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Die Frauen der Wolkenraths (eBook)

Die Geschichte der Wolkenraths (Band 1)

(Autor)

eBook Download: EPUB
2012 | 1. Auflage
496 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-402646-6 (ISBN)
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Manchmal sagen Träume die Wahrheit Dresden im Jahr 1889: Die zwanzigjährige Käthe Volpert heiratet den zehn Jahre älteren Alexander Wolkenrath. Er ist ein eleganter Mann, jeder Zoll ein Kavalier ... dass er aus einer verarmten Familie stammt und nichts gelernt hat, stört Käthe wenig. Sie bekommen fünf Kinder, drei Söhne und zwei Töchter. Die Mädchen - beide an einem 13. geboren - entwickeln ganz unterschiedliche, außergewöhnliche Fähigkeiten. Die Verantwortung für die große Familie liegt allein bei Käthe. Als sie Dresden schließlich verlassen müssen, ist sie froh, dass sie in einer Urne - getarnt als die Asche ihrer Großmutter - einen Notgroschen dabei hat. Wird ihr der Beutel voller Goldtaler, den sie einst im Hochzeitskleid ihrer toten Mutter gefunden hat, helfen, die Zukunft zu meistern?

Elke Vesper hat selbst viele Jahre in dem Haus in der Kippingstraße gelebt, in dem sie ihre Familie Wolkenrath angesiedelt hat. Sie hat zahlreiche Romane veröffentlicht, in denen starke Frauenfiguren eine zentrale Rolle spielen. Elke Vesper arbeitet neben dem Schreiben als Psychotherapeutin, hat drei erwachsene Kinder und lebt in Hamburg.

Elke Vesper hat selbst viele Jahre in dem Haus in der Kippingstraße gelebt, in dem sie ihre Familie Wolkenrath angesiedelt hat. Sie hat zahlreiche Romane veröffentlicht, in denen starke Frauenfiguren eine zentrale Rolle spielen. Elke Vesper arbeitet neben dem Schreiben als Psychotherapeutin, hat drei erwachsene Kinder und lebt in Hamburg.

1


Sie konnte sich noch so sehr dagegen wehren: Der Geruch von Lavendel ließ sie stets an die Mutter denken. Ein scharfer bitterer Gedanke an Tod.

Dabei war sie heute zum ersten Mal seit der Beerdigung mit diesem Gefühl aufgewacht, das sie für immer verloren geglaubt hatte: eine erwartungsfrohe Neugier auf den Tag. Heute wird etwas Besonderes geschehen, hatte sie gedacht und war voller Vorfreude aus dem Bett gesprungen.

Doch dann schüttete sie Wasser aus der hohen Porzellankanne in die dazugehörige Schüssel und griff nach der Seife, die in einem zierlichen, im Mohnblumenmuster zu Kanne und Schüssel passenden Schälchen lag. Kaum hatte Käthe begonnen, ihre Hände damit einzureiben, brach ihre frohe Stimmung jäh in sich zusammen. Lavendelduft stieg zart in ihre Nase. In ihrer Magengegend ballte sich ein trauriger Kloß zusammen. Es ist unvermeidbar, dachte sie, ich werde nie wieder fröhlich sein.

Sie beendete ihre Morgentoilette, nun selbst nach Lavendel duftend, bürstete ihre dicken Haare und sah einen Moment lang verblüfft in den Spiegel, da ein Strahl der Morgensonne ihr Haar wie einen Heiligenschein von glühendem Kupfer um ihren Kopf erstrahlen ließ. Da war der Sonnenstrahl vorüber, und ihre Haare sahen aus wie immer: ein ärgerliches Rotblond, an Schläfen und Nacken so aufdringlich geringelt, dass es sich trotz Zopf und Haube nicht anständig verbergen ließ.

Sie flocht zwei Zöpfe, verschlang sie im Nacken in gegenläufiger Richtung und steckte sie oben auf dem Kopf fest, sodass es aussah, als trüge sie einen Kranz. Sie prüfte im Spiegel, ob sie nun endlich ein sittsames Bild abgab. Doch erst, als die weiße gestärkte Haube unter ihrem Kinn mit einer Schleife festgezurrt war, fühlte sie sich gerüstet, der Welt entgegenzutreten. Nun noch die zur Haube passende Schürze über das dunkelblaue Kleid, und sie war bereit für ihre tägliche Arbeit.

Später an jenem Tag im Mai 1889 wird Käthe sich zweimal an ihr morgendliches Gefühl von erwartungsfroher Neugier erinnern. Bis dahin allerdings wird sie es vollkommen vergessen.

 

Käthe war still, bescheiden und fleißig und so gesehen die perfekte Tochter eines Witwers, der als angesehener Dresdner Tischlermeister eine Frau brauchte, die die Aufgaben der Meisterin erfüllte.

Als Mädchen war Käthe entzückend gewesen, rund und rosig, mit Wangengrübchen, blonden Löckchen und großen blauen Augen. Als ihre Mutter durch einige geschickte Versuche feststellte, dass sie auch noch intelligent war, begann sie das Kind im Verborgenen mit einer anderen Welt als der für Mädchen ihres Standes üblichen vertraut zu machen. Käthe lernte nicht nur lesen und schreiben, dem Vater die Bücher zu führen, der Mutter im Haushalt zur Hand zu gehen, sondern sie verschlang bald alle Romane, die die Mutter heimlich kaufte, denn der Vater hielt solche Lektüre für unnützes Zeug.

Als Käthe einmal zufällig der Lesestoff ausgegangen war, machte sie sich aus Langeweile über die Zeitung des Vaters her, und bald gehörte die Lektüre der Dresdner Nachrichten zu ihrer täglichen Beschäftigung.

Das bereitete den Boden für eine politische Komplizenschaft mit dem Vater. Er hatte immer schon mit seinen beiden Gesellen und den zur Bescheidenheit angehaltenen Lehrlingen am Mittagstisch über Politik gesprochen. Als Käthe zehn Jahre alt war, wagte sie einen scheuen Einwurf und wurde vom Vater mit einer strengen Rüge zum Schweigen gebracht. Später dann aber, unter vier Augen, forderte er sie auf, ihm ihre Kenntnis und Meinung mitzuteilen. Dies war der Beginn eines regen Gedankenaustauschs zwischen Vater und Tochter, der allerdings ebenso geheim gehalten wurde wie die Gespräche zwischen Mutter und Tochter über Romane, Theaterstücke, Musik und Schauspieler.

So wuchs Käthe mit Übung im Geheimhalten auf. Es war ihr nicht einmal bewusst, dass es sich um Geheimnisse handelte, für sie gehörten sie zum Regelwerk, das ihr Leben ordnete. Ebenso wie das Verbergen ihres kupferblonden Schopfes vor der Welt, einschließlich dem Vater.

Hexenstroh, hatte der Vater scherzhaft kommentiert, als die blonden Haare der ungefähr fünfjährigen Käthe eine kupferrote Farbe annahmen. Das Wort war nie wieder gefallen, aber es hatte sich in Käthe eingebrannt, obgleich ihre Mutter ihr täglich Komplimente wegen ihrer kräftigen Haarpracht gemacht hatte. Der Mutter hatte es Freude bereitet, Käthes Haare zu waschen und zu bürsten, bis sie ihr glänzend über Brüste und Rücken fielen. Seit ihrem Tod vor einem halben Jahr quälte Käthe sich alleine damit ab.

 

Eckhard Volpert, Käthes Vater und angesehener Handwerksmeister in Dresden, hatte seine Fehler, aber er war ein ehrlicher Mensch. Wenn er früher seine Frau Charlotte und neuerdings seine Tochter Käthe in aller Strenge dazu anhielt, mit einem Betrag hauszuhalten, der sie dazu zwang, stundenlang Knochen auszukochen, um wenigstens die Andeutung eines Fleischgeschmacks in den Eintopf zu zwingen, so führten sie es auf seine Zuverlässigkeit zurück, mit der er seine Familie sowie den ganzen Handwerksbetrieb am Leben hielt. Auch dass er Käthe seit dem Tod der Mutter selbstverständlich zumutete, von morgens halb sechs Uhr bis abends spät tätig zu sein, um den gesamten Haushalt einschließlich des Kochens zu besorgen, nur unterstützt durch ein dreizehnjähriges Mädchen, das kaum etwas kostete, so erklärte Käthe dies nicht mit seinem Geiz, sondern damit, dass Fleiß und Mäßigung menschliche Tugenden waren, die der Vater nicht nur anderen abverlangte, sondern auch sich selbst.

Außerdem arbeitete sie gern. Während sie das Haus putzte und das Essen vorbereitete, summte sie in Gedanken und Träumen verloren vor sich hin. Wenn sie am Waschplatz die Wäsche wusch, genoss sie das Geplapper der anderen Frauen, die es wiederum genossen, in Käthe eine stille, aufmerksame Zuhörerin zu finden.

Es gab im Wohnhaus des Tischlermeisters Volpert drei Zimmer auf jeder Etage. Kein Palast und keine Hütte. Jener Tag war wie jeder Dienstag der gründlichen Reinigung der Zimmer in der ersten Etage gewidmet. Hier lag das elterliche Schlafzimmer, das nach dem Tod der Mutter in nichts verändert worden war. Selbst das dicke Federplumeau auf der rechten Seite des großen Ehebettes, wo die Mutter geschlafen hatte, wurde von Zeit zu Zeit mit frischem Leinen bezogen, obwohl Meister Volpert sich strikt auf die linke Seite beschränkte.

Zudem befand sich dort ihr eigenes Zimmer und das des ersten Gesellen. Dort hatte, solange Käthe sich erinnern konnte, der alte Ludwig gewohnt, bis er vor etwa einem Jahr am Morgen kalt und steif in seinem Bett liegen geblieben war, obwohl er sonst immer als Erster aufstand. Nach diesem plötzlichen, erschreckenden Tod nahm bald Fritz seinen Platz ein, in der Tischlerei und im Haus. Käthe kannte ihn schon aus seiner Lehrlingszeit, dennoch empfand sie stets eine leichte unerklärliche Beunruhigung, wenn sie ihm vor seinem Zimmer begegnete. Also versuchte sie, ein solches Aufeinandertreffen zu vermeiden. Und das Reinigen seines Zimmers, wie es bei Ludwig zuvor stets geschehen war, hatte Fritz sich verbeten.

Allwöchentlich schleppte Lieschen, Käthes kleine Hilfe, Wasser vom Brunnen die Treppe hinauf, wo Käthe sich zuerst dem Staubwischen widmete, denn ihre Mutter hatte sie gelehrt, immer von oben nach unten zu putzen. War sie heute besonders empfindlich, oder stank der Lavendel noch ekliger als sonst? Als sie den Schrank im elterlichen Schlafzimmer feucht auswischte, stieg der Duft ihr abermals süßlich in die Nase. Die Mutter hatte auf Lavendel geschworen, unter anderem zum Vertreiben von Motten aus Schränken. Käthe biss die Zähne zusammen, der Kloß in der Magengegend machte sie jetzt wütend. Wenn er sich in ihr einnistete, würde sie schlapp und müde werden, Gefahr laufen, aus dem Zimmer zu flüchten, am liebsten in ihr Bett, und die Decke über den Kopf ziehen. Und weinen. Endlich weinen. Wie lange hatte sie nicht geweint? Seit die Mutter zu husten begonnen hatte? Vielleicht. An die schlimme Zeit vor dem Tod erinnerte sie sich nur verschwommen, und auch kaum an die Zeit danach. Durch alle Erinnerungen waberte widerlich Lavendelduft.

Sie zwang sich, ihre kleine Melodie weiterzusummen, und packte die Kleidung der Mutter mit einem festen Griff. Die Mutter hatte einen fast schon krankhaften Ekel gegen Motten gehabt, es ging nicht an, dass Käthe sich von dem Kloß im Bauch davon abhalten ließ, ihre Kleider auszuklopfen, um etwaigen Motten den Garaus zu machen.

Die Mutter hatte schöne Kleider besessen, warme, satte Farben auf seidigen, samtigen oder duftigen Stoffen, immer üppig, immer schimmernd. Als fielen Käthe Schuppen von den Augen, erkannte sie plötzlich, dass es wertvolle Kleider waren. Unverständlich wertvolle Kleider in Anbetracht der Sparsamkeit des Meisters. Käthe hatte sich nie Gedanken darüber gemacht, hatte den Glanz der Mutter allein auf deren Schönheit zurückgeführt. Eine zierliche Frau mit schwarzen welligen Haaren und schokoladenbraunen Augen, in jeder Hinsicht anders als die kräftige rundliche Käthe.

Nachdem sie den Schrank feucht ausgewischt hatte, schüttelte sie ein Kleid nach dem andern aus, strich mit einer feinen Bürste darüber und hängte es wieder zurück. Ganz am Schluss hatte sie das Hochzeitskleid der Mutter in der Hand, eine ehemals weiße dicke Wolke aus Tüll und Seide und Spitze, die nun an manchen Stellen eine leicht gelbliche Färbung aufwies. Käthe hatte ihre Mutter manchmal in dem Kleid bewundert, wenn sie es wie zum Maskenball anprobiert hatte. Als Käthe noch schmal und zart gewesen war, hatte ihre Mutter es sogar einmal ihr angezogen, und schon damals war Käthe unter dem Gewicht fast zusammengebrochen. Jetzt allerdings,...

Erscheint lt. Verlag 27.11.2012
Reihe/Serie Die Geschichte der Wolkenraths
Die Geschichte der Wolkenraths
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 1.Weltkrieg • Dresden • Familiensaga • Hamburg • Jahrhundertwende
ISBN-10 3-10-402646-7 / 3104026467
ISBN-13 978-3-10-402646-6 / 9783104026466
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