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Das Nebelhaus (eBook)

Roman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2013 | 1. Auflage
416 Seiten
Limes (Verlag)
978-3-641-09228-3 (ISBN)
Systemvoraussetzungen
9,99 inkl. MwSt
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Was geschah in der »Blutnacht von Hiddensee«?
Seit Jahren haben sich die Studienfreunde Timo, Philipp, Yasmin und Leonie aus den Augen verloren. Als sie sich im Internet wiederbegegnen, verabreden sie sich für ein Wiedersehen auf Hiddensee. Doch das Treffen endet mit einem grauenvollen Verbrechen: In einer stürmischen Septembernacht werden drei Menschen erschossen, eine Frau wird schwer verletzt und fällt ins Koma.
Zwei Jahre nach dem Massaker beginnt die Journalistin Doro Kagel, den Fall neu aufzurollen. Nach und nach kommt sie den tatsächlichen Geschehnissen jener Nacht auf die Spur, und bald keimt in ihr ein schrecklicher Verdacht auf ...

Eric Berg zählt seit vielen Jahren zu den erfolgreichsten deutschen Autor*innen. Seit seinem spektakulären Krimidebüt »Das Nebelhaus«, das es auf Anhieb auf die SPIEGEL-Bestsellerliste geschafft hat und fürs Fernsehen verfilmt wurde, hat der Erfolgsautor über eine Million Kriminalromane im deutschsprachigen Raum verkauft und seine Leser*innen und Kritiker*innen immer aufs Neue begeistert. Neben seinen Ostsee-Krimis hat er mit »Roter Sand« den Startschuss gegeben für seine neue Gran-Canaria-Reihe.

2

Zwei Jahre zuvor, September 2010

Pistole, Schmerzmittel, Streichhölzer, Lexotanil. Zum wiederholten Mal an diesem Morgen kontrollierte Leonie, ob sie am vorigen Tag alles in die Handtasche gepackt hatte. Am liebsten wäre sie an ihrem Küchentisch sitzen geblieben, weshalb sie bis zur allerletzten Minute vor der Abfahrt nach Hiddensee an den Ritualen des Alltags festhielt.

Sie schnalzte ein paarmal mit der Zunge. Oft verbrachte sie eine ganze Stunde damit, die Nachbarskatzen zu rufen, und hatte sie Erfolg, standen einige Schalen voller Leckereien bereit. Leonie hatte ihnen Namen gegeben, da sie die richtigen Namen der Tiere nicht kannte. Sie unterschied zwischen Stammgästen und Gelegenheitsbesuchern, entsprechend verteilte sie ihre Fürsorge. Es kam vor, dass keine Katze erschien – es mochte dann am Wetter liegen oder an etwas, das Leonie nicht verstand.

So war es auch am Morgen der Abreise. Leonie schloss die Terrassentür mit einem Knall, sammelte die Schälchen ein und warf sie in die Spüle. Sie ließ einen Strahl Warmwasser darüberlaufen und kümmerte sich dann nicht mehr darum.

Plötzlich fiel ihr etwas ein, und sie ging zu ihrer Handtasche.

Pistole, Schmerzmittel, Streichhölzer, Lexotanil. Gut!

Der große Zeiger der Küchenuhr näherte sich der vollen Stunde. Noch zehn Minuten, sagte sie sich. Am Küchentisch trank sie einen letzten Schluck Kamillentee. Gedankenversunken griff sie zum Handy, drückte die Kurzwahltaste 1 und sprach Steffen eine Nachricht aufs Band.

»Schade, dass ich dich nicht erreiche, vielleicht schläfst du noch. Also, ich fahre jetzt los. Eigentlich habe ich gar keine Lust. Ich weiß nicht, warum ich die Einladung angenommen habe, aber nun ist es zu spät. Am Dienstag bin ich wieder da. Ich freue mich auf dich und werde die ganze Zeit über an dich denken. Du kannst mich jederzeit anrufen, ja? Bis dann.«

Sie hatte auf Punkt und Komma genau die Wahrheit gesagt, bis auf einen Halbsatz: Sie wusste sehr wohl, warum sie die Einladung angenommen hatte.

Ihr Blick glitt über das Wachstuch mit dem Erdbeermuster und verharrte schließlich an dem einzigen Foto, das sie aus jener Zeit noch hatte, den Tagen mit Timo, Yasmin und Philipp. Genau genommen war es kein Foto mehr, sondern es waren nur noch Schnipsel eines Fotos, die sie in einem Schuhkarton gefunden und notdürftig zusammengesetzt hatte. Philipps Beine fehlten, aber die waren Leonie sowieso schnurz. Mit dem Finger berührte sie Timo. Sein lachendes Gesicht ließ Leonie ihre Nervosität für ein paar Sekunden vergessen.

Kurz darauf ertönte die Türklingel.

»Oh, Mama. Du bist es. Ich bin auf dem Sprung. Hättest du nicht anrufen können?«

»Das habe ich, Liebes.« Ihre Stimme war warm, brüchig und sorgenvoll, die typische Mutterstimme einer sechsundsechzigjährigen, ergrauten Frau. »Aber du nimmst nicht ab und rufst auch nicht zurück. Was ist denn los?«

»Muss denn immer gleich etwas sein, wenn ich mal nicht zurückrufe? Ich bin siebenunddreißig Jahre alt und springe nicht mehr, wenn du ›Hüpf‹ rufst. Außerdem habe ich gerade wirklich viel zu tun. Ich fahre nämlich weg.«

»Weg?«

»Ja, nach Hiddensee.«

»Hiddensee?«

»Ich bleibe vier Tage.«

»Vier?«

»Was bist du, ein Kakadu? Wiederhole nicht alles, was ich sage.«

»Entschuldige, Liebes. Ich bin nur …«

Der Blick von Leonies Mutter glitt über die Wohnungseinrichtung, so als suche sie nach weiteren Indizien für die plötzliche Anwandlung ihrer Tochter. Doch es hatte sich nichts verändert: Ikea-Möbel in gedeckten Farben, die Wände betupft mit einem Dutzend Stillleben, und auf allen Türen, allen Küchenschränken klebten gelbe Smileys, die ihr seltsamerweise immer ein bisschen Angst einjagten. Alles wie gehabt. Das Gleiche galt für Leonie. Sie trug ihre üblichen weiten Schlabberhosen und -blusen, unter denen sie ihre mollige Figur verbarg.

»Verstehe mich bitte nicht falsch. Hiddensee im September ist sicherlich herrlich, und ich freue mich, dass du einen Kurzurlaub machst, aber … Als ich gestern im Kindergarten angerufen habe …«

»Wieso hast du das getan?«, brauste Leonie auf.

»Weil du nicht erreichbar warst. Jedenfalls hat man mir gesagt, dass du seit einer Woche nicht mehr dort arbeitest. Es hätte einen Vorfall gegeben …«

»Das stimmt nicht. Ich arbeite noch dort. Es war nur ein Missverständnis. So, und jetzt entschuldige mich bitte. Du weißt, dass es mir gut geht, und damit hat sich’s für heute.«

»Fährst du mit Steffen? Ich habe ihn schon ewig nicht mehr gesehen. Kommt doch mal zum Essen vorbei. Ich würde …«

Leonie schob ihre Mutter mit sanfter Entschlossenheit zur Haustür. »Nein, ich fahre nicht mit Steffen. Philipp hat mich eingeladen. Timo kommt auch. Ich hole ihn und Yasmin in Berlin ab, dann fahren wir zur Ostsee.«

»Philipp? Timo? Yasmin? Sind die von dieser komischen Gruppe, mit der du damals rumgezogen bist?«

»Ja, genau die. Wir sind aber nicht nur rumgezogen. Clowns ziehen rum, wir haben Ernst gemacht.«

»Und dieser Timo kommt auch? Hältst du das für eine gute Idee? Immerhin warst du damals …«

»Das war vor fünfzehn Jahren, Mama. Ich bin jetzt seit zwei Jahren glücklich mit Steffen zusammen.«

»Leonie, versprich mir, dass du mich anrufst, wenn es Schwierigkeiten gibt. Egal um welche Uhrzeit. Versprich mir, dass du sofort wieder abreist, wenn …«

»Ich verspreche alles, was du willst, wenn du mich jetzt mit deinem Geschnatter verschonst. Bis nächste Woche also. Ich rufe an, wenn ich zurück bin.«

Fünf Minuten später – sie war bereits um die erste Kurve gefahren – hielt sie am Straßenrand an und griff hektisch nach der Handtasche, die auf dem Beifahrersitz lag.

Pistole, Schmerzmittel, Streichhölzer, Lexotanil.

Facebook hatte es möglich gemacht. Drei Wochen vor der Fahrt nach Hiddensee, an einem verregneten Sommertag, war Timo auf die Idee gekommen, ein bisschen im Langzeitgedächtnis zu kramen, um seine Laune zu heben. Er hatte einige längst vergessene Namen hervorgeholt, sie eingetippt und in Nullkommanichts erfahren, was aus den Menschen dahinter geworden war. Philipp arbeitete als Architekt, Leonie als Kindergärtnerin. Timo selbst war Autor. Philipp war total begeistert davon, dass Timo ihn »gefunden« hatte, weshalb er ihn und Leonie nach ein paar Tagen des Hin-und-Her-Chattens in sein Haus auf Hiddensee einlud. Noch vor fünfzehn Jahren, als sie eine Clique der besonderen Art gebildet hatten, wäre das Wiederauffinden Verschollener ein zeitraubendes, mühsames Unterfangen gewesen, und spontane Treffen waren fast unmöglich.

Yasmin gehörte ebenfalls zu der Ex-Clique, war aber weder Mitglied bei Facebook noch bei anderen Plattformen. Philipp und Leonie ließen im Chat durchblicken, dass sie auf Yasmin verzichten konnten, aber Timo blieb dran. Er fand, dass das Treffen nur halb so reizvoll sei, wenn einer von ihnen fehlte, und behauptete, dass ihn die Frage, was aus Yasmin geworden sei, beschäftigte wie ein Name, der einem partout nicht einfallen will, auch wenn er im Grunde keine große Bedeutung hat. Also recherchierte er aufwendig, bemühte alte Kontakte und fragte sich durch.

Am Tag vor der geplanten Abfahrt nach Hiddensee hatte er Yasmin noch immer nicht aufgespürt und war deswegen ein bisschen traurig. Sein Gerechtigkeitsempfinden war gestört. Nur weil Yasmin nicht im Internet aktiv war, sollte sie ausgeschlossen bleiben – dabei verdankten sie es letztlich ihr, dass sie sich damals überhaupt kennengelernt hatten. Am Vorabend kam dann doch noch der entscheidende Hinweis.

Timo machte sich sofort auf den Weg und fand Yasmin auf einer Decke unweit des KaDeWe, umgeben von gleichaltrigen und jüngeren Frauen und Männern mit bunten Haaren und schläfrigen Hunden. Yasmin stach aus der Gruppe heraus, indem sie die anderen lebhaft unterhielt. Das hatte sie immer schon gerne getan: reden – und dabei wild gestikulieren wie eine Komödiantin.

Timo hatte bei ihrem Anblick gelächelt wie über ein nach Jahrzehnten wiedergefundenes Souvenir, und ihr erst einmal zwei Minuten aus der Ferne zugesehen, bis er sie angesprochen hatte.

»Abgefahren«, sagte Yasmin, kaum dass sie in Leonies Auto die Stadtgrenze passiert hatten. Leonie hatte Yasmin und Timo abgeholt. »Das ist so was von abgefahren. Ich kann’s noch immer nicht glauben, dass ich mit euch hier sitze. Versteht ihr? Mit euch. Ich hätte nie gedacht, euch in diesem Leben noch mal wiederzusehen. Wir hätten uns nicht aus den Augen verlieren dürfen. Wie so etwas immer kommt? Freundschaften kann man gar nicht genug haben. Die Philosophen behaupten, dass alles, was man braucht, in einen Koffer passen sollte, das sei gut für die Seele. In Freundschaften hingegen soll man tüchtig investieren. Aber das ist leichter gesagt als getan, oder? Dass wir alle vier es nicht geschafft haben, den Kontakt zu halten – unglaublich. Das darf nicht noch einmal passieren. Ich gelobe hiermit, achtsam zu sein. Oh Mann, ich …«

Yasmin schossen die Tränen in die Augen, die sie verschämt wegwischte.

»Danke, Timo, das hast du echt toll hingekriegt. Und wie hartnäckig du nach mir gesucht hast …« Sie beugte sich vom Beifahrersitz zum Rücksitz und nahm Timo in die Arme.

Der war so gerührt von der Anerkennung, dass er rot wurde.

»Yasmin, pass doch auf«, sagte Leonie....

Erscheint lt. Verlag 4.3.2013
Reihe/Serie Doro Kagel
Doro Kagel
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror
Schlagworte alte Freunde • eBooks • Heimatkrimi • Hiddensee • Korea • Krimi • Kriminalromane • Krimis • Ostsee • Psychologischer Spannungsroman • Psychologischer Spannungsroman, Hiddensee, Korea, Verbrechen, alte Freunde • spiegel bestseller • SPIEGEL-Bestseller • Verbrechen
ISBN-10 3-641-09228-0 / 3641092280
ISBN-13 978-3-641-09228-3 / 9783641092283
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