Goya oder Der arge Weg der Erkenntnis (eBook)

Roman
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2013 | 1. Auflage
661 Seiten
Aufbau Verlag
978-3-8412-0614-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Goya oder Der arge Weg der Erkenntnis -  Lion Feuchtwanger
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Ein farbenprächtiger Künstlerroman Der spanischen Inquisition sind die 'Caprichos' des Malers Francisco de Goya überbracht worden, ketzerische Zeichnungen, Visionen des Schreckens, Bilder der Anklage. Es scheint nur eine Frage der Zeit, bis das Heilige Tribunal den Ketzer und sein Werk vernichten wird. Aber die kühne, eigenwillige Kunst Goyas triumphiert über klerikale Willkür.



Lion Feuchtwanger, 1884-1958, war Romancier und Weltbürger. Seine Romane erreichten Millionenauflagen und sind in über 20 Sprachen erschienen. Als Lion Feuchtwanger mit 74 Jahren starb, galt er als einer der bedeutendsten Schriftsteller deutscher Sprache. Die Lebensstationen von München über Berlin, seine ausgedehnten Reisen bis nach Afrika, das Exil im französischen Sanary-sur-Mer und im kalifornischen Pacific Palisades haben den Schriftsteller, dessen unermüdliche Schaffenskraft selbst von seinem Nachbarn in Kalifornien, Thomas Mann, bestaunt wurde, zu einem ungewöhnlich breiten Wissen und kulturhistorischen Verständnis geführt. 15 Romane sowie Theaterstücke, Kurzgeschichten, Berichte, Skizzen, Kritiken und Rezensionen hatten den Freund und Mitarbeiter Bertold Brechts zum 'Meister des historischen und des Zeitromans' (Wilhelm von Sternburg) reifen lassen. Mit seiner 'Wartesaal-Trilogie' erwies sich der aufklärerische Humanist als hellsichtiger Chronist Nazi-Deutschlands.

1


Im Jahre 1478 hatten die katholischen Herrscher Ferdinand und Isabella ein Sondertribunal eingesetzt zur Verfolgung aller Verbrechen gegen die Religion. Das war geschehen nach der Niederkämpfung der Araber, als es galt, die mühsam hergestellte Einheit des Reiches durch die Einheit des Glaubens zu wahren. »Eine Herde, ein Hirt, ein Glaube, ein König, ein Schwert«, hatte damals der Dichter Hernando Acuña gesungen.

Dieses geistliche Gericht, die Inquisition, das Heilige Offizium, hatte seine Pflicht getan. Ausgespäht, ausgetrieben, ausgetilgt waren die Araber und Juden, desgleichen alle jene, die ihre subversive Gesinnung hinter der Maske des katholischen Glaubens zu verbergen gesucht hatten: die heimlichen Mauren und Juden, die Moriscos, die Judaisantes, die Marranen.

Aber als die Inquisition diese ihre Aufgabe erfüllt hatte, war sie zu einer selbständigen Macht innerhalb des Staates geworden. Zwar beschränkte sich dem Namen nach ihre Tätigkeit auf die Ausfindung und Bestrafung der Ketzerei. Aber was alles war nicht Ketzerei? Ketzerei war zunächst jede Ansicht, die gegen ein Dogma der katholischen Kirche verstieß, und somit fiel der Inquisition die Aufgabe zu, alles Geschriebene, Gedruckte, Gesprochene, Gesungene und Getanzte zu zensieren. Ketzerei war weiterhin jede für die Allgemeinheit wichtige Tätigkeit, wenn sie von dem Abkömmling eines Ketzers ausgeübt wurde. Somit hatte das Heilige Offizium die Pflicht, die Reinblütigkeit aller derer nachzuprüfen, die um ein Amt nachsuchten. Jeglicher Anwärter mußte seine »limpieza« erweisen, seine Abstammung von altchristlichen Eltern und Ureltern; es durfte unter seinen Ahnen kein Maure oder Jude gewesen sein. Solche Gutachten ausstellen konnte nur die Inquisition. Sie konnte die Untersuchung nach Belieben hinausziehen, sie konnte dafür beliebig hohe Gebühren berechnen, die letzte Entscheidung, ob ein Spanier im Staatsdienst beschäftigt werden konnte, war in ihre Hand gegeben. Ketzerei war aber auch Fluchen, die Darstellung des Nackten, Bigamie, unnatürliche Unzucht. Ketzerei war Wucher, da er in der Bibel verboten war. Sogar der Pferdehandel mit Nichtspaniern war Ketzerei, weil solcher Handel den Ungläubigen jenseits der Pyrenäen Vorteile bringen konnte.

Durch solche Interpretierung ihres Amtsbereiches riß die Inquisition immer mehr Rechte der Krone an sich und untergrub die Autorität des Staates.

Alljährlich schrieb das Heilige Offizium einen Feiertag aus, um an ihm das sogenannte Glaubensedikt zu verkünden. In diesem Erlaß wurden diejenigen, die sich ketzerischer Neigungen schuldig fühlten, ermahnt, sich selber innerhalb einer Gnadenfrist von dreißig Tagen bei dem Heiligen Tribunal zu bezichtigen. Weiterhin wurden alle Gläubigen aufgefordert, jegliche Ketzerei anzuzeigen, von der sie erfahren hätten. Es wurde eine lange Liste verdächtiger Handlungen aufgezählt. Auf heimliche Ketzerei wiesen hin alle jüdischen Bräuche, das Anzünden von Kerzen am Freitagabend, das Wechseln der Wäsche zum Sabbat, das Nichtessen von Schweinefleisch, das Händewaschen vor jeder Mahlzeit. Auf ketzerische Neigungen hin wies die Lektüre fremdsprachlicher Bücher wie überhaupt häufiges Lesen profaner Werke. Kinder hatten ihre Eltern, Ehemann oder Ehefrau den Partner anzuzeigen, sowie sie Verdächtiges bemerkten, sonst verfielen sie der Exkommunikation.

Beklemmend war die Heimlichkeit, mit der das Tribunal vorging. Die Bezichtigung hatte heimlich zu erfolgen; schwerer Strafe schuldig machte sich, wer den Beschuldigten von der Anklage verständigte. Geringe Indizien genügten dem Gericht, um Verhaftung zu verfügen, und keiner wagte, nach denen zu fragen, die in den Kerkern der Inquisition verschwanden. Anzeiger, Zeugen, Angeklagte wurden eidlich zum Schweigen verpflichtet, ein Verstoß gegen den Eid wurde ebenso bestraft wie die Ketzerei selber.

Leugnete der Inkriminierte oder beharrte er in seinem Irrtum, so wurde die Folter angewandt. Um die Bezahlung der Folterknechte zu sparen, forderte die Inquisition manchmal hohe Zivilbeamte auf, die gottgefällige Tätigkeit umsonst auszuüben. Wie alle Phasen der Prozedur vollzog sich die Folterung nach peinlich genauen Vorschriften, in Anwesenheit eines Arztes und eines Sekretärs, der jede Einzelheit protokollierte. Mit Nachdruck, durch die Jahrhunderte hindurch, betonten die geistlichen Richter, daß sie das widerwärtige Mittel der Folter aus Barmherzigkeit anwendeten, um nämlich den Verstockten von seiner Ketzerei zu befreien und ihn auf den Weg der wahren Erkenntnis zu führen.

Gestand und bereute der Beschuldigte, so wurde er dadurch »mit der Kirche ausgesöhnt«. Die Aussöhnung war verknüpft mit einer Buße; es wurde etwa der Auszusöhnende gegeißelt oder in öffentlicher Prozession im Schandkleid durch die Stadt geführt, oder er wurde den weltlichen Behörden überstellt zur Abbüßung einer drei- bis achtjährigen, manchmal auch lebenslänglichen Galeerenstrafe. Das Vermögen des Büßenden wurde konfisziert, zuweilen auch sein Haus zerstört; er und seine Nachfahren bis ins fünfte Geschlecht blieben unfähig, ein Amt zu bekleiden oder einen angesehenen Beruf auszuüben.

Das Heilige Tribunal hielt am Prinzip der Milde fest, selbst wenn der Ketzer nicht gestand oder nur ein teilweises Schuldbekenntnis ablegte. Die Kirche tötete den Sünder nicht; wohl aber stieß sie den hartnäckigen oder rückfälligen Verbrecher aus ihrer Gemeinschaft aus und übergab ihn den weltlichen Behörden. Auch diesen empfahl sie die Vermeidung des Richtschwertes, forderte sie aber auf zur Beherzigung des Schriftverses: »Wer nicht in mir bleibt, der wird weggeworfen wie eine Rebe und verdorrt, und man sammelt sie und wirft sie ins Feuer, und sie müssen brennen.« Demzufolge verbrannte die weltliche Behörde die weggeworfenen Reben, die aus der Gemeinschaft Ausgestoßenen, und zwar lebendigen Leibes. Ging es um einen toten Ketzer, so wurde der Leichnam ausgegraben und verbrannt. Gestand der Ketzer noch nach der Verurteilung, so wurde er erdrosselt und nur seine Leiche verbrannt. War der Ketzer geflohen, so wurde er im Bilde verbrannt. Immer wurde sein Vermögen konfisziert; einen Teil der verfallenen Güter erhielt der Staat, einen Teil die Inquisition.

Die Inquisition war sehr wohlhabend, Freisprüche erfolgten selten. Die Gesamtzahl derjenigen, die von der Inquisition in Spanien seit deren Bestehen bis zur Krönung Carlos’ IV. verbrannt oder mit schwerster Strafe belegt wurden, betrug 348 907.

So geheim das Verfahren der Inquisition war, mit so pomphafter Öffentlichkeit wurden ihre Urteile verkündigt und vollzogen. Verkündung und Vollziehung des Urteils wurde »Glaubensakt« genannt, »Glaubenskundgebung, Glaubensmanifest, Auto de Fe«. Daran teilzunehmen galt als gottgefällige Handlung. Prächtige Prozessionen zogen auf, feierlich wurde die Standarte der Inquisition enthüllt, auf riesigen Tribünen saßen die zivilen und die geistlichen Würdenträger. Jeder einzelne Verbrecher wurde aufgerufen und vorgeführt, angetan mit dem Schandhemd und dem hohen, spitzen Ketzerhut, sein Urteil wurde ihm mit schallender Stimme verkündet. Zum Quemadero, zum Verbrennungsplatz, wurden die Verurteilten mit großem Aufgebot von Militär geführt. Der Verbrennung der Ketzer schaute die Menge mit einer Gier zu, welche die Entzückungen des Stierkampfes übertraf, und wenn zu viele Sünder nach der Verurteilung bereut hatten, so daß sie mit der Erdrosselung davonkamen und nicht brennen mußten, dann murrten die Zuschauer.

Häufig wurden solche »Glaubensakte« gehalten zur Feier freudiger Ereignisse, der Thronbesteigung oder Hochzeit eines Königs oder der Geburt eines Thronfolgers; dann wurde der Scheiterhaufen von einem Mitglied der königlichen Familie angezündet.

Über jedes Autodafé wurden Berichte veröffentlicht, die von kundigen geistlichen Schriftstellern verfaßt waren. Diese Berichte waren sehr beliebt. Da erzählt etwa der Padre Garau von einem Autodafé auf der Insel Mallorca. Wie da drei verstockte Sünder den Feuertod fanden und wie sie, als die Flammen sie erreichten, verzweifelt vom Pfahl los wollten. Der Ketzer Benito Terongi riß sich wirklich los, doch nur um in die Flammen zu seiner Linken zu fallen. Seine Schwester Catalina, die sich vorher gerühmt hatte, sie werde sich selber in die Flammen stürzen, schrie und winselte, man solle sie losbinden. Der Ketzer Rafael Valla stand zuerst bewegungslos wie eine Statue im Rauch, aber als die Flammen ihn berührten, wand und krümmte er sich. Er war fett und rosig wie ein zullendes Ferkel, und als man außen an seinem Körper keine Flammen mehr sah, brannte er innen weiter, sein Leib brach auf, seine Eingeweide fielen heraus wie die des Judas. Das Büchlein des Padre Garau »La Fe Triunfante«, »Der triumphierende Glaube«, hatte besondern Erfolg, es erreichte vierzehn Auflagen, eine letzte in den Zeiten Francisco Goyas.

Manche unter den Inquisitoren wurden von reinem Eifer für den Glauben getrieben, andere nützten ihre Autorität zur Befriedigung ihrer Machtgier, Habsucht, Fleischeslust. Die Erzählungen entkommener Opfer mögen übertrieben sein, doch zeigt das Manuale der Inquisition, ihre Prozeßordnung, wie leicht es den geistlichen Richtern gemacht war, nach Belieben vorzugehen, und die Akten beweisen, wie willkürlich sie verfuhren.

Die Inquisition rühmte sich, sie habe, alle hispanischen Menschen im katholischen Glauben vereinigend, die Halbinsel vor den Glaubenskriegen bewahrt, welche das übrige Europa heimsuchten. Aber dieses Erreichnis war teuer erkauft. Die Inquisition hatte den Spaniern die Überzeugung beigebracht, wichtiger als ein sittlicher...

Erscheint lt. Verlag 11.1.2013
Nachwort Fritz Rudolf Fries
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Klassiker / Moderne Klassiker
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Antike • Augenblicke • Biografischer Roman • Charaktere • Epochen • Ereignisse • Feuchtwanger • Francisco de Goya • Geschichte • Goya • Historischer Roman • Inquisition • Kalifenreich • Ketzer • Kleopatra • Kunst • Künstlerroman • Kurzgeschichten • Lion Feuchtwanger • Maler • Malerei • Neuzeit • Platon • Roman • Spanien • Tribunal • Weltgeschichte • Willkür
ISBN-10 3-8412-0614-X / 384120614X
ISBN-13 978-3-8412-0614-5 / 9783841206145
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