Alexander in Asien (eBook)

Alexander 2
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2013 | 1. Auflage
592 Seiten
Heyne (Verlag)
978-3-641-10759-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Alexander in Asien -  Gisbert Haefs
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Alexander der Große gilt als der mächtigste Heerführer aller Zeiten und fasziniert uns bis heute. Mit seinen monumentalen Alexander-Romanen setzt Gisbert Haefs dieser legendären, rätselhaften Gestalt ein Denkmal, das seinesgleichen sucht. Der zweite Band des großen Epos' erzählt Alexanders Perser-Feldzüge, die angetrieben sind von seiner Vision, Asien zu erobern und damit ein Weltreich zu errichten. In faszinierenden Bildern entwirft Haefs ein mitreißendes Panorama voller Schlachten und Intrigen, das die Antike wieder zum Leben erweckt.



Gisbert Haefs, 1950 in Wachtendonk am Niederrhein geboren, lebt und schreibt in Bonn. Als Übersetzer und Herausgeber ist er unter anderem für die neuen Werkausgaben von Ambrose Bierce, Rudyard Kipling, Jorge Luis Borges und zuletzt Bob Dylan zuständig. Zu schriftstellerischem Ruhm gelangte er nicht nur durch seine Kriminalromane, sondern auch durch seine farbenprächtigen historischen Werke Hannibal, Alexander und Troja. Im Heyne Verlag erschienen zuletzt Caesar, Die Mörder von Karthago und Die Dirnen von Karthago.

1. HERR DER ZEHNTAUSEND WESEN


Klarer kühler Morgen; durch Tür und Fenster drangen vom Innenhof das Schnarchen der alten Sklavin, ein Hauch von Salz und betauten Gräsern, Flügelschläge großer Vögel und der vielfältige Gesang der kleinen.

Pythias bat wortlos um Hilfe; Peukestas ging zur Mitte des Raums und verschränkte die Hände. Sie trat hinein, hielt sich einen Moment am Kopf des Makedonen fest und langte zur Decke hinauf. Ihre Sohlen waren hart und rissig.

Aristoteles folgte seiner Tochter mit den Augen, als sie die Luke aufstieß. Der Holzdeckel quietschte in den Angeln und krachte auf das flache Dach. Einige Vögel flatterten kreischend auf; im Innenhof endete das Schnarchen jäh in einem Gurgeln.

Vorhin, in der matten Helligkeit, die aus dem ummauerten Hof durch Tür und Fenster in den Raum spülte, war das Gesicht des Philosophen voller gewesen, kräftiger als während der Nacht. Nun, im scharfumrissenen Lichtbalken aus der Luke, sah Peukestas einen Sterbenden. Die Augen waren verglimmende Holzkohlen in unwirklicher Ferne, die Haut eine runzlige Wachsschicht, in deren Tönung die Fahlheit des Todes näherrückte. Wie ein fransiger Schatten huschte die Sklavin in ihren dunklen Gewändern durch den Raum und verschwand in der Küche, wo sie die Holzplatte der Hintertür aushakte; mehr Licht und ein Ruch von Gartenkräutern, Gemüse und Abfall füllten das Haus.

Pythias zupfte ihren weißen Chiton zurecht, ehe sie vor der Liege niederkniete. Sie blickte über die linke Schulter zurück zu Peukestas, ein trübes Flehen in den Augen. Die Sklavin erschien mit dem Abort-Bottich. Der Makedone nickte, wandte sich ab und ging in den Innenhof, nahm die Holzblenden aus dem Tor, trat unter den gemauerten Bogen und dann vor das Haus.

Es war kühl und feucht im Schatten. Die Sonne hing noch tief im Osten, jenseits des weißen Gebäudes, in dem der größte Denker der Hellenen auf den Tod wartete. Ein Adler kreiste über der dunkelgrünen Ebene, geleitet von einem Krähenschwarm. Peukestas’ Pferd graste hinter dem hochgemauerten Brunnen am Fuß des Hügels. Einen Moment kamen ihm die Bewegungen des Tieres seltsam vor; dann bedachte er die zusammengebundenen Vorderbeine. Schwacher Südwestwind kräuselte die Küstenebene. Das Gemenge aus Müdigkeit, Erregung und äußerster Anspannung ließ Peukestas alles überscharf wahrnehmen. Er sah Huflattich und Löwenzahn am Hang, jedes Blatt des Strauchs neben dem Brunnen, jede Schattenmaserung des Farns darunter, jeden einzelnen Grashalm der Ebene; er hörte Ameisen hasten, unterschied das Zirpen trockener Grillenbeine von dem feuchter und den leichten Flug der hungrigen Lerche vom schweren des Vogels, der einen Wurm im Schnabel trug; er roch die Ausdünstung seines Reittiers, das feuchte Leder des Zügels, die verschlossene Süße der Strauchblüten. Der überscharfe Morgen starb stumpf in der Dunstschicht über dem Meeresarm – Eos war spröde, so früh; noch hatte sie mit ihren Rosenfingern den Ziegenbart des dösenden Poseidon nicht ausreichend gezaust.

Pythias rief ihn zurück ins Haus. Als er eintrat, breitete sie frische Decken und ausgeschüttelte Felle über ihren Vater. Die Sklavin kauerte vor der Feuerstelle. Sie hatte den Rost gereinigt, die Asche entfernt und streute Späne und Bastkringel auf zwei große Holzstücke. Aus der Küche brachte sie einen Wasserkrug, Brot und Fleisch auf einem Brett, eine Schale mit Früchten, eine Holzscheibe mit bräunlichen Würfeln. Wortlos huschte sie wieder hinaus, in den Küchengarten.

Pythias wies auf die Lukenöffnung; Peukestas verschränkte abermals die Hände. Als das Dach verschlossen war, holte sie ein paar Rollen Papyros. Aristoteles räusperte sich schwach.

»Nicht die, meine Tochter. Leg sie zurück und nimm aus dem Fach darunter.«

»Er ist jetzt bis zum Bauch wie Eis«, sagte Pythias leise. »Hilfst du mir beim Verschließen der Öffnungen?«

Peukestas unterdrückte ein Ächzen; er dachte an den kühlen Morgen, die Hitze des Tages, den stickigen Raum. Langsam, übergründlich brachte er die Blenden in Tür und Fenster an.

Pythias machte Feuer; danach stützte sie den Vater, damit er aus dem Metallbecher trinken konnte.

»Einen Würfel?« sagte sie.

Aristoteles zögerte, ließ sich in die Felle sinken. »Ich weiß nicht, ob dieser Trümmerhaufen einer Kräftigung bedarf... Nun ja, ich will es versuchen. Es rettet die Süße der Nacht in die Bitternis des letzten Tags. Vielleicht.«

Pythias reichte ihm einen der bräunlichen Würfel.

»Was ist das?« Peukestas hockte sich auf den Schemel und goß Wasser in seinen Becher.

»Kydonische Äpfel, zu Mus zerstoßen, mit Honig vermengt, an der Luft getrocknet und mit Sesam bestreut.«

Peukestas kostete. Ein Zahn begehrte auf. Als der Makedone mit kaltem Wasser nachspülte, wurde aus dem Aufbegehren ein Aufstand.

»Ahhh. Mein Vater pflegte zu sagen, gegen Zähne sei nur die Zange wirksamer als Süßes. Ich glaube, er hatte recht.«

»Drakon, Hüter der Zähne ... Wo hatten wir die Geschichte unterbrochen, Sohn meines Freundes?«

»Wir sprachen von Alexanders Ende und Übergang nach Asien, und von Bagoas und den Amuletten. Aber das, sagtest du, sei eine andere Geschichte.«

Aristoteles lutschte an dem süßen Würfel, den er in der Linken hielt. Mit der Rechten zog er das Amulett aus dem Gewand und ließ es baumeln. Er starrte ins Auge des Horos; das goldene ankh glomm und leuchtete plötzlich, als das Feuer aufflackerte.

»Eine andere Geschichte, ja ...« Die Stimme des Sterbenden war matt, aber noch nicht kraftlos; sie war aschebedecktes Feuer, nicht ganz erloschen, das angefacht werden will. »Laß uns bei dem Übergang und seiner Vorgeschichte verweilen.« Aristoteles steckte das Amulett fort; Pythias breitete ein Fell auf dem Boden aus und setzte sich, den Rücken an die Wand gelehnt, neben den Durchgang zur Küche.

»Laß uns reden von dem, was die Menschen erzählen, und dem, was wirklich geschah.«

»Was meinst du?« Peukestas riß ein Stück vom Brotfladen ab und streckte die Hand nach dem Fleisch aus. »Die Vorbereitungen? Die königlichen Geschenke?«

»All dies. Es ist eine schöne Geschichte – Alexander, der viele Menschen war und viele Rätsel, verteilt und verschenkt die neugewonnenen Länder, und Perdikkas, hetairos des Königs, gibt das Geschenk zurück, weil auch er nicht mehr besitzen will als Alexander, dem die Freunde und die Hoffnung bleiben. Eine schöne, eine rührende Geschichte für die Menschen, die in bösen Tagen schöne Dinge erzählen wollen. Und obwohl noch immer viele leben, die damals dabeiwaren, läuft diese Fassung der Vorgänge bereits um. Eine befriedigende, gut ausgemünzte Lüge, Peukestas, ist weit kostbarer und einträglicher als der abgegriffene Obolos der Wahrheit.«

»Was ist denn in diesem Fall die Wahrheit?«

»Daß Alexander, Antipatros, Parmenion und nicht zuletzt Demaratos der Korinther, beraten von der Versammlung der wichtigsten Berater und Offiziere, den Schritt nach Asien jahrelang vorbereitet hatten. Das Netz der Kundschafter, von Demaratos über Asien geworfen, barg geschwätzige Fische. Sie erzählten, daß der neue Großkönig Dareios Mühe hatte, sich in den fernen Gebieten seines Reichs durchzusetzen. Daß die Herren der westlichen Satrapien zunächst allein mit Parmenions Heer fertigwerden mußten, das schon unter Philipp nach Asien gekommen war. Daß die meisten hellenischen Städte an der asiatischen Küste nicht bereit waren, einen Aufstand gegen die Perser zu wagen, solange Persiens Macht nicht gebrochen war.«

Der sterbende Philosoph schloß die Augen, als könne er so besser die Schätze seiner Erinnerung überprüfen. Schnell, halblaut, mit wohlerwogenen Sätzen schilderte er die Lage, die Alexander zwölfeinhalb Jahre zuvor hatte erkennen und verändern müssen.

Nach der Hinrichtung des Verräters Attalos war Parmenion, nun alleiniger Befehlshaber des Heers in Asien, weit nach Süden vorgestoßen. Die Satrapen des Westens ließen sich Zeit mit dem Gegenstoß; zu klein war Parmenions Heer, als daß es sie allzu sehr beunruhigt hätte, trotz der List und Kühnheit des Feldherrn. Persische Kerntruppen, verstärkt von Aushebungen in den Küstenländern und einer großen Anzahl hellenischer Söldner unter der Führung des erfahrenen Memnon, brachten Parmenion zum Stehen und trieben ihn langsam zurück nach Norden, zum Hellespont, wo er sich mit seinen Kämpfern für den Winter verschanzte. Die persischen Kräfte, auf verschiedene Winterlager verteilt, waren zu weit entfernt, um Alexanders Übergang zu behindern; und Alexander kam früher als erwartet, als das Frühjahr kaum begonnen hatte. Wären sie näher gewesen, hätten sie den Übergang dennoch kaum verhindern können – Parmenions Heer konnte ihn abschirmen, oder es konnte aufbrechen und die Perser hinter sich herziehen.

»All dies«, sagte Aristoteles, »war zwei Jahre lang in allen Einzelheiten vorbereitet und geplant worden. Mit Landkarten, auf denen die Wege und Höhenzüge und Pässe verzeichnet waren, mit genauer Kenntnis aller Brunnen, aller Dörfer, aller Städte und ihrer Befestigungen; mit eingehenden Erforschungen der Familienverhältnisse und des Besitzes aller persischen Fürsten. Mit Berechnungen darüber, wieviel Vorrat und Kriegsgerät zu welcher Zeit an welchen Ort geliefert, welche Festungen und befestigten Häfen zuerst erobert, eh, befreit werden sollten. Und mit den Zielen.«

»Was waren diese Ziele – deiner Meinung nach?«

Aristoteles lächelte spöttisch. »Meiner Meinung nach? Frag nach meinem Wissen, Freund, nicht nach Vermutungen. Bei einigen Beratungen war ich anwesend, da ich einige Landstriche südlich der...

Erscheint lt. Verlag 30.1.2013
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Schlagworte Antike • Antike, Griechenland, Makedonien, Weltreich, Persien, Philipp II., Aristoteles, Film, Oliver Stone • Aristoteles • eBooks • Film • Griechenland • Historische Romane • Makedonien • Oliver Stone • Persien • Philipp II. • Weltreich
ISBN-10 3-641-10759-8 / 3641107598
ISBN-13 978-3-641-10759-8 / 9783641107598
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