eingerichtet. Neben ihm schwang sich Starks Huppert auf einen freien Barhocker. Huppert roch wie immer aufdringlich nach einem Alt-Herren-Rasierwasser. Auf seinen bleichen Wangen waren kleine, leuchtend rote Kratzer vom Rasieren zu sehen. Huppert hatte bis jetzt allein an einem Tisch neben dem Pokalschrank gesessen und sich einem Kreuzworträtsel gewidmet – so, wie er das hier öfter zu tun pflegte.
»Tach, Jost«, sagte er mit seiner leicht näselnden Stimme. Viele dachten an einen Schwulen, wenn sie ihn sahen. Tatsächlich war Huppert ein alter Junggeselle, aber es ging die Geschichte rund, dass er ab und zu in der Nähe der am Autobahnende postierten Bumsmobile der Prostituierten gesehen worden war.
Jost Spilles grüßte zurück. »Nicht auf dem Geburtstag?«
Huppert lächelte ein fischiges Lächeln. »Ach, weißt du …« Er sprach immer sehr geziert. Er sammelte alte Postkarten und gefiel sich in der Rolle des Hobbyhistorikers, der gerne etwas über Tondorf und seine Geschichte zum Besten gab. »Du weißt doch, ich mache mir nichts aus diesen Gartenfesten.«
Jost winkte der Bedienung und Huppert bekam ein Kölsch und einen Korn hinübergeschoben.
Er prostete Jost zu. »Viel zu tun?«, fragte er, nachdem er einen langen Schluck Kölsch und den Korn heruntergespült und danach genüsslich geschmatzt hatte. »Ich meine, passiert denn im Moment was, was man veröffentlichen kann?«
Spilles lachte trocken. »Was soll schon sein? Wir sind in Tondorf. Hier ist die Eifel. Als Journalist hat man hier hart zu knabbern.«
»Und diese Sache im Wald bei Esch …«
»Der tote Ami?«
»Genau der.« Huppert trank wieder genüsslich. »Toll, was? Ich habe heute Morgen davon im Radio gehört. Da müsste man mal was drüber schreiben. Da steckt doch ein Schicksal dahinter. Was treibt so einen dazu, so was zu tun?«
Spilles dachte bei sich: Ein Schicksal … ein Schicksal … Guck dich an, du Fischgesicht, und guck mich an, den Wassersäufer. Wer will schon Schicksale?
»Wäre das nicht was?«, fragte Huppert beharrlich.
»Da sind doch schon alle anderen dran. Da hat sich garantiert schon Hamburg dahintergeklemmt. Hinterher ist es noch ein entfernter Vetter von George Bush und sie kriegen irgendwie den Dreh zum Golfkrieg. Nichts für mich.« Spilles betrachtete seinen Thekennachbarn. Mannomann, Huppert, dachte er bei sich, was finde ich bloß so ätzend an dir? Es mochte Hupperts selbstgefälliges Gehabe sein, das ihm so gegen den Strich ging. Der Kerl arbeitete in Gerolstein als Telefonist in einem Büro und doch tat er so, als sei er das Zentrum des gesellschaftlichen Lebens von Tondorf. Er wohnte bei seiner verwitweten Schwester und fuhr einmal im Jahr in den Urlaub nach Fernost, und Jost verdrängte jeden Gedanken daran, was er da wohl so anstellte, wie er da wohl so rumstolzierte, mit seinem grauen Kurzhaarschnitt, der hochgereckten spitzen Nase und den weißen Händen. Huppert war kein Mensch, mit dem er besonders gerne an der Theke saß.
Umso mehr verblüffte es ihn, dass Huppert sich mit einem Mal zu ihm wandte, mit einer seiner weißen Hände in einem Anflug von Kumpelhaftigkeit leicht seine Schulter berührte und sagte: »Jost, irgendwie habe ich dich schon immer besonders gut leiden können, weißt du das?«
Jost grunzte ein bisschen verlegen und betrachtete aus den Augenwinkeln den alten Schwätzer, der den Kopf ein wenig in den Nacken gelegt hatte und ihn auf seine überhebliche Art wohlwollend anlächelte.
»So eine richtig gute Geschichte, das wäre doch was.«
»Gibt’s hier nicht.«
»So eine, mit der man zeigen kann, dass man ein Topjournalist ist.«
»Jaja.«
Wieder war da diese flüchtige, klamme Berührung. Spilles ekelte sich. Er wollte gerade erklären, dass es ihm jetzt lieber wäre allein zu sein, als Huppert sagte: »Ich werde an dich denken. Du weißt ja, ich höre viel …« Und als Spilles nicht sofort reagierte: »Nicht wahr, das weißt du doch?« Mit einem viel sagenden Lächeln setzte er wieder das Bierglas an die Lippen und spülte den Rest hinunter.
Dann sagte er mit ausgesuchter Höflichkeit Dank für das spendierte Getränk und hob zum Abschied grüßend die Hand, bevor er zum Haupteingang hinaus verschwand. »Du wirst von mir hören, wenn es soweit ist. Der Ami. Denk dran: Der Ami!«
Jost Spilles blickte ihm hinterher. Er war verunsichert. Irgendetwas war mit diesem alten Schleimer heute anders als sonst. Fast hatte er das Gefühl gehabt, wenn er sich noch ein wenig geduldiger angestellt hätte, wenn er nur eine Spur mehr Interesse gezeigt hätte, dann hätte ihm Huppert eine Geschichte erzählt. Vielleicht sogar mal nicht eine von diesen naseweisen Histörchen, mit denen er normalerweise aufwartete.
Kurz entschlossen trank er sein Glas leer, zählte die Striche auf dem Deckel aus und legte abgezähltes Geld auf die Theke.
Mit einem Mal verspürte er eine nagende Unruhe. In seiner guten Zeit hatte er immer auf das gehört, was von innen heraus zu ihm gesprochen hatte. Das war lange her. Heute Abend tat es gut zu spüren, dass da noch irgendetwas war.
Als er die Tür aufschob und in die Nacht hinaustrat, in der die Mücken um die Wirtshausreklame tanzten, beobachtete er gerade noch, wie Stark um die nächste Straßenecke verschwand. Er hatte die...
Erscheint lt. Verlag | 15.7.2013 |
---|---|
Reihe/Serie | Herbie Feldmann |
Verlagsort | Hillesheim |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | Amerikaner • Amerikanisch • Eifel-Krimi • feldmann • G.I. • GI • Herbie • Julius • Krimi • Kriminalroman • Soldat • Vulkaneifel • Westwall |
ISBN-10 | 3-95441-063-X / 395441063X |
ISBN-13 | 978-3-95441-063-7 / 9783954410637 |
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Größe: 1,2 MB
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