Ein Krokodil taucht ab (und ich hinterher) (eBook)

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2013 | 1. Auflage
336 Seiten
Verlag Friedrich Oetinger
978-3-86274-948-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Ein Krokodil taucht ab (und ich hinterher) -  Nina Weger
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Ab ins Klo? Pauls wundersame Reise in die Tiefen der Kanalisation. Was tut man, wenn der beste Freund das Klo runtergespült wird? Für Paul ist das ganz klar: Er muss in die Kanalisation einsteigen und ihn retten. Gar nicht so einfach, denn es handelt sich um den Mississippi-Alligator Orinoko. Doch zu seinem großen Erstaunen trifft Paul dort unten auf eine ganze Bande von Kindern, die hier leben. Das ist doch wirklich schöner als zu Hause, oder? Ein hinreißendes Kinderabenteuer und eine turbulente Geschichte über Familie und Freundschaft.

Nina Weger, 1970 geboren, war nach dem Abitur zunächst eine Saison lang als Seiltänzerin beim Circus Belly beschäftigt, bevor sie eine Journalistenschule besuchte und als Redakteurin und Regieassistentin arbeitete. Heute lebt sie mit ihrem Mann und zwei Kindern als freie Autorin in Hannover und schreibt unter anderem Drehbücher für bekannte Fernsehserien. Nebenbei leitet sie mit einer Freundin ehrenamtlich den 'Kinderzirkus Giovanni', der mit dem 'Deutschen Kinderpreis' ausgezeichnet wurde.

Nina Weger, 1970 geboren, war nach dem Abitur zunächst eine Saison lang als Seiltänzerin beim Circus Belly beschäftigt, bevor sie eine Journalistenschule besuchte und als Redakteurin und Regieassistentin arbeitete. Heute lebt sie mit ihrem Mann und zwei Kindern als freie Autorin in Hannover und schreibt unter anderem Drehbücher für bekannte Fernsehserien. Nebenbei leitet sie mit einer Freundin ehrenamtlich den "Kinderzirkus Giovanni", der mit dem "Deutschen Kinderpreis" ausgezeichnet wurde.

Der Mississippi-Alligator gehört wie die Krokodile, Gaviale und Kaimane zur großen Familie der Krokodilier. Er wird frei lebend nur in den Vereinigten Staaten von Amerika angetroffen. Die Durchschnittslänge der geschlüpften Tiere beträgt 22 Zentimeter. Alligatoren wachsen ihr ganzes Leben und werden bis zu fünf Meter lang. Sie gelten als sehr fürsorglich und bleiben in der Regel jahrelang mit ihrem Nachwuchs zusammen.

2. Das Virus


Ich glaube, mein Unglück begann mit dem Montagmorgen, an dem mein Vater plötzlich drei verschiedene Pullover anprobierte und schließlich doch wieder den ersten anzog. Danach warf er beim Frühstück seinen Kaffee um und nuschelte etwas von einem überraschenden Termin und dass er am Abend noch mal dringend wegmüsse. Das war ungewöhnlich, denn seit dem Tod meiner Mutter – und das ist ungefähr genauso lange her, wie ich mich zurückerinnern kann – war mein Vater immer nur zweimal im Monat ausgegangen: am ersten Montag des Monats zum Reptilienstammtisch und am dritten Sonntag des Monats in die Oper. Und genau da war er am Abend zuvor gewesen.

Dass aber definitiv etwas nicht stimmte, wusste ich, als ich am Nachmittag in den Kühlschrank griff und die Dose mit dem Krokodilfutter öffnete. Sie war leer. Das war noch nie passiert. Unsere Krokodile waren unser Ein und Alles. Nichts taten mein Vater und ich lieber, als uns mit diesen außergewöhnlichen Panzerechsen zu beschäftigen und ihr Verhalten zu erforschen.

Mein Vater, Dr. Konstantin Bach, ist nämlich Reptilienforscher am Zoologischen Institut. Immer wieder nimmt er vorübergehend besondere Krokodilier bei uns zu Hause auf. Damit auch ich alles über diese wunderbaren Tiere lernte, hatte er mir außerdem zu meinem sechsten Geburtstag einen echten, lebendigen Mississippi-Alligator geschenkt.

Orinoko war damals gerade frisch aus dem Ei geschlüpft und winzig klein. Ich erinnere mich noch genau, wie ich das erste Mal meine Hand nach ihm ausstreckte und er sie neugierig anstupste. Er hat mich aus seinen silberglänzenden Augen angesehen und das Quakgeräusch gemacht, das für junge Krokodile so typisch ist.

Von diesem Moment an waren wir beide unzertrennlich. Jeden Tag, wenn ich um 15.30 Uhr aus der Schule nach Hause kam, erwartete mich Orinoko schon ungeduldig hinter der Wohnungstür und folgte mir in die Küche. Ich machte mir einen Kakao, und er strich um meine Füße, damit ich ihn kraulte. Am liebsten an der Kehle. Dann gab er leise Grunzgeräusche von sich und zog die Mundwinkel hoch, als würde er lächeln.

Um Punkt 16 Uhr spielten wir einen Erlebnisparcours, der mit seinen Aufgaben in etwa den Anforderungen der Wildnis entsprach und seine natürliche Entwicklung förderte. Alle zwei Tage folgte darauf die Fütterung, und am Abend, wenn ich noch etwas fernsehen durfte, kletterte Orinoko zu mir aufs Sofa und streckte sich gemütlich auf der Rückenlehne aus.

Unser Tagesablauf war perfekt durchorganisiert, denn nur so konnte ich ernsthafte Forschungen für mein wissenschaftliches Projekt betreiben: Eines Tages wollte ich der Welt nämlich beweisen, dass Krokodile ein gutes Gedächtnis haben und sich mehrere Dinge gleichzeitig merken können.

Die meisten Leute denken ja, Krokodile wären hinterhältige, verfressene Bestien, die nur darauf warten, dass einer sein Bein ins Wasser hält, damit sie es abbeißen können. Was für ein Blödsinn! Fast alle Krokodil-Arten sind scheu. Sie kümmern sich fürsorglich um ihren Nachwuchs, jagen nur das, was sie brauchen, bewegen sich nicht unnötig viel und lieben Gewohnheiten.

Eigentlich sind sie genau so, wie mein Vater bis zu diesem Zeitpunkt immer war. Er hatte auch immer liebevoll für mich gesorgt und sich, wenn irgend möglich, nur auf direktem Weg zwischen unserer Wohnung und dem Zoologischen Institut hin und her bewegt. Nichts hatte er mehr geliebt als unseren Trott.

Bis eben zu jenem Montag, als der Kaffee umflog und ich die leere Futterdose in der Hand hielt. Da begann die Wandlung meines lieben Krokodilvaters zu einem blöden, zahnlosen Molch.

Hätte ich in diesem Moment geahnt, welch furchtbares Chaos Orinoko und mir bevorstand, dann hätte ich sicher ganz anders Alarm geschlagen. Aber so fragte ich nur verwundert: »Gibt es irgendeinen Grund, warum wir kein Futterfleisch im Kühlschrank haben?«

»Die neue Krawatte habe ich mir heute Mittag gekauft«, antwortete mein Vater und schaute mit glänzenden Augen an mir vorbei, als hätte hinter mir nicht der alte Küchenschrank, sondern das Himalajagebirge aufgeragt.

Das reichte. Ich beschloss, den merkwürdigen Zustand meines Vaters ab sofort wissenschaftlich zu untersuchen, so wie er es mir beigebracht hatte und wie wir es bei unseren Krokodilen taten. Also fügte ich meinem Forscherprogramm auf dem Computer die Rubrik Dr. Konstantin Bach hinzu und sammelte fortan alle auffälligen Veränderungen. Die Informationen brauchte ich nur in mein iPhone zu tippen, das sie automatisch an den Rechner weitersendete.

Am Ende der Woche stand in meiner Beobachtungsliste:

Gedanklich abwesend

Starrt blöde vor sich hin

Total aufgekratzt

Auffälliger tänzelnder Gang

Verringerte Futteraufnahme

Verweildauer im Badezimmer verdoppelt, mit einhergehender Geruchsveränderung

Ja, mein Vater benutzte plötzlich ein Rasierwasser! Und zwar eins von der Sorte, für das halb nackte Muskelprotze im Werbefernsehen von Klippen springen.

Ich fragte Frau Rüdiger, unsere Nachbarin, ob sie eine Idee habe, was mit ihm los sein könnte.

»Tja«, antwortete sie mit tiefem Bedauern in der Stimme, »deinen Vater hat es wohl voll erwischt. Leider …«

Da war ich mir ganz sicher: Es musste sich um eine gefährliche Krankheit handeln. Doch weder der Tierarzt im Institut konnte sich einen Reim auf die eigenartigen Symptome machen, noch fand ich im Internet eine Diagnose, die halbwegs zu den absonderlichen Anzeichen passte.

Zwei Wochen lang tappte ich völlig im Dunkeln – bis mir der Krankheitserreger an einem Samstagvormittag von ganz allein über den Weg lief. Mein Vater und ich wollten gerade neue UV-Birnen für die Reptilienlampen in unserem Terrarienzimmer kaufen, da stand er plötzlich vor uns. Der Bazillus war nicht zu übersehen: Auch ohne Stöckelschuhe war er über einen Meter siebzig groß und hatte feuerrote lange Locken. Sie hieß Katharina, sang in der Oper und war für ein Gastspiel in der Stadt. Ab dem Moment, als mein Vater sie sah, schien er mich nicht mehr zu bemerken. Er schaute einfach über mich hinweg und parkte mich eine Etage tiefer. Auge in Auge mit der schrecklichen Elektra.

So ein Bazillus kommt nämlich selten allein, und dieser hier hatte eine Tochter. Sie war etwa so groß wie ich und wahrscheinlich auch zehn Jahre alt. Wie ihre Mutter besaß sie lange rote Locken. Die warf sie nun mit großer Geste nach hinten, und dann scannte sie mich mit ihren blauen Augen von oben bis unten ab. Ich kam mir vor wie in einem Röntgengerät.

»Du hast noch das alte. Ich habe schon das neue«, sagte sie schließlich und deutete mit dem Kinn auf mein iPhone. Ich hatte ganz vergessen, dass ich es noch in der Hand hielt.

»Es funktioniert gut«, verteidigte ich mich.

Sie zog nur eine Augenbraue hoch, wandte sich an ihre Mutter und verkündete: »Ich habe Hunger.«

Das war mein Stichwort. »Ich auch«, sagte ich schnell zu meinem Vater und zog ihn am Ärmel. »Wollen wir?«

»Aber das trifft sich doch ausgezeichnet«, flötete Katharina. »Gehen wir doch zusammen etwas essen. Gleich hier um die Ecke ist unser neuer Lieblingsjapaner.«

Ich schüttelte den Kopf und sagte höflich, aber bestimmt: »Daraus wird leider nichts. Wir haben zu Hause nämlich schon leckere Frikadellen vorberei…«

Weiter kam ich nicht, denn mein Vater unterbrach mich begeistert: »Tolle Idee, Katharina!«

Und so fand ich mich fünf Minuten später in einem ungemütlichen japanischen Restaurant wieder und würgte rohen Fisch hinunter, anstatt unsere wunderbaren selbst gemachten Frikadellen zu genießen. Die beiden rot gelockten Monster verdrückten Unmengen von Thunfisch. Wahrscheinlich hatte sich bis zu ihnen noch nicht herumgesprochen, dass bei dessen Fang jährlich Tausende unschuldige Delfine elendig in den Schleppnetzen verendeten.

Aber was war mit meinem Vater los? Hatte er das plötzlich vergessen, oder warum sagte er nichts?

Anschließend wollte Elektra unbedingt noch ins Kino gehen. Als ich mich weigerte, weil Orinoko pünktlich sein Fressen brauchte, rollte sie mit den Augen und sagte: »Es ist doch vollkommen egal, ob der ’ne Stunde früher oder später frisst. Oder trägt dein Krokodil vielleicht ’ne Armbanduhr?«

Jetzt reichte es! Ich holte tief Luft und wollte ihr gerade gehörig die Meinung sagen, da legte mein Vater seine Hand auf meinen Arm und säuselte: »Aber, Paul, das war doch nur ein Scherz.«

Das verschlug mir endgültig die Sprache. Mein Vater, der sonst keine Gelegenheit ausließ, das präzise Zeitgefühl der Krokodile zu verteidigen, fand das komisch?!

»Vielleicht verschieben wir das Kino besser auf ein andermal«, sagte Katharina.

Mein Vater nickte zum Glück. Aber den Rest des Tages hatte er ausgesprochen schlechte Laune.

Von diesem Nachmittag an wurde alles anders in unserem Leben: Statt an den Wochenenden aufs Land zu fahren und Regenwürmer und Insekten für unsere Echsen zu fangen, latschten mein Vater und ich stundelang hinter den rothaarigen Ziegen durch die überfüllte Innenstadt und guckten Schaufenster an. Wenn Katharina und Elektra uns besuchen kamen, musste Orinoko ins...

Erscheint lt. Verlag 1.2.2013
Illustrationen Eva Schöffmann-Davidov
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur
Kinder- / Jugendbuch Kinderbücher bis 11 Jahre
Schlagworte Abenteuer • Abenteuer; Familie; Freundschaft • Bande • Familie • Freundschaft • Haustier • Humor • Kanalisation • Untergrund • Urban Legends
ISBN-10 3-86274-948-7 / 3862749487
ISBN-13 978-3-86274-948-5 / 9783862749485
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