Erfolg (eBook)

Drei Jahre Geschichte einer Provinz
eBook Download: EPUB
2013 | 1. Auflage
878 Seiten
Aufbau digital (Verlag)
978-3-8412-0616-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Erfolg - Lion Feuchtwanger
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Ein packender Zeitroman. Der Münchner Museumsdirektor Martin Krüger hat sich unbeliebt gemacht. Er hat Gemälde gekauft, die nicht allen gefallen. Einige Leute wären ihn gerne los. Der Meineidprozess, den man ihm anhängt, geht deshalb auch nicht gut für ihn aus und er landet im Gefängnis. Doch er hat Freunde, die seine Unschuld zu beweisen versuchen ... 'Der Roman >Erfolg< ist mehr als nur >das Buch Bayern<, er weitet sich zu einer Geschichte der allgemeinen deutschen Zustände in der Epoche des beginnenden Nazismus aus.' Victor Klemperer.

Lion Feuchtwanger, 1884-1958, war Romancier und Weltbürger. Seine Romane erreichten Millionenauflagen und sind in über 20 Sprachen erschienen. Als Lion Feuchtwanger mit 74 Jahren starb, galt er als einer der bedeutendsten Schriftsteller deutscher Sprache. Die Lebensstationen von München über Berlin, seine ausgedehnten Reisen bis nach Afrika, das Exil im französischen Sanary-sur-Mer und im kalifornischen Pacific Palisades haben den Schriftsteller, dessen unermüdliche Schaffenskraft selbst von seinem Nachbarn in Kalifornien, Thomas Mann, bestaunt wurde, zu einem ungewöhnlich breiten Wissen und kulturhistorischen Verständnis geführt. 15 Romane sowie Theaterstücke, Kurzgeschichten, Berichte, Skizzen, Kritiken und Rezensionen hatten den Freund und Mitarbeiter Bertold Brechts zum 'Meister des historischen und des Zeitromans' (Wilhelm von Sternburg) reifen lassen. Mit seiner 'Wartesaal-Trilogie' erwies sich der aufklärerische Humanist als hellsichtiger Chronist Nazi-Deutschlands.

1
Josef und seine Brüder


In der staatlichen Sammlung moderner Meister in München hing im ersten Jahr nach dem Krieg mehrere Monate hindurch im Saal VI ein großes Gemälde, vor dem sich oft Leute ansammelten. Es stellte dar einen kräftigen Mann in mittleren Jahren, der, ein starkes Lächeln um die festen Lippen, aus langen, tiefliegenden Augen auf eine Schar von Männern schaute, die gekränkt vor ihm standen. Es waren ältere Männer von gehaltenem Aussehen, die Gesichter verschieden: offen, verkniffen, gewalttätig, behaglich. Eines aber hatten alle gemeinsam. Sie standen fest und satt da, bieder, überzeugt von sich und ihrer Sache. Es war offenbar ein übler Mißgriff vorgekommen, so daß sie mit Recht beleidigt, ja erbittert waren. Nur ein ganz junger Mensch unter ihnen, trotzdem ihn die Polizisten im Hintergrund besonders scharf beobachteten, hatte nicht diese gekränkte Miene. Vielmehr schaute er aufmerksam und vertrauend auf den Mann mit den langen Augen, der hier sichtlich als Herr und Richter fungierte.

Die Menschen des Bildes und ihre Erlebnisse muteten bekannt an und fremd zugleich. Ihre Kleider konnten auch heute getragen werden, doch war mit Sorgfalt alles Modische vermieden, so daß man nicht erkannte, welchem Volk und welcher Zeit sie angehörten. Suchte man im Katalog nach dem Bild, so fand man unter Nummer 1437 als den Maler einen Franz Landholzer, als Bezeichnung des Bildes:

Josef und seine Brüder

oder: Gerechtigkeit

(310 x 190)

Von dem Maler Franz Landholzer waren andere Werke nicht bekannt. Der Erwerb des Bildes durch den Staat hatte Lärm gemacht. Der Maler war nicht sichtbar geworden. Er sei ein Sonderling, hieß es, lebe vagabundierend auf dem Land, habe unangenehme, aggressive Manieren.

Die zünftige Kritik hatte mit dem Bild nicht viel anzufangen gewußt. Es war schwer einzuregistrieren. Ein Rest von Dilettantismus, von Nichtroutine war unverkennbar, schien mit Absicht ans Licht gestellt. Die seltsam außermodische, klobige Art der Malerei, trotzdem sie so wenig sensationell war wie der Gegenstand, brachte manchen Kritiker auf. Auch der Untertitel »Gerechtigkeit« wirkte aggressiv. Die konservativen Blätter lehnten ab. Die Neuerer verteidigten das Werk, ohne Schwung.

Ehrliche sprachen aus, daß die fraglos starke Wirkung mit dem üblichen Vokabular der Kunstkritik nicht zu erklären sei. Viele Beschauer kamen immer wieder vor das Bild zurück, viele dachten über den Gegenstand nach, viele schlugen die Bibel auf. Da fanden sie die Geschichte von dem Spaß, den Josef mit seinen Brüdern macht, nachdem sie ihn, weil er ihnen bei ihrem Vater im Wege steht und weil er überhaupt anders ist als sie, verkauft haben, und nachdem er ein großer Herr geworden ist, Ernährungsminister des reichen Landes Ägypten. Sie kommen zu ihm, erkennen ihn nicht und wollen ein Getreidegeschäft mit ihm machen. Er aber läßt den Heimkehrenden einen silbernen Becher in ihr Gepäck hineinpraktizieren und die Unschuldigen wegen Diebstahls verhaften. Worauf sie mit Recht empört sind und beteuern, sie seien anständige Leute.

Diese anständigen Leute also hatte der Maler des Bildes Nummer 1437 gemalt. Sie stehen da. Sie sind erbittert und verlangen ihr Recht. Sie sind gekommen, mit einem hohen Staatsbeamten einen für beide Teile vorteilhaften Abschluß zu tätigen. Nun traut man ihnen zu, sie hätten einen silbernen Becher mitgehen lassen. Sie haben vergessen, daß sie einmal einen gewissen Knaben verkauft haben, der ihr Bruder war; denn das ist lange Jahre her. Sie sind sehr empört, aber sie benehmen sich würdig. Und der Mann lächelt sie an aus seinen langen Augen, und im Hintergrund die Polizisten stehen dienstwillig und etwas stumpf, und das Bild heißt »Gerechtigkeit«.

Übrigens verschwand Nummer 1437 nach einigen Monaten wieder aus der staatlichen Galerie. Ein paar Zeitungen brachten Glossen über dieses Verschwinden, viele Besucher vermißten »Josef und seine Brüder« mit Bedauern. Aber dann verstummten die Zeitungen, allmählich verstummten auch die Fragen der Besucher, und das Bild wurde wie sein Maler vergessen.

2
Zwei Minister


Der Justizminister Dr. Otto Klenk schickte trotz des Regens das wartende Auto nach Hause. Er kam aus dem Abonnementskonzert der musikalischen Akademie, angenehm erregt. Er wird jetzt etwas spazierengehn, später vielleicht noch ein Glas Wein trinken.

Den Lodenmantel, den er liebte, um die Schultern, die Brahmssche Sinfonie noch im Ohr, die Pfeife wie stets im Mund, trottete der kräftige, hochgewachsene Mann behaglich durch den gleichmäßigen Regen der Juninacht. Er bog in den weitläufigen Stadtpark ein, den Englischen Garten. Die alten, großen Bäume trieften, der Rasen roch erquicklich. Es ging sich angenehm in der reinen Luft der bayrischen Hochebene.

Der Justizminister Dr. Klenk nahm den Hut von dem braunroten Schädel. Er hat einen arbeitsvollen Tag hinter sich, aber jetzt hat er etwas Musik gehört. Gute Musik. Die Nörgler mögen sagen, was sie wollen, gute Musik macht man in München. Er hatte seine Pfeife im Mund, eine Nacht ohne Geschäfte vor sich. Er fühlte sich frisch wie auf seiner Jagd im Gebirg.

Eigentlich ging es ihm gut, ausgezeichnet ging es ihm. Er liebte es, Bilanz zu machen, festzustellen, wie es um ihn stand. Er war siebenundvierzig Jahre alt, kein Alter für einen gesunden Mann. Seine Nieren sind nicht ganz in Ordnung, vermutlich wird es einmal sein Nierenleiden sein, an dem er abkratzt. Aber fünfzehn, zwanzig Jahre hat das noch Zeit. Seine beiden Kinder sind gestorben, von seiner Frau, der dürftigen, gutmütigen, eingetrockneten Geiß, hat er Nachwuchs nicht mehr zu erwarten. Aber draußen der Simon, der Bams, den er von der Veronika hat, die jetzt auf seiner Besitzung Berchtoldszell im Gebirg den Haushalt führt, gedeiht ausgezeichnet. Er hat ihn in der Filiale der Staatsbank in Allertshausen untergebracht. Dort wird er Karriere machen; er, der Minister, wird noch gutgestellte Enkel erleben.

Soweit ging es ihm weder gut noch schlecht. Allein in seinem Beruf, da ging es besser als mittelmäßig, da fehlte sich nichts. Seit einem Jahr jetzt hat er sein Ministerium inne, verwaltet er die Justiz des Landes Bayern, das er liebt. Es war mächtig vorangegangen in diesem Jahr. Wie er durch den riesigen Körper, durch den langen, rotbraunen Schädel herausstach aus seinen zumeist kleinen, rundköpfigen Ministerkollegen, so auch fühlte er sich durch Herkunft, Manieren, Gehirn ihnen überlegen. Es war hergebracht seit der Überwindung der Revolution, daß die besseren Köpfe der herrschenden Schicht sich von der Regierung des kleinen Landes zurückhielten. Sie schickten subalterne Leute ins Kabinett, begnügten sich, aus dem Hintergrund zu dirigieren. Man hatte sich gewundert, daß er, von großbürgerlicher Herkunft, ein guter Kopf, in die Regierung eintrat. Aber er fühlte sich sauwohl darin, raufte sich voll Passion herum mit den Gegnern im Parlament, trieb volkstümliche Justizpolitik.

Vergnügt stapfte er unter den triefenden Bäumen. In dem knappen Jahr, in dem er daran war, hat er gezeigt, daß er Schmalz in den Armen hat. Da ist der Prozeß Woditschka, durch den er die bayrische Eisenbahn verteidigt und das Reich hineingelegt hat, da ist der Prozeß Hornauer, durch den er die bodenständige Brauindustrie vor einer scheußlichen Blamage bewahrte. Da ist jetzt vor allem der Prozeß Krüger. Seinetwegen hätte dieser Krüger, bis er schwarz wird, Subdirektor der staatlichen Sammlungen bleiben können. Er hatte nichts gegen den Krüger. Nicht einmal, daß er die mißliebigen Bilder in die Staatsgalerie gehängt hat, nahm er ihm übel; er selber hatte Sinn für Bilder. Aber daß er auftrumpfte, der Krüger, daß er, pochend auf seine feste, lebenslängliche Anstellung, sich mokierte, die Regierung könne ihm den Arsch lecken, das ging zu weit. Man hatte es sich gefallen lassen müssen, zunächst. Der Flaucher, der Kultusminister, der traurige Hund, war nicht fertig geworden mit dem Krüger. Aber da hat er, Klenk, seine ausgezeichnete Idee gehabt und den Prozeß auffahren lassen.

Er lächelte breit, klopfte an seiner Pfeife herum, brummelte mit seinem mächtigen Baß Melodien aus der Brahms-Sinfonie, schnupperte den Geruch der Wiesen ein und des langsam aufhörenden Regens. Immer wenn er an seinen Kollegen vom Kultusministerium dachte, war er vergnügt. Dieser Dr. Flaucher war so recht der Typ jener bäuerlich kleinbürgerlichen Beamten, wie sie die Partei ins Kabinett vorzuschicken liebte. Ihm, Klenk, machte es Freude, sich an ihm zu reiben. Es war amüsant, wie der schwere, plumpe Mensch, wurde er gereizt, hilflos den Kopf vorstieß, wie die kleinen Augen aus dem dicken, viereckigen Schädel bösartig den Feind anfunkelten, wie dann irgendeine klobige, salzlose Grobheit kam, von ihm, Klenk, mühelos pariert.

Der Mann im Lodenmantel streckte den Handrücken aus, konstatierte, daß der Regen so gut wie aufgehört hatte, schüttelte sich, machte kehrt. Er hatte einen Spaß vor. Der Flaucher hatte von Anfang an den Prozeß Krüger möglichst groß aufziehen, eine sensationelle Sache daraus machen wollen. Scheußliche Lackl schickten einem die Schwarzen jetzt als Kollegen ins Kabinett. Immer wollten diese gescherten Rammel Zeugnis ablegen, Trümpfe auf den Tisch hauen, Justament schreien. Er, Klenk, wollte die Sache mit Krüger leise abmachen, elegant. Schließlich war es keine Kulturtat, einen Mann vom Verwaltungssessel der staatlichen Galerien weg ins Zuchthaus zu schicken, weil er abgeschworen hatte, mit einer Frau geschlafen zu haben. Aber der Flaucher blökte in die Welt hinaus, ließ alle...

Erscheint lt. Verlag 16.1.2013
Reihe/Serie Feuchtwanger GW in Einzelbänden
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Klassiker / Moderne Klassiker
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 20er Jahre • Bayern • Feuchtwanger • Lion Feuchtwanger • Meineid • München • Prozess • Roman • Wartesaal-Trilogie • Zeitroman
ISBN-10 3-8412-0616-6 / 3841206166
ISBN-13 978-3-8412-0616-9 / 9783841206169
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